Oströmisches Reich

Oströmisches Reich

Oströmisches Reich (Byzantinisches Reich, Griech isch es Kaisertum), das eine der beiden Reiche, in die nach Theodosius d. Gr. Tode 395 n. Chr. das römische Weltreich geteilt wurde, umfaßte alle asiatischen Provinzen, in Afrika die Provinzen Libyen, Ägypten, in Europa Thrakien, Mösien, Dacien, Mazedonien, Epirus, Thessalien, Achaia, mit der Residenz Konstantinopel, während die westlich davon gelegenen Länder mit der Residenz Rom das weströmische Reich bildeten (s. Art. »Römisches Reich« mit Karte »Römisches Weltreich« und Nebenkarte: »Oströmisches Reich«). Die Provinz Illyrien ward zwischen beiden Reichen geteilt, geriet aber bald in den Besitz der Westgoten unter Alarich. Weil das oströmische Reich für den bessern und gesichertern Teil des großen römischen Reiches galt, so erhielt es der ältere der beiden Söhne des Theodosius, Arcadius, während die andre Hälfte an den jüngern, Honorius, fiel. Für den jungen und schwachen Arcadius (395–408) regierte zuerst der Minister Rufinus und nach dessen noch 395 erfolgten Ermordung der Oberkämmerer, der Eunuch Eutropius. Der byzantinische Staat nahm mehr und mehr die Formen des Orients an; mit der Zeit wurde die griechische Sprache, im Verkehr die herrschende, auch zur Amtssprache erhoben und damit das letzte Band zwischen beiden Reichen zerrissen. Statt vereint die Einbrüche der Barbaren abzuhalten, blickte jedes mit Schadenfreude auf die Unfälle des andern und reizte die Barbaren zu Einfällen in das Gebiet desselben auf. Eutropius erlag nach vierjähriger schmachvoller Regierung den von dem gotischen Feldherrn Gainas angezettelten Ränken (399), der indes selbst schon im nächsten Jahre die Hauptstadt verlassen mußte und Arcadius unter dem Einfluß seiner ränkevollen Gemahlin Eudoxia zurückließ.

Ihm folgte in der Regierung sein siebenjähriger Sohn Theodosius II. (408–450), bis 414 unter der Leitung des Präfekten Anthemius, dann unter der seiner bigotten Schwester Pulcheria. Ein Krieg mit den Persern endigte 422 mit der Teilung Armeniens zwischen Persien und Ostrom; von dem Hunnenkönig Rugilas ward Ruhe und Frieden für einen jährlichen Tribut von 350 Pfd. Goldes erkauft, der nach dem Tode Rugilas' (433) seinen Neffen und Nachfolgern Attila und Bleda gegenüber auf das Dreifache erhöht wurde. So ruhmlos die Regierung des Theodosius in der Geschichte auch ist, so ist doch sein Name verewigt durch den Codex Theodosianus, eine Sammlung aller seit Konstantin in Kraft getretenen kaiserlichen Verordnungen (438). Nach seinem Tode (450) wurde seine Schwester Pulcheria zur Kaiserin des Morgenlandes ausgerufen, die unter dem Vorbehalt ehelicher Getrenntheit den Marcianus, einen bejahrten, aber tatkräftigen Senator, zu ihrem Gemahl und Mitregenten wählte, der, nachdem sie 453 gestorben war, bis 457 regierte. Sein Nachfolger, der durch den Einfluß des germanischen Feldherrn Aspar auf den Thron erhobene Leo I. aus Illyrien (457 bis 474), erkaufte von den damals die Küsten des Mittelmeeres verwüstenden Wandalen um beträchtliche Summen Ruhe und Sicherheit seines Reiches und erlitt, als er 468 dieselben bekriegte, eine blutige Niederlage. Als Gegengewicht gegen die germanischen Söldner und deren bisher allmächtige Heerführer begünstigte er die kriegerischen Isaurier und machte einen Häuptling derselben, Zeno, zu seinem Schwiegersohn. Dieser, Zen oder Isaurier, folgte ihm (474–491), zuerst als Mitregent seines Sohnes Leo II., dann nach dem Tode des letztern (November 474) im eignen Namen. Er wurde zwar 476 durch seine Schwiegermutter Verina vertrieben, die an seiner Stelle deren Bruder Basiliscus auf den Thron erhob, kehrte aber schon im nächsten Jahre, nachdem Basiliscus einer Verschwörung zum Opfer gefallen war, zurück und rächte sich grausam an seinen Gegnern. Durch den Einfluß seiner Witwe Ariadne folgte Anastasius I. (491–518), diesem Justinus I. (518–527), ein alter Kriegsmann, der Sohn eines Bauern, der, selbst kinderlos, seinen Neffen Iustinianus adoptierte und als Mitregenten an nahm.

Justinianus' I. Regierung (527–565), glänzend nach außen, bietet im Innern das Bild einer schweren Tyrannei, Bedrückung und Unsittlichkeit. Ein Staat, Eine Kirche, Ein Gesetz sollten die Welk beherrschen. Von diesen Ideen geleitet, vernichtet: er 541 durch die Aufhebung des Konsulats die letzten Spuren republikanischer Einrichtungen und Erinnerungen, schloß 529 die Schule von Athen und zwang die letzten Bekenner und Anhänger des Heidentums und der Platonischen Philosophie zur Auswanderung, verhängte über alle Häretiker blutige Verfolgungen und gab dem Reich in dem Corpus juris ein einheitliches, weltbeherrschendes Rechtsbuch. Die innere Ruhe wurde durch eine Empörung der Zirkusparteien zu Konstantinopel (den sogen. Nikaaufstand, s. d.) gestört, die endlich von Belisars Truppen nach Niedermetzelung von 30,000 Menschen unterdrückt wurde (19. Jan. 532). Während Justinian die Grenzen des Reiches im Norden gegen die Bulgaren, Avaren und Slawen durch eine Reihe von mehr als 80 befestigten Plätzen an der Donau und im Innern der Balkanhalbinsel, im Osten teils durch Verschanzungen und Bündnisse, teils durch Beendigung eines Perserkrieges vermittelst Erkaufung des »ewigen« Friedens zu sichern suchte, unternahm er die Wiederherstellung des alten römischen Reiches. Er ließ durch Belisar das Wandalenreich (533–534) und nach einem 20jährigen, durch Belisar begonnenen, durch Narses beendeten Krieg das Ostgotenreich in Italien erobern (553). Diese Erfolge erregten die Eifersucht des Perserkönigs Chosru I. Nuschirwan, der 540 den Krieg erneuerte, in Syrien einfiel, Antiochia verbrannte und schon Palästina und die heilige Stadt Jerusalem bedrohte, als Belisars Erscheinen ihn zum Rückzug bewog. Nach langen Unterhandlungen, die durch Streitigkeiten über den Besitz der östlichen Küstenländer am Schwarzen Meer (Lazica und Kolchis) unterbrochen wurden, kam endlich 562 ein neuer Friede zustande, der die Grenzen beider Reiche im wesentlichen so ließ, wie sie vor dem Krieg bestanden hatten, aber auch die Verpflichtung zu jährlicher Tributzahlung erneuerte. Auch in die Verhältnisse des Westgotenreiches griff Justinian ein und eroberte einige Städte in Spanien, die indessen zum Teil schon unter ihm selbst, zum Teil unter seinen Nachfolgern wieder verloren gingen.

Der Glanz, den Justinian dem oströmischen Reich verliehen, erlosch bald. Schon unter seinem nächsten Nachfolger, seinem Neffen Justinus II. (565–578), begannen die Eroberungen der Langobarden in Italien (568), und Chosru erneuerte den Krieg mit der Eroberung von Dara, der wichtigsten Stadt Mesopotamiens (572), so daß der schwache Kaiser, um eine Stütze zu haben, den Befehlshaber der Leibwache, Tiberios, zu seinem Mitregenten und Nachfolger ernannte. Dieser, ein edler Fürst (578–582), kämpfte glücklich gegen Chosru, den sein Feldherr Justinian 579 bei Melitene in Syrien besiegte, worauf er ihn bis in das Innere seines Reiches verfolgte und sich schon seiner Hauptstadt näherte, als der greise König starb. Dem Tiberios folgte dessen tapferer Feldherr und Schwiegersohn Maurikios (582–602). Er kämpfte glücklich gegen Perser und Avaren, wurde aber schließlich durch einen Aufstand der unzufriedenen Soldaten gestürzt und für ihn ein unbekannter Hauptmann, namens Phokas, zum Kaiser ausgerufen (im Oktober 602), den auch die Bevölkerung der Hauptstadt mit Jubel begrüßte. Seine Regierung (603–610) ist erfüllt von Akten unmenschlicher Grausamkeit, gegen die sich endlich Herakleios, der Sohn des gleichnamigen Statthalters von Afrika, erhob. Derselbe segelte 610 nach Konstantinopel, Phokas wurde gefangen genommen und getötet, und Herakleios bestieg den byzantinischen Thron, den er bis 641 innehatte. Unter seiner Regierung begannen von neuem die Perserkriege, Chosru II. eroberte 614 Jerusalem, unterwarf 616 Ägypten und schlug sein Lager der Hauptstadt gegenüber in Chalcedon auf. Herakleios, um Zeit zu Rüstungen zu gewinnen, erkaufte durch schweren Tribut seinen Abzug, begann aber 622 den Krieg wieder und führte ihn nun mit glücklichem Erfolge. Nach seinem Siege (1. Dez. 627) auf den Ruinen von Ninive und nach dem Tode Chosrus II. (628) wurde ein Friede geschlossen, der beide Reiche in ihren alten Grenzen herstellte.

Jedoch verlor Herakleios darauf Syrien nebst Palästina und Phönikien (634–639) sowie Ägypten (640) an die Araber, nachdem ihm schon vorher (624) die letzten Besitzungen in Spanien von den Westgoten entrissen worden waren. Ihm folgte sein Sohn aus erster Ehe, Konstantin III., dem als Mit regent Herakleonas, der Sohn seiner zweiten Gemahlin, Martina, zur Seite gesetzt war; Konstantin starb bald darauf (22. Juni 641), Herakleonas und seine Mutter wurden vertrieben und Constans II. (642–668), der Sohn Konstantins, auf den Thron erhoben. Er verließ 661 die Hauptstadt und ging zuerst nach Italien und dann nach Sizilien, wo er in Syrakus (668) ermordet wurde. In die Regierung seines Sohnes und Nachfolgers Konstantin IV. (668–685), mit dem Beinamen Pogonatos (»der Bärtige«), fällt die erste Belagerung Konstantinopels durch die Araber (668–675), das nur durch das griechische Feuer gerettet wurde. Zehn Jahre lang ertrugen die Untertanen die Grausamkeiten seines Sohnes Justinian II., dessen erste Regierungsperiode von 685–695 reicht; da erregte Leontios, ein Feldherr von Ruf, einen Aufstand, Justinian wurde verstümmelt (davon sein Beiname »Rhinotmetos«) und verbannt und Leontios (695–698) auf den Thron erhoben. Auch er wurde gestürzt und verstümmelt von Apsimar, der an seine Stelle trat und unter dem Namen Tiberios III. regierte (698–705). Da kehrte nach zehnjähriger Abwesenheit Justinian II. an der Spitze eines bulgarischen Heeres nach Konstantinopel zurück und nahm den Thron seiner Väter wieder ein. Diese zweite Regierungsperiode (705–711) ist eine sechsjährige Tyrannei; schließlich wurde er ermordet.

In rascher Reihenfolge regierten dann der Armenier Bardanes unter dem Namen Philippikos (711–713), Anastasios II. (713–716) und Theodosios III. (716–717); danach kam mit Leo III., dem Isaurier (717–741), ein neues Herrschergeschlecht auf den Thron. Nachdem dieser 718 einen neuen Angriff der Araber auf seine Hauptstadt glücklich abgeschlagen hatte, veranlaßte er durch das Verbot der abgöttischen Bilderverehrung 726 den langwierigen und verderblichen Bilderstreit, der das Volk in die zwei Parteien der Bilderdiener (Ikonodulen) und Bilderstürmer (Ikonoklasten) spaltete und über ein Jahrhundert Reich und Thron erschütterte. Eine Folge jenes Verbots war ein Konflikt mit den Päpsten Gregor II. und Gregor III. sowie der Verlust des Landstrichs um Ravenna und Ancona, dessen Bewohner sich lieber unter die Herrschaft der Langobarden stellten (728), als dem Bilderdienst entsagten. Ein ebenso heftiger Gegner des Bilderdienstes wie Leo war sein Sohn und Nachfolger Konstantin V. Kopronymos (741–775), der zwar von dem Vorwurf der Grausamkeit nicht freizusprechen ist, aber mit Energie und Tapferkeit das Reich gegen innere und äußere Feinde schützte; so unterdrückte er mit kräftiger Hand einen Aufstand, den sein Schwager Artavasdos in Konstantinopel erregt hatte, als er selbst auf einem Feldzug gegen die Araber begriffen war (742), und kämpfte glücklich gegen diese sowie gegen die Bulgaren. Ihm folgte sein Sohn Leo IV. (775–780), diesem dessen zehnjähriger Sohn Konstantin VI. Porphyrogennetos, bis 792 unter der Vormundschaft seiner herrschsüchtigen Mutter Irene, die durch die zweite Synode von Nikäa (September und Oktober 787) auf kurze Zeit die Bilderverehrung wiederherstellte, von da bis 797, wo er auf Befehl seiner Mutter geblendet wurde, selbständig. Als Wiederherstellerin des Bilderdienstes von den kirchlichen Schriftstellern gepriesen, regierte Irene noch fünf Jahre lang (797–802) in unwürdiger Weise, bis sie durch den Großschatzmeister Nikephoros gestürzt wurde, der dann neun Jahre lang den Thron behauptete (802–811) und, nachdem er mehrere unglückliche Feldzüge gegen die Araber unternommen hatte (802–807), 811 in einem Kriege gegen die Bulgaren getötet wurde.

Nach der Regierung des schwachen Michael I. Rhangabe (811813) folgte Leo V., der Armenier (813–820), ein tapferer Kriegsmann. Er nötigte die Bulgaren, die unter ihrem König Krum bis Konstantinopel vorgedrungen waren, zum Abzug und Frieden (814), hob die Beschlüsse der zweiten Synode von Nikäa auf (815) und erneuerte die Bilderverfolgung, wurde aber schon 820 ermordet. An der Spitze der Verschwörung hatte einer seiner Feldherren gestanden, Michael II., der Stammler, der nun sein Nachfolger wurde (820–829). Er unterdrückte in dreijährigen wechselvollen Kämpfen (821–823) einen Aufstand eines frühern Feldherrn des Nikephoros, Thomas aus Kappadokien, konnte aber nicht verhindern, daß die Araber auf der Insel Kreta einen Piratenstaat errichteten (826) und sich in Sizilien festsetzten (827). Auf Michael folgte sein Sohn Theophilos (829–842). Nach außen hin erlitt dieser zwar trotz seiner Tapferkeit verschiedene Unfälle durch die Araber, dagegen blühten im Innern Handel, Gewerbsamkeit, Künste und Wissenschaften, letztere besonders durch den Lehrer des Kaisers, Johannes Grammatikos, ausgezeichnet als Staatsmann und Gelehrter, und den Mathematiker, Architekten und Astronomen Leo gefördert. Nach Theophilos' Tod führte seine Gemahl in Theodora über 13 Jahre lang (842 bis 856) die Herrschaft über das Reich für ihren unmündigen Sohn Michael. Sie stellte 842 definitiv den Bilderdienst her; 856 wurde sie von ihrem Bruder Bardas gestürzt, und dieser führte nun die Regierung für Michael III., der sich ganz dem Sinnengenuß überließ. Die Araber bedrängten das Reich von neuem, und ein neuer Feind entstand diesem in den Russen, deren Flotte 865 im Hafen der Hauptstadt erschien, aber durch einen Sturm vernichtet wurde. Michael wurde 24. Sept. 867 von Basilius dem Mazedonier, seinem Günstling, der Bardas 866 gestürzt hatte, ermordet, und Basilius bestieg nun den Thron als Stifter der mazedonischen Dynastie, die mit geringen Unterbrechungen gegen zwei Jahrhunderte regierte (bis 1056).

Basileios I. (867–886) regierte mit Kraft und Weisheit, kämpfte glücklich gegen die Araber und die Sekte der Paulicianer und vererbte den Thron auf seinen Sohn Leo VI. (886–911), der die von seinem Vater begonnenen Basiliken, eine Umarbeitung des Codex Justinianeus, vollendete. Er erwarb sich durch seine Liebe zu den Wissenschaften den Beinamen des Philosophen, konnte aber die Angriffe der Bulgaren unter ihrem König Simeon und der Araber nicht abwehren, welche letztern 904 Thessalonich eroberten und plünderten. Sein Sohn Konstantin VII. Porphyrogennetos stand anfangs unter der Vormundschaft seines Oheims Alexander, dann seiner Mutter Zoe, darauf des Romanos Lakapenos (919–944), der ihm nur den kaiserlichen Namen ließ, stürzte aber 945 die Söhne des Romanos, die ihren Vater entthront hatten, und regierte darauf selbständig bis 959. Er hat sich berühmt gemacht durch eifrige Förderung der Wissenschaften, ist selbst Schriftsteller gewesen und hat durch andre Gelehrte große enzyklopädische Sammelwerke anlegen lassen. Ihm folgte sein Sohn Romanos II. (959–963). Nach dessen Tod vermählte sich seine herrschsüchtige Witwe Theophano mit dem vom Heer zum Kaiser ausgerufenen tapfern Nikephoros II. Phokas (9634169), der bisher in Gemeinschaft mit seinem Bruder Leo über die Hamadaniden in Syrien und Mesopotamien eine Reihe glänzender Siege erfochten, Kreta 961 erobert, Aleppo sowie zahlreiche andre Städte und Burgen eingenommen hatte und auch als Kaiser nach außen und innen große Energie bewies. Aber verhaßt durch Strenge und Abgabendruck, fiel er durch eine von seiner Gemahlin veranlaßte Verschwörung (11. Dez. 969), deren Haupt, der tapfere Johannes Tzimiskes, nun den Thron bestieg, aber schon nach siebenjähriger, von glücklichen Kämpfen gegen Araber, Bulgaren und Russen erfüllter Regierung 10. Jan. 976 starb. Ihm folgte des Kaisers Romanos II. Sohn Basileios II. (bis 1025), der mit seinem Bruder Konstantin VIII. (gest. 1028) den Kaisertitel teilte, bis 988 unter Leitung des Oberkammerherrn Basilius, dann selbständig. In seine Regierung fällt die Unterwerfung Bulgariens (1018), die dem Kaiser wegen der dabei verübten Grausamkeiten den Namen des »Bulgarentöters« verschaffte. Konstantins Tochter Zoe erhob durch Vermählung und Adoption vier Kaiser auf den Thron: Romanos III. (1028–34), Michael IV. (1034–41), Michael V. Kalaphates (1041–42), Konstantin IX. Monomachos (1042–54), unter denen das Reich von den Petschenegen, Seldschuken und Normannen hart bedrängt wurde.

Ihre Schwester Theodora (1054–56), mit der das mazedonische Kaiserhaus erlosch, ernannte einen bejahrten Feldherrn, Michael VI. Stratiotikos (1056–57), zum Nachfolger; allein an dessen Stelle erhob das östliche Heer einen ausgezeichneten Feldherrn aus der angesehenen Familie der Komnenen, Isaak I., auf den Thron, der des Reiches Wohlfahrt und Sicherheit kräftig förderte, aber wegen Kränklichkeit schon 1059 abdankte. Unter seinen Nachfolgern Konstantin X. Dukas (1059–67), Romanos IV. Diogenes (1067–71), Michael VII. Dukas (Parapinakes, 1071–78), Nikephoros III. Botaneiates (1078–81) gingen fast alle asiatischen Besitzungen an die Seldschuken verloren, und auch im Innern zerfiel das Reich; erst der von dem Heer aus gerufene Neffe Isaaks, Alexios I. Komnenos (1081–1118), stellte Kriegszucht und Ordnung in der Verwaltung wieder her, besiegte Normannen, Petschenegen und Kumanen und entfaltete den Kreuzfahrern gegenüber eine kluge, überlegene Politik. Sein Sohn Johannes (Kalojohannes, 1118–43), ein Herrscher von fleckenlosem Charakter, eroberte den größten Teil von Kleinasien und beteiligte sich an den Kämpfen der Lateiner in Syrien gegen Sultan Zenki.

Zu noch größerer Macht stieg das Reich unter seinem Sohn Manuel I. (1143–80), dessen Person wegen seiner ritterlichen Tapferkeit mit ähnlichem Glanz der Romantik umgossen ist wie die seines Zeitgenossen Richard Löwenherz. Unter diesen komnenischen Kaisern erlebte auch die Literatur, namen klich die Geschichtschreibung, eine neue Blüte. Doch schon Manuel verließ in seinen letzten Jahren das Glück, und mit seinem Tode (24. Sept. 1180) begann für das Reich eine Periode der schrecklichsten Verwirrung und Greuel. Manuels unmündiger Sohn Alexios 11. wurde nach einer kurzen Regierung (1180–83) von seinem ruchlosen Vormund Andronikos ermordet, der nach einem Leben voll mannigfaltiger Abenteuer selbst den Thron bestieg, aber schon 1185 nach grausamer Herrschaft durch die Empörung des Isaak Angelos vom Thron gestürzt wurde, den dieser nun selbst als Isaak II. bestieg. Er war ein charakterloser Schwächling, der den Abfall der Bulgaren und den Verlust Cyperns nicht verhindern konnte, und wurde 1195 von seinem Bruder Alexios III. entsetzt, geblendet und ins Gefängnis geworfen. Zwar ließen sich die Kreuzfahrer und die Venezianer in dem sogen. vierten Kreuzzug bewegen, den gestürzten Kaiser, den Schwiegervater des deutschen Königs Philipp, mit seinem Sohn Alexios IV. als Mitregenten wieder auf den Thron zu setzen (1203); da diese jedoch die gemachten Versprechungen nicht erfüllen konnten und gestürzt wurden, so setzten die Franken und Venezianer den Krieg gegen die Griechen fort. Konstantinopel wurde 12. April 1204 zum erstenmal, seit der Sitz des Reiches dahin verlegt worden war, durch Sturm genommen und auf das entsetzlichste geplündert. Die Eroberer wählten aus ihrer Mitte den Grafen Balduin von Flandern zum Kaiser und gründeten so das Lateinische Kaisertum, das indes nur 57 Jahre (1204–61) bestand. Der zum Kaiser gewählte Balduin erhielt jedoch nur den vierten Teil des Reiches, die Venezianer nahmen die Westküste und einen großen Teil der Inseln, Bonifatius von Montserrat wurde König von Thessalonich, Gottfried Villehardouin gründete das Fürstentum Morea; andre Landschaften, wie Epirus unter Michael Angelos, behaupteten sich unabhängig, im griechischen Kleinasien entstand ein Kaisertum Nikäa unter Theodor Laskaris (gest. 1222) und ein andres zu Trapezunt unter Alexios Komnenos. Die innere Einrichtung des lateinischen Kaisertums war nach dem Vorbild der früher im Königreich Jerusalem eingeführten Lehnsverfassung geordnet, die Macht der Kaiser durch die Vasallen sehr beschränkt. Balduins Regierung war sehr kurz: er verlor 1205 bei Adrianopel gegen die Bulgaren, die furchtbarsten Feinde des neuen Reiches, Schlacht und Freiheit. Zwar behauptete sein Bruder Heinrich (1206–16) mit Kraft und Geschick das Reich; aber seine immer ohnmächtigern Nachfolger (Peter von Courtenay 1217, Robert bis 1221 unter Vormundschaft seiner Mutter Jolanthe, bis 1228 selbständig, Johann von Brienne 1229–37, Balduin II. 1237–61) wurden von dem kräftigen und einsichtsvollen Johannes Vatatzes, Kaiser von Nikäa (1222–54), der auch das Königreich Thessalonich beseitigte (1246), fast auf die Hauptstadt beschränkt. Endlich machte Michael Paläologos, aus einem alten, dem Kaiserhaus verwandten Geschlecht, der sich 1259 der Vormundschaft über den jungen Enkel des Vatatzes, Johann IV., bemächtigt hatte, mit den auf Venedig eifersüchtigen Genuesen verbündet, durch die Eroberung Konstantinopels 1261 dem lateinischen Kaisertum ein Ende.

Michael VIII. (1261–82) regierte mit Kraft und Umsicht, vermochte aber nicht alle Länder des griechischen Kaisertums wieder zu vereinigen, indem sich das Fürstentum Epirus und auch viele abendländische Herrschaften im eigentlichen Griechenland behaupteten. Die Vereinigung der griechischen Kirche mit Rom, die Michael angestrebt und 1274 auf dem Konzil von Lyon zustande gebracht hatte, wurde durch den Widerstand des byzantinischen Klerus und den Fanatismus der Bevölkerung wieder zerrissen und veranlaßte nur verderbliche innere Spaltungen und Zerrüttungen. Im Norden bedrängten Bulgaren und Serben, im Osten die Osmanen, die sich 1282 im westlichen Kleinasien niedergelassen hatten, das Reich, während es im Innern durch Hofintrigen und Bürgerkriege geschwächt wurde und die Erschöpfung der Finanzen aufs höchste stieg, zumal der Handel fast ganz in den Händen der Genuesen war. Michaels Sohn und Nachfolger, Andronikos 11., wurde 1328 von seinem eignen gleichnamigen Enkel gestürzt (gest. 1332), der nun selbst als Andronikos 111. den Thron bestieg. Derselbe ernannte vor seinem Tode (1341) seinen erprobten Freund Johannes Kantakuzenos zum Reichsverweser und Vormund seines 19jährigen Sohnes Johannes V. Ihn suchten der Großadmiral Apokaukos und die Kaiserin-Mutter Anna zu verdrängen, und dies veranlaßte ihn, den Purpur anzunehmen (1341); indes hatte sein Unternehmen keinen Fortgang, er erlitt bei Thessalonich eine Niederlage und floh zuerst zu den Serben, dann zu dem Türkenfürsten Umurbeg. Es kam zu neuen Bürgerkriegen, die endlich nach der Ermordung des Apokaukos (1345), im Januar 1347, mit einem Vertrag endigten, wonach Johannes VI. Kantakuzenos als Mitkaiser anerkannt wurde. Indessen wurde er schon 1355 gestürzt, und Johannes V. regierte fortan allein (bis 1391). Unter seiner Regierung besetzten die Osmanen 1356 die erste europäische Stadt, Gallipoli, dann 1361 Adrianopel, 1362 Philippopel und machten 1365 Serbien und Bulgarien zinspflichtig; vergebens suchte Johannes durch eine Reise nach Italien und Frankreich die abendländische Christenheit zu kriegerischen Anstrengungen wider den gemeinsamen Feind zu bewegen, er mußte sich am Ende seiner Regierung zu einem jährlichen Tribut an die Osmanen verstehen. Sein Nachfolger Manuel II. (1391–1425) wurde von den Osmanen mehrere Jahre in seiner Hauptstadt eingeschlossen, hatte dann aber infolge der Besiegung Sultan Bajesids durch den Mongolenfürsten Timur (1403) einige Jahre Ruhe. Doch schon in seiner letzten Zeit erneuten sich die Kämpfe. Sein Nachfolger Johannes VIII. Paläologos (1425–48) versuchte vergeblich durch die Union der griechischen mit der römischen Kirche, zu deren Abschließung er sich selbst 1439 auf dem Konzil von Florenz einfand, die Hilfe des Abendlandes zu erhalten. Unter seinem Nachfolger Konstantin XI. Dragades Paläologos erreichte das Reich durch die Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mohammed II. (29. Mai 1453), bei welcher der letzte Kaiser tapfer kämpfend fiel, sein Ende. Das Kaisertum Trapezunt hatte 1461 dasselbe Schicksal.

Vgl. »Corpus historiae byzantinae« (Par. 1618 ff.; Vened. 1728 ff., 27 Bde.); »Corpus scriptorum historiae byzantinae« (Bonn 1828–97, 50 Bde.); Gibbon, History of the decline and fall of the Roman Empire (Lond. 1782 ff.; neueste Ausg. von Bury, 1896–4900, 7 Bde.; deutsch, 4. Aufl., Leipz. 1862, 12 Bde.); Du Cange, Historia byzantina (Par. 1680, 2 Bde.); Le Beau, Histoire du Bas-Empire (fortgesetzt von J. Ameilhon, das. 1757–1817, 30 Bde.); Schlosser, Geschichte der bilderstürmenden Kaiser des oströmischen Reichs (Frankf. 1812); Finlay, History of the Byzantin and Greek empires (Lond. 1853–54, 2 Bde.); Zinkeisen, Geschichte des osmanischen Reichs in Europa (Hamb. u. Gotha 1840–63, 7 Bde.); Hopf, Geschichte Griechenlands vom Beginn des Mittelalters bis auf unsere Zeit (in Ersch und Grubers Enzyklopädie, I, Bd. 85 u. 86, Leipz. 1867–68); Hertzberg, Geschichte Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens bis zur Gegenwart (Gotha 1876 bis 1879, 4 Bde.) und Geschichte der Byzantiner und des osmanischen Reichs (Berl. 1883); Gfrörer, Byzantinische Geschichten (Graz 1872–74, 2 Bde.); Bury, A history of the later Roman Empire from Arcadius to Irene (Lond. 1889, 2 Bde.); Krug, Aufklärung der byzantinischen Chronologie (Petersb. 1840); Muralt, Essai de chronographie byzantine 3951057 (das. 1855) und 1057–1453 (das. 1873, 2 Bde.); F. Hirsch, Byzantinische Studien (Leipz. 1876); K. Neumann, Die Weltstellung des byzantinischen Reiches vor den Kreuzzügen (das. 1834); Gelzer. Abriß der byzantinischen Kaisergeschichte (in Krumbachers »Geschichte der byzantinischen Literatur«, 2. Aufl., Münch. 1897); Norden, Das Papsttum und Byzanz (Berl. 1903); Pears, The destruction of the Greek Empire (Lond. 1903); K. Roth, Geschichte des byzantinischen Reichs (Leipz. 1904, in der »Sammlung Göschen«); Grenier, L'empire byzantin (Par. 1904, 2 Bde.); v. Scala im 5. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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