Horn [1]

Horn [1]

Horn, der Auswuchs am Kopfe der Rinder, Ziegen etc., auch der Giraffe und des Rhinozeros; im weitern Sinn ähnliche Gebilde am Körper andrer Tiere, z. B. mancher Insekten. Echtes H. sind der solide Zapfen des Rhinozeros (Nashorns) und die hohlen Überzüge der Knochenzapfen der Wiederkäuer (Hohlhörnige, Cavicornia). Das Geweih (s. d.) der Hirsche besteht dagegen aus Knochensubstanz, ebenso das H. des Einhorns (Narwals), das ein Zahn (Stoßzahn) ist. Bei den Vögeln tragen der Kasuar und viele Nashornvögel ein H. auf dem Kopf oder dem Schnabel; auch der Sporn der Hühner etc. besteht aus Hornsubstanz. Diese bildet auch die Schwielen (Sohlenballen), die Schuppen der Säugetiere (Schuppentiere etc.), Vögel und Reptilien (Schildkröten, Schlangen etc.), die Federn bei den Vögeln, die Zungenstacheln der Katzenarten, die Hornzähne des Schnabeltiers, des Neunauges etc., die Barten des Walfisches, die Platten auf der Zunge, im Gaumen und im Magen der Vögel und mancher Säugetiere. Krankhaft sind mancherlei hornartige Bildungen bei Pferden, Katzen, Wölfen, bei Gänsen, Enten und Hühnern, bei Kapaunen hat man die Sporen in Kopfwunden eingesetzt und sie hier zum An- und Weiterwachsen gebracht. – Das echte H. wie auch die Schuppen, Barten (Fischbein), Stacheln, Nägel, Hufe und die übrigen oben genannten Gebilde aus Hornsubstanz bestehen aus mächtigen Lagen von Oberhaut- (Epidermis-) Zellen, die verhärtet und bis zur Unkenntlichkeit abgeplattet sind, jedoch bei Behandlung mit Kalilauge zu erkennen sind. Beim Erwärmen wird das H. weich und läßt sich schweißen; beim Zerreiben entwickelt es einen eigentümlichen, vom Schwefelgehalt herrührenden Geruch. Verdünnte Kalilauge löst unter Bildung von Ammoniak den größten Teil des Horns auf; konzentrierte Essigsäure verwandelt es beim Kochen in eine Gallerte und löst eine Substanz auf, die durch Ammoniak wieder gefällt wird. Der Hauptsache nach besteht das H. aus einem Albuminoid Keratin (Hornstoff), das bei Extraktion mit Äther, Alkohol etc. zurückbleibt. Bei Behandlung mit Schwefelsäure liefert es wie Eiweißkörper Leucin und Tyrosin. – Die Hörner der Tiere dienten den alten Völkern als Trinkgeschirre und zu Blasinstrumenten, wie dem Schosak der Juden. Da das H. als Zeichen der Macht, Kraft und Würde galt, so stellte man Götter, Heroen etc. gehörnt dar, wie z. B. Serapis, Ammon, Dionysos, Isis, Moses, Alexander d. Gr. und seine Nachfolger. Die Hörner der Opfertiere wurden bei den Griechen, Römern und Juden vergoldet. Vorgeschichtliche Horngeräte, aus Rinderhorn, kommen sehr selten vor, wahrscheinlich wegen der geringen Widerstandsfähigkeit gegen Verwesung und Verwitterung. Im Pfahlbau zu Schussenried (Württemberg) wurde ein kleiner, wohl als Schmuck dienender Gegenstand aus Horn gefunden. Über Hirschhorn s. d.

Technische Anwendung

findet gemeines Ochsenhorn, das aber nur Sekundaware bildet. Wertvoller sind die großen südamerikanischen Hörner, die an der Spitze bis zu einem Drittel abwärts schwarz, im übrigen weiß, in der Masse sehr fest, rein und durchscheinend sind und schöne Beize annehmen. Büffelhörner sind fest, von seiner Masse, dunkelbraun oder schwärzlich, nehmen schöne Politur an und kommen besonders aus Ungarn, Siebenbürgen, der Walachei, Italien, Spanien etc. in den Handel. Ziegen-, Widder- und Gemshörner sind von geringerer Bedeutung. Die massiven Spitzen der Hörner werden besonders von Drechslern, die Hohlstücke (Hornschroten) von Kammachern verarbeitet. Das rohe H. wird 2–6 Wochen in kaltes Wasser gelegt und dann leicht von dem Kern (Morch) befreit. Man sägt nun die massive Spitze des Hornes ab, legt das röhrenförmige Stück einige Tage in kaltes, dann einige Stunden in siedendes Wasser, erhitzt es über Feuer, schneidet es von einem Ende zum andern auf und biegt es unter fortwährendem Erwärmen zu Hornplatten auseinander, die zwischen warmen Eisenplatten eben gepreßt werden. Zu größerer Durchsichtigkeit wird das H. über Kohlenfeuer erweicht, abgeschabt, zwei Tage in kaltem und einige Stunden in heißem Wasser erweicht, in geschmolzenen Talg getaucht und zwischen erwärmten Eisenplatten stark gepreßt Zum Löten schrägt man die zu vereinigenden Kanten ab, reibt sie mit Schachtelhalm, stellt sie zur Entfettung kurze Zeit in heißen Alkohol und preßt sie zwischen den Backen einer ziemlich stark erhitzten Lötzange in einem Schraubstock stark zusammen. Größere Platten erweicht man vor dem Zusammenlöten in heißem Wasser und preßt sie nach dem Trocknen zwischen Kupferplatten. Längere Hornstäbe stellt man dar, indem man die in heißem Wasser erweichten Hornschroten in einer Spirale zu einem langen Streifen zerschneidet und zwischen erwärmten Walzen zu einem geraden Stab streckt und diesen in verschlossenen Eisenröhren so lange in siedendem Wasser läßt, bis er die Stabform der Röhre angenommen hat. Dieser Stab wird in Wasser oder Öl gelegt und zu Peitschenstöcken, Reitgerten, Schirmgestellen etc. benutzt. Zum Polieren des Horns dient Bimsstein, Tripel, Schachtelhalm etc. Die bei der Bearbeitung des Horns abfallenden Hornspäne (s. d.) werden als Dünger, als Streusand und in der Blutlaugenfabrikation angewendet; man vereinigt sie, sein gemahlen, aber auch wieder durch Pressen in heißen Metallformen zu einem Kuchen (Gießen des Horns), aus dem Dosen, Knöpfe etc. verfertigt werden. Zum Schwarzfärben legt man das H. in eine Lösung von 120 g Quecksilber in 120 g Salpetersäure und 500 g Wasser, spült es nach 12 Stunden gut ab, bringt es 1–2 Stunden in eine Lösung von 15 g Schwefelleber in 500 g Wasser und spült wieder. Um H. dem Schildpatt ähnlich zu machen, legt man es einige Stunden in ein Bad aus 1 Teil Salpetersäure und 3 Teilen Wasser von 30–38°, bedeckt es dann stellenweise mit einem Brei aus 2 Teilen Soda, 1 Teil gebranntem Kalk und 1 Teil Mennige, spült es nach 10–15 Minuten ab, trocknet durch Aufdrücken eines Tuches und legt es in ein Bad aus 4 Teilen Rotholzabkochung von 10° B. und 1 Teil Ätznatronlauge von 20° B., spült dann ab und trocknet und poliert es nach 12–16 Stunden. Um dem H. ein metallartiges Ansehen zu geben, taucht man es in Chlorzink (gelb), chromsaures Zink (grün), Chlorkupfer (schwarz), chromsaures Kupfer (braun); Jodkalium, auf diesen Farben angebracht, verwandelt sie in Rot. Die eingetauchten Gegenstände werden bei 68° getrocknet und dann mit Musivgold abgerieben. Vgl. Kühn, Handbuch für Kammacher, Horn- und Beinarbeiter (2. Aufl., Weim. 1864); Schmidt, Beizen, Schleifen und Polieren des Holzes, Horns, der Knochen etc. (7. Aufl., das. 1891); Andes, Die Verarbeitung des Horns etc. (Wien 1885); Fischer, Bearbeitung der Hölzer, des Horns (Leipz. 1890); weitere Schriften von Siddon-Nöthling (5. Aufl., das. 1897), Soxhlet (Wien 1899) u. a.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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