Kaunitz

Kaunitz

Kaunitz, Wenzel Anton, Reichsfürst von K.-Rietberg, österreich. Staatsmann, geb. 2. Febr. 1711 in Wien, gest. 27. Juni 1794, zweiter Sohn des Grafen Maximilian Ulrich von K. und der Gräfin Maria Ernestine Rietberg, ward zum geistlichen Stand bestimmt und schon in der Wiege zum Domizellar zu Münster ernannt, widmete sich jedoch, nachdem er in Wien, Leipzig, Regensburg und Leiden studiert, den Staatsgeschäften. Karl VI. ernannte ihn 1735 zum Reichshofrat, bald darauf zum Kommissar bei der permanenten Reichsversammlung zu Regensburg. Seit 1741 stand er im diplomatischen Dienst, kam nach Rom, Florenz und Turin, und ward 1744 zum österreichischen Minister am Hofe des Prinzen Karl von Lothringen, Generalgouverneurs der österreichischen Niederlande, ernannt. In Karls Abwesenheit führte er die Regierung mit Umsicht und erwirkte 1746, als die Franzosen Brüssel besetzten, für die österreichischen Truppen freien Abzug nach Antwerpen und, da auch dieses verloren ging, nach Aachen. Auf dem Friedenskongreß zu Aachen 1748 war er als kaiserlicher Gesandter tätig und wurde sodann zum Wirklichen Mitglied der geheimen Staatskonferenz ernannt. Als solches riet K. zur Bekämpfung Friedrichs II. als Österreichs gefährlichsten Feindes und zur Anbahnung einer Allianz mit Frankreich, die aber erst 1756 zustande kam. Von 1750–53 war er Gesandter in Paris, 1753 wurde er Hof- und Staatskanzler und 1756 niederländischer und italienischer Kanzler. Nach dem Siebenjährigen Kriege, 1764, wurde K. vom Kaiser Franz I. in den Reichsfürstenstand erhoben. Er genoß bis zu Maria Theresias Tode deren unbegrenztes Vertrauen und hatte in allen Fragen der äußern Politik wie der Kriegführung die entscheidende Stimme. Auch was in dieser Epoche von Bedeutenderm auf den Gebieten der innern Politik sowie der Wissenschaften und Künste in Österreich ins Leben trat, z. B. die Kunstschule zu Wien, mehrere bedeutende Akademien der Niederlande und der Lombardei, hat ihn zum Schöpfer. Weniger groß war sein Einfluß unter Joseph II., der ihm zwar sein Ohr lieh, aber nicht immer seine Ratschläge befolgte, noch geringer unter Leopold II., von dem er sich namentlich in der Auffassung des Verhältnisses zu Preußen unterschied, und bei Franz' II. Thronbesteigung legte er seine Staatskanzlerwürde nieder. Zwei Jahre darauf starb er. K. war voll Geist und Schöpferkraft, unermüdlich tätig, ernst, treu, redlich und ein Freund der Wissenschaften und Künste. Für die französische Etikette bekundete er eine besondere Vorliebe, und der Spott der Wiener über seine affektierte Nachahmung alles Französischen in Kleidung und Umgang reizte ihn nur, jene um so mehr hervortreten zu lassen. Auch die französische Sprache und Literatur, namentlich die Werke Voltaires und der Enzyklopädisten, hatten in ihm einen großen Verehrer. Vgl. Beer, Denkschriften des Fürsten K. (Wien 1872) und Joseph II., Leopold II. und K.; ihr Briefwechsel (das. 1873); »Correspondance secrète du comte de Mercy-Argenteau avec l'empereur Joseph II et le prince de K.« (hrsg. von Arneth und Flammermont, Par. 1889–91, 2 Bde.); »Correspondance secrète entre le comte K. et le baron Ignaz de Koch« (hrsg. von Schlitter, das. 1899); »K., Philipp Cobenzl und Spielmann. Ihr Briefwechsel« (hrsg. von Schlitter, Wien 1899); A. v. Arneth, Biographie des Fürsten K., Fragment (das. 1899). – Die mährische fürstliche Linie des Geschlechts K., der Fürst Wenzel Anton angehörte, erlosch mit seinem Enkel Alois Wenze 11848 im Mannesstamm. Das Haupt der ältern böhmischen gräflichen Linie, 1617 gegründet, ist seit dem Tode des Grafen Albrecht K. (geb. 28. Juni 1829, gest. 24. Jan. 1897 in Prag) dessen Bruder Graf Wenzel (geb. 26. Sept. 1848), dem der alte mährische Besitz, Herrschaft Austerlitz, zufiel, während der böhmische Besitz an Albrechts Schwester, Marie Prinzessin von Hohenlohe, überging.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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