Salonīki

Salonīki

Salonīki (griech. Thessaloniki, türk. Selanik, slaw. Solun), türk. Wilajet, aus Teilen des alten Mazedonien und Thrakien gebildet, wird von Wistritza, Wardar, Struma und Mesta durchflossen, ist fruchtbar an Getreide, Tabak, Wein, Obst, Baumwolle, Galläpfeln etc., zerfällt in drei Liwas: S., Seres und Drama, und umfaßt 35,000 qkm. Seine auf 1,130,800 Köpfe geschätzte Bevölkerung besteht aus Slawen (550,000), Türken (330,000), Griechen (170,000), Juden (56,000), Walachen (27,000) und mohammedanischen Zigeunern (22,000). Die Hauptstadt S. liegt im Hintergrunde des großen Meerbusens von S., eines Teiles des Ägäischen Meeres, der durch das mächtig anwachsende Delta des schlammreichen Wardar so bedroht wird, daß die seicht gewordene Einfahrt bereits Vorsicht erheischt. S. breitet sich am Abhang des zu 1200 m ansteigenden Berges Kissos (Chortiatis) halbkreisförmig aus. Durch die radiensörmig nach S. konvergierenden Flußtäler wird Mazedonien von S. aus nach allen Richtungen hin zugänglich gemacht, daher die große Bedeutung Salonikis für den Land- und Seeverkehr als Mittelpunkt eines großen Straßennetzes und Ausgangspunkt der Bahnen nach Monastir, Mitrowitza und Vranja, Dede-Aghatsch und Konstantinopel. Die amphitheatralisch ansteigende Stadt gewährt von der See aus mit ihrer Zitadelle, den vielen Kuppeln und Moscheen einen prächtigen Anblick, ist aber im Innern sehr eng, schmutzig und unregelmäßig gebaut und hat erst neuerdings durch Neubauten, breite Straßen, Gas- und Wasserleitung und Kanalisation gewonnen. Die Stadt hat eine verfallene, jetzt von armen Türken bewohnte Zitadelle, nach der Landseite zu hohe Mauern mit Türmen, 10 große und 26 kleine Moscheen (früher zum Teil christliche Kirchen, wie die berühmte der heil. Sophia und des heil. Demetrios), ein reiches Kloster der Mewlewiderwische, mehrere griechische Kirchen und Klöster, eine römisch-katholische Kirche, 30 Synagogen, 3 Hospitäler, viele griechische Elementarschulen, ein griechisches und ein bulgarisches Gymnasium, eine höhere Töchterschule, eine deutsche Schule (1887 gegründet, mit 5 Lehrern und [1904] 162 Schülern, davon 60 Mädchen) und Seminare für Lehrer und Lehrerinnen, eine jüdische Hauptschule, 2 Kasernen, eine Quarantäneanstalt und zahlreiche Bäder. Unter den neuern Bauten sind besonders zu nennen: die Niederlassung der Banque Ottomane, das große Jesuitenkolleg, Zollhaus, Bahnhof etc. Am 4. Sept. 1890 hat ein großer Brand den Südosten der Stadt arg verheert und 2000 Häuser vernichtet. Ein besonderes Interesse verleihen der Stadt die zahlreich vorhandenen Reste aus dem Altertum: zwei römische Triumphbogen (an der ehemaligen Via Egnatia, die heute als Grande Rue de Vardar [Jassijol] S. von W. nach O. quer durchschneidet), darunter der größte uns bekannte, von Galerius errichtet, die »Rotunda« (angeblich schon von Konstantin als Georgskirche erbaut, jetzt Moschee), viele kleinere Reste, wie Säulen, Statuen, Inschriften etc. Die Bevölkerung der Stadt wird auf 105,000 geschätzt, davon 60,000 Juden (Spaniolen oder Sephardim), 3000 Franken, der Rest Türken und Griechen. S. hat 4 Baumwollspinnereien, mehrere Strumpfwirkereien, 7 Dampfmühlen, eine Bierbrauerei, eine Ziegelei, 5 Seifenfabriken, eine Färberei, Fabrikation von Metallwaren und Teppichen und ist nach Konstantinopel die bedeutendste Handelsstadt der europäischen Türkei. Der neue Hafen, der die wenig geschützte Reede ersetzt, ist sicher und geräumig und wird von den größern Mittelmeerlinien aller Länder (Deutsche Levantelinie) regelmäßig angelaufen. 1904 verkehrten in S. 58 deutsche Schiffe mit 78,429 Reg.-Ton. in Ein- und Ausgang. Die Ausfuhr (Getreide, Tabak [2 Mill. kg], Opium, Reis, Baumwolle, Kokons [400,000 kg], Wolle, Felle, Mineralien, besonders Chrom und Magnesium) betrug 1904 etwa 73 Mill. Fr., die Einfuhr zwischen 78 und 82 Mill. Fr. An letzterer (Baumwollwaren, Eisenwaren, Nähmaschinen, Zucker, Wollwaren, Baumwollengarne, Kaffee, Petroleum, Quincaillerie- und Seidenwaren, Leder, Papier, Spielkarten, Parfümerien, Apothekerwaren) ist besonders Großbritannien, Österreich-Ungarn und neuerdings auch Deutschland beteiligt. S. ist der Sitz eines Generalgouverneurs (Wali) und des Generalkommandanten (Muschir) von Mazedonien, eines griechischen Metropoliten, eines Großrabbiners der Juden und zahlreicher Konsuln fremder Nationen (darunter auch eines deutschen Berufskonsuls). Die Umgebung Salonikis, namentlich nach O. hin, ist reizend. Der östliche Villenvorort Kalameria ist im starken Aufblühen begriffen. In der Nähe eine türkische Ackerbauschule. – S. ist das antike Thessalonike (Thessalonich), das von Kassandros um 315 v. Chr. nördlich von der ältern Stadt Therma gegründet und zu Ehren seiner Gattin, einer Schwester Alexanders d. Gr., benannt wurde. Die stark befestigte Stadt wurde bald der Haupthafen von Mazedonien. Sie bildete zugleich den Mittelpunkt und die Hauptschutzwehr der Heerstraße Via Egnatia, die in der Zeit der Römerherrschaft (seit 148 v. Chr.) von Dyrrhachion (Durazzo) nach Byzantion geführt wurde. In S errichtete der Apostel Paulus eine christliche Gemeinde, an die er zwei Briefe schrieb. Unter Theodosius wurden wegen Aufstandes 7000 Bürger von S. im Hippodrom getötet, wofür der Kaiser Kirchenbuße tun mußte. Die Goten belagerten die Stadt vergeblich, ebenso später die Slawen. 904 verkauften die Sarazenen 22,000 Einw. als Sklaven, darunter den Geschichtschreiber Kaminiatis Diakonos. 1430 kam die inzwischen von Venedig besetzte Stadt unter türkische Herrschaft. Hier wurden 13. April 1876 der deutsche und der französische Konsul durch den türkischen Pöbel ermordet. Vgl. Rohnstock, S. und sein Hinterland (Konstant. 1887); Eras, Unser Handel mit den Balkanländern etc. mit besonderer Berücksichtigung der Hafenstadt S. (Leipz. 1891).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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