- Tertiärformation
Unter den Pflanzenformen, zunächst des Alttertiärs, spielen besonders die Koniferen (Pinus, Taxodium, Taxoxylon, Cupressinoxylon, Sequoia) eine hervorragende Rolle als kohlebildende Pflanzen, aus deren Harz sich der Bernstein entwickelt, der sich aber meist fern von den erzeugenden Pinus-Arten auf sekundärer Lagerstätte in glaukonitischen Sanden vorfindet. Die Tone, Sandsteine und Schiefer führen Reste von Chondrites-Arten (in meerischen Schichten), Palmen, Kampferbäumen, Feigen, immergrünen Eichen, Magnolien, Platanen, Akazien, Lorbeer, Myrten und Proteazeen, während die Sagobäume ganz zurücktreten. Die sämtlichen Pflanzen des Alttertiärs tragen einen tropischen Charakter an sich, wie denn auch die Land- und Süßwasserkonchylien ihre nächsten Verwandten unter den heutigen Arten von Ostasien, Polynesien und Indien haben. Auch nach den Pflanzenformen des Neogens, unter denen 119 Arten Monokotyledonen und gegen 500 Arten Dikotyledonen gezählt werden, berechnet O. Heer für die verschiedenen Fundorte eine gegen 9° höhere Mitteltemperatur während der Neogenzeit, als heute an denselben Orten herrscht. Er nimmt an:
Unter den Tierformen der Tertiärformation sind die Molluskenordnungen schon ganz in dem für die Jetztwelt bestehenden Verhältnis vertreten. Zweischaler und Schnecken (Tafel I, Fig. 5–19) überwiegen; Brachiopoden und namentlich Kephalopoden, noch in der Kreide in großartigem Formenreichtum entwickelt, treten vollkommen zurück. Gleiches Schicksal teilen die Krinoideen, die Meeressaurier und Flugsaurier. Insekten finden sich nicht sehr verbreitet, aber an einzelnen Fundorten in außerordentlicher Menge. So schließt der Bernstein (s.d.) an 2000 Arten in vollständigster Erhaltung ein; von ihnen seien hier nur die auf Tafel II, Fig. 8, abgebildeten Phryganea antiqua, Gryllus macrocerus, Monophlebus pinnatus, Phrytocoris vetustus und Aphis hirsuta erwähnt. Auch Öningen bei Konstanz, Radoboj in Kroatien, Aix in der Provence etc. haben viele Arten geliefert; von den beiden zuletzt erwähnten Orten stammen auch die auf Tafel II, Fig. 10, abgebildeten Reste der Schmetterlinge Vanessa (Mylothrites) Pluto und Neorinopis sepulta. Larven der Phryganiden oder Frühlingsfliegen kommen im Oligocän der Auvergne sogar in solchen Mengen angehäuft vor, daß sie 2–3 m mächtige Bänke des sogen. Indusienkalkes für sich allein zusammensetzen (Tafel II, Fig. 4). Weitaus das meiste Interesse unter den tertiären Tierformen erregen die Säugetiere, teils weil sie im Gegensatz zu der in ältern Formationen allein vertretenen Ordnung der Beuteltiere viel mannigfaltigere Typen aufweisen, teils weil sie gewisse in der heutigen Schöpfung nur lückenhaft entwickelte Ordnungen ergänzen. Schon im Alttertiär treten Wale (Tafel III, Fig. 2 u. 4) auf, so in eocänen Schichten Alabamas das 15 m lange Zeuglodon, besonders aber Huftiere und eigentümliche Mischlingstypen zwischen den Wiederkäuern und Dickhäutern, wie Palaeotherium magnum und Anoplotherium commune in dem Pariser Oligocän (Tafel III, Fig. 12 u. 5) und das einem riesigen Wildschwein und einem Flußpferd ähnliche Anthracotherium magnum (Tafel III, Fig. 11) in dem Oligocän des Mainzer Beckens. Daneben kommen vereinzelt Fledermäuse, Raubtiere, Nager, Insektenfresser und Affen vor, während die an der Grenze von Kreide und Tertiär gelegenen Laramieschichten und die hangenden eocänen Ablagerungen der Rocky Mountains in Nordamerika (s. Rocky Mountains) die abenteuerlichen Gestalten des Loxolophodon oder Dinoceras (Tafel III, Fig. 8) geliefert haben, sechsfach gehörnte Tierkolosse, die gewisse Merkmale des Tapirs, des Rhinozeros (Tafel III, Fig. 1) und des Elefanten in sich vereinigen. Für das Neogen sind vor allen die Mastodonten (Tafel III, Fig. 3), Elefanten mit vier Stoßzähnen, charakteristisch, daneben Dinotherium (Tafel III, Fig. 6), ein riesiges Rüsseltier mit abwärts laufenden Stoßzähnen, in der übrigen Bezahnung an den Tapir erinnernd. Ferner treten gehörnte und ungehörnte Rhinozerosarten, Giraffen, Hirsche (Tafel III, Fig. 10), Antilopen, Hunde, Raubtiere sowie einige Affen auf, von denen Dryopithecus (Tafel III, Fig. 9) aus dem Pliocän von Montpellier in Frankreich ein besonderes Interesse erregt, weil seine Bezahnung der des Menschen sehr nahe steht. Endlich birgt das Jungtertiär in Anchitherium und Hippotherium (Hipparion, Tafel III, Fig. 7) Stammformen unsers Pferdes.
Die Produkte der vulkanischen Tätigkeit während der Tertiärperiode sind Basalte, Andesite, Trachyte und Phonolithe, meist mit Laven historischen Ursprungs petrographisch vollkommen übereinstimmend. Ihre als Tuffe ausgebreiteten Zertrümmerungsprodukte sind durch Wechsellagerung mannigfaltig mit rein sedimentärem Material verknüpft und führen oft als einen greifbaren Beweis gleichzeitiger Bildung tertiäre Petrefakten. Im schroffen Gegensatz zu der Seltenheit vulkanischen Materials, das gleichalterig mit Kreide-, Jura- und Triasgesteinen ist, sind die Eruptivgesteine tertiären und zwar oligocänen und miocänen Alters äußerst zahlreich. In Deutschland gehören hierher die isolierten Basalt- und Phonolithkuppen des Hegaues, die Basalte der Alb, die Tuffe und Bomben im Ries, die vulkanischen Gesteine des Kaiserstuhlgebirges, der Umgebung des Laacher Sees, die der Eifel, des Siebengebirges, Westerwaldes, Vogelberges, Habichtwaldes und Meißners, der Rhön, die isolierten Partien im Thüringer Wald, Fichtelgebirge, Erzgebirge und Riesengebirge. Ungefähr gleichalterig sind ferner die nordböhmischen, ungarischen und siebenbürgischen Territorien vulkanischen Materials. Hierzu gesellen sich weiter die Gebiete in Zentralfrankreich, in Norditalien, in Schottland, Irland, auf den Shetlandinseln, den Färöern und Island. Auch im Süden Europas begann die heute noch andauernde vulkanische Tätigkeit schon während der Tertiärzeit; ebenso in zahlreichen außereuropäischen Ländern.
An technisch nutzbaren Gesteinen und Mineralien enthält die Tertiärformation außer den zur Ziegelfabrikation etc. verwendbaren plastischen Tonen, den Dachschiefern des Flysch von Elm etc. in der Schweiz, den zu Bausteinen sowie zur Mörtel- und Zementbereitung geeigneten Kalksteinen und den gleichfalls als Baumaterial geschätzten Sandsteinen und Sanden, namentlich Braunkohlen, oft in recht beträchtlicher Mächtigkeit und in mehreren geologischen Horizonten, zuweilen in Verbindung mit schwefelkiesreichen Alauntonen (Schwemsal, Freienwalde, Zittau etc.); ferner Petroleum, Asphalt und Erdwachs (in den Congerienschichten der Walachei, im Flysch der Karpathen, im Oligocän des Elsaß), Bernstein im Oligocän des Samlandes, Eisenerze in Südwestdeutschland und in der Schweiz (die sogen. Bohnerze), in der Gegend von Kassel, in dem alpinen Eocän etc., Phosphorit im Oligocän Südfrankreichs (Quercy), Steinsalz, in Begleitung von Gips und Schwefel, die gleichfalls ausgebeutet werden, zu Wieliczka, Swoszowice, Radoboj, Kalusz etc. An die tertiären Eruptivgesteine der Karpathenländer und im Westen von Nord- und Südamerika ist auch das Auftreten von Gold-, Silber- und Tellurerzen geknüpft. (Vgl. »Europa«, S. 176 und 177; Text zur »Karte der nutzbaren Mineralien in Deutschland«, S. III; die Artikel »Nordamerika«, S. 740, und »Südamerika«.)
Tertiärformation I.Tertiärformation II.Tertiärformation III.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.