Konstantinopel

Konstantinopel

Konstantinopel (hierzu der Stadtplan), türk. Istambol, Stambul oder Konstantanîe, griech. Konstantinupolis, levantisch-ital. Cospoli, von den Slawen Zarigrad (»Kaiserstadt«) genannt, das alte Byzanz, Haupt- und Residenzstadt des türkischen Reiches, liegt unvergleichlich schön, daher von den Türken Deri Seadet, d. h. Pforte der Glückseligkeit, genannt, unter 41° nördl. Br. und 28°58' östl. L. auf der europäischen Küste am Südausgang zum Bosporus. Es erhebt sich amphitheatralisch auf der dreieckigen Landzunge, die im N. von einer schmalen Bucht, dem Goldenen Horn, im O. vom Bosporus, im S. vom Marmarameer eingeschlossen ist und deren Westseite mit dem Festlande Rumeliens zusammenhängt. Auf ihrer östlichen Spitze trägt diese Halbinsel das Serai; das Ganze mag 18 km im Umfang haben. Nach NW. hin schließt sich längs des Goldenen Horns die Vorstadt Ejub an. Jenseit des Goldenen Horns liegen die Vorstädte Galata, Pera, Tophane, Fyndykly, St. Dimitri, Kassim Pascha, Hasköj, Südlüdsche; auf der asiatischen Küste jenseit des Bosporus befinden sich Skutari und Kadiköi (das alte Chalcedon), die ebenfalls als Vorstädte Konstantinopels betrachtet werden (s. unten). Im übrigen muß man alle die kleinen zwischen Wäldern, Gärten und Weinbergen versteckten Bosporusstädte, die auf einer 20 km langen Strecke auf der europäischen Seite bis Therapia und Böjükdere, auf der asiatischen bis Beikos reichen, zu K. rechnen (s. Bosporus). Das Goldene Horn (im Altertum Chrysun Keras), einer der größten und sichersten Ankerplätze der Erde, ist an der Mündung zwischen der Seraispitze und Tophane 800 m breit, bis 40 m tief, bis zur innersten, stark gekrümmten Spitze fast 7 km lang und infolge der reinigen den Strömung, die, bei der Seraispitze eindringend, den Golf umkreist, frei von Flußschlamm. Zwei eiserne Schiffbrücken verbinden Galata und Stambul und teilen den Hafen in drei Teile: den äußern Handelshafen für Dampfschiffe vor der östlichen (neuen) Brücke, den Handelshafen zwischen den beiden Brücken und den Kriegshafen jenseit der innern (alten) Brücke. Von Tophane bis zur neuen Brücke ist die Küste seit 1896 durch eine französische Gesellschaft mit einem neuen steinernen Kai versehen, an dem jetzt die meisten Dampfer anlegen. Trotz seiner gesunden Lage ist K. wegen der Unreinlichkeit der Gassen, der plötzlichen Temperatursprünge seines unbeständigen Klimas (Jahresmittel 14,2°) kein durchaus gesunder Aufenthalt. Der Winter ist gewöhnlich nicht streng (Februar 5,2°); man rechnet auf ihn durchschnittlich 13,7 Frosttage. Schnee bleibt selten mehrere Tage hindurch liegen. Die jährliche Regenmenge beträgt 718 mm. Der Sommer ist warm (August 23,4°), aber infolge der beständig vom Schwarzen Meer wehenden Nordwinde nicht zu heiß. Der Frühling tritt spät ein und ist die unfreundlichste Jahreszeit, der Herbst aber außerordentlich mild und schön. Im abschreckenden Gegensatz zu der herrlichen Lage der Stadt steht deren Inneres, das in zahllosen engen, krummen und schmutzigen, schlecht oder gar nicht gepflasterten Gassen nur wenige öffentliche Plätze, unzählige elende Hütten neben wenigen Prachtgebäuden, ganze Strecken voller Trümmer und Brandstätten und andre öde Plätze aufweist. Erst in neuester Zeit sing man unter Leitung westeuropäischer Baumeister an, etwas besser und in Stein zu bauen. Auch hat der Bau einer Eisenbahn und die Anlegung von Pferdebahnen mehr Licht und Luft in die Stadt gebracht.

[Mauern, Tore, Plätze.] Das eigentliche K. ist von verfallenen, turmgekrönten Ringmauern umgeben. Die Theodosianischen Mauern (vom J. 413) bilden in 6 km Länge vom Goldenen Horn bis zum Marmarameer, wo sie beim Schloß der sieben Türme (s. unten) enden, eine dreifache Umwallung; die dazwischen befindlichen Gräben sind teils verschüttet, teils in Gärten verwandelt. Unmittelbar vor den Mauern dehnen sich weithin Kirchhöfe aus. K. zählt außer 9 Pforten 29 Tore, darunter als merkwürdigstes Top-Kapu, durch das 1453 die stürmenden Türken eindrangen, und wo der letzte Paläolog, Konstantin XI., kämpfend fiel. Unter den öffentlichen Plätzen (Meidan) ist der berühmteste der Atmeidan (»Roßplatz«), der ehemalige Hippodrom, von den Kaisern Septimius Severus und Konstantin nach dem Muster des Circus maximus in Rom angelegt. Von seiner ehemaligen Pracht zeugen nur noch der 30 m hohe ägyptische Obelisk Theodosius' II., die kahle Säule des Konstantinos Porphyrogennetos, ein aus Quadersteinen errichteter Obelisk von 25 m Höhe, und zwischen beiden die bronzene Schlangensäule, die einst den Untersatz zu jenem goldenen Dreifuß bildete, den die Griechen nach dem Siege von Platää in Delphi weihten. Am Südende des von den Kreuzfahrern und Türken in eine Ruinenstätte verwandelten Atmeidan befindet sich die türkische Handwerkerschule mit dem Janitscharenmuseum.

[Moscheen und Kirchen.] Unter den zahlreichen Moscheen behauptet die Sophienmoschee (die ehemalige Sophienkirche, Hagia Sofia, s. Tafel »Architektur VI«, Fig. 8 u. 9) den ersten Rang. Sie wurde von Konstantin 326 der »heiligen Weisheit« geweiht, 532 durch Feuer zerstört und unter Justinian I. 532–537 größer und prächtiger wiederhergestellt. Aber schon 559 zerstörte ein Erdbeben die östliche Hälfte der Kuppel. Der Dom wurde zwar wieder aufgebaut, aber ohne die frühere Pracht. Später wurde er von den Lateinern geplündert. Seit der Eroberung der Stadt durch die Türken ward er in eine Moschee verwandelt. Den Grundriß der Kirche bildet ein fast quadratisches Viereck, 75,5 × 70 m, in dessen Mitte sich die von zwei Seitenschiffen flankierte Hauptkuppel erhebt. Die Höhe derselben über dem Fußboden beträgt 65 m, der Durchmesser 32 m. Die Mosaiken auf Goldgrund sind jetzt übertüncht, soweit sie die durch den Islam verpönten menschlichen Figuren zeigen. Die ähnlich gebaute, daher Kleine Hagia Sofia (Kütschük Aja Sophia) genannte Moschee, früher Kirche des heiligen Sergius und heiligen Bacchus, wurde von der Kaiserin Theodora, der Gemahlin Justinians I., erbaut. Außerdem gibt es noch an 20 Moscheen, die früher Kirchen waren. Unter den zehn von Sultanen erbauten und nach ihnen benannten ist die schönste die Moschee Solimans, die Suleimanije (1550–66 vom Architekten Sinan mit dem Material der Euphemiakirche von Chalcedon erbaut). An der Ostseite liegt ein gartenähnlicher Friedhof, in dem sich die Grabmäler (Türbe) des Sultans Suleiman und seiner Gattin Churrem (Roxolane), zwei nicht minder ausgezeichnete Prachtstücke türkischer Baukunst, befinden. Von den übrigen Moscheen, deren es in K. 227 große und 664 kleine gibt, sind bemerkenswert: die Achmed-Moschee (Ahmedije) auf dem Atmeidan, die Bajesid-Moschee, die Moschee Mohammeds des Eroberers, die Moschee Selims I., die Jeni-Dschami (Neue Moschee) oder Moschee der Sultan-Walide, die Schahsade- und die Laleli-Moschee, die Nuri-Osmanije, die Moschee Kachrije, ehedem christliche Klosterkirche mit wertvollen Mosaik- und Freskobildern, die Seirek-Dschami (ehedem die Pantokratorkirche). Die ältesten, schon 717 von den Arabern erbauten Moscheen sind die Arab Dschami und Jer Alti Dschami (unterirdische Moschee). Bemerkenswerte Kirchen sind die Irenekirche aus altbyzantinischer Zeit, heute Waffenmuseum, und die Klosterkirche des heil. Johannes, die älteste Kirche Konstantinopels. Insgesamt gibt es in K. 144 Kirchen, nämlich 61 griechische, 38 armenisch-gregorianische, 14 armenisch-katholische, 26 römisch-katholische, 5 protestantische Kirchen und 41 Synagogen. Dazu kommen 260 mohammedanische Klöster (Tekke).

[Paläste und öffentliche Gebäude.] Unter den Residenzschlössern der Sultane und den öffentlichen Gebäuden der Stadt steht in erster Linie das alte SeraiPalast«), ein ganzes Stadtviertel von Palästen und Gärten, das, rings von Mauern umgeben und an der Stelle des alten Byzanz und der Akropolis gelegen, die südöstlichste Spitze von K. einnimmt und von Mohammed 11. errichtet wurde. Nachdem Abdul Medschid seine Residenz nach Dolma-Baghtsche verlegt hatte, war das Serai der Wohnsitz der früheren Sultaninnen, die bis zum Brande 1865 im sogen. Eski-Serai (s. unten) residiert hatten. Durch das Haupttor Babi-Humajun gelangt man in den ersten Hof, den der Janitscharen, wo sich die Münze, die von Konstantin d. Gr. erbaute Kirche der heil. Irene (s. oben), der Tschinili-Kiosk mit dem alten sowie das neue Antiquitätenmuseum (mit den berühmten Sarkophagen aus Saida) und die Kunstschule befinden. Ein zweites Tor (Orta-Kapu) führt zu einem andern Hof, auf dem früher die in Ungnade gefallenen Würdenträger hingerichtet wurden. Ein drittes Tor, Babi-Seadet (»Pforte der Glückseligkeit«) genannt, führt zu dem innersten Hof und dem Diwansaal, wo die Versammlungen des Reichsrates stattfanden und die Gesandten Audienz erhielten. Hier befindet sich auch der kaiserliche Schatz. Die Ereignisse, die dem Regierungsantritt Mahmuds II. (s. d.) vorangingen, bestimmten ihn, das Serai zu verlassen. Er bezog den 1679 erbauten Palast von Beschiktasch in der Vorstadt gleichen Namens. In unmittelbarer Nähe desselben liegt der prächtige Palast von Dolma-Baghtsche (s. d.). Noch prächtiger ist der von Sultan Abd ul Asis 1863–67 an Stelle des Palastes von Beschiktasch erbaute, am Ufer des Bosporus gelegene Palast von Tschiraghan. Der jetzige Sultan residiert in dem über Beschiktasch auf der Höhe gelegenen Palast von Jildis, vor dessen Tor sich die schöne Hamidije-Moschee erhebt.

Von öffentlichen Gebäuden ist zunächst hervorzuheben: die Hohe Pforte (Babi-Ali, auch Pascha Kapussi, d. h. Pforte des Paschas, genannt), ein langes Gebäude in italienischem Stil mit den Bureaus des Großwesirats, der Ministerien des Äußern und des Innern und des Staatsrates. Daher der Name »Hohe Pforte« für die türkische Regierung. Im Innern der Stadt stehen das Finanzministerium und das Seraskerat (Kriegsministerium) auf dem Platz des Eski-Serais oder des Alten Serais, das nach der Eroberung von K. anfangs vom Sultan Mohammed 11., dann, wie erwähnt, von den frühern Sultaninnen bewohnt wurde. Das jetzige, 1870 neuerbaute Gebäude nimmt einen weiten Raum ein, auf dem auch der hohe Seraskerturm emporragt, dessen Spitze, der höchste Punkt Konstantinopels, eine großartige Rundschau gewährt. Das ganz verfallene Schloß der sieben Türme (Heptapyrgion, türk. Jedi-Kule), worin ehemals bei ausgebrochenem Kriege die Gesandten der feindlichen Mächte eingesperrt wurden, liegt am äußersten Südwestende der Stadt, unweit des Marmarameeres. Es ist ein von starken Mauern gebildetes Fünfeck, in dessen Winkeln runde Türme standen; seine jetzige Gestalt erhielt es erst durch Mohammed II. Lange Zeit diente es ähnlich wie der Tower in London und die Bastille in Paris als Staatsgefängnis.

[Basare, antike Überreste.] K. hat eine beträchtliche Anzahl von offenen Märkten und gedeckten Bafaren. Südöstlich von Seraskerat liegt der Ägyptische Basar und vor allem der Große Basar (Böjük Tscharschi), der aus vielen gewölbten Hallen und Gassen mit über 3000 Verkaufsbuden, Magazinen etc. besteht. Die Läden mit Waren derselben Art befinden sich immer nebeneinander. Er hat durch das Erdbeben von 1894 sehr gelitten, ist aber in früherer Gestalt und sicherer wieder aufgebaut. Außer den eigentlichen Märkten gibt es 21,708 Kaufläden und Magazine und 483 Chan 2 oder Karawansereien, in denen Wechsler und Großhändler ihre Geschäfte betreiben und auch die europäischen Kaufleute ihre Kontore haben. Es sink meist viereckige, einen Hof einschließende Gebäude, gewöhnlich fromme Stiftungen, die zu Moscheen Spitälern, Schulen u. dgl. gehören, denen ihr Ertrag zugute kommt.

Außer den schon erwähnten Denkmälern alter Kunst haben sich wenige meist verstümmelte Überreste aus dem Altertum erhalten. Die sogen. Verbrannte Säule (türk. Dschemberli-Tasch), so genannt, weil sie von den Feuersbrünsten viel gelitten hat, hieß früher die purpurne Säule und besteht aus sieben Zylindern von rotem Porphyr. Ursprünglich 55 m hoch und die eherne Statue des Kaisers Konstantin tragend, wurde sie 1081 vom Blitz getroffen, aber durch den Kaiser Manuel Komnenos (1180) wiederhergestellt. Die sehr beschädigte Säule des Kaisers Marcian (Kys-Tasch genannt) ist 10 m hoch. Die schöne Säule, die Arcadius seinem Vater Theodosius 401 errichten ließ, mußte 1695 abgetragen werden; man sieht nur noch die 6 m hohe Basis (jetzt Awret-Tasch genannt). Von den herrlichen Palästen der griechischen Kaiser sind kaum noch Spuren vorhanden; nur vom Hebdomonpalast (jetzt Tekir- oder Tekfur-Serai, »Palast des Prinzen«), am nördlichen Ende der Stadt, sind ausgedehnte dreistöckige Ruinen übrig, ebenso nördlich davon die Fundamente des Palastes Blachernä und der berühmten Blachernenkirche der heiligen Jungfrau, mit einem heiligen Quell (Hagiasma), sowie die korinthische Säule, die zum Andenken eines Sieges über die Goten unter Claudius II. errichtet ward und in einem Garten des Serais steht. Noch sind die alten Zisternen und die Wasserleitungen zu erwähnen, welche die Quellen des 15 km nördlich gelegenen Waldes von Belgrad nach K. führen, und von denen eine trotz ihres sehr verfallenen Zustandes noch heute benutzte, die sogen. Wasserleitung des Valens (türk. Bosdoghan Kemeri) bis zu Hadrians Zeiten hinausreicht, andre von den spätern griechischen Kaisern und den Türken herrühren. Am bekanntesten sind außerdem die von Justinian erbaute Zisterne Basilika (Jere-Batan Serai), die der Tausendundeinen Säule (Binbir-Direk), die Zisterne des Theodosius und der Aquädukt Justinians, der beim Tor Egri-Kapu in die Stadt kommt. Zu nennen sind endlich der reizende Brunnen Achmeds III. und der als Geschenk Kaiser Wilhelms II. 1900 errichtete Brunnen sowie 169 öffentliche Bäder.

[Vorstädte.] An dem südlichen Anfang des Bosporus liegt gegenüber dem Serai die Vorstadt TophaneArsenal«, eigentlich »Kanonenhaus«, nach den dort befindlichen Geschütz- und Kugelgießereien). Hart an Tophane stößt westlich die große Vorstadt Galata, an der nördlichen Seite des Hafens, dem Serai gegenüber, im Altertum Begräbnisplatz, im Mittelalter von den Genuesen, gegenwärtig vornehmlich von Griechen bewohnt. Ihre Hauptzierde ist ein 45 m hoher, aus byzantinischer Zeit stammender runder Feuerturm (Galata kulessi), von dem man die ausgebreitetste Aussicht über K. und Umgebung hat. Galata wimmelt von Handelsleuten, Karrenführern, Lastträgern, Seeleuten etc. und ist als Mittelpunkt des Großhandels mit Europa Sitz der meisten Banken und Dampfschiffagenturen. Nördlich von Galata und durch eine vielbenutzte unterirdische Drahtseilbahn mit ihm verbunden, dehnt sich in höherer Lage die Vorstadt Pera (»jenseits«) aus, der eigentliche Sammelplatz der Europäer und das Hauptquartier der Gesandten und Konsulate. Hauptverkehrsader ist die Grande rue de Pera. Hier hat man auch auf europäischem Fuß eingerichtete Gasthöfe, Theater, Kasinos, Brauereien, Kaufläden, Buchhandlungen, europäische Postämter (solche sind vom Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, Frankreich und Großbritannien eingerichtet), Schulen (die deutsche Schule mit Elementar-, Real- und höherer Töchterschule für die deutsche und schweizerische Gemeinde in K.), Spitäler, Kirchen etc. Überhaupt bietet Pera das Ansehen einer italienischen Stadt mit engen Straßen. 1870 wurde Pera zur Hälfte durch Feuersbrunst zerstört; seitdem dürfen die Häuser nur noch in Stein erbaut werden. Weiter aufwärts am Nordufer des Goldenen Horns liegt die nach dem Eroberer von Rhodus benannte, an Moscheen, mohammedanischen Klöstern und Grabstätten reiche Vorstadt Kassim Pascha, in der sich am innern Hafen des Goldenen Horns das nach Anleitung abendländischer Offiziere trefflich eingerichtete Schiffsarsenal (Ters-hane) befindet, ein mit einer Mauer umgebener weitläufiger Bezirk, zu dem auch das Admiralitätsgebäude, der Kriegshafen, das Marinehospital, die Marineschule und das Bagno gehören. An Kassim Pascha stößt östlich die griechische Vorstadt St. Dimitri, schlecht gebaut und verrufen. Westlich von Kassim Pascha liegt das ausgebreitete Judenquartier Hasköi. Es folgen die Quartiere Piri Pascha, Chalidschi Oglu, Südlüdsche und Karaagatsch und nördlich davon das »Tal der süßen Wasser« (türk. Kiathane), das vom größern der beiden in die innerste Spitze des Goldenen Horns mündenden Bäche gebildet wird und mit seinen frischen Wiesen und Bäumen Freitags ein beliebter Erholungsort der türkischen Bevölkerung ist. Hier liegt auch ein Sommerpalast der Sultane mit Park. Am Nordende des Goldenen Horns liegt die Vorstadt Ejub, benannt nach dem Fahnenträger des Propheten, der hier 672, während der ersten Belagerung Konstantinopels durch Mohammedaner, getötet sein soll. Mohammed II. baute über seinem angeblichen Grabe die prächtige Ejub-Moschee, in welcher der Sultan bei seinem Regierungsantritt mit dem Säbel Osmans umgürtet wird, eine Zeremonie, welche die Stelle der Krönung vertritt. Auf der asiatischen Küste liegt Skutari oder Usküdar (s. Skutari 2); davor erhebt sich auf einem kleinen Felsen der sogen. Leanderturm (Kys-Kulessi, »Mädchenturm«, im Altertum Damalis), der aber nicht mit der Sage von Hero und Leander in Verbindung gebracht werden darf. 1143 wurde er neu erbaut behufs Absperrung des Bosporus mit einer eisernen Kette und dient jetzt als Signal- und Leuchtturm. An Skutari schließt sich südlich das vorzugsweise von Griechen, Levantinern und Europäern bewohnte Kadiköi. Zwischen beiden ist in Haidar Pascha durch die Anlagen der Anatolischen Bahn und des 1903 fertiggestellten Hafens ein europäischer Ort entstanden.

[Bevölkerungsverhältnisse.] K. zählt samt den Vorstädten und den europäischen und asiatischen Orten längs des Bosporus nach der neuesten offiziellen Zählung (1885) 71,085 Wohnhäuser, wovon aber die meisten klein und schlecht gebaut und nur von je einer Familie bewohnt sind, da das Familienleben der Osmanen nicht gestattet, Fremden einen Teil des Hauses einzuräumen. Die Bewohnerzahl wurde 1885 zu 873,565 angegeben; nach neuester Schätzung wird sie auf 1,125,000 (in 162,950 Häusern) veranschlagt, ohne die asiatischen Vororte auf 940,000. Von dieser buntgemischten internationalen Bevölkerung sind 43 Proz. Mohammedaner, meist Türken, je 17 Proz. Griechen und Armenier, 5 Proz. Juden und 16 Proz. fremde Untertanen, davon mehr als ein Drittel Griechen aus dem Königreich. Die Zahl der Europäer (ohne Griechen) wird auf 60,000 geschätzt. Die Bevölkerung Stambuls besteht vorwiegend aus Türken, doch gibt es auch hier armenische und griechische Quartiere. Nördlich vom Goldenen Horn wohnen die Türken in geschlossener Masse nur in Kassim Pascha und Fyndykly; auch die asiatischen Ortschaften des Bosporus mit Ausnahme Kadiköis haben eine vorwiegend türkische Bevölkerung. Die Griechen haben gewisse Quartiere Stambuls, wie Fanar (s. d.), Psamatia, Kumkapu, und die Vorstädte Pera und Galata inne. Sie sind Bankiers, Kaufleute, Ärzte, Architekten, Schiffer; auch findet man sie in allen Zünften und mechanischen Gewerben vertreten. Die glänzende Aristokratie, die ehemals im Fanar ihren Sitz hatte, siedelte nach dem griechischen Aufstand meist nach Griechenland über. Die orthodoxe griechische Kirche hat in K. ihr Oberhaupt, das griechische Patriarchat, und eine große griechische Nationalschule. Im Fanar befindet sich auch die Kathedrale des bulgarischen Exarchats. Die Armenier bewohnen in Stambul die Quartiere von Jedi Kule, Kumkapu u. a., sind aber auch in Pera und Galata angesiedelt und vielfach als Lastträger, Geschäftsführer und Lieferanten tätig. Die Juden (größtenteils Spaniolen) bewohnen vornehmlich die Quartiere Balat, Hasköi und Galata sowie die Bosporusdörfer Kusgundschuk und Ortaköi. Ihr Oberhaupt ist der Großrabbiner (chacham baschi), der die gleiche Rangstellung hat wie die Patriarchen der christlichen Gemeinden. Die Europäer (Franken) bewohnen Pera.

[Industrie und Handel.] Eine Großindustrie nach europäischen Begriffen gab es bisher in K. nicht. Mit Ausnahme einiger Phantasieartikel, die von den Reisenden als Andenken gekauft werden, wird nichts zur Ausfuhr geliefert; die Gewerbtreibenden arbeiten einzig für den Lokalbedarf. Nur die Mehlproduktion, die in K. und Umgegend von 13 Dampfmühlen betrieben wird, liefert jährlich ca. 75,000 Tonnen Mehl. Neuerdings aber dehnt sich die gewerbliche Tätigkeit aus, hat sich der Konfektion zugewendet und produziert Kleider, Wäsche, Schuhe, Buchbinderarbeiten, Koffer etc. Die Anfänge eines Fabrikwesens in Baumwollengarn, Tuchen, Filz, von der Regierung gefördert, zeigen sich mehr und mehr. Für den Handel hat K. vermöge seiner Lage eine besondere Bedeutung: es ist der Stapelplatz zwischen Orient und Okzident. Am Treffpunkt zweier Erdteile und zweier Meere und im Kreuzungspunkte wichtiger See- und Landwege gelegen, dazu im Besitz eines unvergleichlichen Hafens und geschützt durch zwei leicht zu verteidigende, aufs stärkste befestigte Meerengen, ist K. trotz verschiedenster Schicksale immer wieder zu einer Weltstadt ersten Ranges aufgeblüht und ist, trotzdem der früher sich hier sammelnde Handel durch das Emporkommen von Smyrna, Beirût und Saloniki dezentralisiert worden ist, noch immer der Hauptbasar des türkischen Reiches und der Levante. Es steht durch die Eisenbahnlinie K.-Adrianopel-Bellova über Sofia und Belgrad mit Zentraleuropa und über Kuleli Burgas mit Saloniki in Verbindung. Ebenso ist es Ausgangspunkt der Anatolischen Eisenbahn, und im Interesse des gesteigerten Verkehrs hat man 1899 in Haidar Pascha, dem Ausgangspunkte jener Bahn, mit der Herstellung einer modernen Hafenanlage großen Stils begonnen. Indessen ist es schwierig, statistische Mitteilungen über den Handel zu geben; auch fällt der Handel der Hauptstadt vielfach mit demjenigen der Provinzen zusammen. Die Einfuhr vom Auslande hat einen Wert von mindestens 250 Mill. Mk., die Ausfuhr von 150 Mill. Mk.

Der Gesamtschiffsverkehr Konstantinopels betrug 1903: 17,122 Schiffe, darunter 10,800 Dampfer mit 16,3 Mill. Ton. Dem Tonnengehalt nach entfiel fast die Hälfte auf englische Schiffe (auf Deutschland 221 Dampfer). Regelmäßig verkehren 11 Linien, darunter außer dem österreichischen Lloyd und drei französischen Linien die deutsche Levantelinie, ferner italienische, russische, griechische, bulgarische, rumänische, ägyptische und türkische Linien. Eine Börse besteht in Galata, ebenso eine Handelskammer. Die erste Bankanstalt der Türkei trat 1849 hier ins Leben; sie wurde 1853 mit einem Aktienkapital von 200 Mill. türk. Piaster in die Banque impériale ottomane umgewandelt.

[Wohltätigkeits- und Bildungsanstalten.] Unter den Wohltätigkeitsanstalten sind die Imarets oder Armenküchen die merkwürdigsten, in denen Tausende von Armen, ferner die Studenten und Moscheendiener unentgeltlich gespeist werden. Außerdem gibt es türkische Hospitäler zur Aufnahme kranker und obdachloser Armen sowie ein deutsches, englisches, französisches, italienisches und österreichisches Hospital. Auch ein Asyl für Geisteskranke ist vorhanden. Erwähnenswert ist auch die deutsche Schule. Neben der urwüchsigen Feuerlöscheinrichtung der Tulumbadschi besteht die drei Bataillone starke, militärisch organisierte Feuerwehrbrigade.

An Bildungsanstalten zählt K. 177 Medresen (s. d.), die meist mit den Moscheen verbunden sind, ferner 188 höhere türkische und christliche Lehranstalten und 368 türkische Primärschulen. Staatsanstalten sind: eine Kriegsschule in der Vorstadt Pankaldi, eine Marineschule auf der naheliegenden Insel Chalki, eine Zivilschule, das kaiserliche Lyzeum von Galata Serai, eine Zivilmedizinschule, eine Forst- und Bergschule, eine Sprachenschule, eine Rechtsschule, eine Ingenieurschule, 9 militärische Vorbereitungsschulen, die 1901 gegründete Kaiserlich Ottomanische Universität etc. Die Griechen besitzen einen wissenschaftlichen Verein (Philologicos Syllogos), die große Nationalschule, eine theologische Schule und eine Handelsschule auf der Insel Chalki, mehrere Lyzeen und höhere Töchterschulen. Ferner gibt es 45 öffentliche mohammedanische Bibliotheken mit teilweise wertvollen bibliographischen Schätzen der morgenländischen Literatur, dazu das kaiserliche Museum mit Antikensammlung und den ebenfalls Museumszwecken dienenden Tschinili Kiosk, eins der ältesten türkischen Baudenkmäler in K. Außer den schon lange bestehenden rabbinischen und armenischen sowie mehreren europäischen Druckereien besteht seit 1727 auch eine solche für türkische, arabische und persische Werke (Staatsdruckerei), die bis zur Gründung ähnlicher Anstalten in Ägypten und Persien die einzige war, die den Muslim Werke ihrer Literatur verschaffte. Außerdem bestehen gegen 20 türkische Druckereien, ferner verschiedene armenische und griechische, insgesamt gegen 40, die meist im Zeitungsdruck tätig sind. Die größern Zeitungen haben ihre eignen Buchdruckereien. In K. erscheinen 47 Zeitungen und Zeitschriften, davon 11 in türkischer, 2 in arabischer, 6 in griechischer, 13 in armenischer, 2 in bulgarischer, 2 in jüdisch-spaniolischer, 5 in französischer, 2 in englischer, je eine in persischer, italienischer, serbischer und deutscher Sprache. K. ist Sitz der Ministerien und Zentralbehörden des Reiches, des Scheich ul-Islam, des griechischen und zweier armenischer Patriarchen, eines römisch-katholischen Erzbischofs und eines Großrabbiners, der fremden Botschaften, zahlreicher Konsulate, darunter eines deutschen und eines österreichischen Generalkonsulats.

Geschichte.

Das alte Byzantion (s. d.), um 658 v. Chr. gegründet, lag seit der Zerstörung 199 n. Chr. danieder, bis Kaiser Konstantin d. Gr. (s. d.) die Stadt wegen der Vorzüge ihrer Lage unter dem Namen Konstantinopolis oder auch Roma nova (Neurom) an Stelle des alten Rom zur Hauptstadt des Romischen Reiches erhob. Am 26. Nov. 328 fand die Grundsteinlegung zur Erweiterung des Mauerrings statt, 11. Mai 330 die feierliche Einweihung der neuen Stadt. Zwei große Plätze im Innern waren mit Säulengängen und Statuen geschmückt, und im Hippodrom stand die Schlangensäule aus Delphi; das ganze Reich ward seiner besten Kunstschätze beraubt, um die neue Residenz zu zieren. Der kaiserliche Palast war ein großartiger Gebäudekomplex. Die Ansiedelung von Bewohnern wurde befördert, indem die Bürger von Neurom die Vorrechte Altroms erhielten: die Ratsherren hießen Senatoren, das Bürgerrecht gewährte dieselben Vorteile an Spenden und Belustigungen. Bald zählte K. 14 Regionen; aber es fehlte der Bevölkerung, einem Völkergemisch, jede nationale Einheit. Auch Mittelpunkt der Bildung sollte K. werden. Die dortige Rechtsschule gelangte bald zu hoher Blüte. Der Bischof von K. erlangte den Rang eines Patriarchen und beanspruchte eine Superiorität über die morgenländische Kirche. In K. wurden viele Konzile gehalten, von denen die namhaftesten sind: das von 381 gegen die Mazedonianer, 553 zur Beilegung des Dreikapitelstreits, 680 gegen die Monotheleten, 692 zur Bestätigung der ältern kirchlichen Observanzen, 754 gegen die Bilderverehrung, 869 gegen den Patriarchen Photios, 879 zu dessen Gunsten. Seit der Teilung des Reiches 395 war K. die Residenz der Kaiser des Oströmischen Reiches (s. d.). Unter dem Einfluß eines prunkliebenden, sittenlosen, ränkevollen Hofes entartete die Bevölkerung von K.: müßig von Brotspenden lebend und nur der Befriedigung der Sinnenlust in der Rennbahn frönend, spaltete sie sich in zwei Parteien, die sich nach der Farbe der Wagenlenker die Blauen und die Grünen nannten und ohne höhere Ziele einander mit leidenschaftlichem Haß bekämpften. Unter Justinian I. steigerte sich die Parteiwut zu dem furchtbaren Ausbruch des Nikaaufstandes (s. d.), der vom 13.–20. Jan. 532 wütete und mit der Niedermetzelung von mindestens 30,000 Menschen in der Rennbahn durch Belisar endete. Justinian baute die durch Feuer halb zerstörte Stadt prachtvoll wieder auf und schmückte sie durch zahlreiche reichverzierte Kirchen, vor allen durch die neue Kathedrale, die Sophienkirche. Ihre starken Befestigungen schützten die Stadt vor der Gewalt der Feinde. Die Avaren drangen mehrmals, 626 durch Bulgaren und Slawen verstärkt, bis in die Vorstädte von K. ein; 616 und 626 erschienen die Perser unter Chosroes vor der Stadt. Berühmt sind namentlich die beiden Belagerungen durch die Araber: April bis September 673, wo die Stadt durch das griechische Feuer des Syrers Kallinikos gerettet wurde, 717–718, wo sie Leo der Isaurier verteidigte. 1203 zogen die Kreuzfahrer des vierten Kreuzzugs vor die Stadt, um den durch Alexios entthronten Isaak Angelos wieder einzusetzen. Längere Zeit verteidigten sich die Bürger unter Theodor Laskaris; als aber Alexios 18. Juli feig entfloh, wurde Isaak aus dem Gefängnis wieder auf den Thron geführt, worauf die Führer des Kreuzzugs in K. einzogen und Galata besetzten. Indes die Erbitterung der Byzantiner gegen die Franken führte im Februar 1204 zu einer Empörung, bei der Isaak und sein Sohn Alexios ihren Tod fanden. Der neue Kaiser Alexios V. Dukas »Murzuphlos« wurde sofort von den Kreuzfahrern bekriegt, die K. nach hartnäckigem Kampf 12. April erstürmten. Bei der darauf folgenden Plünderung wurden die herrlichsten Kunstschätze zerstört, andre weggeführt, um Venedig und seine Markuskirche damit zu schmücken, und eine ungeheure Beute gemacht. Am 9. Mai wählten die Kreuzfahrer den Grafen Balduin von Flandern zum Kaiser von K. Aber auch das Lateinische Kaisertum sank bald infolge innerer Streitigkeiten und der Kriege mit den Bulgaren und Kumanen, die unter Asén II. 1236 die Stadt belagerten, und durch die Fortschritte des griechischen Kaisertums von Nicäa zu einem Schattenreich herab. Doch erlangten die italienischen Handelsstädte seitdem in K. einen großen Einfluß, namentlich die Genuesen und Venezianer, die sich in Galata dauernd festsetzten; nur schwächten sie sich durch Eifersucht und Streitigkeiten. Nach Wiederaufrichtung des griechischen Kaiserthrons durch die Paläologen 1261 kam es 1296 zu offenen Feindseligkeiten zwischen den Genuesen und Venezianern. Am 22. Juli erschien eine venezianische Flotte von 75 Schiffen vor K., verbrannte die Wohnungen der Genuesen in Galata und beschoß sogar die Stadt; in den letzten Tagen des Dezembers ermordeten dafür die Genuesen von Galata alle Venezianer.

Um die Mitte des 14. Jahrh. begannen die Osmanen sich in die Thronstreitigkeiten des byzantinischen Reiches einzumischen und K. zu bedrohen. Nach der Schlacht bei Nikopoli 1396 bedrängte Bajesid ernstlich die Stadt, der 1399 der französische Marschall Boucicaut zu Hilfe kam, mußte aber 1401 die Belagerung wegen Timurs Annäherung abbrechen. Aufs neue erschienen die Osmanen 1422 unter Murad II. vor K. und eroberten die Außenwerke. Jedoch der große Sturm 24. Aug. wurde abgeschlagen, die Belagerungswerke durch einen Ausfall zerstört, und Mohammed II. begann 1452 in nächster Nähe der Stadt den Bau einer Küstenburg, die den Bosporus sperrte, und im Frühjahr 1453 auch die Belagerung selbst. Ungeheure Belagerungsmaschinen und schwere Geschütze wurden herbeigeschafft; das Heer belief sich auf 200,000 Mann und die Flotte auf 250 Schiffe. Diesen hatte der Verteidiger von K., Konstantin XI. Dragades, bloß 11,000 Griechen und 3000 Mann italienische Hilfstruppen entgegenzustellen, die der Genuese Giovanni Giustiniani befehligte; dazu wüteten in der Einwohnerschaft erbitterte religiöse Streitigkeiten zwischen den Orthodoxen und den Unionisten (Henotikern). Trotzdem wiesen die Belagerten, unterstützt durch die natürliche Festigkeit der Stadt, 40 Tage lang die heftigsten Angriffe zurück. Als Kaiser Konstantin eine freiwillige Übergabe auch gegen das Zugeständnis freien Abzugs verweigerte, ward 29. Mai der allgemeine Sturm unternommen und die Stadt erobert. Giustiniani floh, Konstantin fand im Schlachtgetümmel den Heldentod. In der ersten Wut wurde von den Eroberern alles niedergemacht. Was übrigblieb, wurde in die Sklaverei verkauft. Die Stadt wurde geplündert, zahlreiche Kunstschätze zerstört. Um Mittag hielt Mohammed seinen Einzug in die unterworfene Stadt und verrichtete in der Sophienkirche, die nun Hauptmoschee wurde, sein Dankgebet. Darauf ließ er alle Würdenträger des byzantinischen Reiches zusammentreiben und niederstoßen. Die Stadt ward neu aufgebaut, die Befestigungswerke sowie das Schloß der sieben Türme wiederhergestellt, und K. bildete fortan die Haupt- und Residenzstadt des osmanischen Reiches.

Die wichtigern Ereignisse seitdem sind: im Mai 1540 Friede zwischen der Pforte einerseits, Venedig, Spanien und dem Papst anderseits; 13. Juli 1700 Friede zwischen Rußland und der Türkei; 16. Jan. 1790 Allianztraktat Preußens mit der Pforte gegen Rußlands und Österreichs Eroberungspläne. An den in K. wohnenden Griechen wurden 1821 große Greuel von den Türken verübt, unter andern der griechische Patriarch Gregorios V. gehenkt. Der große Aufstand der Janitscharen von 1826 hatte ihre Vernichtung zur Folge. Durch Erdbeben sowie durch große Feuersbrünste litt die Stadt zu verschiedenen Malen, namentlich 1714, 1755, 1808, wo die Paläste des Sultans mit verzehrt wurden, und 1826, wo gegen 6000 Häuser nebst den Palästen der Großbeamten und der europäischen Gesandten niederbrannten. Ende Dezember 1853 alarmierten die Softas (Studenten, Schüler der Ulemas) die Stadt wegen der vom Sultan den Westmächten gemachten Zugeständnisse. Nachdem 12. März 1854 zu K. der Allianzvertrag zwischen England, Frankreich und der Pforte abgeschlossen worden, landeten im April die Truppen der Westmächte am Goldenen Horn, und 14. Juni ward in K. die Konvention unterzeichnet, welche Österreich die Besetzung der Donaufürstentümer gestattete. Im Mai 1876 brach ein neuer Aufstand der Softas aus, der den Sturz des Großwesirs Mahmud Nedim Pascha zur Folge hatte. Im Winter 1876/77 tagte eine Konferenz der Großmächte zur Lösung der orientalischen Frage in K. erfolglos. Im Februar 1878 drangen die Russen bis dicht an K. vor und schlossen daselbst den Frieden von Santo Stefano (3. März), nachdem die Türken rasch die Linien von Tschadschaldscha befestigt hatten und englische Panzerschiffe zum Schutz der Stadt herbeigeeilt waren.

Vgl. Dallaway, Constantinople ancient and modern (Lond. 1797); v. Hammer, K. und der Bosporus (Pest 1822, 2 Bde.); Andreossy, Constantinople et le Bosphore de Thrace pendant 1812 á 14 et 1826 (Par. 1828); Allom, K. und die malerische Gegend der Sieben Kirchen in Kleinasien; mit einer kurzen Geschichte Konstantinopels von R. Walsh (deutsch, Braunschw. 1841); Byzantios, K., topographische, archäologische und geschichtliche Beschreibung (griech., Athen 1851–69, 3 Bde.); Tschichatschew, Le Bosphore et Constantinople (2. Aufl., Par. 1865); »Stambul und das moderne Türkentum«, von einem Osmanen (Leipz. 1877–78, 2 Bde.); Paspati, Βυξαντίναι μελέται τοπογραφικαι καὶ ἱστορικαί (Konstant. 1877; behandelt die Bauten vom 4.–15. Jahrh.); Grosvenor, Constantinople (Prachtwerk, Lond. 1895, 2 Bde.); Pulgher, Les anciennes églises byzantines de Constantinople (Wien 1878–80); Brodribb und Besant, Constantinople, a sketch of its history (bis 1453, Lond. 1878); Hutton, Constantinople (das. 1900); Mordtmann, Esquisse topographique de Constantinople (Lille 1892); Dukas-Theodassos, Im Zeichen des Halbmondes. Schilderungen aus der türkischen Reichshauptstadt (Köln 1893); H. Barth, Konstantinopel (Bd. 11 der »Berühmten Kunststätten«, Leipz. 1901); Dwight, Constantinople and its problems, its peoples, customs, etc. (Lond. 1901); Oberhummer, Constantinopolis. Abriß der Topographie und Geschichte (Stuttg. 1899); Millingen, Byzantine Constantinople, the walls of the city and adjoining historical sites (Lond. 1899); Preger, Das Gründungsjahr Konstantinopels (im »Hermes«, 1901); Brandenburg, Dates principales de l'histoire de Constantinople et de ses monuments (Konstant. 1902); Pears, The destruction of the Greek empire and the story of the capture of Constantinople by the Turks (Lond. 1903); Leonhardi, K. und Umgebung (Zürich 1885); Bädeker, K. und Kleinasien (Leipz. 1905); »Meyers Reisebücher: Türkei etc.« (6. Aufl., das. 1902); v. d. Gott z-Pascha, Karte der Umgegend von K., 1:100,000 mit Text (Berl. 1897); »K. unter Sultan Suleiman dem Großen«, aufgenommen (1559) von Melchior Lorichs aus Flensburg (22 Tafeln, mit Text hrsg. von Oberhummer, Münch. 1902); Fitzner, Karte des Bosporus (Rostock 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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