Wein [2]

Wein [2]

Wein (hierzu Textbeilage »Weinbereitung etc.«), alkoholisches Getränk, das durch Gärung zuckerhaltiger Fruchtsäfte gewonnen wird, im engern Sinne der gegorne Saft der Beeren des Weinstocks im Gegensatz zum Obstwein, der aus Äpfeln, Birnen und anderm Obst bereitet wird. Die jungen Beeren enthalten Gerbsäure, die aber bald verschwindet, während sich namentlich die Traubenkerne, auch die Hülsen, an Gerbsäure anreichern. Die unreifen Weinbeeren enthalten vorwiegend freie Weinsäure und wenig Zucker; während des Reifungsprozesses verschwindet aber die freie Säure mehr und mehr unter Bildung von saurem weinsaurem Kali (Weinstein), und in viel höherm Maß steigt der Gehalt an Zucker. Der Zucker wird in den Blättern gebildet und wandert aus diesen in die Beeren ein. Der Reifungsprozeß erreicht ein der Traubensorte und der Jahreswitterung entsprechendes Maximum (Edelreife), und wenn die Traube länger am Stock bleibt, so treten unter der Einwirkung eines Schimmelpilzes (Botrytis cinerea) schnell diejenigen Umsetzungen und Veränderungen ein, die der Winzer mit Edelfäule bezeichnet. Die Trauben werden gelb, dann braun, der Pilz verbraucht Zucker, eiweißartige Stoffe, namentlich aber Säure, so daß das Verhältnis von Zucker zu Säure ein für die Weinbereitung günstigeres wird. Den richtigen Zeitpunkt der Lese zu treffen, ist also von größter Wichtigkeit, zumal die Güte des Weines in erster Linie von der möglichst vollkommenen Reife der Beere abhängt. Bei der Spätlese, wenn ein großer Teil der Beeren edelfaul geworden ist, können diese durch Auslesen von den nur edelreifen Beeren getrennt und gesondert verarbeitet werden. Weinbeeren enthalten 12–30 Proz. Zucker (ein Gemenge von Traubenzucker und Fruchtzucker), außerdem 0,5 bis 1,4 Proz. Weinsäure (meist an Kali gebunden als Weinstein), Pektinkörper, eiweißartige Körper und mineralische Stoffe. Das Verhältnis zwischen Säure und Zucker gestaltet sich in guten Jahren und bei guten Sorten wie 1: 29, in mittlern Jahren und bei leichten Sorten wie 1: 16; doch sinkt das Verhältnis selbst auf 1: 10. Die Beeren enthalten auch mehrere eigentümliche Stoffe (Extraktivstoffe), über deren Natur man nichts Näheres weiß, die indes auf die Beschaffenheit des Weines den größten Einfluß ausüben. Den Gehalt des Mostes an Zucker ermittelt man aus dem spezifischen Gewicht des Mostes (dem Mostgewicht) mit der Mostwage (s. d.), genauer und sicherer mit dem Polarisationsinstrument. Die Zusammensetzung des Traubensaftes zeigt folgende Tabelle, die auch die Schwankungen in den Jahrgängen erkennen läßt:

Tabelle

Die Traubenschalen enthalten Gerbstoff und bei den blauen Trauben den Farbstoff, der sich nur selten, z. B. bei dem sogen. Färber, auch im Safte findet. Die Kerne sind sehr reich an Gerbsäure und enthalten auch fettes Öl, die Stiele (Kämme, Grappen) neben Gerbsäure viel freie Säure. Über die Bereitung des Weines, die Methoden der Weinverbesserung, Krankheiten, Zusammensetzung, Produktion etc. s. die Textbeilage. Über Schaumweine (Champagner) s. d.

Nach dem Reichsgesetz vom 24. Mai 1901 (hrsg. von Lebbin, Berl. 1902, Windisch, das. 1902, u. a.) ist W. das durch alkoholische Gärung aus dem Safte der Weintraube hergestellte Getränk. Als Verfälschung oder Nachahmung des Weines im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 ist nicht anzusehen: 1) die anerkannte Kellerbehandlung einschließlich der Haltbarmachung des Weines, auch wenn dabei Alkohol oder geringe Mengen von Eiweiß, Gelatine, Hausenblase etc., von Tannin, Kohlensäure, Schwefliger Säure oder daraus entstandener Schwefelsäure in den W. gelangen; jedoch darf die Menge des zugesetzten Alkohols, sofern es sich nicht um ausländische Süd- oder Süßweine handelt, nicht mehr als 1 Vol. – Proz. betragen; 2) die Vermischung (Verschnitt) von W. mit W.; 3) die Entsäuerung mittels reinen gefällten kohlensauren Kalkes; 4) der Zusatz von technisch reinem Rohr-, Rüben- oder Invertzucker, technisch reinem Stärkezucker, auch in wässeriger Lösung, sofern ein solcher Zusatz nur erfolgt, um den W. zu verbessern, ohne seine Menge erheblich zu vermehren; auch darf der gezuckerte W. seiner Beschaffenheit und seiner Zusammensetzung nach, namentlich auch in seinem Gehalt an Extraktstoffen und Mineralbestandteilen nicht unter den Durchschnitt der ungezuckerten Weine des Weinbaugebietes, dem der W. nach seiner Benennung entsprechen soll, herabgesetzt werden. Verboten ist die gewerbsmäßige Herstellung oder Nachahmung von W. (Kunstwein) unter Verwendung eines Aufgusses von Zuckerwasser oder Wasser auf Trauben, Traubenmaische, ganz oder teilweise entmostete Trauben und Hefe (Tresterwein, Hefenwein), von getrockneten Früchten (auch in Auszügen oder Abkochungen) oder eingedickten Moststoffen, unbeschadet der Verwendung bei der Herstellung von Getränken, die als ausländische Dessertweine in den Verkehr kommen; von künstlichen Süßstoffen; von Weinstein, Weinsäure etc., von Bukettstoffen, künstlichen Moststoffen oder Essenzen, unbeschadet der Verwendung aromatischer und arzneilicher Stoffe, bei der Herstellung von Weinen, die als landesübliche Gewürzgetränke oder Arzneimittel in den Verkehr kommen; von Obstmost und Obstwein, von Gummi oder andern Stoffen, durch die der Extraktgehalt erhöht wird. Es ist verboten, W., der einen Zuckerzusatz erhalten hat, unter Bezeichnungen feilzuhalten oder zu verkaufen, welche die Annahme hervorzurufen geeignet sind, daß ein derartiger Zusatz nicht gemacht ist. Vom Bundesrat vorgeschriebene Bezeichnungen sind auch in die Preislisten und Weinkarten sowie in sonstige übliche Angebote aufzunehmen. Lösliche Aluminiumsalze (Alaun u. dgl.), Baryumverbindungen, Borsäure, Glyzerin, Kermesbeeren, Magnesiumverbindungen, Salizylsäure, Oxalsäure, freien Amylalkohol enthaltender Sprit, Strontiumverbindungen, Teerfarbstoffe dürfen dem W., weinhaltigen oder weinähnlichen Getränken nicht zugesetzt werden. Rotwein, dessen Gehalt an Schwefelsäure in 1 Lit. mehr beträgt, als sich in 2 g neutralen schwefelsauren Kalis findet, darf nicht in Verkehr gebracht werden. Diese Bestimmung findet auf ausländische Süd- und Süßweine keine Anwendung. Von den Landesregierungen bezeichnete Beamte und Sachverständige sind befugt (unter Umständen auch während der Nacht), in Räume, in denen W., weinhaltige oder weinähnliche Getränke gewerbsmäßig hergestellt, aufbewahrt, feilgehalten oder verpackt werden, einzutreten, daselbst Besichtigungen vorzunehmen, geschäftliche Aufzeichnungen, Frachtbriefe und Bücher einzusehen, auch nach ihrer Auswahl Proben zum Zweck der Untersuchung gegen Empfangsbescheinigung zu entnehmen. Die Inhaber der vorbezeichneten Räume, die Betriebsleiter und Aufsichtspersonen sind verpflichtet, den zuständigen Beamten und Sachverständigen auf Erfordern Auskunft über das Verfahren bei Herstellung der Erzeugnisse, über den Umfang des Betriebes, über die zur Verwendung gelangenden Stoffe, insbes. auch deren Menge und Herkunft, zu erteilen sowie die geschäftlichen Aufzeichnungen, Frachtbriefe und Bücher vorzulegen. Für die Untersuchung des Weines hat der Bundesrat 29. Juni 1901 Vorschriften erlassen. Unter Kunstwein versteht man im weitern Sinn auch die pelionsierten Weine, Trester- und Hefeweine, speziell aber Fabrikate aus Spiritus, Wasser, Rosinen. Gummi, Glyzerin, Weinsäure, künstlichen Riechstoffen, verschiedenen Farbstoffen etc. Auch die Schlempe von der Kognakbereitung soll zur Darstellung von Kunstwein benutzt werden. Derartige Fabrikate werden oft mit W. verschnitten und als reiner W. in den Handel gebracht.

Weingenuß, Gastronomisches

Bei der Benutzung des Weines als Getränk kommt in erster Linie der Alkoholgehalt in Betracht; doch weicht die Wirkung des Weines so sehr von der des reinen Alkohols ab, daß man auch den übrigen Weinbestandteilen eine bedeutende Rolle zuschreiben muß. Der Weingenuß belebt vorherrschend die Phantasie. Die Steigerung derselben Kraft, die Bilder erzeugt, hat eine Erleichterung der Ideenassoziation und eine Schärfung des Gedächtnisses zur Folge. Auch die Sinne werden in ihrer Tätigkeit gefördert, die Eindrücke werden schnell und klar wahrgenommen, und das Urteil wird leichter gebildet. Alle willkürlichen Muskelbewegungen erfolgen leicht, die Stimme wird voller und kräftiger, Müdigkeit und Abspannung verschwinden, und es entsteht ein Gefühl von Wohlbehagen und Luft, das auch die geistigen Verstimmungen, Sorge, Gram und Furcht, verscheucht (Moleschott). Die strenge Verstandestätigkeit wird auch durch geringe Mengen W. ungünstig beeinflußt. Infolge seines Alkoholgehalts teilt der W. die physiologischen Wirkungen des Branntweins, und wenn ein mäßiger Weingenuß namentlich ältern Leuten durchaus zuträglich ist, so wirkt ein häufiger und dabei (wenn auch nur wenig) übermäßiger Weingenuß im höchsten Grade nachteilig, und der Weinsäufer kann ebensogut am Delirium tremens erkranken wie der Branntweinsäufer. Der Wein- und Gerbsäuregehalt wie auch die Extraktstoffe des Weines wirken im allgemeinen günstig auf die Verdauungsorgane, können aber bei übermäßigem Weingenuß auch schädlich werden. Junge Weine sind weniger bekömmlich als reifere, sie steigen leichter zu Kopf. Zur arzneilichen Anwendung kommt der W. als Belebungsmittel für das Herz und wichtiges Unterstützungsmittel bei einem auf die allgemeine Kräftigung absehenden Heilverfahren. Am besten gibt man hier schweren W., namentlich ungarischen, oder guten Rotwein.

Der W. bildet einen wichtigen Bestandteil einer Mahlzeit, namentlich sobald letztere einen festlichen Charakter annimmt. Die Auswahl der richtigen Weine zu den verschiedenen Gerichten erfordert Umsicht, Geschmack und Kenntnisse. Im Darreichen der Weine muß eine gewisse Reihenfolge innegehalten werden; als Regel gilt: aufsteigen von dem Gewöhnlichen zum Feinern und Besten. Im allgemeinen kann festgehalten werden: Tischweine, rot und weiß in Karaffen, die bis zum Dessert stehen bleiben, nach der Suppe Sherry oder Madeira, seltener Portwein; zu den Austern französischer Weißwein, St.-Péray, deutscher Schaumwein, auch englischer Porter; zum Fisch ein moussierender W. (St. Péray, moussierender Rheinwein), Chablis oder feiner Moselwein; zur grosse pièce besserer Bordeaux, der bis zum Schluß der Tafel fleißig nachgeschenkt wird; bei den Entrees weißer Bordeaux oder roter Burgunder; bei den kalten Speisen feiner Rheinwein; beim Braten ganz feiner Rotwein und Champagner, welch letzterer bis zum Ende der Mahlzeit beibehalten wird; bei Butter und Käse Portwein; beim Eis und Dessert süße Weine. Neuerdings ist es Sitte, Champagner von der Suppe an bis zum Schluß einzuschenken. Champagner und Mousseuxweine werden aus der Flasche den Gästen eingeschenkt, feine Weine im gefüllten Glas angeboten. Rote Bordeauxweine müssen langsam auf ca. 18° temperiert sein; zu kalt verlieren sie das Bukett, zu warm wird der W. matt und flach. Sorgfältiges und ruhiges Einschenken ist bei feinem, abgelagertem Bordeaux dringend zu empfehlen, denn durch Vermischung mit dem an der Flasche abgesetzten Satze (Farbstoff) verliert der beste W. seinen Geschmack. Deshalb wird feiner Bordeaux vielfach vorher vorsichtig abgegossen und umgefüllt. Schaumweine, weiße Bordeaux und Burgunder haben ihren besten Geschmack bei Kellertemperatur, die man im heißen Sommer durch leichtes Kühlen auf Eis erzielt. Das Gefrieren (Frappieren) ist geschmacklos. Weißweine munden am besten bei 11–12°, Schaumweine bei 6°. Leichte, geringere Weine müssen stärker gekühlt werden. Likörweine dürfen nur kühl, nicht kalt sein.

In der Küche kann man zu Suppen, Kaltschalen und einigen Saucen leichte Rot- und Weißweine verwenden; geringe oder gar schlechte Weine verderben den Geschmack. Zu Madeirasaucen darf man nur guten W. verwenden, zu Gelees, Cremes etc. wenigstens bessere Weine. Zu Mehlspeisen und Backwerk empfehlen sich alkoholreiche Weine, da sich der Geschmack leichter Weine beim Kochen und Backen zu sehr verflüchtigen würde.

Kulturgeschichtliches

In den Gegenden südlich vom Kaspischen Meer, am Ursitz des semitischen Stammes oder eines seiner Hauptzweige, wo man früher die Heimat des Weinstockes suchte, dürfte zuerst W. dargestellt worden sein. Aus jener Gegend begleitete der W. die sich ausbreitenden semitischen Stämme an den untern Euphrat und in die Wüsten und Paradiese des Südwestens. Aus Syrien ging die Weinkultur weiter über das ganze Kleinasien und drang von Norden her in die griechische Halbinsel, überall den ältern Mettrank verdrängend, während sie gleichzeitig durch den phönikischen Handel dorthin in andrer Richtung und direkt übermittelt wurde. Zur Zeit des Homer und Hesiod galt schon der Weinstock als eine natürliche Gabe des Landes, als ein Geschenk des Zeus für den Ganymed oder des Dionysos, dessen Geburt die Mythe auf den indischen Berg Nysa verlegt. In Ägypten wurde der Weinstock schon zu den Zeiten des Pyramidenbaues kultiviert, man unterschied viele Sorten nach Geschmack und Farbe und genoß W. bei allen Gelagen. In Griechenland scheint sich der Weinbau von Thrakien aus nach Süden verbreitet zu haben; auf den Inseln des Agäischen Meeres ging er aber von Kreta, einem Mittelpunkte phönikischer Ansiedelungen, nach Naxos und Chios und strahlte von dort weiter aus. Berühmt war der pramnische W. von Ikaros und der maroneische von Zakynthos. Auch Lesbos, Kos und Thasos waren berühmte Stätten dieser Kultur. Um 550 v. Chr. kannten die Karthager schon die Bereitung der Ausbruchweine. Nach uralter Sitte machte man den W. durch Zusatz von Terpentin haltbar, und daher bildet den Knauf des Thyrsusstabes ein Tannenzapfen. Auf welchem Wege der Weinbau nach Italien kam, ist unsicher. Romulus opferte den Göttern noch Milch; aber Numa Pompilius verbot schon, den Toten auf dem Holzstoß W. zu sprengen. Im 5. Jahrh. v. Chr. rühmte Sophokles Italien als Weinland. Zuerst wurde W. in Kampanien gebaut; doch kam er frühzeitig auch an die Pomündungen, und die Landschaft Picenum wird als besonders weinreich geschildert. Sehr berühmt waren auch die Vina raetica, d. h. die heutigen Tiroler und Veltliner Weine, die Vergil nur dem Falerner nachstellte. In den spätern Zeiten der Republik war Italien ein Weinland geworden, das W. aus-, Getreide aber einführte. Die gerühmtesten italienischen Weine waren der Falerner, Faustiner, Setiner, Formianer, Puciner, Tarentiner, Messalier, Massiker, Calener, Cäkuber und Sorrentiner, sämtlich in Kampanien, Sabiner in Etrurien etc. Nach Gallien kam der Weinbau 600 v. Chr. durch die Phokäer in Massilia. Cäsar fand vortreffliche Weingärten in Gallia Narbonensis, man kannte die Trauben der Bituriger (Bordelais). Ausonius rühmt die Weine der Medulli (Médoc), Plinius den avernischen (Auvergne), den helvischen (Viviers) und den bäternanischen (Frontignac) W. Domitian ließ zugunsten Italiens die Hälfte der gallischen Weinberge zerstören. Probus hob diese Maßregel wieder auf, und Aurelian und die Antonine bepflanzten die Côte d'Or mit Reben (daher Romanée). Wurde der W. dort, wie noch heute in Griechenland, in mit Pech ausgeschwenkten, aus einem Stück bestehenden Ziegenbocksfellen oder in tönernen Gefäßen, Dolien und Amphoren, aufbewahrt, so erfanden die Gallier die hölzernen Fässer, die sie nach Strabon so groß wie die Häuser bauten. Karl d. Gr. besaß Weinberge in Burgund (Charlemagne) und verpflanzte von dort die ersten Reben nach Rüdesheim. Aus den Kreuzzügen brachten französische Ritter ungarische, griechische und syrische Reben in ihre Heimat (Heunischtraube Lothringens). Spaniens Weinbau datiert ebenfalls von den Phokäern, nach Plinius war der hispanische W. in Rom sehr beliebt. Peter Simon brachte im 16. Jahrh. die Rebe vom Rhein nach Malaga, die jetzt den edelsten spanischen W. liefert. Madeira wurde 1421 von Heinrich dem Seefahrer mit Reben aus Kreta und Cypern bepflanzt, die Kanariensekte stammen von Reben, die Karl V. vom Rhein sandte. Deutschland erhielt seinen Weinbau aus Gallien, indem gallische und hispanische Legionäre am Rhein die Rebe anpflanzten. An der Mosel aber blühte der Weinbau schon im 2. und 3. Jahrh. und lieferte ein Produkt, das Ausonius im 4. Jahrh. mit dem italienischen verglich. Auch im Ahrgebiet ist der Weinbau sehr alt. Im 8. Jahrh. stand der Weinbau im Rheingau und um Heilbronn in hoher Blüte, im 10. gelangte er nach Bayern und Hildesheim, im 11. nach Thüringen und Sachsen, im 12. nach Schlesien und Pommern, durch den Deutschen Orden nach Ostpreußen. Regensburg, Bacharach, Köln, Nürnberg waren im Mittelalter bedeutende Weinhandelsplätze. In Bayern war der W. im 14. und 15. Jahrh. das allgemeine Getränk. Der Dreißigjährige Krieg, das Klima und die Verbesserung der Verkehrsmittel aber zogen die Grenzen wieder enger. Der Winter von 1437 vernichtete alle Weinberge an der Weichsel, und es wird ausdrücklich berichtet, daß sie nicht wieder angepflanzt worden seien. Der Weinbau hat sich aus den nordischen Ländern mehr und mehr zurückgezogen, weil er dort ökonomisch nicht mehr vorteilhaft ist. Es erscheint geratener, Früchte zu bauen, die der Boden reichlich und sicher hervorbringt, und den W. begünstigterer Gegenden einzuführen. Österreichs Weinbau ist ebenso alt wie der rheinische, der böhmische reicht in das 9. Jahrh. Ludmilla, die Gemahlin des Herzogs Borivoy, pflanzte 870 mährische Trauben bei Melnik an, Tiroler W. von Glanich und Leitach war nach Vergil Lieblingsgetränk des Kaisers Augustus. Der Kaiser Probus brachte griechische Reben nach Pannonien an den Fuß der Karpathen und nach Syrmien. Unter König Stephan im 11. Jahrh. kamen auch italienische Reben nach Ungarn, der Tokajer W. erhielt seine volle Berühmtheit seit Ende des 15. Jahrh. und besonders seit 1560, als man anfing, Ausbruch zu machen. Am Kap begründeten Hugenotten 1685 den Weinbau. In Nordamerika schlug 1620 ein Versuch, aus der wilden Rebe Virginias W. zu bereiten, fehl. Schweizer Kolonisten gewannen zu Anfang des 19. Jahrh. aus der Schuylkilltraube (Vitis labrusca) guten Rotwein; festen Fuß faßte der Weinbau aber erst seit 1821, als Adlum die Catawbarebe vom Potomac nach Washington brachte. Am günstigsten entwickelte sich der Weinbau in Ohio, bis in den letzten Jahren Kalifornien den größten Vorsprung gewann. 1862 kam der Weinbau nach Australien. China kannte den W. bereits 2000 Jahre v. Chr., doch scheint er zunächst nur zu religiösen Opfern gedient zu haben. Später wurde seine Gewinnung und Benutzung verboten, und die Weingärten mußten ausgerodet werden. Zur Zeit der römischen Kaiser soll unsre Weinrebe nach China gebracht worden sein. Einige Provinzen liefern gegenwärtig Rosinen, und so wird dort auch wohl W. gewonnen. In Japan wurde bisher zwar Weinbau betrieben, aber kein W. hergestellt; erst 1880 begründete die Regierung eine Versuchsweinpflanzung mit französischen, deutschen und österreichischen Reben. Die reichhaltige Literatur über den W. s. in der Textbeilage zum Artikel »Weinstock« (S. 491).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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