- Hefe
Hefe (Bärme, Germ), das bei der Alkoholgärung wirksame Ferment, das als gelblichgrau gefärbte, schlammartige Masse von charakteristischem Geruch in der gärenden Flüssigkeit auftritt. Man unterscheidet Oberhefe, welche die Oberfläche der gärenden Flüssigkeit mit einer dichten Schicht bedeckt, und Unterhefe, die sich hauptsächlich am Boden des Gärgefäßes ansammelt (vgl. Bier, S. 844). H. besteht aus den Zellen und Zellverbänden eines einzelligen Pilzes aus der Ordnung der Hemiasci, Familie der Saccharomycetazeen (s. Pilze). Die Hefezelle ist von kugeliger oder eiförmiger bis länglicher Gestalt und besteht aus einem von zarter Membran umhüllten Protoplasmakörper mit Zellkern und Vakuolen (Fig. a). Die Vermehrung erfolgt durch Sprossung, indem aus der Zelle ein Auswuchs hervortritt, der sich durch Wachstum vergrößert und endlich durch eine Querwand von der Mutterzelle abgeschnürt wird (Fig. b, c). Jede Zelle vermag sich selbständig zu ernähren und zu vermehren, stellt also ein Individuum dar, indem aber die durch Sprossung aus einer Mutterzelle hervorgehenden Zellen zeitweilig miteinander in Zusammenhang bleiben, entstehen Zellverbände, die oft eine beträchtliche Zahl von Individuen kolonieartig vereinigen (Fig. d). Unter gewissen äußern Umständen vermögen die Hefezellen Sporen zu bilden (Fig. e), die zu zwei oder mehreren durch freie Zellbildung im Innern der Mutterzelle entstehen und später frei werdend auskeimen und durch Sprossung neue vegetative Zellen erzeugen. Bei gewissen Hefearten (Schizosaccharomyces octosporus u. a.) geht der Sporenbildung eine mit Kernverschmelzung verbundene Vereinigung zweier Zellen vorauf, welche als ein Alt geschlechtlicher Fortpflanzung gedeutet worden ist, bei andern Arten (Saccharomyces Ludwigii) findet die Zellenschmelzung erst zwischen den Sporen bei der Keimung statt. Bierhefe wächst und vermehrt sich, wenn ihr neben Wasser Kohlenstoff in Form von Zucker, Stickstoff als Eiweißverbindung oder Ammoniaksalz und eine Reihe von Aschenbestandteilen zu Gebote stehen, unter denen phosphorsaures Kali und schwefelsaure Magnesia die unentbehrlichsten sind. Fehlt dem Pilz das entsprechende Medium, und ist er dabei vor Fäulnis geschützt, so kann seine Vegetation viele Monate ruhen, ohne daß sein Tod eintritt. Ebenso verträgt er einen Verlust von über zwei Dritteln seines normalen Wassergehalts, der etwa 40 Proz. seiner Gesamtsubstanz beträgt, wenn es ihm langsam entzogen wird, ein Verhalten, auf dem die Methode, H. zu konservieren und besonders die Preßhefefabrikation beruht. Bezüglich des Sauerstoffbedarfs verhalten sich die einzelnen Hefearten verschieden, im allgemeinen wird durch vermehrte Sauerstoffzufuhr die Sprossung begünstigt, die Gärtätigkeit der einzelnen Zelle dagegen herabgesetzt. Die mittlere Vegetationstemperatur der H. liegt zwischen +8° und 34°.
Die Sporenbildung tritt bei vielen Hefearten, sobald sie an der Luft auf nährstoffarmen Substrat, wie z. B. sterilisierten, feuchtgehaltenen Gipsblöckchen, kultiviert werden, am schnellsten und reichlichsten bei +25° ein. Die Gärtätigkeit der H. beruht darin, daß sie ein zuerst von Eduard Buchner nachgewiesenes Ferment, die Zymase, erzeugt, das die in der Gärflüssigkeit enthaltene Dextrose in Kohlensäure und Alkohol spaltet. Die meisten Hefearten vermögen außer der Dextrose auch Maltose und Saccharose zu vergären, indem diese Zuckerarten durch besondere von der H. gebildete Enzyme (Hefemaltose, Invertase) zunächst in Dextrose übergeführt werden. Die in den Gärungsgewerben, Brauerei, Brennerei und Weinbereitung verwendeten Hefen sind zum größten Teil uralte Kulturpflanzen, die vom Menschen unbewußt aus freilebenden Hefepilzen gezüchtet worden sind; die in der freien Natur verbreiteten Hefepilze werden im Gegensatz zu den erstern als wilde Hefen bezeichnet. Die letztern finden ihre günstigsten Ernährungsbedingungen in dem austretenden Saft süßer Früchte oder in zuckerhaltigen Saftflüssen der Baumstämme (Eichenhefe). Als Stätte der Überwinterung dient ihnen, soweit darüber Sicheres bekannt ist, der Erdboden. Der Transport aus dem Winteraufenthalt zu den sommerlichen Nährstätten und umgekehrt wird durch den Wind und durch Insekten vermittelt.
Die H. der verschiedenen Gärungen zeigt gewisse morphologische und biologische Unterschiede, nach denen man eine größere Anzahl von Arten unterscheidet, während man früher nur eine Art, Cryptococcus fermentum Ktzg., annahm. Die wichtigsten Arten sind folgende: Saccharomyces cerevisiae Meyen (Torula cerevisiae Turp., Cryptococcus cerevisiae Ktzg., Hormiscium cerevisiae Bail.), ein Sammelname für die verschiedenen Rassen der Bier- und Branntweinhefe, Zellen 0,008–0,009 mm, rundlich oder oval, meist isoliert oder in kurzen Zellenreihen, kommt in zwei Hauptrassen vor: als Unterhefe, die zum größten Teil aus rundlichen, gewöhnlich einzelnen oder nur paarig verbundenen Zellen besteht, und als Oberhefe, deren mehr kurz-ovale oder birnförmige Zellen meist mehrzählige, ästige Sproßverbände aus 6–12 Zellen bilden. S. Pastorianus Hansen kommt in drei Rassen vor, von denen die eine im Bier einen unangenehmen bittern Geschmack, eine zweite in demselben starke Trübung hervorruft. S. ellipsoideus Rees ist der hauptsächlichste Gärungspilz der Weine und Obstweine, Zellen 0,006 mm lang, ellipsoidisch, isoliert oder in kurzen, verzweigten Zellreihen. Er findet sich auf der Oberfläche der den Most liefernden Früchte und erzeugt, indem er beim Pressen in den Saft gelangt, die sogen. Selbstgärung des Mostes; eine Rasse desselben (S. ellipsoideus II Hansen) gehört zu den biertrübenden Hefen. S. apiculatus Rees, das Hauptferment der Fruchtweine, findet sich reichlich in den ersten Stadien der Weingärung sowie in dem belgischen, selbstgärenden Bier, andre Rassen geben einen angenehmen Apfel- oder Birnwein. S. Ludwigii Hausen, die Eichenhefe, bildet außer Sprossungen auch Mycelien und beteiligt sich bei der Schleimgärung der Bäume (s. Schleimfluß). S. Hansenii Zopf ruft in zuckerhaltigen Nährlösungen keine Alkoholgärung hervor, sondern oxydiert den Zucker zu Oxalsäure, deren Kalksalz in Kristallform am Boden der Kulturgefäße abgesetzt wird. S. minor Engel, die Sauerteighefe, bewirkt zusammen mit einer zweiten, verwandten Art das Aufgehen des Mehlteiges beim Backen. S. mycoderma Beyerinck, der Kahmpilz, bildet eine geschlossene Haut auf der Oberfläche-von Flüssigkeiten, die Ammonsalze, Zuckerarten, Äthylalkohol oder Essigsäure enthalten, da er den Kohlenstoff aller dieser Verbindungen zu assimilieren vermag. S. glutinis Fresen (Rosahefe) erzeugt rote Schleimflecke auf Leim und Gelatine. Sehr ähnliche Sproßzellen finden sich als vorübergehende Entwickelungsstadien bei zahlreichen andern Pilzen, wie Mucor, Taphrina, Endomyces, Exobasidium, Ustilago. Außer durch H. kann Gärung auch durch verschiedene Schimmelpilze, z. B. Oidium lactis Fresen. (s. Oidium), ferner durch Monilia candida Hansen, der mit dem Soorpilz der Schleimhäute identisch sein soll, durch eine Reihe von Torula-Arten sowie durch Mukorazeen (Mucor erectus, spinosus, racemosus) hervorgerufen werden.
Die Gärungsgewerbe arbeiteten bis in die neueste Zeit mit H., die aus verschiedenen Heferassen gemengt mit Bakterien bestand. Hansen gelang es zuerst, von einer einzigen Zelle abstammende, also ganz reine Hefekulturen zu erzielen, und nun ergab sich, daß einige der gefährlichsten und gewöhnlichsten Krankheiten des Bieres von bestimmten Hefearten herrühren, und daß mit dem Namen Saccharomyces cerevisiae nicht eine, sondern mehrere Arten und Rassen bezeichnet werden, die in den Brauereien Produkte verschiedener Art geben. Auf dieser Grundlage arbeitete Hansen sein System aus, nach dem eine Anstellhefe, aus einer einzigen Art bestehend, benutzt wird. Dies System der Reinkulturen der H. ist allgemein anerkannt und in die Praxis der Gärungsgewerbe eingeführt.
Schon die Untersuchungen Pasteurs, nach denen Bakterien neben der H. auftreten und Krankheiten des Bieres veranlassen, führten zur Konstruktion von geschlossenen Kühlschiffen für die gekochte Würze und zur Herstellung von Lüftungsvorrichtungen, die das Eindringen von Keimen mit der Luft ausschlossen. Eine neue Epoche für die Gärungsgewerbe begann aber erst mit den Hansenschen Arbeiten, die ermöglichten, die Gärungsprozesse mit einer einzigen Hefeart von bestimmten Eigenschaften durchzuführen. Hierzu dient ein Hefevermehrungsapparat, der, mit einer absoluten Reinkultur einmal versehen, jahrelang kontinuierlich arbeiten kann. Er besteht im wesentlichen aus drei Teilen, einer Luftpumpe mit Luftreservoir zum Einführen keimfreier Luft zwecks Lüftung der Würze, dem Würzezylinder, in den die siedendheiße Würze eingeführt wird, um darin gekühlt und gelüstet zu werden, und den Gärungszylinder, der mit einer Vorrichtung zum Einbringen einer Reinkultur und mit einem Ablaßhahn zur Entnahme der Flüssigkeit und der vermehrten reinen H. versehen ist. Mit diesem einfachen Apparat ist es möglich, mit kurzen Zwischenräumen absolut reine Anstellhefe für ca. 8 hl Würze zu entwickeln. Von größter Bedeutung ist es, daß man nach Verlauf von Jahren immer wieder dieselbe einmal ausgewählte H. zur Verfügung hat, wenn man im Laboratorium die absolute Reinkultur in einer 10proz. Rohrzuckerlösung aufbewahrt. In solcher Lösung erhalten sich die Kulturhefen jahrelang lebendig und ohne Veränderung ihrer Eigenschaften.
Durch passende Ernährung und Behandlung der H. läßt sich der Zymasegehalt und damit das Gärvermögen erhöhen bei Einschränkung der Zellvermehrung (sogen. träger Zustand der H.) oder umgekehrt das Sproßvermögen, die Vermehrung der H., steigern unter Herabsetzung der Gärkraft (sogen. geiler Zustand der H.). So wird der Zymasegehalt gesteigert durch Erhöhung des Stickstoffgehalts mittels Asparagin (weniger durch Pepton), bei gegebenem Stickstoffgehalt durch Herabsetzung der Vermehrungskraft durch Lüftung (die in der Industrie für den Bäckereibetrieb erzeugte sogen. Lufthefe bildet bei starker Lüftung aus 50 kg Malz bis 12,5 kg H. von geringer Gärkraft, ohne Lüftung nur bis 6 kg H., die zymasereich ist), durch niedere Temperatur (die untergärigen Hefen zeigen daher eine geringe Vermehrung, geben aber hohen Eiweißgehalt und die größte Gärkraft). Ferner wird durch Alkoholgehalt über 5 Proz. die Sprossung verhindert und durch Säuren, namentlich durch die Flußsäure, die eine stark giftige Wirkung auf die H. ausübt. Meist sind 1–2 g auf 1 hl Flüssigkeit schon giftig, durch Anpassung der H. läßt sich aber die Flußsäuremenge bis auf 200 g steigern (die so angepaßte H. besitzt ein geringes Sproßvermögen, aber eine sehr hohe Gärkraft).
Alle Alkoholhefen vergären Zucker durch Zymase. Direkt ist aber nur Dextrose vergärbar, andre Zuckerarten müssen zunächst invertiert werden durch spezifische, nur in bestimmten Heferassen vorkommendeKohlehydratenzyme. So gibt es je nach den Enzymen besondere Rohrzucker-, Milchzucker-, Maltosehesen, und auch die Ober- und Unterhefen lassen sich nach den Enzymen unterscheiden. Manche Hefen vermögen ferner die bei der Umwandlung der Stärke durch die Diastasewirkung des Malzes auftretenden Dextrine durch besondere Enzyme zu vergären, woraus sich für das Brennereigewerbe wichtige Unterschiede ergeben. Abgesehen von den Differenzen im Enzymgehalt finden sich bei den einzelnen Heferassen noch eine ganze Reihe von besondern Charakteren, die bei ihrer Reinzucht und Verwendung in den verschiedenen Zweigen der Technik (Brauereigewerbe, Brennerei, Bäckerei, Weingewinnung) besondere Berücksichtigung verlangen.
Für Brennereihefen ist in Deutschland eine Zentralzuchtanstalt in Berlin eingerichtet. Die Rasse Il des Vereins der Spiritusfabrikanten geht in Korn- und Kartoffelbrennereien, Rasse V an die Hefebrennereien. Sie werden nach dem System der Schnellgärung hergestellt. Unter den schädlichen Spaltpilzen machen sich besonders die flüchtige Fettsäuren bildenden Bakterien bemerklich. Da diese durch den Milchsäurebazillus verdrängt werden, werden zunächst die Hefemaischen mit Reinkulturen des Milchsäurebazillus geimpft und sauer gemacht, dann sterilisiert man die Maischen durch Hitze und kühlt sie vor der Hefeaussaat ab. Als Hefen sind nur solche zu gebrauchen, welche die Milchsäure und einen hohen Alkoholgehalt vertragen, sogen. starke Hefen. Um sie zum Überwiegen zu bringen, stellt man konzentrierte Maischen her und läßt sie bis zu einem Alkoholgehalt von 9–10 Proz. vergären, nimmt von der Gärflüssigkeit zu einer zweiten Zuchtflüssigkeit so viel, daß diese von vornherein 2,5 Proz. und mehr Alkoholgehalt hat. Die schwachen Hefen, wie die Bierhefe Frohberg, sterben dann ab.
Für Brauereien werden sehr verschiedene Rassen (ober- und untergärige) des Saccharomyces cerevisiae verwendet, die neben Alkohol und Kohlensäure sehr verschiedene Umwandlungsprodukte und damit Biere sehr verschiedener Eigenschaften ergeben. Die Saat liefern Zuchtanstalten, die auch die Kontrolle der Reinheit ausüben. In den Zuchtanstalten für Brauereihefen finden gerade die schwachen Hefen Verwendung, die durch passende Temperatur zum Überwuchern gebracht werden. Die einzelnen Heferassen bedürfen bestimmter Temperaturen; die Rassen der Brennereihefen sind Warmhefen, die Brauereihefen solche mittlern Klimas, die Bierkrankheiten verursachenden wilden Hefen sind Kalthefen, bei 15° werden die Brauereikulturhefen, bei 24° die Brennereihefen, bei 5° die wilden Hefen zum Überwiegen gebracht. Da zur Biergärung aber eine Temperatur zwischen 5 und 15° gebraucht wird, muß auch ein besonderes Verfahren benutzt werden, um vollkommene Resultate zu geben, das Satzverfahren. Es sind bei der in fast klarer Flüssigkeit verlaufenden Biergärung die Hefezellen der verschiedenen Rassen, aufgetrieben durch die von den einzelnen Zellen entwickelte Kohlensäure, in steter Bewegung, bis der Zucker vergoren ist; dann setzen sich aber die Hefezellen der einzelnen Rassen schichtweise ab. Der Satz zeigt dann in der untersten Schicht schwache Zellen, darauf die früh mit der Gärung aussetzenden, z. B. H. Saaz, dann die auch Maltodextrin vergärenden, z. B. H. Frohberg, und obenauf die kleinzelligen wilden Hefen. Durch Hinüberpumpen aus einem Gefäß in ein anderes gelingt die Trennung der einzelnen Schichten vollkommen und damit die Gewinnung der zur Fortpflanzung geeigneten Kulturhefe. Die Rassen der Traubenweinhefe (Saccharomyces ellipsoideus), welche die Mannigfaltigkeit des Geschmacks und der Blume des Weines bestimmen, sind Aromahefen, Fruchtäther, Ester bildende Arten. Ihre Zahl ist ungeheuer groß, ihre Kultur in den Zuchtstationen technisch noch wenig vervollkommt. Die Weinhefenabgabe seitens letzterer (z. B. Geisenheim a. Rh.) geschieht in Form kleiner, in Gärung befindlicher Mengen Most, von welchem dem wie üblich gekelterten Most eine Quantität zugesetzt wird. Auch die Herstellung von Obstweinen (Johannisbeerwein etc.) zieht von der Anwendung reiner H. Nutzen.
Man benutzt gewisse Hefearten der Bierbrauerei, wie S. minor Engel, auch in der Bäckerei zum Austreiben des Mehlteiges, da sie, diesem zugesetzt, im Verein mit bestimmten, Säurebildung und Lösung des Stärkemehls hervorrufenden Bakterien eine Umwandlung eines Teiles des Stärkemehls in Dextrin und Zucker bewirken und die entstandene Zuckerlösung in weinige Gärung versetzen, wobei dann die Kohlensäure den Teig austreibt. Gute H. muß angenehm weinsäuerlich riechen und in einer kleinen Probe Teig in 3/4-1 Stunde an einem warmen Ort kräftige Gärung hervorrufen. H. aus Bierbrauereien, die von dem Hopfen einen bittern Geschmack besitzt, kann man entbittern, wenn man sie zunächst mit Wasser anrührt, durch ein seidenes oder leinenes Tuch treibt, das Wasser nach jedesmaligem Absetzen mehrere Male erneuert und endlich die gereinigte H. mit Pottasche, doppeltkohlensaurem Natron und Ammoniak behandelt. Die entbitterte H. wird schließlich durch einen neuen, sehr kräftigen Gärungsprozeß regeneriert, weil sie durch das Auswaschen bedeutend an Gärvermögen verloren hat. Dies geschieht, indem man sie in einem mit Weinsäure versetzten Malzauszug von ca. 20 Proz. Stärkezuckergehalt 36–48 Stunden gären läßt.
H. ist sehr widerstandsfähig gegen die Magen- und die übrigen Verdauungssäfte und kann daher den Darm passieren, ohne irgendwie alteriert zu werden. Sie wirkt nicht schädlich, solange keine vergärbare Substanz mit eingeführt wird. Sobald dies aber der Fall ist, entsteht Magen-Darmkatarrh durch abnorme Gärprodukte. Eine Verimpfung der Hefepilze auf Tiere erwies sich für diese als unschädlich, indem die Pilze im Organismus bald absterben. Im allgemeinen ist also den Hefepilzen keine große krankmachende Eigenschaft zuzuschreiben. Indes sind auch pathogene Hefepilzarten entdeckt worden, deren Bedeutung bisher noch nicht sicher ermittelt ist. H. wird auch arzneilich benutzt, sie vernichtet die Gonokokken, auch Proteuskeime, Strepto- und Staphylokokken und wird deshalb bei weiblicher Gonorrhöe, außerdem in Form verschiedener Präparate (Furunkuline, Cerolin etc.) bei Furunkulose, Obstipation, Katarrh der Scheide, gegen Milzbrand, Akne, Skorbut, Diabetes, Krebs etc. angewendet. Man stellt auch aus Hefepilzen Nährpräparate (Pflanzenfleischextrakt, Siris etc.) her, indem man z. B. Brauereihefe bei bestimmten Temperaturen stehen läßt und die abgeschiedene Flüssigkeit verdampft. Vgl. Reeß, Botanische Untersuchungen über die Alkoholgärungspilze (Leipz. 1870); Brefeld, Botanische Untersuchungen über Hefepilze (das. 1883); Hansen, Untersuchungen über die Morphologie und Physiologie der Alkoholgärungspilze (»Meddelelser fra Carlsb. Laborat.«, Kopenh. 1881 ff.); Jörgensen, Die Mikroorganismen der Gärungsindustrie (4. Aufl., Berl. 1898) und Die H. in der Praxis (das. 1901); Grünhut, Die Einführung der Reinhefe in die Gärungsgewerbe (Stuttg. 1896); Kayser, Die H. (deutsch von Meinecke, Münch. 1898); Wortmann, Anwendung und Wirkung reiner Hefen in der Weinbereitung (Berl. 1895); Delbrück u. Schönfeld, System der natürlichen Hefereinzucht (das. 1903); Busse, Die Hefen als Krankheitserreger (das. 1897); Flügge, Die Mikroorganismen, Bd. 2 (3. Aufl., Leipz. 1896); Lindner, Mikroskopische Betriebskontrolle in den Gärungsgewerben (3. Aufl., Berl. 1901); Delbrück u. Schrohe, H., Gärung und Fäulnis (das. 1904); »Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den Gärungsorganismen« (Leipz., seit 1892) und die Literatur bei den Artikeln »Gärung« und »Gärungsgewerbe«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.