Flaschenzug

Flaschenzug

Flaschenzug (Rollenzug), Vorrichtung zum Heben von Lasten. Der einfachste F. besteht in der Verbindung zweier Rollen durch ein Seil oder eine Kette, von denen jede in einem oft gehäuseartig ausgebildeten Konstruktionsteile, der Flasche (Kloben, Schere), drehbar gelagert ist.

Fig. 1. Einfacher Flaschenzug.
Fig. 1. Einfacher Flaschenzug.

Der Kloben der festen Rolle a (Fig. 1) ist mit einem Haken an einem festen Gegenstand aufgehängt, derjenige der losen Rolle b trägt die Last Q. Das Seil ist an dem untern Haken des Klobens von a befestigt und umschlingt beide Rollen. Die Last verteilt sich auf die beiden Seilteile c und d, so daß jeder derselben die Hälfte zu tragen hat (wobei unberücksichtigt geblieben ist, daß c und d nicht genau parallel laufen). Es ist daher eine an dem Seilende e ziehende, der Last Q das Gleichgewicht haltende Kraft P = Q/2, wenn man von Reibungs- und Seil-, bez. Kettenbiegungswiderständen absieht. Gewöhnlich verwendet man mehrere feste und eine gleiche Anzahl loser Rollen, die in je einer Flasche vereinigt sind (Fig. 2).

Fig. 2. Flaschenzug mit mehreren Rollen.
Fig. 2. Flaschenzug mit mehreren Rollen.

Das Seil geht dabei, von dem Haken der obern Flasche beginnend, abwechselnd um eine lose und eine feste Rolle. Allgemein ist die zum Heben einer Last erforderliche theoretische Kraft = Last/Anzahl sämtlicher Rollen. Infolge der Reibungs- und Seil-, bez. Kettenbiegungswiderstände entstehen jedoch nicht unbeträchtliche Kraftverluste, so daß die wirkliche Kraft zum Heben der Last immer größer ausfällt als die theoretische. Die genannten Widerstände wachsen mit der Rollenzahl, weshalb es nicht vorteilhaft ist, mehr als vier Rollen in jede Flasche zu legen. Der beschriebene F. wird auch zuweilen in umgekehrter Weise benutzt (umgekehrter F.), indem man die Kraft bei b, die Last bei e angreifen läßt. Das geschieht bei hydraulischen Kränen und Aufzügen (s.d.), bei denen die Last einen großen Weg durchlaufen muß und die wirksame Kraft größer als die Last ist. Durch eine andre Rollenanordnung erhält man den Potenzflaschenzug (Fig. 3). Hier geht zunächst, wie beim einfachen F., ein Seil c d e von einem festen Punkt aus um eine lose Rolle b, dann aufwärts um eine feste Rolle a und endigt in dem Stück e. An der Rolle b hängt aber nicht direkt die Last, sondern vermittelst der Seilschleife f g die Rolle h, deren Haken die Last Q trägt. Allgemein ist hier bei n losen Rollen die theoretische Hebekraft = Last/2n. Der Potenzflaschenzug ist praktisch nicht gut verwertbar. Der Differentialflaschenzug (von Weston, Fig. 4) besitzt zwei undrehbar miteinander verbundene Rollen, eine lose Rolle und eine Kette ohne Ende.

Fig. 3. Potenzflaschenzug.
Fig. 3. Potenzflaschenzug.

Die Kettenrollen k und g der obern Flasche haben auf ihrer Peripherie Einschnitte, in welche die Kettenglieder hineinpassen, so daß die Kette auf dem Rollenumfange nicht gleiten kann. Die Durchmesser dieser beiden auf einem gemeinschaftlichen Zapfen sitzenden Rollen sind verschieden, und zwar hat k den kleinern, g den größern Durchmesser. Die Kette ist über beide Rollen so gelegt, daß sie unterhalb zwei Schleifen a b und c d bildet, an deren einer, a b, eine lose Rolle l mit der zu hebenden Last Q hängt. Zieht man nun an dem Kettenstrang d, so werden sich beide Rollen in der Richtung des Pfeiles drehen, wobei sich das Kettentrum a auf g aufwickelt, b dagegen von k abwickelt. Jedoch ist wegen der Größendifferenz der Räder die Größe der auf- und abgewickelten Strecken verschieden, und zwar wickelt sich auf g mehr auf, als von k herabgeht; daher wird die Schleife a b, d. h. die Summe von a und b, sich um die halbe Differenz der Auf- und Abwickelung verkürzen und die Last um diese Größe gehoben werden.

Fig. 4. Differentialflaschenzug.
Fig. 4. Differentialflaschenzug.

Um die Last zu senken, hat man an dem Kettentrum c zu ziehen, wobei sich dann die Verhältnisse umkehren. Den Hauptvorzügen des Differentialflaschenzugs, große Einfachheit und der Umstand, daß bei genügend kleinem Unterschiede der Rollendurchmesser die Last durch die Reibungswiderstände in jeder Stellung selbsttätig festgehalten wird, steht der Nachteil großen Kraftverlustes und rascher Abnutzung entgegen. Um die Wirkung dieses Flaschenzugs zu erhöhen, werden oft die beiden obern Rollen auf dem Bolzen festgekeilt und auf diesen ein großes Kettenrad gesetzt, über dessen Rinne eine dünne Kette niederhängt. Der Arbeiter wirkt dann nicht an der Last-, sondern an jener Hand kette, wodurch der Krafthebelarm vergrößert wird (Getriebsflaschenzug). Als Flaschenzüge werden ferner zahlreiche Hebezeugkonstruktionen bezeichnet, die im wesentlichen als kleine, gedrängt gebaute, in einem Bügel oder Gehäuse untergebrachte Winden mit Kettenantrieb sich darstellen und wie die beschriebenen Flaschenzüge mittels Haken aufgehängt und benutzt werden. Fig. 5 zeigt den Schraubenflaschenzug von E. Becker. Die am Gehäuse befestigte Lastkette trägt unten eine lose Rolle mit Haken für die Last und schlingt sich oben um ein kleines Kettenrad, eine Kettennuß, die, mit dem danebensitzenden Schraubenrade undrehbar verbunden, sich mit diesem auf gemeinschaftlichem Zapfen dreht. In das Schraubenrad greift eine steile Schraube ein, auf deren Welle das Kettenrad für die Handkette sitzt. Da die steile Schraube den Rücklauf der Last nicht mehr selbsttätig bremst, so ist der F. mit einer Drucklagerbremse (s. Bremsen, S. 385) versehen.

Fig. 5. Schraubenflaschenzug von E. Becker.
Fig. 5. Schraubenflaschenzug von E. Becker.

Der Lastzug sucht die Schraubenwelle nach links (bezogen auf die Abbildung) zu schieben, wodurch letztere mit ihrem Vollkegel in einen Hohlkegel gepreßt wird, dessen Zapfenansatz beim Lastheben als Stützzapfen dient, indem sich durch die Reibung der Hohlkegel mit dem Vollkegel der Schraubenwelle selbsttätig kuppelt. Der Rücklauf der Last wird durch den Eingriff einer Sperrklinke in den außen verzahnten Kranz des Hohlkegels verhindert. Das Lastsenken geschieht durch Zug an der Handkette entgegengesetzt dem Sinne des Lasthebens, wobei der Vollkegel in den Hohlkegel gleitet. Andre Schraubenflaschenzüge (von Lüders, Maxim u. a.) unterscheiden sich von dem Beckerschen nur in der Konstruktion der Bremse. Die Zahnradflaschenzüge besitzen ein Windwerk, das in der Regel aus ineinandergreifenden, außen oder innen verzahnten Stirnrädern besteht, deren Anordnung bei manchen Konstruktionen recht kompliziert ist (Verwendung von Differentialrädergetrieben, Exizykloidalflaschenzüge). Hierher gehörige Ausführungen sind die von Eade, Moore, Pickering u. a. Bemerkenswert wegen seiner eigenartigen, selbsttätigen Bremse ist der Viktoriazahnradflaschenzug von Bolzani. Vgl. Ernst, Die Hebezeuge (4. Aufl., Berl. 1904, 3 Bde.); Uhland, Hebeapparate (Jena 1883, 2 Bde.); Bethmann, Die Hebezeuge (Braunschw. 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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