- Schwimmen
Schwimmen, im allgemeinen das Getragenwerden eines Körpers von einer spezifisch schwerern Flüssigkeit. Der Körper taucht beim S. stets so lief ein, daß die von ihm verdrängte Flüssigkeit gerade so viel wiegt als er selbst, oder: jeder Körper verliert z. B. im Wasser so viel an Gewicht, als die Wassermasse wiegt, deren Si elle er einnimmt. Ein Körper, der spezifisch schwerer ist als Wasser, kann zum S. gebracht werden, wenn man ihn mit einem spezifisch leichtern so verbindet, daß beide gleichsam einen Körper bilden, der in seiner Gesamtheit weniger wiegt als das gleiche Volumen Wasser, oder wenn man einen schweren Körper so aushöhlt, daß er mit der in ihm befindlichen Luft spezifisch leichter wird als das Wasser (eiserne Schiffe). Die Stabilität des schwimmenden Körpers ist im allgemeinen um so großer, je tiefer sein Schwerpunkt unter dem Schwerpunkt des von ihm verdrängten Wassers liegt. Will der Mensch, dessen Körper spezifisch schwerer als Wasser ist, sich ohne eigne Tätigkeit auf dem Wasser erhalten (passives S.), so befestigt er am Körper mit Luft gefüllte Schwimmblasen, Schwimmgürtel, Schwimmwesten, Schwimmtönnchen etc. Boytons Schwimmanzug aus wasserdichtem Stoff besteht aus einer Stiefelhose und einer Handschuhjacke mit einer nur das Gesicht freilassenden Kappe. Beide Kleidungsstücke werden durch einen leichten, breiten eisernen Reisen miteinander verbunden, in den und über den die Jacke gezogen und mittels eines ledernen Gürtels wasserdicht festgepreßt wird. Die Kappe legt sich mit elastischem Ausschnitt um Stirn, Wange und Kinn fest an. An den Schenkeln, der Brust, dem Rücken und Hinterkopf angebrachte Luftschlauche offnen sich mit verschließbaren Mundstücken vorn auf der Brust, so daß der Schwimmer hier Luft ein blasen und auslassen kann. Zu größerer Sicherheit sind sie doppelt angelegt. – Zur willkürlichen Ortsbewegung der Organismen auf und im Wasser (aktives S.) bedient sich die Natur der verschiedensten Einrichtungen. Manche Tiere bewegen sich dadurch im Wasser fort, daß sie abwechselnd das Wasser aussaugen und es wieder ausstoßen, die Medusen bewegen sich durch rhythmische Zusammenziehung und Ausdehnung ihres glockenförmigen Schirmes, die Rädertierchen durch schwingende Bewegung ihrer Flimmerhaare, die sich auf ihren Ansatzpunkten derartig drehen, daß sie abwechselnd die dem Wasser dargebotene Oberfläche vergrößern und verkleinern, die Pteropoden (Flügelschnecken) brauchen die flügelartigen Gebilde in der Nähe des Kopfes nach Art eines doppelten Ruders. Bei den Fischen wird das S. hauptsächlich durch sehr schnelle und kräftige Streckbewegungen des Schwanzes bewirkt. Diese Bewegungen erfolgen durch Muskeln, welche die Hauptmasse des Fischkörpers ausmachen und beiderseits neben der Wirbelsäule angeordnet sind. Auch die Flossen nehmen an der Schwimmbewegung teil, und die Schwimmblase erleichtert den Aufstieg. Bei den Vögeln erfolgt die Fortbewegung auf dem Wasser durch rudernde Bewegungen der mit einer starken Schwimmhaut versehenen Füße. Vgl. Pettigrew, Die Ortsbewegung der Tiere (deutsch, Leipz. 1875); Strasser, Zur Lehre von der Ortsbewegung der Fische (Stuttg. 1882); Müller, Ortsbewegungen der Tiere (Berl. 1885).
Der Mensch, dessen spezifisches Gewicht bei gesunden männlichen Individuen bei tiefster Einatmung 1,003, bei mittlerer Atmung 1,017, bei möglichster Ausatmung 1,044 beträgt, individuell aber sehr stark schwankt (fettreicher Mann 0,993), kann sich nur durch geeignete Bewegungen vor dem Untersinken bewahren. Wenn es auch dem Geübten je nach der Konsistenz seiner Knochen und dem Umfang und der Lage seiner Lungen mehr oder weniger leicht ist, in stehender oder sitzender Lage ohne jede Bewegung Gesicht und Mund oberhalb des ruhigen Wasserspiegels zu halten, so muß doch der Mensch die ihm zur Fortbewegung und zur Erhaltung seines Lebens im Wasser dienende Schwimmkunst durch bestimmte Übungen erlernen. Um das Untersinken zu vermeiden und sich gleichzeitig von der Stelle zu bewegen, müssen die Glieder durch zweckentsprechende Bewegungen einen Druck oder Stoß gegen das Wasser in der Weise ausüben, daß der Körper zugleich gehoben und weitergeführt wird. Die Bewegungen sind dabei so einzurichten, daß die Glieder sich gegenseitig unterstützend und ablösend arbeiten. Je zweckmäßiger die Bewegung ist, um so geringfügiger kann sie sein, um den Körper auf der Oberfläche entlang gleiten zu lassen. So genügen hierzu in der Rückenlage der Schiffsschraube ähnlich drehende und das Wasser schräg wegdrückende Bewegungen der Handflächen (Paddeln). Man darf annehmen, daß den ersten Schwimmern die Schwimmarten der Tiere zum Vorbilde dienten, und zwar derjenigen Tiere (Hunde, Pferde), denen das Wasser nicht Lebenselement ist. Für die jetzt fast allein gelehrte Art des Schwimmens hat der Frosch das Vorbild geliefert. Der Kopf mit nach vorn gerichtetem Gesicht und Hals wird oberhalb der Wasserfläche gehalten, die Tätigkeit der Beine, Anziehen und seitwärts Ausstoßen, dient der Fortbewegung; die Arme werden mit nach unten gerichteten Handflächen abwärts zusammengedrückt, um das Untertauchen des Oberkörpers in dem Moment des Anziehens der Beine zu verhüten (Brustlage). Beim Schwimmunterricht kommt es darauf an, die Art, die Aufeinanderfolge und das zeitliche Zusammenfallen der Bewegungen zu üben und die Unterstützung des Körpers des Lernenden durch »Angel« und »schlaffe Leine« seinen Fortschritten gemäß fortfallen zu lassen. Man kann zunächst die Schwimmbewegungen (als Freiübungen) auf dem Lande, und zwar im aufrechten Stande, im Reitsitz auf der Schranke und in wagerechter Lage auf einer besondern Hängevorrichtung vornehmen. Bereits von Guts Muths empfohlen, sind diese Übungen von d'Argy zum Ausgangspunkt einer besondern Schwimmethode genommen worden. Die fast überall verschiedenen Methoden für »Trockenschwimmübungen« sind auf Vorrichtungen gerichtet, die dem Lernenden die sofortige Anwendung der geübten Bewegung im Wasser erleichtert. Auf diese Weise ist es möglich geworden, vielen zu gleicher Zeit, besonders in Schulen, Schwimmunterricht zu erteilen, besonders in Hamburg, Hannover und Breslau sind damit erfreuliche Erfolge erzielt worden. Demjenigen, der sich erst im Wasser sicher fühlt, gelingt es dann leicht, andre Schwimmarten zu erlernen, in der Rückenlage, in welcher der Mensch, lediglich auf dem Rücken liegend, Arme und Beine zum Fortstoßen des Wassers benutzt, das Seite- und Spanischschwimmen, bei dem auch die Arme zur Fortbewegung dienen und die Beine scherenartige Bewegungen machen. Auch das Unterwasserschwimmen, Tauchen, Springen aus der Höhe vom Sprungbrett, Springturm in das Wasser sind dann Übungen, die gleichzeitig den Körper stählen wie im Moment der Gefahr für sich oder andre von großem Nutzen sind. Besonders in England wird der praktische Nutzen des Schwimmens bei der Lebensrettung auch im Schwimmsport in den Vordergrund gestellt. Dort wie in Schweden legt man, wie dies bei den Olympischen Spielen erkennbar wurde, auch beim Springen den Wert auf möglichst geräuschloses Hineingleiten des Körpers in das Wasser, während Schönheit der Haltung und Elastizität des Körpers beim deutschen Springen maßgebend sind. S., Springen, Tauchen und Wasserballspiel sind die Zweige des Schwimmsports, der sich von England aus weiterverbreitet hat. In Deutschland hat sich der Schwimmsport außerordentlich entwickelt und eine eigne Prägung erhalten. Die erste schwimmsportliche Vereinigung ist der Berliner Schwimmverein von 1878, dem bald andre folgten. Sämtliche Schwimmvereinigungen, die das S. sportmäßig betreiben und sich am Wettschwimmen be teil igen, sind im Deutschen Schwimmverband (mit 190 Vereinen und 22,300 Mitgliedern) und der Deutschen Schwimmerschaft (mit 40 Vereinen und 4000 Mitgliedern) zusammengeschlossen. Der Deutsche Schwimmverband, dessen Unterverbände (Kreise) für Berlin-Brandenburg, Hansa und Norden, Mitteldeutschland, Osten, Süddeutschland, Nordosten, Königreich S. ichsen, Thüringen, Rheinland-Westfalen besondere lokale Interessen wahrnehmen, hält alljährlich einen Verbandstag und ein Verbandsfest ab. Er hat »allgemeine Wettschwimmbestimmungen« für die Veranstaltung von Wettschwimmen und Handhabung des Schwimmsports aufgestellt. Für die Beurteilung des Sprunges dient eine »Sprungtabelle«, nach der die Ausführung und Schwierigkeit des Sprunges nach Punkten bewertet wird. Ein besonderer Zweig des Schwimmsports ist das Wasserballspiel, bei dem es darauf an kommt, innerhalb einer festgesetzten Zeit möglichst oft einen Ball durch das Tor der Gegenpartei mit einer Hand zu werfen. Berufsschwimmer sind von der Beteiligung an deutschen Wettschwimmfesten ausgeschlossen. Die Sieger erhalten Ehrenpreise, die als »Wanderpreise« nochmals erkämpft werden müssen, Medaillen und Ehrenkränze. Die einzelnen Kämpfer sondern sich nach Schwimmart, Springen und Tauchen, nach Alter und nach Erfolg des Kämpfers (Knaben-, Jugend- u. Herren schwimmen, Junioren-[I und II], Seniorenkonkurrenzen). In Deutschland und Österreich wird im Schwimmsport der Vervollkommnung in der Schnelligkeit der Vorzug gegeben. Die kürzeste Zeit, die ein deutscher Schwimmer für die durchschnittliche, meist übliche Strecke von 100 m gebraucht hat, ist 75 Sekunden, während die beste Zeit auf deutscher Bahn 67 Sekunden (zugleich Weltrekord) beträgt. Das S. ist eine sehr alte Kunst, die z. B. auch schon von den Griechen und Römern (bei letztern bildete sie einen Teil der militärischen Ausbildung) fleißig geübt ward, und worin die alten Deutschen Gewaltiges leisteten. Im spätern Mittelalter immer mehr außer Gebrauch gekommen, ist sie erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. wieder zur Geltung gelangt. Für Deutschland sind als Förderer des Schwimmens Basedow und besonders Guts Mut hs, ferner Frank und Vieth zu nennen. Guts Muths schrieb auch ein noch jetzt beachtenswertes »Kleines Lehrbuch der Schwimmkunst« (1798). Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Schwimmkunst und des Badewesens sowie der gesamten Literatur findet sich bei Kabierske, Das Breslauer Hallenschwimmbad (Bresl. 1899), sowie bei Kallenbach, Handbuch für Schwimmvereine (3. Aufl., das. 1907). 1812 entstand in Wien die erste militärische Schwimmanstalt; 1817 gründete General v. Pfuel, der Begründer der neuern Schwimmethode, die Militärschwimmanstalt in Berlin als Mutteranstalt aller seitdem in Preußen begründeten Militärschwimmanstalten. Jetzt sind fast alle Garnisonen in Deutschland und andern Ländern mit Militärschwimmanstalten versehen. Daneben sind zahlreiche städtische Schwimmanstalten, auch für das weibliche Geschlecht, entstanden, in denen auch im Winter der Schwimmsport eifrig gepflegt wird. (Näheres über die Einrichtungen solcher Anstalten s. Bad, S. 240 f.) Vgl. Wynmann, Colymbetes, sive de arte natandi dialogus (Ingolst. 1538, neu hrsg. von Waßmannsdorf, Heidelb 1889); d'Argy, Instruktion für den Schwimmunterricht in der französischen Armee (deutsch, 4. Aufl., Berl. 1877); Thümen, Instruktion für den militärischen Schwimmunterricht nach der Pfuelschen Methode (das. 1862); Kluge und Euler, Lehrbuch der Schwimmkunst (das. 1870); Ladebeck, Schwimmschule (6. Aufl., Leipz. 1900); Euler, Kleines Lehrbuch der Schwimmkunst (Berl. 1891); H. Müller, Katechismus der Schwimmkunst (Leipz. 1891); Orofino, S. als Kunst und Sport (Wien 1895); v. Altenstein, Der Schwimmsport (Leipz. 1901); Seidel, Die Schwimmkunst (das. 1901); Thomas, Swimming (Lond. 1604); C. Lehmann, Schule des Wasserspringens (Leipz. 1897); H. Lotz, Notwendigkeit und Möglichkeit des pflichtmäßigen Schwimmunterrichts in der Volksschule (Elberf. 1905); O. Gutschank, Der Schwimmunterricht als Klassenunterricht (das. 1905); Ready, Der Schwimmsport u. die neueste Methode des Schwimmunterrichtes (Graz 1906); Brendicke, Zur Geschichte der Schwimmkunst (Hof 1884); »Schwimmerzeitung« (Organ des Deutschen Schwimmverbandes, Charlottenburg).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.