- Joseph [2]
Joseph, Name mehrerer fürstlicher Personen:
[Römisch-deutsche Kaiser.] 1) J. I., geb. 26. Juli 1678, gest. 17. April 1711 in Wien, der älteste Sohn des Kaisers Leopold I. aus dessen Ehe mit Eleonore von Pfalz-Neuburg, wurde schon 1687 zum König von Ungarn gekrönt und 1690 zum römischen König gewählt; 1699 vermählte er sich mit der Prinzessin Wilhelmine Amalie von Braunschweig, die zum Katholizismus übergetreten war. Aus dieser Ehe entsproßten zwei Töchter, denen durch den Hausvertrag vom 12. Sept. 1703 das Erbrecht in den österreichischen Ländern für den Fall des Aussterbens der männlichen Habsburger zugesprochen wurde. J. gehörte während des Spanischen Erbfolgekriegs zu den eifrigsten Mitgliedern der gegen Frankreich verbündeten und vom Prinzen Eugen geführten Kriegspartei am Hofe Leopolds I. 1702 beteiligte er sich selbst an der Belagerung von Landau, aber erst 1705, nach dem Tode Kaiser Leopolds (5. Mai), kam mit dem Regierungsantritt Josephs ein frischerer Geist in die Verwaltung, auf die nunmehr Prinz Eugen den hervorragendsten Einfluß gewann. Auch verfolgte J. zuerst den Plan einer dauernden Erwerbung Bayerns, die für die Politik des 18. Jahrh. maßgebend blieb, aber sich auch stets als unausführbar erwies. Nicht nur fand das österreichische Regiment in Bayern Widerstand, sondern auch die Abneigung aller deutschen und auswärtigen Mächte gegen eine solche Erweiterung des österreichischen Staates in Deutschland verhinderten die Ausführung des Planes auch dann, als die österreichische Regierung eine Entschädigung der geächteten Kurfürsten durch eins der spanischen Länder, wie Belgien, in Aussicht genommen hatte. 1706–07 begannen Reibungen mit dem franzosenfreundlichen Papst Clemens XI., die 1708 zu den schärfsten Drohungen, ja zur Kriegsbereitschaft führten, 1709 jedoch mit der Nachgiebigkeit des isolierten und eingeschüchterten Papstes schlossen. Was die innern österreichischen Verhältnisse betrifft, so fand J. bei seinem Regierungsantritt Ungarn in vollem Aufstand und Schlesien in Gärung. Für die mißvergnügten und gedrückten Protestanten in Schlesien gewann Karl XII. (1706) im Altranstädter Frieden von J. eine Reihe von Zugeständnissen; in Ungarn, wo Franz Rákóczy, von Frankreich unterstützt, die ältern Rechte des Landes gegen die Verfassungsänderungen von 1687 verteidigte, sah sich J. zu Unterhandlungen genötigt, deren Abschluß erst nach seinem Tod im Frieden zu Szathmár 1711 erfolgte. J. starb unerwartet an den Pocken in einem Augenblick, wo das Ansehen Frankreichs durch das Kriegsglück der im Spanischen Erbfolgekrieg verbündeten Mächte gänzlich zerstört war und Ludwig XIV. sich bereits zu den demütigendsten Friedensbedingungen bereit erklärt hatte. Da aber die Regierung Österreichs an Karl VI., den einzigen lebenden Habsburger vom Mannesstamm, überging, so hatte der frühe Tod Josephs, dessen große politische, wirtschaftliche und künstlerische Pläne unerfüllt blieben, eine gänzliche Veränderung der politischen Lage zur Folge. Vgl. Moser, Probe einer Staatshistorie über die Regierung Josephs I. (Züllichau 1738); Herchenhahn, Geschichte der Regierung Kaiser Josephs I. (Leipz 1786–89, 2 Bde.); v. Noorden, Europäische Geschichte im 18. Jahrhundert, 1. Abt. (Düsseld. 1870 ff.). Die musikalischen Werke des Kaisers wurden mit denen der Kaiser Ferdinand III. und Leopold I. von G. Adler herausgegeben (Wien 1892–93, 2 Bde.).
2) J. II., römisch-deutscher Kaiser, geb 13. März 1741, gest. 20. Febr. 1790 in Wien, ältester Sohn Maria Theresias und Franz' I. Seine Geburt wurde angesichts der schwierigen politischen Verhältnisse beim Regierungsantritte der Kaiserin Maria Theresia mit außerordentlichem Jubel begrüßt. Die erste Erziehung des Prinzen leitete der ungarische Graf, spätere Fürst Batthyány, der aber wenig Umsicht dabei bewies, doch nahm auch die Kaiserin an der Erziehung ihrer Kinder lebhaften Anteil. Mit dem 14. Lebensjahr begann der Unterricht in den höhern Studien, die anfangs von den Jesuitenpatern Veger und Weikard geleitet wurden. Später gewann der Staatssekretär Bartenstein (s. d.) den maßgebendsten Einfluß auf den Unterricht, für den er einen eignen Plan, die »Instructionspuncta«, ausarbeitete, der im wesentlichen der damaligen Studienordnung für die juridische Fakultät entsprach. Die bedeutendsten seiner Lehrer waren neben Bartenstein für Geschichte, Martini für Natur- und Völkerrecht, Riegger für Kirchenrecht. Beck für das Staatsrecht. J. war ungemein lese- und wißbegierig. Sein Interesse galt allerdings weniger den exakten Wissenschaften, als vielmehr jenen Gebieten und Disziplinen, die mit seinem kaiserlichen Beruf in Verbindung standen, sowie den modernen Zeitfragen. 1759 trat J. beim Bankorat ein, um den praktischen Verwaltungsdienst kennen zu lernen, von 1761 wurde er zu den Sitzungen des neugegründeten Staatsrates zugezogen und in alle Fragen der äußern und innern Politik eingeweiht. Er bewies seinen regen Eifer für die Staatsgeschäfte durch Abfassung verschiedener Denkschriften an die Kaiserin, darunter die »Rêveries«, in denen als Regierungsgrundsätze die absolute Macht und Pflicht des Souveräns, für das Staatswohl zu sorgen, und die Herbeischaffung der nötigen Mittel zur Erreichung der Unabhängigkeit des Staates vom Ausland aufgestellt erscheinen. Am 27. März 1764 wurde J. zum römischen König gewählt und 3. April gekrönt, und da schon im folgenden Jahr sein Vater starb, so schien sich seiner Tätigkeit ein weites Feld zu eröffnen; aber der Wille der Kaiserin, wie die feste und der monarchischen Willkür widerstrebende ständische Verfassung des Reiches setzten derselben die engsten Grenzen. Obwohl J. in den Erbländern von der Kaiserin nach dem Tod ihres Gemahls (18. Aug. 1765) zum Mitregenten erklärt war, beschränkte sich sein Einfluß auf das Militärwesen, an dem er bei aller Bewunderung Friedrichs II., mit dem er im August 1769 in Neiße und im September 1770 zu Neustadt in Mähren Zusammenkünfte hatte, doch kein großes innerliches Interesse fand, auf Justizsachen, bei denen die Abschaffung der Tortur in Österreich (1775) im Grunde als sein Werk anzusehen ist, und auf die äußere Politik. Hier trieb Josephs Ehrgeiz Österreich zur Mitwirkung an der Teilung Polens und durch das Projekt der Erwerbung Bayerns zum Bayrischen Erbfolgekrieg. Um den Bund mit Frankreich zu stärken, unternahm er 1777 eine Reise dahin, allerdings ohne Erfolg, wie sich bei dem bald darauf ausbrechenden Erbfolgekrieg zeigte, der mit dem Zurückziehen der österreichischen Ansprüche endete. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn litt unter dem Gegensatz der beiderseitigen Naturen und Regierungsprinzipien, doch verhinderte Maria Theresias klarer entschlossener Sinn und Josephs leidenschaftliche Anhänglichkeit und Liebe zu seiner Mutter ernstern Zwiespalt. J. begnügte sich schließlich damit, seine Überzeugungen in Memoires an die Kaiserin auseinanderzusetzen und durch Reisen sich den Verhältnissen am Hofe für längere oder kürzere Zeit zu entziehen. Am schärfsten kam der Gegensatz zum Ausdruck, als J., überzeugt, daß insbesondere das Einvernehmen zwischen Preußen und Rußland sein bayrisches Projekt durchkreuzt habe, trotz der Mißbilligung der Kaiserin, eine Reise zur Zarin Katharina II. unternahm (Juni bis Juli 1780). Noch in demselben Jahre, am 29. Nov., starb Maria Theresia, und bald sollte sich das Wort Friedrichs II.: »Voilà un nouvel ordre des choses!« in unglaublicher Eile bewahrheiten. In unermüdlicher, übereilter Tätigkeit wollte J. nunmehr das Reformwerk durchführen, das seit Jahrzehnten Ideal und Ziel seines Lebens war. Durch zahllose Verordnungen und Gesetze, die in raschester Folge mit überstürzter Hast erflossen, wollte er seine Pläne und Neuerungen durchführen: die zahlreichen, bisher nur lose verbundenen Länder und Völker sollten zu einem einheitlichen, streng zentralistisch verwalteten Staat vereinigt werden, in dem alle Sonderrechte und Privilegien der einzelnen Länder und ihre historisch ausgebildeten Eigentümlichkeiten verschwinden sollten. Dieser höhere Zweck erforderte auch, daß die Standesvorrechte des Adels und des Klerus beseitigt wurden. Von der richtigen und klaren Einsicht geleitet, daß das Übergewicht des römischen Stuhles und der katholischen Hierarchie beseitigt werden müsse, wenn die österreichische Verwaltung zur Selbständigkeit des modernen Staatsbegriffs erhoben werden solle, begann er mit kirchenpolitischen Reformen in großem Maßstabe. Durch eine Reihe von Verordnungen verfügte er im Verlaufe des Jahres 1781: Einschränkung des Verkehrs der geistlichen Orden mit den Obrigkeiten in Rom, Streichung einiger Bullen, in denen eine widerrechtliche Ausdehnung der päpstlichen Gewalt zum Ausdruck kam, aus allen Ritualen, die Aufhebung der päpstlichen Dispense, der Rekurse, des Bischofseides und der Litterae apostolicae, das Verbot der Annahme päpstlicher Ämter und Titel und des Besuchs der in Rom befindlichen theologischen Anstalten. Diesen wichtigen Reformen folgte die Erlassung des Toleranzpatents vom 20. Okt. 1781, die Aufhebung aller jener Ordenshäuser, deren Angehörige »weder Schule halten, noch predigen, noch den Beichtstuhl versehen, noch den Sterbenden beistehen, noch sonst in studiis sich hervortun«, laut Erlaß vom 29. Nov. 1781, die Einziehung ihres Vermögens und die Gründung des Religionsfonds sowie die Dotation von trefflichen Unterrichts- und Humanitätsanstalten aus dem konfiszierten Klostergut. Bald griff die Regierung Josephs auch in die internen Angelegenheiten der Kirche und des Gottesdienstes ein. »Andachtsordnungen«, Gesetze gegen den »kirchlichen Flitterstaat«, Verordnungen über Prozessionen, Wallfahrten, Ablässe etc. und namentlich das unglückliche Gebot des Begrabens der Tolen in Säcken, ohne Kleider und in Kalkgruben, alle diese Dinge, die bestimmt waren, »Aufklärung« zu bewirken, erregten Haß und Verdruß und selbst tiefer gehenden Widerstand seitens des Volkes. Dabei hielt J. doch sehr bestimmt den Begriff der Staatskirche als einer katholischen aufrecht. Das Verhältnis der nichtkatholischen Konfessionen vermochte er daher nicht anders als unter dem Gesichtspunkt einer möglichst weitgehenden Toleranz zu fassen. Obwohl sich nun in Ländern, wo die religiösen Fragen längst durch gesetzliche Bestimmungen geregelt waren, wie in Ungarn und Siebenbürgen, eine berechtigte Opposition gegen das »Toleranzpatent« gerade von seiten der Protestanten erhob, so wirkten doch die damit zusammenhängenden Verordnungen segensreich auf die Zustände in den andern Ländern, wo endlich ein anderthalb hundertjähriger Druck von vielen protestantischen Gemeinden hinweggenommen wurde. Um übrigens den leichtfertigen Übertritt von der katholischen Religion zu andern Konfessionen zu verhindern, schrak J. selbst vor Zwangsmaßregeln nicht zurück, und wie er die Sekte der Deïsten durch »Karbatschenstreiche« ausrotten wollte, so fehlt es auch nicht an Beispielen harter Kabinettsjustiz gegenüber von Mönchen, die aus eignem Entschluß ihren Orden verlassen wollten, oder gegen Protestanten, die wegen Proselytenmacherei Verdacht erregten.
Um den Neuerungen Josephs in Österreich ein Ziel zu setzen, begab sich der Papst Pius VI. 1782 persönlich nach Wien, ohne jedoch etwas zu erreichen. Keinen Augenblick wurde die Reform unterbrochen, vielmehr auch auf das Gebiet der Diözesaneinteilung ausgedehnt, wobei dem Kaiser ernstlichere Schwierigkeiten den deutschen Kirchenfürsten gegenüber entstanden, deren Rechte in den österreichischen Erbländern aufgehoben worden waren. Insbesondere wurden so die Bischöfe von Passau, Salzburg und Bamberg zu entschiedener Opposition gegen J. gedrängt, die sich schließlich in dem Fürstenbund Ausdruck verschaffte; und als J. das Projekt der Gewinnung Bayerns durch Austausch gegen Belgien 1785 wieder aufnahm, trat Friedrich II. dem Fürstenbund bei und versetzte dadurch der österreichischen Politik in Deutschland eine unheilbare Wunde. Das kirchliche Territorialsystem aber, das J. gegründet hatte, vermochten die deutschen Bischöfe nicht zu erschüttern. Zu den neuen Diözesaneinteilungen in Österreich gewann J. schließlich die Einwilligung der römischen Kurie, als er den Besuch des Papstes schon 1783 unerwartet in Rom erwidert hatte und nun dafür sorgte, daß der Bruch mit Rom nicht allzu tief und nachhaltig werde. Die vornehmste Sorge Josephs richtete sich fortan auf die Heranbildung eines staatstreuen Klerus, das Unterrichtswesen überhaupt erhielt eine den Staatszwecken ausschließlich dienende Richtung. Das System all dieser Reformen, in dem sich nicht nur die Unabhängigkeit des Staates von der Kirche, sondern auch eine gewisse Bevormundung der letztern durch den Staat ausdrückte, begreift man mit dem Namen Josephinismus. Am wohltätigsten wirkten ohne Zweifel die Maßnahmen Josephs auf dem Gebiete der sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Verhältnisse. Er sorgte rege für das Ansiedelungswesen und insbes. für die Niederlassung von Deutschen in den slawischen und magyarischen Ländern, um das deutsche Element in diesen Gebieten zu stärken. Er legte den Grund zu einem bessern und gerechtern Steuersystem, das aber vielfach Widerspruch erregte, weil es den Adelsvorrechten entgegentrat und alle ständischen Privilegien beseitigte, aber auch dem Bürger nicht paßte, der in der Einschränkung der Konsumtionsfähigkeit des Adels seinen Nachteil erblickte. Die gänzliche Aufhebung der Leibeigenschaft in Fortsetzung der schon von Maria Theresia begonnenen Urbarialgesetzgebung war das dauerndste Resultat der Josephinischen Gesetzgebung; das Patent für Böhmen und Nebenländer erschien 1. Nov. 1781. In bezug auf Josephs Reformen im Justizwesen zeigte sich der unruhige Geist und der stets wachsende Widerspruch der Verordnungen besonders nachteilig. So wurde die Todesstrafe erst aufgehoben und in solche Strafen verwandelt, die, wie Schiffziehen und Gassenkehren, die öffentliche Meinung gegen sich hatten; bald aber führte eine neue Ordonnanz die Todesstrafe wieder ein. Ähnliche Schwankungen zeigten Josephs Verordnungen über die Bücherzensur und Preßfreiheit; Schillers »Räuber« und die deutsche Übersetzung von Voltaires Schriften blieben verboten. Dagegen verdienen Josephs Schöpfungen für das Wohl der Armen und Leidenden: Kranken- und Irrenhäuser, Gebär- und Findelanstalten, Waiseninstitute, Besserungsanstalten, Institute zur Heranbildung von Militärärzten, uneingeschränktes Lob.
Trotz des Widerstandes, den J. in den Erbländern fand, würden indes seine Gesetze nachhaltiger gewirkt haben, wenn das Ansehen seiner Regierung nicht durch seine äußere Politik völlig erschüttert worden wäre. Bei persönlicher Bewunderung Friedrichs II. war er doch zu sehr in den österreichischen Traditionen befangen, als daß er nicht die lebhafteste Eifersucht gegen das wachsende Ansehen Preußens empfunden hätte, und diese Eifersucht ward erwidert, indem der Preußenkönig dem Lieblingsplan Josephs II., Bayern zu erwerben, entgegentrat und so dieses für Österreichs Stellung in Deutschland epochemachende Projekt durchkreuzte. Indem J. Anlehnung an fremde Staaten, bald an Frankreich, bald an Rußland, suchte, mißglückten ihm die nächsten Unternehmungen. Als er die alten Verträge über die Scheldeschiffahrt mit den Holländern lösen wollte, mußte er als römischer Kaiser die Beleidigung seiner Flagge durch das stolze kleine Nachbarvolk hinnehmen und froh sein, daß Frankreich einen Ausgleich vermittelte. Der abenteuerliche Plan, das griechische Reich wiederherzustellen, und die russische Allianz führten zu dem Türkenkrieg von 1788, dessen unglücklicher Verlauf alle schlummernden Kräfte des Widerstandes in den Erbländern entfesselte. In Belgien war es schon 1787 zu blutigen Auftritten gekommen. Während der Kaiser mit Katharina II. von Rußland im Chersones die weitreichendsten Pläne entwarf, zeigte sich sein Regiment in den Erbländern von seiner schwächsten Seite. Nachdem er die Statthalter der Niederlande, den Herzog Albert von Sachsen-Teschen und dessen Gemahlin, die Erzherzogin Marie Christine, wegen der Nachgiebigkeit, die sie den niederländischen Ständen gegenüber bewiesen, abberufen, wollte er durch Kabinettsaufträge über die Köpfe seiner Minister hinweg sein verlornes Ansehen militärisch wiederherstellen und befahl seinem General Murray den rücksichtslosesten Gebrauch der Waffen und Einführung des Martialgesetzes. Aber auch hier fand J. nur wenig Gehorsam, und nachdem er endlich einen fügsamen General zu diesem Zwecke gefunden, hatte er nicht die hinreichende militärische Macht, um die Revolution zu ersticken. Ganz ähnlich hatten sich die Dinge in Ungarn entwickelt. Die einfache Negation des historischen Rechts in diesem Lande, zu dessen König sich J. nicht krönen, vielmehr die Krone aus Ungarn nach Wien bringen ließ, hatte erst einen passiven, bald in den Komitaten einen faktischen Widerstand erzeugt, der seit 1789 durch die französischen Revolutionsvorgänge sichtlich befördert wurde. Schließlich von seinen treuesten Räten gedrängt, unterzeichnete er 28. Jan. 1790 jenes merkwürdige Dokument, durch das er für Ungarn mit wenig Ausnahmen alle Neuerungen widerrief und den Verfassungsstand vom Jahre 1780 wiederherstellte. Um Belgien zu pazifizieren, mußte er sich zu dem noch demütigendern Schritt bequemen, die Hilfe des Papstes Pius VI. anzurufen. Gleichzeitig hatten auch die böhmischen und tirolischen Stände sich zu regen begonnen und preßten dem todkranken Kaiser das Geständnis ab: »Ich will ihnen ja alles geben, was sie verlangen; nur mögen sie mich ruhig ins Grab steigen lassen«. Kurz vor Vollendung seines 49. Lebensjahres starb er an einem Lungenleiden, das er sich in dem Feldzug an der untern Donau geholt hatte, und das durch die seelischen Schmerzen des Unterganges aller seiner Hoffnungen verstärkt wurde.
Selbst bei der kühlsten Beurteilung und schärfsten Kritik wird man die Wirksamkeit Josephs nicht unterschätzen, da sich aus dem Zusammenbruch seines Regierungssystems die wesentlichsten Prinzipien lebensfähig behaupteten. Im großen und ganzen hat er den österreichischen Regierungen und selbst dem österreichischen Volkscharakter in jeder politischen Beziehung seinen Stempel ausgedrückt, der »Josephinische Geist« war bis in die jüngste Zeit im Mittelstand Deutsch-Österreichs lebendig und ist es heute noch in der ältern Beamtengeneration. Wenn auch seine kirchlichen Ansichten von seinen Nachfolgern nicht geteilt wurden, so setzten sich dieselben doch im Bewußtsein des Volkes in der Form eines liberalisierenden Staatskatholizismus um so fester, und auch in andern Richtungen der Gesetzgebung ward durch Josephs Neffen, den Kaiser Franz II., dasjenige durchgeführt, was J. angebahnt hatte; für dessen Anhänglichkeit an seinen »zweiten Vater« gibt das schöne Monument Zeugnis, das derselbe 1807 durch den Bildhauer Zauner in Wien setzen ließ, mit der Inschrift: »Josepho II. qui saluti publicae vixit non diu sed totus«. Vor allem aber lebt J. als der großherzige Märtyrer des einheitlichen Staatsgedankens, wie man ihn nennen darf, in tausend wahren und nachgebildeten Anekdoten gefeiert, in der Tradition des Volkes Deutsch-Österreichs als dessen Liebling. Beweis dessen die zahlreichen Kaiser J.-Denkmäler, die in so vielen österreichischen, besonders in deutschen Städten Böhmens, Mährens und Schlesiens, bis in die allerneueste Zeit errichtet wurden. Von den beiden Gemahlinnen Josephs II. war die erste, Isabella, Tochter des Herzogs Philipp von Parma, schon 1763, die zweite, Maria Josepha, Tochter Karl Albrechts von Bayern (Kaiser Karls VII.), schon 1767 gestorben. Vgl. Groß-Hoffinger, Lebens- und Regierungsgeschichte Josephs II. (Stuttg. 1835–37); Meynert, Kaiser J. II. (Wien 1862); Wendrinski, Kaiser J. II. (das. 1880); Ad. Wolf und v. Zwiedineck, Österreich unter Maria Theresia, J. II und Leopold II. (Berl. 1884); Fournier, J. II. (»Historische Studien und Skizzen«, Prag 1885); S. Brunner, Die theologische Dienerschaft am Hof Josephs II. (Wien 1868), Correspondances intimes de l'empereur J. II avec Cobenzl et Kaunitz (Mainz 1871) und J. II. Charakteristik seines Lebens, seiner Regierung und seiner Kirchenreform (u. Aufl., Freiburg 1885); Beer u. Fiedler, J. II. und Graf Ludwig Cobenzl. Ihr Briefwechsel (Wien 1901, 2 Bde.); von Arneth, Maria Theresia und J. Ihre Korrespondenz samt Briefen Josephs an seinen Bruder Leopold (Wien 1867, 3 Bde.), J. II. und Leopold von Toskana, ihr Briefwechsel (das. 1872, 2 Bde.), J. II. und Katharina von Rußland. Ihr Briefwechsel (das. 1869), Marie Antoinette, J. II. und Leopold II., ihr Briefwechsel (das. 1866); Beer, J. II., Leopold II. und Kaunitz, ihr Briefwechsel (das. 1873); Ott. Lorenz, J. II. und die belgische Revolution (das. 1862); Wolf, Das Unterrichtswesen in Österreich unter Kaiser J. II. (das. 1880); Luftkandl, Die Josephinischen Ideen und ihr Erfolg (das. 1881); Schlitter, Pius VI. und J. II. von der Rückkehr des Papstes nach Rom bis zum Abschluß des Konkordates (das. 1894) und Die Regierung Josephs II. in den österreichischen Niederlanden (das. 1900). Die mehrfach (so von Schuselka) herausgegebenen »Briefe Josephs II.« sind ein Machwerk des Publizisten Großing aus dem Jahr 1790.
[Köln.] 3) J. Klemens, Herzog zu Bayern, Kurfürst von Köln, geb. 5. Dez. 1671, gest. 12. Nov. 1723, Sohn des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern, seit 1684 Koadjutor seines Vetters Albert Siegmund, Bischofs von Freising, ward noch 1684 dessen Nachfolger, 1685 zugleich Bischof von Regensburg. Vom Papst Innozenz XI. 1688 im Einverständnis mit Kaiser Leopold I. für das Erzbistum Köln vorgeschlagen und vom Kaiser trotz seiner Jugend für mündig erklärt, kam er nach Verdrängung des von Frankreich begünstigten Erzbischofs Fürstenberg durch kaiserliche Truppen in Besitz des Stifts und ward 1694 auch Bischof von Lüttich. Im Spanischen Erbfolgekrieg mit seinem Bruder, dem Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, zu Frankreich haltend, verlor er infolge der Schlacht bei Höchstädt und der über ihn verhängten Reichsacht 1706 sein Land, floh nach Frankreich, wurde aber durch den Frieden zu Baden (1714) restituiert und auch noch Bischof von Hildesheim. Vgl. Ennen, Der Spanische Erbfolgekrieg und der Kurfürst J. Clemens von Köln (Jena 1851); Rosenlehner, Die Stellung der Kurfürsten Max Emanuel von Bayern und J. Klemens von Köln zur Kaiserwahl Karls VI. (Münch. 1900).
[Liechtenstein.] 4) Fürsten von Liechtenstein, s. Liechtenstein.
[Neapel.] 5) König von Neapel und Spanien, s. Bonaparte 1).
[Österreich.] 6) J. Karl Ludwig, Erzherzog von Österreich, geb. 2. März 1833, Sohn des Erzherzog-Palatins Joseph (geb. 9. März 1776, gest. 13. Jan. 1847) und der Prinzessin Maria Dorothea von Württemberg, trat 1848 in die kaiserliche Armee, wurde 1859 Generalmajor, stand 1860–64 in Italien, befehligte 1866 eine Brigade des 4. Korps bei Schweinschädel und Königgrätz, wo er verwundet ward, erhielt das Kommando des 4. Korps, wurde 1867 Oberkommandant der neuerrichteten ungarischen Landwehr (Hónved) und 1874 General der Kavallerie. Auch ist er Mitglied der ungarischen Akademie und gab den »Atlas der Heilpflanzen« (gezeichnet von seiner Tochter, der Fürstin von Thurn und Taxis, Regensb. 1904 f.), heraus. Seit 1864 ist er mit der Prinzessin Klothilde von Sachsen-Koburg vermählt. Sein Wohnsitz ist Alcsúth in Ungarn.
[Portugal.] 7) J. J. Emanuel, König von Portugal, Sohn Johanns V., geb. 1715, gest. 24. Febr. 1777, folgte diesem 1750 auf dem Thron und berief sofort Pombal in das Ministerium, dem er bald die Leitung der Staatsgeschäfte gänzlich überließ, da er selbst arbeitsscheu und wenig befähigt war. Er gab sich ganz seinen Liebhabereien: Theater, Jagd und Galanterie hin. Nach dem Attentat 3. Sept. 1758, bei dem er verwundet wurde, gab er sogar seine Zustimmung zur Vertreibung der Jesuiten. Apoplektische Anfälle nötigten ihn 1776, seine Gemahlin Maria Anna zur Regentin zu ernennen.
[Sachsen-Altenburg.] 8) Herzog von Sachsen-Altenburg, geb. 27. Aug. 1789, gest. 25. Nov. 1868, Sohn des damaligen Herzogs Friedrich von Hildburghausen, folgte seinem Vater im Herzogtum Altenburg 29. Sept. 1834. Wiewohl er für umsichtig fortschreitende Reformen war, veranlaßte doch seine Begünstigung einer ultrakirchlichen Richtung und die allzu kostspielige Hofhaltung 1848 eine heftige Bewegung und 30. Nov. Josephs Verzicht auf die Regierung zugunsten seines Bruders Georg. Er lebte seitdem abwechselnd in Altenburg und auf seinem Jagdschloß Hummelshain. J. war vermählt mit Prinzessin Amalie von Württemberg (gest. 28. Nov. 1848), die ihm sechs Töchter gebar, von denen Marie mit dem König Georg V. von Hannover, Elisabeth mit dem Großherzog Peter von Oldenburg und Alexandra mit dem Großfürsten Konstantin von Rußland vermählt war.
[Sachsen-Hildburghausen.] 9) J. Friedrich Wilhelm, Prinz von Sachsen-Hildburghausen, Sohn des Herzogs Ernst II., geb. 8. Okt. 1702, gest. 4. Jan. 1787, trat 1719 in österreichische Militärdienste, kämpfte unter Seckendorf in Italien mit, trat 1727 zum Katholizismus über, wurde 1732 Oberst im Regiment Palffy und nahm an den Kämpfen in Italien und 1734 am Rhein teil. Als Generalfeldzeugmeister in Ungarn im Kriege gegen die Türken, den er anriet, 1736–39 unglücklich, erhielt er doch im Österreichischen Erbfolgekrieg die obere Leitung des Heerwesens innerhalb des Kaiserreichs. 1757 unterstand ihm die Reichsarmee, die mit Soubise zusammen operieren sollte, aber, der schwierigen Aufgabe nicht gewachsen, kommandierte er seit der Schlacht bei Roßbach 5. Nov. 1757 nicht wieder, sondern lebte in Wien der Pflege der Musik. Die Übertragung der Administrations- und Debitkommission des Herzogtums Hildburghausen rief ihn 1769 dahin. 1779 übernahm er die Vormundschaft über seinen Urgroßneffen Friedrich und führte diese auch nach dessen Volljährigkeit bis zu seinem Tode fort. Seine 1738 geschlossene kinderlose Ehe mit der Nichte und Erbin des Prinzen Eugen löste er bald wieder, da man ihn über das Vermögen seiner Gemahlin getäuscht hatte. Vgl. Brabant, J. Friedrich, Herzog zu Sachsen-Hildburghausen, des Heiligen Römischen Reichs Generalissimus 1757 (Berl. 1904).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.