- Bernstein [1]
Bernstein (»Brennstein«, v. niederdeutschen bernen, d. h. brennen; im 16. und 17. Jahrh. Bornstein, Börnstein, auch Ag-[Agt-, Achat-]stein, lateinisch-german. Glesum, Succinit, gelbe Ambra, lat. Electrum, Succinum), ein zu den Mineralien gerechnetes fossiles Harz, findet sich in rundlichen, stumpfeckigen, knollen- und plattenförmigen Stücken, auch in getropften und geflossenen Gestalten ähnlich dem Baumharz, ist wachs- bis honiggelb, gelblichweiß bis braun (in Sizilien auch rötlichbraun, blau und grün mit blauer Fluoreszenz), bisweilen geflammt, gestreift, fettglänzend, durchsichtig bis undurchsichtig, vom spez. Gew. 1,0–1,1 und der Härte 2,0–2,5. B. enthält oft Luftblasen, entwickelt beim Reiben Geruch und wird elektrisch, beim Erhitzen in Öl weich und biegsam, ist unlöslich in Wasser, gibt an kochenden Alkohol, Äther und ätherische Ole wenig ab, löst sich in Benzol, Chloroform und in Alkohol, der sehr wenig Kampfer enthält, hat die prozentische Zusammensetzung des Kampfers (C10H16O) mit geringem Schwefelgehalt und besteht zu 9/10 aus Bernsteinbitumen (Succinin), enthält außerdem Harze, ätherisches Öl und (2,1–8,7 Proz.) Bernsteinsäure. Der B. schmilzt bei 287° unter Zersetzung, brennt mit rußender Flamme und angenehmem Geruch, entwickelt auf glühenden Kohlen aromatische, stechend riechende Dämpfe, gibt bei trockner Destillation Bernsteinsäure, Bernsteinöl und Wasser, als Rückstand in Terpentinöl und fetten Ölen lösliches Bernsteinkolophonium. Mit Salpetersäure liefert B. viel Bernsteinsäure und etwas Kampfer, mit rauchender Salpetersäure moschusartig riechendes Harz, mit Kalihydrat Borneokampfer. – Der wichtigste Fundort für B. ist die preußische Ostseeküste. Im Samland findet er sich in der tertiären (unteroligocänen) Glaukonitformation auf primärer Lagerstätte und zumal in der untern Abteilung derselben, in der sogen. blauen Erde, einer durch Glaukonitkörnchen bläulich gefärbten, sandig-tonigen Bildung von 1,25–6 m Mächtigkeit, zusammen mit Holzresten, Haifischzähnen, Meereskonchyl ien, Seeigeln etc. Die blaue Erde zieht sich am ganzen Nordstrande des Samlandes von Brüsterort bis Rantau fort und ist auch in Kranz nachgewiesen worden. Gegen S. senkt sie sich derart ein, daß sie bei Kraxtepellen schon 12,5 m unter See liegt. Da sie nun am Strand im allgemeinen nahe unter dem Meeresspiegel bekannt geworden ist und beinahe horizontal liegt, so muß sie, weil der Meeresgrund sich einsenkt, nicht fern vom Land aus dem Grund hervortreten, und dadurch erklärt sich der Bernsteinauswurf (Strandsegen) der See, die an der blauen Erde nagt und den losgespülten B. forttreibt. Besonders die Nordweststürme lösen B. vom Meeresboden los und treiben die leichten Massen, in Seetang eingewickelt, mit den Wellen dem Lande zu. In einer Herbstnacht 1862 wurden in der Gegend von Palmnicken und Nodems an 2000 kg B. gewonnen. Auch bereits in frühern Erdperioden hat das Meer diese Lagerstätte abgespült; daher findet sich B. z. B. in der Tuchelschen Heide in diluvialen Sandablagerungen mit Seetangresten, abgerollten Holzstücken und Steinen und bei Schwarzort auf altalluvialen Lagern. Überhaupt gibt es in West- und Ostpreußen, Hinterpommern und Posen Forstreviere, wo jährlich nicht unbedeutende Quantitäten B. aus dem Diluvium gegraben werden. Auch in der Mark, in Schlesien etc. wird B. gefunden. Außer an der preußischen Ostseeküste findet sich B. auch noch an der Küste von Dänemark und Schleswig-Holstein, bei Blexen gegenüber Bremerhaven und an der Küste des Nördlichen Eismeeres. Außerdem kennt man B. aus Sibirien, von Kamtschatka, von Portugal, Spanien, Frankreich, aus den Niederlanden, aus dem Tertiär von Galizien und Rumänien (z. T. von schwarzer Farbe), aus Sizilien, von der Nordküste Afrikas, aus Australien. Nicht alle diese Funde stimmen mit dem Ostseebernstein überein. Man kennt mehrere bernsteinähnliche fossile Harze, wie den rumänischen Simentit, den ostpreußischen Gedanit, Glessit, Beckerit, Stautinit etc. Für den echten Ostseebernstein ist charakteristisch, daß er bei trockner Destillation 4–7 Proz. Bernsteinsäure liefert.
Aristoteles hielt den B. für einen aus Bäumen geflossenen Stoff, später geriet man auf mancherlei andre Vermutungen, erst Bock erklärte um 1796 den B. für Pflanzenharz, und Struve leitete ihn 1811 von Koniferen ab. Conwentz wies nach, daß der B. des Samlandes von einer Fichte, Picea succinifera Conw., abstammt, deren Holzreste häufig im B. eingeschlossen vorkommen. Wie bei den heutigen Fichten und Kiefern Harzgallen mitten im Holz entstehen, so bildeten sich solche bei P. succinifera auch im Kambium. In ihrem Harzreichtum kann die P. succinifera mit der neuseeländischen Agathis australis verglichen werden, deren Zweige und Äste von weißen Harztropfen so starren, daß sie wie mit Eiszapfen bedeckt erscheinen. Das Bernsteinharz wurde teils an den Wurzeln der Bernsteinfichte ausgeschieden oder angesammelt, teils tropfte es von den Zweigen und fiel auch wohl auf am Boden liegende Blätter, deren Form es im Abdruck bewahrt hat. Der Bernsteinwald des Samlandes stand auf einem in der Kreidezeit gebildeten Boden und nahm ein Gebiet ein, das im S. etwa von den Küsten der heutigen Ostsee begrenzt wurde. Er enthielt außer Tannen und Fichten Lebensbäume (Thuja), Chamaecyparis, Eichen, Lorbeergewächse, Palmen, Erikazeen, Farne, Flechten und Moose, wie die Einschlüsse des Bernsteins beweisen. Auch die Tierwelt des Waldes kennt man aus sehr zahlreichen Einschlüssen. Im allgemeinen gleicht die Fauna und Flora des Bernsteins derjenigen des heutigen südlichen Nordamerika und Japans. Die Reste gehören meist noch lebenden Gattungen an, aber die Arten sind ausgestorben. Am häufigsten finden sich Insekten (vgl. Tafel »Tertiärformation II«, Fig. 4) und besonders Zweiflügler (über 230 Arten); von unsern 75 Käferfamilien sind 49 vertreten. Ferner finden sich fast alle Abteilungen der Hautflügler, zahlreich Frühlingsfliegen, Geradflügler (besonders Schaben), Falschnetzflügler (besonders Termiten), Kleinschmetterlinge, Halbflügler (besonders Blattläuse und Zikaden), Tausendfüßer, Spinnentiere, Asseln, Fadenwürmer, Mollusken, eine Eidechse, Federn und Haare. In dem Bernsteinwalde sammelte sich das Harz im Lauf der Jahrtausende, während die Bäume abstarben und verwesten.
Gewinnung. Handelssorten. Verarbeitung.
Man gewinnt den B. durch Auslesen der von der See ausgeworfenen Stücke und geht auch ins Wasser, um ihn mit Netzen zu »schöpfen«. Der herantreibende Tang, der den B. eingeschlossen enthält (Bernsteinkraut), wird in der Mitte der überkippenden Welle aufgefangen, an den Strand geworfen und ausgesucht. Um den B. zu »stechen«, wendet man von einem Boot aus die am Meeresgrund liegenden großen Steine und fängt den ins Schwimmen geratenen B. mit einem Kescher auf. Bei Brüsterort, wo in 5–9 m Tiefe eine reiche Bernsteinablagerung vorhanden ist, hebt man die Steinblöcke mit Zangen und Flaschenzügen auf ein Floß und bewegt ein Netz mit scharfem Rande kratzend (schrapend) auf dem Grunde hin und her. Im Kurischen Haff hat die Firma Stantien u. Becker in Königsberg großartige Erfolge durch Baggerei und Taucher erzielt, doch ist diese Methode jetzt aufgegeben. Seit etwa 200 Jahren wird B. auf dem festen Lande durch Graben gewonnen, und diese Methode ist ergiebig geworden, seitdem man die blaue Erde als Lagerstätte des Bernsteins erkannt hat. Bei Palmnicken und Kraxtepellen wäscht man die blaue Erde, sondert durch Auslesen und Sieben den B. (Tiefbaustein) ab und sortiert ihn nach Größe (Dammstein, Firnis), Form und Farbe. Stücke über 0,5 kg Gewicht kommen nur selten vor, das größte Stück B. von 6750 g findet sich im königlichen Mineralienkabinett in Berlin. Der aus den Bäumen schnell in größerer Menge ausgetretene, von der Sonne durchwärmte und dann in Tropfenform erstarrte massive B. ist klar und von gleichmäßiger Farbe. Haben sich aufeinander folgende Harzergüsse nicht vollständig miteinander vereinigt, so hat der B. (Schlaube) schalige Struktur und zerspringt leicht. Dieser B. ist sehr klar und enthält die meisten Einschlüsse. Der gelbe B. ist sehr häufig mit Luftbläschen erfüllt, die sein Aussehen völlig ändern. Schaumiger B. ist sehr reich an Bläschen und häufig mit Schwefelkies durchzogen. Durch sehr zahlreiche seine Bläschen wird der B. undurchscheinend, gelblichweiß, knochenähnlich (knochiger B., Bernsteinknochen). Dieser nimmt Politur an und wird für manche Zwecke sehr geschätzt. Im buntknochigen B. wechseln klare Teile mit knochigen. Halbbastard ist gut politurfähig, schwach durchscheinend, meist mit rein knochigen Partien. Am geschätztesten für Luxusarbeiten ist der Bastard, mit größern und weniger zahlreichen Bläschen als der knochige B. Die hellern Sorten geben das Blau des Handels, die dunklern heißen kumstfarbig (sauerkohlfarbig). Flohmiger B. hat noch weniger und größere Bläschen und ist minder geschätzt. Der klare B. ist besonders in großen massiven Stücken sehr teuer. Die goldhellen Varietäten heißen Braunschweiger Klar, weil sie ehemals zur Nationaltracht reicher braunschweigischer Bauernmädchen gehörten. Durch Verwitterung ist der B. meist mit einer dunkel rotbraunen Rinde umgeben. Der B. der blauen Erde hat eine gänsehautähnliche Oberfläche, der von der See ausgeworfene B. aber besitzt kaum eine Verwitterungsrinde. Trübungen im B. kann man durch Kochen in Rüböl und langsames Erkalten beseitigen.
Bei der Verarbeitung des Bernsteins wird die Rinde durch Schleifen mit Wasser und Sand in einer rotierenden Trommel entfernt. Dann bearbeitet man den B. auf der Drehbank, durch Schnitzen, Raspeln oder Feilen, auch mit der Laubsäge und poliert ihn mit Schmirgel, Bimsstein, Kreide und Seifenwasser und durch Reiben mit dem Daumen oder überzieht Stellen, die nicht poliert werden können, mit Bernsteinfirnis. Durch Erhitzen in Öl kann man B. vorübergehend so weich machen, daß er sich etwas biegen und in Formen pressen läßt (gegossener B., Preßbernstein, Braunschweiger Korallen); milchiger B. wird dabei durchsichtig.
B. wurde ehedem zu Vergrößerungsgläsern, Brillen, Prismen, Brennspiegeln benutzt, im 17. und 18. Jahrh. verarbeitete man ihn zu kunstvollen Schmuckschränkchen, Kassetten, Schüsseln, Bechern, Pokalen, Figuren, Reliefs, wobei man wolkige und mehrfarbige Stücke mit großem Geschick zu verwenden wußte und den B. in mildes Rotgold faßte. Jetzt fertigt man aus B. hauptsächlich Zigarren- und Pfeifenspitzen besonders in Wien, Königsberg, Danzig, Stolp, Nürnberg, Worms, Ruhla, Lemgo, Polangen in Rußland, in Paris und New York, Perlen in Danzig, Stolp und Polangen. Diese Waren gehen meist ins Ausland, nach allen Ländern Europas, besonders in den Orient, nach Ostindien, China, Afrika, Australien. Im ganzen wird etwa für 2,165,000 Mk. B. zu Spitzen, für 145,000 Mk. zu Perlen, für 190,000 Mk. zu Lack verarbeitet. Abfälle und kleine Stücke werden zu Firnis (s. Bernsteinkolophonium) benutzt. Schon im Altertum galt der B. als heilkräftig, und noch in neuerer Zeit wurde der Bernsteinknochen besonders geschätzt. Räucherungen mit B. wurden bei Rheumatismus angewendet, auch bereitete man aus Bernsteinsäure und Bernsteinöl pharmazeutische Präparate. Abergläubisch werden Perlenschnüre getragen, um das Zahnen der Kinder zu erleichtern; Ammen tragen besonders in Rußland Perlenschnüre, weil der B. angeblich alle Krankheitsstoffe von Amme und Kind anzieht. Schalen und Schüsseln aus B. vereiteln jede Vergiftung. Auch in China und Korea trägt man B. als Amulett gegen Krankheiten und in Marokko gegen die Gefahren des Krieges.
Imitationen von B. aus Glas, Kopal, Zelluloid haben nur geringe Bedeutung. Wichtiger ist die 1879 in Österreich erfundene Verarbeitung kleiner Bernsteinstücke zu homogenen großen Massen (Preßbernstein, Ambroid). Man erhitzt den B. auf etwa 150°, treibt ihn unter einem Druck von 3000 Atmosphären durch den siebartig durchbrochenen Boden des Preßzylinders einer hydraulischen Presse und sorgt für eine innige Mischung der austretenden Stränge. Das Ambroid ist schwer von echtem B. zu unterscheiden; es zeigt wohl bräunliche Äderchen oder Schlieren, Trübungen treten in parallelen Strichen auf, und eingeschlossene Bläschen erscheinen unter dem Mikroskop dendritisch zerdrückt.
Geschichtliches.
Die Königsgräber von Mykenä lieferten zahlreiche Bernsteinperlen, und im Norden kennt man viele Bernsteingegenstände aus der Steinzeit. Roher und bearbeiteter B. wurde in den Pfahlbauten der Schweiz, in Deutschland, in den Höhlen der Pyrenäen, in Ungarn, in den Dolmen Nordwestfrankreichs, in Gräbern aus der ältesten Eisenzeit und der etruskischen Periode Italiens gefunden. Die Mythe vom Phaëton deutet nicht nur auf richtige Erkenntnis der Natur des Bernsteins, sondern auch auf die Wege, auf denen der B. zu den alten Kulturvölkern gelangte. Der Eridanos der Mythe ist dem Äschylos die Rhone, dem Euripides der Po, und von der Rhone erhielten die Griechen den B. durch die Massilier und Ligurer, vom Po durch die Etrusker und Veneter. Nach einer dritten Annahme mündet der Eridanos ins nördliche oder nordwestliche Meer, und hier schimmert eine richtigere Vorstellung von dem wahren Bernsteinlande durch. Thales kannte die anziehende Kraft des geriebenen Bernsteins. Tacitus wußte, daß die Ästyer (Esthen) von der rechten Küste des Suevischen Meeres den B. Glesum nennen, als Auswurf des Meeres sammeln und an die Römer verhandeln. Nach Plinius soll man den B. Succinum genannt haben, weil er aus dem Saft (succus) der Bäume entstanden sei, und Plinius selbst leitet ihn von einer Pinie ab. Schon Pytheas hatte zur Zeit Alexanders d. Gr. eine Entdeckungsreise unternommen, um die Heimat des Zinnes, des Bernsteins und köstlicher Felle zu erkunden; er erzählt, daß der B. auf der Insel Abalus im Ozean, gegenüber dem germanischen Volk der Guttonen, von den Wellen angetrieben werde, aber er ist schwerlich über die Weser oder Elbe hinausgekommen, und so kann Abalus nicht auf das Samland bezogen werden. Plinius verlegt die Bernsteininseln, Glessarien oder Elektriden, ins Germanische Meer, gegenüber Britannien, so daß angenommen werden kann, daß die Alten B. von einer Küste der Nordsee erhalten haben. Die erste sichere Andeutung der samländischen Küste gibt Dionysios von Halikarnaß. Epochemachend für den Bernsteinhandel war die Entsendung eines römischen Ritters durch Kaiser Nero. Wahrscheinlich wurde durch diese Expedition die bernsteinreiche Küste des ostpreußischen Samlandes dem römischen Handel erschlossen, und daraus erklärt sich der große Reichtum der Provinz Preußen an römischen Fabrikaten. Mit dem immer mehr hervortretenden Übergewichte des Orients am Ende des ersten Jahrtausends unsrer Zeitrechnung bahnten sich auch Verbindungen für den Bernsteinhandel nach dem Orient an. Zeugen dafür sind die zahlreichen Funde von orientalischen (kufischen) Silbermünzen und Schmuckgegenständen, meistens aus dem 10. und 11. Jahrh. stammend. Phöniker mögen, wenn auch nicht bis in die Ostsee, so doch an die Westküste der Cimbrischen Halbinsel gekommen sein, wo sie den B. von Zwischenhändlern erhielten. Sicherlich aber gelangte der meiste Ostseebernstein auf dem Weg eines von Land zu Land gehenden Zwischenhandels an der Oder und Weichsel südwärts bis zur Donau und dann einerseits nach dem Po, anderseits direkt nach Griechenland, wie dies unter anderm baltische Münzfunde dartun, die bis zum 6. Jahrh. v. Chr. zurückreichen. In noch ältern Zeiten wurde der B. höchstwahrscheinlich gegen Bronze- und Eisenwaren eingetauscht, und hier haben wir vermutlich den Ursprung der ältesten etruskischen und griechischen Geräte im Norden zu suchen. Noch in den Tagen des Plinius kam der nordische B. auf diesem Weg über Carnuntum bis zu den Pomündungen; die Küstenplätze des Adriatischen Meeres bildeten die Hauptstapelplätze für den Handel mit dem leicht zu bearbeitenden Schmuckstoff, und da nun Bernsteinhalsketten schon damals in dem Ruf standen, die Drüsenanschwellungen des Halses zu verhüten, der Kropf aber an den Südabhängen der Alpen seit jeher heimisch war, so trugen die Landleute an den Po-Ufern allgemein Bernsteinketten, und dies, sagt Plinius, sei die Ursache gewesen, daß man im Altertum den Po für den Eridanos hielt, aus dem der B. gefischt wurde.
In den ältesten Zeiten war das Auflesen des ausgeworfenen Bernsteins jedermann erlaubt, erst die Bischöfe erkannten in dem »Börnstein«, lapis ardens, ein geeignetes Steuerobjekt (die älteste Urkunde ist von 1264). Die Deutschen Ritter beuteten das Bernsteinregal in größtem Maßstab aus und gaben den B. an Bernsteindreherinnungen ab, die sich um 1300 in Brügge und Lübeck, 1450 in Stolp, Kolberg, Danzig, 1640 in Königsberg bildeten; Venedig, Frankfurt a. M., Köln und Nürnberg waren damals Haupthandelsplätze. Später wurden Bernsteingerichte eingesetzt, und die Strandbewohner mußten den Bernsteineid schwören. Sie erhielten als Entschädigung für die anstrengende und gefährliche Arbeit des Schöpfens nur das Salz für ihr Fischereigewerbe. Diese unnatürlichen Verhältnisse führten zur Verpachtung der Bernsteinnutzung an Danziger Kaufleute, die alsbald den Handel bis Persien und Indien ausdehnten und in vielen Städten Faktoreien einrichteten. Dies verlockte die Regierung, die Sache wieder selbst in die Hand zu nehmen, und noch oft wechselten seitdem Verpachtung und Selbstverwaltung miteinander ab. Erst zu Ende des 18. Jahrh. wurde der Bernsteineid abgeschafft, seit 1811 wurde das Recht der Bernsteingewinnung in Generalpacht gegeben und seit 1837 meistbietend verpachtet. 1860 begannen die Unternehmungen von Stantien und Becker mit solchem Erfolg, daß die Pachtsumme, die früher kaum 30,000 Mk. betragen hatte, auf 800,000 Mk. stieg, und daß die Firma den ganzen Bernsteinmarkt beherrschte. 1899 kaufte die preußische Staatsregierung die Bernsteinwerke von Stantien und Becker. Nach dem Gesetz vom 22. Febr. 1867 und dem westpreußischen Provinzialrecht § 73 und 75 ist der B. Regal an den Stranden von Ost- und Westpreußen und der pommerschen Kreise Neustettin, Dramburg, Belgard, Bütow, im Binnenland in ganz Ostpreußen und im Bistum Pomesanien. Auf der Strecke von Weichselmünde bis Polsk ist die Bernsteingewinnung Recht der Stadt Danzig. Sonst ist der B. frei und gehört dem Besitzer des Grundes, auf dem er gefunden wird. Vgl. Hartmann, Succini prussici historia (Frankf. 1677); Runge. Der B. in Ostpreußen (Berl. 1868); Derselbe, Die Bernsteingräbereien im Samland (das. 1869); Klebs. Gewinnung und Verarbeitung des Bernsteins (Königsberg 1883), Handelssorten des Bernsteins (Berl. 1883), Der B. und seine Geschichte (Königsb. 1889); Helm, Mitteilungen über B. (Danz. 1881 ff.); Tesdorpf, Gewinnung, Verarbeitung und Handel des Bernsteins in Preußen (Jena 1887); Göppert, Der B. und die in ihm vorkommenden Überreste der Vorwelt (Berl. 1845); Göppert und Menge, Flora des Bernsteins (Danz. 1883; fortgesetzt von Conwentz, 1886); Nötling, Die Fauna des samländischen Tertiärs (Berl. 1885); Conwentz, Monographie der baltischen Bernsteinbäume (Danz. 1890); Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde, Bd. 1 (Berl. 1871); Landsberg, Geschichte des Bernsteins und seinei Gewinnung (in den »Preußischen Jahrbüchern«, 1899).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.