- Baum [1]
Baum (hierzu Tafel »Laubbäume im Winter I und II«), Gewächs mit holzigem Stamm und einer aus blättertragenden Ästen oder nur aus Blättern bestehenden Krone. Manche Holzgewächse wachsen ebenso oft strauch- wie baumartig, und an der obersten Grenze ihrer Verbreitungszone in den Gebirgen erscheinen die Bäume nur krüppelhaft strauchförmig. Ebenso können durch entsprechendes Beschneiden Sträucher zu Bäumen und Bäume zu Sträuchern umgebildet werden. Die Baumform findet sich hauptsächlich bei Blütenpflanzen, doch kommen auch bei Farnen Baumformen vor. Etwa 50 Familien, wie Koniferen, Kupuliferen, Salikazeen u. a., bestehen ganz oder vorwiegend aus Baumarten.
Die oberirdischen Achsenteile der Bäume wie überhaupt der Holzpflanzen besitzen ausdauernde Lebensfähigkeit und fortgesetztes Längenwachstum. Der Längenzuwachs wird durch Bildungsgewebe an den äußersten Spitzen der Zweige (Vegetationspunkte) vermittelt, die von Blattorganen innerhalb der Knospen verdeckt werden und gleichzeitig auch neue Blätter und Anlagen von Seitenzweigen hervorgehen lassen. Das Dickenwachstum der dikotylen Holzpflanzen der Koniferen und baumartigen Liliazeen geht von Bildungsgeweben aus, das im Innern des Stammes neue Gewebelagen an die vorher gebildeten ansetzt (den Stämmen der Palmen und Baumfarne fehlt solches sekundäres Dickenwachstum überhaupt). Bei den Schopfbäumen, wie vielen Palmen, und den Rosettenträgern, wie den Bananen (Musa) und Baumfarnen, wächst der Stamm fortgesetzt nur durch die Gipfelknospe weiter und bleibt daher unverzweigt. Im Gegensatz dazu werden bei den Wipfelbäumen alljährlich neue Seitentriebe aus zahlreichen Knospen erzeugt und dadurch eine verzweigte Krone gebildet. Die verschiedene Tracht der Bäume wird teils durch die Verzweigungsart ihrer Triebe sowie die ungleiche Ausbildung, Länge, Richtung und Aufeinanderfolge der Stengelglieder, teils durch das Absterben und Abwerfen bestimmter älterer Triebe und Zweige bedingt. Letzteres tritt unter anderm auch bei dem sogen. Reinigen unsrer Nadelhölzer in geschlossenen Beständen ein. Auch im entblätterten Zustand besitzt jede Baumart ein charakteristisches Gesamtgerüst, dessen Totaleindruck vorzugsweise durch die Form und Ausgliederung von Stamm und Krone bedingt wird. Ein bis zur Spitze durchgehender Stamm ist wie bei der immergrünen Fichte und Tanne auch bei der Lärche und unter den Laubbäumen z. B. bei der Erle (Tafel II) vorhanden. Die Birke (Tafel I) zeichnet sich durch ein aus schlankem, weißberindetem Stamm unter spitzem Winkel nach oben strebendes Hauptgerüst aus, an dessen Seitenzweigen schlanke, rutenförmige Endzweige schleierartig nach abwärts überhängen. Auch die Buche (Tafel I) besitzt in ihrer typischen Form einen hoch hinauf durch die Krone reichenden Stamm, der in seinem untern von Ästen freien Teil regelmäßige Säulenform aufweist. Bei der Eiche (Tafel I), der Rüster (Tafel II) und der Linde (Tafel II) löst sich der mehr gedrungene Hauptstamm in der Krone in mehrere gleichwertige Hauptäste auf. Während die an diese sich ansetzenden Zweige bei der Eiche ebenso wie die Teile des Hauptgerüstes vielfach knorrig gewunden oder knieartig verbogen sind, erscheinen sie bei der Rüster mehr oder weniger starr nach oben gerichtet und bei der Linde aufsteigend und gewissermaßen springbrunnenartig vom Hauptgerüst ab nach auswärts übergebogen. Mehrere Bäume, wie Esche, Buche, Weiden, Caragana arborescens, Sophora u. a., erzeugen neben der gewöhnlichen Form auch Varietäten mit abwärts wachsenden, nach unten hängenden Zweigen, die sogen. Trauerbäume. Unter der Oberhaut der anfangs immer krautigen Baumtriebe bildet sich ein aus dem Periderm (s. d.) hervorgehender Mantel von Kork mit geringer Durchlässigkeit für Wasser und für Gase, dessen Schichten die äußern Gewebe der Rinde von Wasserzufuhr abschneiden; letztere bilden daher mit den ältern Korklagen zusammen die Borke, die sich in verschiedener Weise, z. B. bei der Birke mit weißen Häuten, ablösen oder auch durch Zerklüftung rissige Sprünge erhalten, deren Verlauf bei der Ciche, Linde, Esche und andern heimischen Bäumen der Stammoberfläche ein charakteristisches Aussehen verleiht. Bei Holzpflanzen mit periodischer Vegetationsruhe tritt das Austreiben der Knospen, d. h. die Verlängerung der Achsenteile sowie das Entfalten der jungen Blätter, der Laubausbruch, und ebenso der Laubfall (s. d.) in bestimmten Abschnitten des Jahres ein, durch deren zeitlichen Abstand die Vegetationsdauer bestimmt wird; das Mindestmaß derselben beträgt für die Bäume der nördlichen Klimate ungefähr 3 Monate, umfaßt aber in wärmern Gebieten 5–8 Monate. Sowohl gegen das arktische Gebiet als in Hochgebirgen gegen die Region der Alpensträucher werden die Baumbestände durch die Baumgrenze abgeschlossen (vgl. Pflanzengeographie). Ähnlich verhindert die Spärlichkeit oder der Mangel von Niederschlägen in Steppen- oder Wüstengebieten das Auftreten von Bäumen. Je nachdem die Belaubung, wie bei vielen heimischen Bäumen, durch erhöhte Temperatur im Frühjahr oder durch Eintritt der Regenzeit, wie in den Tropen, eingeleitet wird, unterscheidet man sommergrüne und regengrüne Bäume. Ihnen stehen die immergrünen Bäume, wie z. B. unsre Nadelhölzer und viele Laubhölzer der Mittelmeerflora und der Tropen, gegenüber, deren Blätter eine zwei- bis vieljährige Lebensdauer haben. Über andre biologische Verhältnisse der Bäume s. Waldpflanzen und Immergrüne Gehölze.
Die Bäume sind an bestimmtes Alter und bestimmte Größe gebunden, die nur selten überschritten werden. Ältere Angaben über das Alter von Bäumen (Drachenbaum von Orotava 6000, Baobab 5000, Platane von Bujukdere 4000 Jahre etc.) verdienen wenig Vertrauen, mit ziemlicher Sicherheit aber wurde berechnet: für die Zypresse und Eibe 3000, für die Kastanie (Castanea vulgaris), Stieleiche und Libanonzeder 2000, Fichte (Abies excelsa) 1200, Sommerlinde 1000, Zirbelkiefer 500–700, Lärche 600, Föhre 570, Silberpappel 500, Buche 300, Esche 200–300, für die Hainbuche endlich 150 Jahre. Beglaubigte Angaben über Höhe und Durchmesser der Bäume (in Metern) enthält folgende Tabelle:
Der größte Stammdurchmesser ist von der Edelkastanie bekannt, die 20 m erreicht. Große Stammdurchmesser sind ferner bekannt von Taxodium distichum (11,9 m), Sommerlinde (9 m), Ulme (3 m), Kornelkirsche (1,4 m). Die Schäden, denen die Bäume ausgesetzt sind, bestehen in Windbruch, Windfall, Schneebruch, Blitzschlag, Frostschäden. Von Baumkrankheiten sind die wichtigsten: Brand, Krebs, Grind oder Schorf, Baumkrätze, Rost, Meltau, Rot- oder Kernfäule, Gelbsucht, Harzfluß, Gummifluß, Darrsucht, Wassersucht, Aufspringen der Rinde. Mißbildungen sind die Maserkröpfe, Hexenbesen oder Wetterbüsche, Gallen. S. auch Arboretum und Dendrologie. Vgl. Conwentz, Forstbotanisches Merkbuch für Westpreußen (Berl. 1900); Stützer, Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild (Münch. 1900–1902, 3 Bde.); »Baumalbum der Schweiz« (Bern 1896–1900). – Über B. und Baumwurzeln in rechtlicher Hinsicht s. Nachbarrecht.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.