Motorwagen

Motorwagen

Motorwagen (hierzu Tafel »Motorwagen I bis III«; Kraftwagen, Kraft- oder Selbstfahrer, pferdeloser Wagen etc.), Fahrzeug mit motorischem Antrieb, im engern Sinn (Automobil, Autocar, Autocab) ein von Schienen unabhängiges, motorisch angetriebenes Fahrzeug. Nach der Art der motorischen Kraft unterscheidet man Benzinwagen, Dampfwagen und elektrische Wagen; nach der Wagenform: Dampfkalesche, -Kutsche, -Omnibus etc., Duc, Coupé, Phaethon, Tonneau, Landaulette, Limousine etc.; nach dem Gewicht: Voiturettes, leichte Wagen und schwere Wagen; nach dem Zweck: Rennwagen, Tourenwagen, Lieferungswagen und Lastwagen. Am üblichsten ist die Gruppierung nach der Art der motorischen Kraft, die auch hier gewählt worden ist.

Am verbreitetsten und technisch am vollendetsten sind die Benzinwagen; alle andern Gattungen von Wagen sind ihnen, soweit möglich, nachgebildet. Die Hauptbestandteile des Benzinwagens (Gaswagens) bilden das Gestell (Chassis, Tafel II, Fig. 1 u. 2) mit dem maschinellen Teil und der vom Gestell vollkommen unabhängige Wagenkasten (Carosserie). Einen wichtigen Teil, gleichsam das Skelett des Gestelles, bildet der aus Längs- und Querträgern zusammengesetzte Rahmen, an dem die Federn mit den Achsen sowie der Maschinenkomplex befestigt sind. Je nach dem Material, aus dem er hergestellt ist, unterscheidet man: eisenarmierte Holzrahmen, die an den Ecken mittels Bolzen, Zapfen und Winkeleisen zusammen gehängt sind; Rahmen aus gepreßtem Stahlblech, bei denen die Längsträger durch zwei oder mehrere Querträger verbunden sind, Rahmen aus profilierten Stahlträgern, deren Längsträger aus Walzeisen von geeignetem Querschnitt durch angenietete Querstücke verbunden sind, Rahmen aus Stahlrohren, die verschweißt, bez. hart gelötet und mit Stahlbolzen gesichert sind. Am meisten findet man heute den Rahmen aus U-förmigen Stahlträgern. In den Vorderteil des Rahmens ist der Motor eingebaut, weil er hier den Steuerungsmechanismus günstiger belastet, leicht zugänglich ist und den Konstrukteur nicht zwingt, den Sitz unangemessen hoch zu legen, was eine Verminderung der Stabilität zur Folge hätte. Im Motor werden mit Luft gemischte Benzindämpfe entzündet und zur Explosion gebracht, wodurch der Zylinderkolben bewegt wird (vgl. Gaskraftmaschine). Fig. 3 und 4 auf Tafel II stellen einen 16pferdigen Vierzylindermotor dar und zwar Fig. 3 von links, Fig. 4 von rechts gesehen. Die Verwendung von Spiritus (Spirituswagen) hat, so bedeutsam sie auch wäre, nur geringe Verbreitung gefunden; auch mit Petroleum (Petroleumwagen) und Heißluft (Heißluftwagen) sind keine nennenswerten Erfolge erzielt worden. Der Benzinmotor ist durchweg ein Viertaktmotor, d.h. nach jeweils vier Huben erfolgt ein neuer Kraftimpuls (vgl. Gaskraftmaschine). Die zur Regelung des Gaseintritts erforderlichen Ventile sind heute ebenso wie die Austrittsventile durchweg gesteuert, d.h. ihr Öffnen erfolgt durch eigenartig geformte Nocken, die auf einer besondern Steuerwelle sitzen und die Ventilkegel zu ganz bestimmten Zeitpunkten heben; das Schließen erfolgt durch Federdruck. Bezüglich der Zylinderzahl des Motors geht die Tendenz dahin, den Einzylinder durch zwei- und vierzylindrige, ja fünf-, sechs- und selbst achtzylindrige Motoren zu ersetzen, denn bei mehreren Zylindern werden die durch die Explosionen hervorgerufenen Erschütterungen am vollkommensten kompensiert, wodurch ein sehr ruhiger und weicher Gang erzielt wird. Da der Motor in unbelastetem Zustand anläuft, bez. angedreht werden muß und da die Widerstände während der Fahrt sehr veränderlich sind, besteht die Gefahr, daß er eine die normale Tourenzahl weit übersteigende Geschwindigkeit annimmt. Um dies zu vermeiden, ist ein Regulator vorhanden, der gewöhnlich so konstruiert ist, daß er eine Füllungsänderung des Zylinders bewirkt.

Zur Erzeugung des explosiven Gemisches von Benzindampf mit einer entsprechenden Menge Luft bei geringer Belastung ist ein Vergaser vorhanden, der das Benzin in Gasform überführt und das Gas mit Luft vermischt. Er steht durch das Gaseinströmungsrohr in Verbindung mit dem Motor und erhält zur Erzielung einer vollkommenen Gasbildung die Wärme der Auspuffgase oder des Kühlwassers zugeführt. Die heute verwendeten Vergaser sind fast durchweg Einspritzvergaser; deren Prinzip ergibt sich aus Tafel II, Fig. 5: aus dem Behälter a fließt das Benzin durch die Röhre b und dem Stutzen c nach dem Raum d, dessen Schwimmer mit dem Nadelventil derart in Verbindung steht, daß sich das letztere schließt, sobald der Schwimmer durch das eintretende Benzin gehoben wird, und umgekehrt. Von d fließt das Benzin durch das Röhrchen h und wird von der aus dem Röhrchen k kommenden Luft mitgerissen und gegen den Zerstäuber i geworfen. Das Gemenge von Benzindampf und Luft gelangt durch das Einströmungsrohr 1 und das Einlaßventil nach dem Motorzylinder, woselbst es durch Zündung, die sich alle vier Hübe wiederholt, zur Explosion gebracht wird.

Ganz allgemein wendet man elektrische Zündung an, da diese, entgegen der frühern Glührohrzündung, höhere Betriebssicherheit bietet und in einfachster Weise die Veränderung des Zündungsmoments und damit die Regulierung der Motorgeschwindigkeit gestattet. Bei der Akkumulatoren- oder Batteriezündung wird der Strom der Akkumulatoren durch einen Induktionsapparat in einen Strom von entsprechend hoher Spannung übergeführt.

Fig. 1–3. Magnetelektrischer Zündungsapparat.
Fig. 1–3. Magnetelektrischer Zündungsapparat.

Die Schließung und Öffnung des Stromes geschieht durch eine von der Motorwelle aus bewegte Kontaktfeder; die Explosion erfolgt während des Stromschlusses durch das Überspringen von elektrischen Funken an der Zündkerze, die in den Explosionsraum ragt. Die verhältnismäßig kurze Lebensdauer der Batterie, ihre begrenzte Kapazität etc. bewirkten, daß man neuerdings immer mehr zur magnetelektrischen Zündung übergegangen ist; deren Prinzip ergibt sich aus Textfig. 1–3. Von der Motorwelle aus wird ein Elektromagnet a (Fig. 1) erregt, in dessen Stromkreis der am Zylinderkopf angebrachte Abreißhebel eingeschaltet ist. Der Einsatz a (Fig. 2) trägt isoliert eingeschraubt den Zündnist b, desgleichen den Drehstift c des Abreißhebels g-g1, (Fig. 3); b und c sind an die vom Elektromagnet kommenden Drähte angeschlossen. Der Zündhebel g wird durch die Feder k in der Ruhelage gegen den Stift b gedrückt, was gleichbedeutend mit Stromschluß ist. Zu Beginn des Explosionshubs entfernt die von der Motorwelle bewegte Stange f die Stange g von dem Stift b, so daß der Stromkreis geöffnet wird und ein kräftiger Abreißfunke zwischen b und g überspringt. Die Kraft der Feder k stellt den Stromschluß wieder her.

Fig. 4. Kühlvorrichtung.
Fig. 4. Kühlvorrichtung.

Der Abreißmechanismus der elektromagnetischen Zündung bedingt wegen der erforderlichen Stangen- u. Hebelverbindung und der Durchlöcherung des Zylinderkopfes mancherlei Mißstände mit sich; man hat deshalb vielfach wieder zur Zündkerze gegriffen, hat sie aber, zur Vermeidung der Batterie, mit dem Elektromagnet kombiniert. Zur Erzielung der für die Zündkerze nötigen hohen Spannung sind von Bosch, Eisemann u.a. Konstruktionen ersonnen worden, die sich zahlreicher Anhänger erfreuen.

Um die durch die Explosionen erzeugte Wärme unschädlich zu machen, ist der Zylinder von einem von Kühlwasser durchströmten Hohlraum umgeben. Das erwärmte Wasser passiert einen Kühlapparat, der in den Vorderteil des Wagens verlegt ist, um den dort sich entwickelnden starken Luftzug während der Fahrt zur Kühlung des Wassers auszunutzen. Die Wasserzirkulation wird heute fast durchweg durch eine Pumpe bewirkt; das Thermo-Siphonprinzip, bei dem die Wasserzirkulation durch Verwendung der Eigenschaft des warmen Wassers, leichter zu sein als kaltes, erzielt wird, findet heute nur noch bei einigen Systemen Anwendung. Textfig. 4 zeigt das Schema einer häufig verwendeten Kühlungseinrichtung: durch den Zylindermantel a wird durch die Pumpe b das Kühlwasser nach der Rückleitung c getrieben, an dessen oberster Stelle sich die Nachfüllungsöffnung d befindet; von c aus fließt das Wasser in das Gefäß g, in das eine Röhre h mündet, die den etwa sich bildenden Dampf ableitet, während das Wasser durch den Kühlapparat i wieder der Pumpe b zufließt, um von neuem seinen Kreislauf zu beginnen. Der Kühlapparat selbst wurde früher ausschließlich als Schlangenkühler gebaut, danach ging man zum Röhrenkühler über, der ein Kühlwassergefäß besitzt, dessen Vorder- und Hinterwand durch zahlreiche Kanäle miteinander verbunden sind; um diese Kanäle fließt das Kühlwasser von oben nach unten, während durch die Kanäle ein Luftzug streicht. Da die Röhrenkühler infolge der vielen Lötstellen sehr leicht undicht werden, ist man neuerdings wieder davon abgekommen und bevorzugt eine Kombination von Schlangenkühler und Röhrenkühler, als deren gelungenster Repräsentant der Adlerkühler zu betrachten ist. Dieser besteht (Textfig. 5 u. 6) aus flachen, langgezogenen, nahtlosen, vertikalen Röhren a, durch die das Wasser geführt wird und die ihrer ganzen Länge nach in bestimmten Abständen von lustumströmten Rippen b durchquert sind.

Fig. 5 und 6. Adlerkühler.
Fig. 5 und 6. Adlerkühler.

Da der Fall eintreten kann, daß der Wagen längere Zeit hält, ohne daß der Motor abgestellt wird, oder aber, daß der Motor angestrengt arbeitet und sich nur langsam von der Stelle bewegt, z. B. beim Bergfahren, daß also kein Luftzug wie bei normaler Fahrt stattfindet, so hat man den Kühlapparat mit einem Ventilator versehen, der, sobald der Motor läuft, energisch Luft ansaugt und dadurch kühlend auf das Wasser wirkt.

Die Schmierung des Motors erfolgt gewöhnlich automatisch durch eine Ölpumpe, die das Öl aus dem am Zylinderkopf befindlichen Reservoir nach den verschiedenen Tropfölern des Zentralschmierapparats führt. Dieser ist sichtbar an der vordern Querwand des Wagens angebracht, so daß vom Führersitz aus jederzeit das Funktionieren der Ölpumpe kontrolliert werden kann.

Unmittelbar hinter dem Kurbelgehäuse ruht auf der Welle der Hauptachse zur Kompensation der Kraftimpulse das Schwungrad. Es ist meist als Kuppelung ausgebildet, die durch einen Fußhebel vom Führersitz aus betätigt wird. An die Kuppelung schließt sich das Geschwindigkeitsgetriebe an; dies besteht aus einem Gehäuse mit zwei Achsen, von denen die eine festsitzende, die andre in der Achsrichtung verschiebbare Zahnräder trägt, durch deren Einschaltung vom Führersitz aus die Geschwindigkeit des Motors auf die Hinterradachse des Wagens übertragen wird. Gewöhnlich sind drei Vorwärtsgeschwindigkeiten und ein Rückwärtsgang vorgesehen. Tafel II, Fig. 6, zeigt ein häufig verwendetes Getriebe. Bei der größten Geschwindigkeit wird die Motorwelle direkt mit der Kegelradwelle der hintern Radachse verbunden, und zwar durch Einschaltung des Schieberades b (b-c ein Stück), das in Keilnute auf der Bremswelle geführt ist, in das mit dem Motor direkt gekuppelte Rad a, derart, daß die rechte Hälfte von a in die innere Verzahnung des Rades b eingreift; die mittlere Geschwindigkeit ergibt sich durch die Kraftübertragung von a auf a., bez. b, (b, -a, ein Stück) und von b, auf b; die kleinste Geschwindigkeit durch die Übertragung von a auf a, bez. c, (c, -a, ein Stück) und von c, auf c. Der Rückwärtsgang wird dadurch erreicht, daß die Energie von a auf a., bez. d (d-a, ein Stück) und von hier durch Einschaltung eines Zwischenrades d1 (im Bilde schlecht zu sehen) auf c übertragen wird. Neben dem Zahnradgetriebe wird auch ein Friktions- oder Diskusgetriebe in verschiedenen Variationen angewendet.

Fig. 7. Cardan.
Fig. 7. Cardan.

Das Friktionsgetriebe gestattet einen Geschwindigkeitswechsel von beliebiger Abstufung, hat aber den Nachteil, daß es sehr viel Kraft verbraucht.

Fig. 8. Differentialgetriebe.
Fig. 8. Differentialgetriebe.

Die Verbindung zwischen Getriebe und Hinterachse erfolgte früher meist mittels Kette, neuerdings aber häufiger durch Cardan (Textfig. 7), d.h. mittels einer an ihren beiden Enden mit Universalgelenken versehenen Welle. Solche Gelenke sind erforderlich, weil Motor und Geschwindigkeitsgetriebe am vordern Wagenteil auf dem gefederten Rahmen ruhen, während bei der Hinterradachse diese Federung nicht vorhanden ist, infolgedessen sich zwischen den beiden zu verbindenden Punkten Verschiebungen ergeben, denen durch die Cardane Rechnung getragen werden muß. Mit Hilfe der Cardanwelle und von Winkelrädern wird die Energie des Motors schließlich nach der Hinterradachse (Textfig. 8, S. 189) geleitet, hier durch Anwendung eines Differentialgetriebes auf die Laufräder übertragen und damit der Wagen fortbewegt. Das Differentialgetriebe hat. die Kraft des-Motors auf die beiden Laufräder gleichmäßig zu übertragen, auch wenn der Wagen in einer Kurve läuft, d.h. die Geschwindigkeit der Räder eine verschiedene ist.

Fig. 9. Achsschenkelsteuerung.
Fig. 9. Achsschenkelsteuerung.
Fig. 10. Pivotsystem.
Fig. 10. Pivotsystem.
Fig. 11. Gabelsystem.
Fig. 11. Gabelsystem.

Die Lenkung des Motorwagens erfolgt mit Hilfe der Achsschenkelsteuerung (Textfig. 9), d.h. durch Schrägstellung der Vorderräder. Wie aus der Figur ersichtlich, ist bei der Achsschenkelsteuerung die Vorderradachse fest mit dem Rahmen verbunden und trägt an beiden Enden je einen Zapfen, um den sich die Achsschenkel mit den Vorderrädern drehen; der Hebelarm ist hier im Gegensatz zum Lenkschemel ein sehr kurzer; er beträgt nur wenige Zentimeter.

Fig. 12. Der Steuerungsmechanismus.
Fig. 12. Der Steuerungsmechanismus.

Die Anordnung der Achsschenkel selbst erfolgt entweder nach dem Pivot (Textfig. 10) oder nach dem Gabelsystem (Textfig. 11).

Einen Einblick in die Wirkungsweise des gesamten Steuerungsmechanismus gibt Textfig. 12. Der selbsthemmende Mechanismus, Schnecke oder Schraube, hat die Eigenschaft, daß wohl eine Drehung beispielsweise der Schnecke zum Schneckenrad, nicht aber umgekehrt möglich ist; die Hände und Arme des Fahrers sind daher den von Unebenheiten der Straße herrührenden Stößen nicht ausgesetzt. Heute wird immer mehr an Stelle des Zahnsegments eine Schraubenhülse verwendet, weil dadurch die Stöße sich auf eine weit größere Fläche ausdehnen.

Fig. 13. Schalldämpfer.
Fig. 13. Schalldämpfer.

An der Steuersäule, über oder unter dem Steuerrad, befinden sich gewöhnlich drei kleine Hebel, die zur Einstellung der Zündung, der quantitativen und der qualitativen Regelung des Gasgemisches dienen.

Fig. 14. Voiturette.
Fig. 14. Voiturette.
Fig. 15. Phaethon.
Fig. 15. Phaethon.
Fig. 16. Tonneau.
Fig. 16. Tonneau.

Vielfach auch an der Steuersäule, meist aber seitlich am Wagen, ist der Geschwindigkeitshebel angebracht; er ist mit einer Sperrklinke versehen, die jeweils in einen der vier Einschnitte des Segments, die den verschiedenen Einschaltungen der Zahnräder im Geschwindigkeitsgetriebe entsprechen, eingreift.

Jeder M. besitzt gewöhnlich drei Bremsen, und zwar eine, die meist als Bandbremse auf die Hauptwelle einwirkt und durch einen Fußhebel vom Führersitz aus betätigt wird, und zwei auf die Hinterradachse wirkende Bremsen, – die als Innen- oder Außenbremse ausgebildet sind. Erwähnenswert ist schließlich noch der Schalldämpfer (Textfig. 13), der die Aufgabe hat, die beträchtliche Spannung der Auspuffgase herabzumindern und damit das Geräusch zu vermeiden. Er besteht vielfach aus einigen durchlochten konzentrischen Trommeln, welche die Auspuffgase bei ihrem Austritt passieren müssen.

Während man früher mit Vorliebe Drahtspeichenräder verwendete, findet man solche heute nur noch bei billigen Wagen; bei allen andern gelangen Holzräder zur Verwendung. Diese laufen, ebenso wie alle höherm Druck ausgesetzten Lagerstellen, in Kugellagern, wodurch die gleitende Reibung in eine rollende verwandelt wird und der Kraftverlust auf ein Minimum herabsinkt. Jeder M., der einigermaßen schnell laufen soll, muß mit Luftgummireifen (Pneumatiks) versehen sein. Ein solcher besteht gewöhnlich aus einem dünnwandigen Luftschlauch, der von einem Laufmantel umgeben ist; letzterer wird um das Rad gespannt und verleiht ihm einen sehr elastischen Gang. Das Streben der verschiedenen Fabriken geht dahin, größte Elastizität, größte Dauerhaftigkeit, einfachste Montage und Fortfall der Gleitgefahr zu erzielen. Massive Gummireifen sind nur bei Wagen mit minderer Geschwindigkeit zulässig, wie bei Lastwagen, Omnibussen etc.

Die Karosserieformen haben sich zwar aus der Wagenform der gewöhnlichen Pferdewagen entwickelt, sind aber sehr rasch immer mehr davon abgerückt, so daß sie heute als spezifisch geartete Formen gelten können. Dieses völlige Abrücken von der alten Wagen form ist bedingt durch die Eigenart des Chassisbaues. Fig. 1 der Tafel I zeigt eine sehr gelungene moderne Karosserieform. Um die Insassen vor Regen und Wind zu schützen, werden neuerdings mit Vorliebe Verdecke angeordnet, deren seitlich, vorn und rückwärts angebrachten Glasfenster leicht entfernt werden können. Die Textfiguren 14–16 geben die schematische Darstellung einiger gebräuchlicher Karosserieformen. Fig. 14 zeigt eine Voiturette für zwei Personen nebst einem Rücksitz. Eine sehr beliebte Form ist das Phaethon (Fig. 15), das sich vieler Anhänger erfreut und nächst dem Tonneau (Fig. 16) wohl die verbreitetste Form im Karosseriebau ist; man kann darin seitwärts, vorwärts oder in der Diagonale sitzen; der Einstieg, früher hinten angeordnet, ist heute fast durchweg ein seitlicher. Ein Tonneau mit Überkasten und seitlichem Abschluß mit Glasfenstern heißt Limousine. Neben diesen Ka rosserieformen kommen noch in Betracht: das Landaulette, Coupé, Duc etc.

Lieferungswagen nennt man Fahrzeuge für kleinen Lastentransport mit einer Ladefähigkeit bis ca. 1000 kg und einem geschlossenen Wagenkasten (Tafel I, Fig. 2). Sie dienen vornehmlich den großen Geschäftshäusern zum Ausfahren von Waren an die Kunden. Die Bereifung besteht aus Luftgummi- oder Vollgummireifen, bisweilen auch aus Eisen. Motorstärke 6–15 Pferdekräfte, Eigengewicht ca. 1000–1500 kg Lastwagen. Als normale Höchstgrenze der Belastung können 6000 kg angesehen werden. Sie dienen zum Transport von Lasten aller Art. Am häufigsten bedienen sich ihrer zurzeit noch die Großbrauereien. Solche Fahrzeuge (Tafel I, Fig. 3) werden mit Motoren von 10–30 Pferdestärken ausgerüstet, Höchstgeschwindigkeit bei Eisenreifen 12–14 km in 1 Stunde. Hierher gehören auch die sogen. Schleppwagen für Vorspanndienste (Tafel III, Fig. 1).

Omnibusse. Wagen zur Aufnahme von 6–24 und 30, selbst 50 Personen für Stadt- und Überlandverkehr. In der äußern Form (Tafel III, Fig. 2) entspricht der Wagenkasten vielfach dem alten Postomnibus, im Innern ist er jedoch geräumiger wie dieser.

Fig. 17 und 18. Dampfwagen System Altmann.
Fig. 17 und 18. Dampfwagen System Altmann.

Motorstärke ca. 10–30 Pferdestärken, Höchstgeschwindigkeit 18–25 km.

Motordroschken. Wagen für öffentlichen Verkehr von ca. 10–15 Pferdestärken, mit gewöhnlich offener Wagenform (Tafel I, Fig. 4), die in einfacher Weise in eine halboffene und geschlossene Form verwandelt werden kann; meist mit Taxameter ausgerüstet, der links hinter dem Führersitz angebracht ist.

Rennwagen. Wagen von besonders großer Schnelligkeit. Da bei einem solchen Fahrzeug jede Schraube, jeder Bolzen, kurz das kleinste Detail bis auf das äußerste beansprucht wird, wenn der Wagen in vollem Tempo fährt, so dient der Rennwagen als Prüfstein auf Zuverlässigkeit der Konstruktion und Güte des Materials. Ihrem Zweck entsprechend sind die Rennwagen leicht und niedrig gebaut, besitzen einen großen Radstand, weit auseinanderstehende Räder; alle entbehrlichen Bestandteile sind fortgelassen. notwendige, aber unwichtige, wie beispielsweise die Karosserie, sind so gestaltet, daß ihr Gewicht und Luftwiderstand auf ein Minimum reduziert wird. Wie hoch man in der Stärke des Motors noch kommen wird, läßt sich nicht sagen. Der heutige 120pferdige Mercedes (Tafel I, Fig. 5) wird, sofern die Rennen fortdauern, noch nicht die höchste Stärke bedeuten. In der Tat hat man neuerdings einen achtzylindrigen Rennwagen von 200 Pferdekräften gebaut, der 1 km in 20,5 Sekunden bewältigte.

Dampfwagen (Dampfdroschke, -Kalesche, -Kutsche-, -Omnibus). Während bei Benzinwagen die wesentliche Anordnung der einzelnen Teile: Motor, Kuppelung, Geschwindigkeitsgetriebe etc., übereinstimmend ist, tastet man hinsichtlich der zweckmäßigsten Anordnung der Hauptbestandteile des Dampfwagens: Kessel, Speisewasserreservoir, Motor, Kraftübertragung auf die Hinterradachse, Brennmaterialreservoir etc., noch im Dunkeln. Serpollet ordnet den Kessel am Hinterteil des Wagens an, White unter dem Vordersitz, die Albany Manufacturing Co. am vordern Wagenteil. Die Textfiguren 17 und 18 zeigen Aufriß und Grundriß des Altmannschen Dampfwagens; a bedeutet den Kessel, b die Dampfmaschine, c den Kühler. d und e sind Wasserbehälter, von denen der eine für Dampf-, der andre für Kühlzwecke dient, f ist der Brenner für die Dampferzeugung. Ein gedecktes Break und ein Landaulet, System Altmann, zeigt Tafel III, Fig. 3 und 4.

Zu den schwierigsten Aufgaben des Dampfwagenbaues gehört die Konstruktion des Dampferzeugers nebst Brenner. Von den Dampferzeugern dürfte wohl das System Serpollet die größte Verbreitung gefunden haben; bei ihm erfolgt die Verdampfung so rasch, daß sich überhaupt kein flüssiges Wasser im Kessel befindet (Blitz- oder Augenblicksverdampfer). Unter den Brennern hat sich das Tellersystem viele Anhänger erworben; der aus dem Brennmaterial gebildete Strahl strömt aus einer Düse und reißt Luft mit sich, das Gemisch wird alsdann in einen eigenartig ausgebildeten Hohlraum derart geführt, daß ein Gasherd von intensivster Wärmewirkung entsteht.

Elektrische Wagen (Elektromobile, Akkumobile, Akkumulatorwagen, elektrische Droschke) erhalten ihre Kraft aus einer Akkumulatorenbatterie, von der aus die elektrische Energie zunächst nach dem am Führersitz angeordneten Kontroller geleitet wird, einer Vorrichtung, mittels der die Geschwindigkeit des Wagens beliebig verändert werden kann und die außerdem als Bremse dient. Vom Kontroller aus strömt die Elektrizität nach dem Elektromotor, der gewöhnlich unter dem Wagen angebracht ist und seine Bewegung mittels Zahnradvorgeleges auf die Hinter- oder auch Vorderradachse überträgt. Da der Elektromotor bekanntlich bei kleiner wie bei großer Umdrehungszahl gleich vorteilhaft arbeitet, so bedarf es, ebenso wie beim Dampfwagen, keines Zahnradgetriebes zur Veränderung der Geschwindigkeit. Diesen bestechenden Vorzügen des elektrischen Wagens steht der Nachteil gegenüber, daß das Gewicht der Akkumulatorenbatterie allein schon eine sehr hohe tote Last bedeutet (gewöhnlich 300–500 kg), die wiederum eine schwere Wagenkonstruktion bedingt, daß weiterhin die im Akkumulator aufgespeicherte Energie nur für eine verhältnismäßig kurze Fahrt ausreicht und daß die Lebensdauer der Platten sehr kurz ist. Neuerdings baut man auch Elektromobile mit gemischtem Betrieb und solche mit elektrischer Kraftübertragung; die erstern besitzen als Energiequelle einen Benzinmotor, der eine Dynamomaschine antreibt, an deren Klammern eine Akkumulatorenbatterie und die Elektromotoren angeschlossen sind; die Einrichtung ist so getroffen, daß etwaige Fahrtunterbrechungen zum Laden der Batterie zu benutzen sind. In dieser Anordnung sind alle Vorzüge des elektrischen Antriebs verbunden mit denen einer Akkumulatorenbatterie, von großem Aktionsradius. Diesen Vorzügen steht das große Eigengewicht des Wagens, die aufmerksame Beobachtung der elektrischen Meßapparate, ein teurer Betrieb infolge des Umwegs, den die Energie bis zu ihrer Verwendung macht, u.a.m. gegenüber. Die Elektromobile mit elektrischer Kraftübertragung besitzen denselben Antriebsmechanismus wie die vorbeschriebenen, nur fällt die Batterie weg, so daß die vom Explosionsmotor erzeugte Energie direkt und vollständig in Form des von der Dynamomaschine erzeugten Stromes den Elektromotoren zugeführt wird. Ein System, das neuerdings viel gebaut wird, verwertet die Vorzüge des Elektromotors, also geräuschlosen, ruhigen Gang, leichte Regulierbarkeit innerhalb zweier weitauseinanderliegender Geschwindigkeitsgrenzen, ohne den schweren Akkumulator mit seinen unangenehmen Eigenschaften mitzuführen.

Im gewissen Sinn ebenfalls zu den Elektromobilen zu zählen sind die Systeme mit Oberleitungsbetrieb. Der Wagen (amtlich Kraftwagen mit Oberleitung genannt) läuft ohne Schienen auf der gewöhnlichen Landstraße und erhält die zur Fortbewegung nötige Kraft durch eine an der Straße entlang gehende elektrische Leitung. Da die Schienen fehlen, ist eine zweite Leitung für die Rückleitung des Stromes erforderlich. Derartige Anlagen (Autbahnen, Autobahnen, gleislose Bahnen) eignen sich in erster Linie zur Aufrechterhaltung eines geregelten Betriebes zwischen kleinen Gemeinden untereinander oder mit nächstgelegener Eisenbahnstation. Auch zur Materialienbeförderung für Fabriken, Bergwerke etc., wo es sich hauptsächlich um den Verkehr innerhalb bestimmter Grenzen handelt, haben sie sich bewährt. Vgl. die Artikel »Elektrische Eisenbahn«, S. 609, und »Fuhrwesen«, S. 199.

Leistungen. Wie eingangs erwähnt, stehen heute die Benzinwagen technisch sowohl als an Zahl an erster Stelle; wohl ca. 95 Proz. aller M. des Kontinents dürften Benzinwagen sein. Die Ursachen, die dem Benzinwagen gegenüber den andern Systemen ein so großes Übergewicht verschafften, waren neben billigem Betrieb seine große Zuverlässigkeit und die Möglichkeit, sehr große Geschwindigkeiten entwickeln zu können. Vermöge dieser Eigenschaften ist der Benzinwagen geeignet, insbes. da in Funktion zu treten, wo es sich um die Zurücklegung großer Strecken und um die Entfaltung großer Geschwindigkeiten handelt. Den Dampfwagen hat man längst besondere Aufmerksamkeit zugewendet, ohne jedoch entsprechende Erfolge erzielt zu haben. Als Vorteile gelten, daß die Konstruktion verhältnismäßig einfach ist und die Kraft sich beliebig steigern läßt etc. Dem steht aber der Nachteil gegenüber, daß der Betrieb bei den meisten Systemen sich zu teuer stellt. Das Gebiet, auf dem sich dem Dampfwagen Aussichten eröffnen, dürfte der Lastwagenbau für landwirtschaftliche und militärische Zwecke sein. Die Elektromobile sind in ihrer Verbreitung infolge der hohen Elektrizitätspreise in unsern Städten, ihrer geringen Geschwindigkeit, der raschen Erschöpfung ihrer Ladung, dem Mangel an Ladestationen etc. sehr zurückgehalten worden; selbst die Elektromobile sogen. gemischten Systems, also mit Explosionsmotor, Elektromotor, Akkumulatorenbatterie, haben bis jetzt nur verhältnismäßig geringe Verbreitung gefunden.

Für den militärischen Gebrauch der M. handelt es sich hauptsächlich um den Meldedienst und den Lastentransport. Bei den beiden ermöglicht die Verwendung der M. eine ganz erhebliche Ersparnis an Zeit, Personal, körperlichen und geistigen Kräften der Beteiligten, Pferdematerial und vielleicht auch, wenn die Verwendung erst allgemeiner geworden sein wird, an Geld. Für den Meldedienst empfiehlt sich für kleinere Verhältnisse das Motorzweirad, während zur Verbindung zwischen den höchsten Kommandobehörden größere Wagen notwendig sind, die mehrere Personen gleichzeitig fortzuschaffen vermögen. In diesem Sinn erfolgt die Verwendung der M. bei den großen Manövern aller Armeen; dies soll auch im russisch-japanischen Krieg in umfassendem Maße der Fall gewesen sein. Die M. sind allerdings bei schlechtem Wetter und ungünstigen Boden- und Wegeverhältnissen oft zu sehr an die Kommunikationen gebunden. Dies, sowie der stete Wechsel in Auftrag und taktischer Lage, verhindert die zuverlässige Ermittelung einer Durchschnittsgeschwindigkeit. Bei Verwendung zum Lastentransport für militärische Zwecke dürfte den M. eine große Zukunft bevorstehen. Einesteils gestattet ihre gegenüber den mit Pferden etc. bewegten Fahrzeugen erheblich größere Ladefähigkeit, die Mitnahme von weit mehr Verpflegsmitteln und Munition sowie die schnellere Heranführung solcher Bedürfnisse auf größere Entfernungen, desgleichen einen schnellern Abschub der Kranken, Verwundeten etc. vom Heere nach rückwärts. All das macht die höhere wie die niedere Truppenführung wesentlich freier in ihren Entschlüssen und deren Durchführung und erleichtert die Rücksichtnahme auf den erstrebten Hauptzweck, den Kampf. Die Ausstellung von militärischen Selbstfahrerparken für alle Kriegszwecke schon im Frieden ist nicht durchführbar, nicht bloß der Kosten wegen, sondern vor allem mit Rücksicht auf die große Schnelligkeit der technischen Fortschritte in Konstruktion und Verwendung der M. Deshalb begnügt sich die Militärverwaltung mit der Anschaffung solcher Fahrzeuge, die im Kriegsfall nicht schnell zu beschaffen sein würden, z. B. Telegraphenwagen, Reparaturwagen etc., stellt sonst nur eine beschränkte Zahl von M. selbst auf und sorgt für ausgiebige Erprobung aller neuen Konstruktionen, während die Sicherstellung der Hauptmasse der für Manöver und Krieg nötigen M. durch Freiwilligenkorps geschieht, die sich und ihre Fahrzeuge der Militärverwaltung unter gewissen Bedingungen zur Verfügung stellen. In Deutschland hat man in den Kaisermanövern mit Motorrädern und -Wagen vorzügliche Erfahrungen gemacht, auch bei Verwendung querfeldein; Proben mit Lastmotorwagen und Lokomobilen für den Lastentransport werden bei der Versuchsabteilung der Verkehrstruppen (mit Versuchskompanie) gemacht. Gepanzerte, mit Maschinengewehren montierte M. sind erprobt worden. In Österreich wurden 1905 Übungen im schnellen Erreichen entfernter Punkte durch Motorradkompanien unternommen, Aufgaben, die sich im Mobilmachungsfalle beim Besetzen wichtiger Punkte in kürzester Zeit oft ergeben werden. Einen gepanzerten M. mit einem leichten Schnellfeuergeschütz in Panzerkuppel konstruierten die Daimlerwerke. In Italien haben 1904 von Brescia aus unter der Annahme einer Mobilmachung durchgeführte Fahrten von 220 bis 560 km Länge und Überwindung großer Höhenunterschiede bedeutende Erfolge gezeitigt, wobei auch Automobilomnibusse zur Verwendung kamen, z. B. erreichte ein solcher mit 25 Bersaglieri eine Geschwindigkeit von durchschnittlich 25 km stündlich im Gebirge. Portugal hat für Zwecke des Festungskrieges (Verteidigung von Lissabon) von Schneider in Creusot eine Batterie von vier 15 cm-Haubitzen bestellt, die zusammen von einem M. gezogen werden. Dieser, 7000 kg schwer, transportiert selbst 5000 kg (Munition, Mannschaften etc.) und schleppt die vier zusammen 14,000 kg wiegenden Haubitzen bis 4,5° Steigung; bei stärkern Steigungen werden die Geschütze einzeln geschleppt. Die Gesamtleistung kommt ungefähr einer Ersparnis von 100 Pferden gleich. In England und Frankreich hat man M. in noch weit ausgedehnterm Maß als in Deutschland bei den Manövern verwendet, England hat z. B. 2 Trainkompanien für den Motorwagendienst, ein Volunteers-Selbstfahrerkorps, einen Selbstfahrerzug bei den irischen Yeomanry, ferner wurden M. für Erkundungszwecke, mit Maximgeschützen armiert, erprobt etc. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika sind auch Spezialwagen für Telegraphen- etc. Zwecke ausgiebig probiert worden.

[Hygienisches.] Das Fahren im M. bewirkt wie jede mechanische Gymnastik eine regere Tätigkeit des gesamten Organismus, besitzt aber den sonstigen gymnastischen Methoden gegenüber bemerkenswerte Vorzüge. Der Zimmergymnastik gegenüber kommt insbes. der frische Luftstrom in Betracht, der in angenehmer Weise Haut- und Lungentätigkeit anregt und damit eine höchst vorteilhafte Entlastung der innern, mit Blut vielfach übersättigten Organe herbeiführt. Das Reiten erscheint vielen Leuten zu scharf, das Fahren im gewöhnlichen Wagen ohne Luftreifen als zu hart; demgegenüber besteht das Fahren im M. in einem sanften und leichten Dahinschweben, das sich in gleich angenehmer Weise fühlbar macht, wie etwa das Kahnfahren auf stillem Wasser. Die harten Stöße der Straße werden bei der tiefen Schwerpunktlage des Fahrzeuges durch die Pneumatiks und Federn fast vollständig aufgenommen, so daß sich nach einer langen Fahrt nicht etwa wie beim Ausstieg aus einer gewöhnlichen Droschke oder einem Eisenbahnwagen das Gefühl der Ungelenkigkeit und Steifigkeit einstellt, sondern das einer angenehmen Ermüdung, wie sie sich etwa nach einer lustigen Klettertour durch gesteigertes Schlaf- und Hungergefühl bemerkbar macht. Mit der wohltuenden Ausspannung durch die landschaftliche Szenerie und der Entlastung der innern Organe geht Hand in Hand eine höchst vorteilhafte Einwirkung auf die Nerven; allerdings sind hierbei einige Vorbedingungen zu erfüllen: nicht langsam dahinbummeln, aber auch nicht rasen, sondern ein Mitteltempo, und zwar systematisch morgens und mittags, im Sommer und Winter bei jedem Wetter, wenn nötig mit Brille, Lederhandschuhen, Pelz etc. ausgerüstet. Infolge der wohltuenden Wirkung auf die Nerven finden wir gerade unter den Gehirnarbeitern enthusiastische Anhänger des Motorwagens.

[Geschichtliches.] Im 15., 16. und 17. Jahrh. finden wir in China, England, Holland und auch Deutschland Wagen ohne Pferde, bewegt von Menschen, die sich im Innern des Wagens befanden; diese Wagen waren meist mit elegantem Schnitzwerk versehen. Den ersten, wenn auch nicht lange brauchbaren M., einen Dampfwagen, konstruierte Cugnot 1769. Um 1785 baute der Assistent Watts, William Murdock, einen Dampfwagen, ebenso William Symington, Francis Moore, Robert Fourneß, James Ashworth, desgleichen der Amerikaner Evans seinen Amphibium-Dampfwagen, der »zu Wasser und zu Lande« fahren sollte; auch Trevithick ließ 1801 einen großen Dampfwagen laufen. Zu Anfang des 19. Jahrh. beschäftigte sich Blenkinsop, Brunton, Nasmyth, Gurney, Hancock, namentlich aber Gordon mit dem Dampfwagenbau; letzterer baute einen Wagen, der mit Krücken versehen war, die den Gang der Pferdefüße nachahmten. 1827 erschien die Stephensonsche Lokomotive, in der zwar das Prinzip des Selbstfahrers verwirklicht war, die aber doch nur eine halbe Lösung des Verkehrsproblems bedeutete, denn ihr Betrieb war an eine festgelegte Organisation, Zeit und Ort gebunden. Die Bestrebungen, Selbstfahrer zu bauen, die im Gegensatz zur Eisenbahn eine individuelle Benutzung gestatten, hörten deshalb mit der Erfindung der Eisenbahn nicht auf; ja, es trat sogar mit der Erfindung der Lokomotive ein ungeahnter Aufschwung des Dampfwagenbaues ein; so sollen um 1833 in London über 20 Dampfwagen im Gebrauch gewesen sein. Das Jahr 1865 brachte ein Gesetz, das die Geschwindigkeit der Wagen für offene Strecken auf 4 engl. Meilen und für Ortschaften auf 2 engl. Meilen pro Stunde vorschrieb, was den völligen Ruin der englischen Automobilindustrie bedeutete. England trat seine Rolle an Frankreich ab, woselbst Bollée seit 1873 mehrere Wagen baute, desgleichen Graf de Dion in Verbindung mit Bouton und schließlich Serpollet.

Einen neuen Impuls erfuhr der Bau von M. durch die beiden deutschen Techniker Daimler und Benz, die, unabhängig voneinander, um die Mitte der 1880er Jahre den Explosionsmotor so ausbildeten, daß er den automobilen Bedingungen in fast idealer Weise genügte. Wie aber jede große Erfindung nicht als Folge eines einzigen technischen Fortschritts aufgefaßt werden kann, so darf auch die Bedeutung des »leichten Explosionsmotors« für den modernen Automobilbau nicht überschätzt werden; auch das Automobil ist als das Produkt des organischen Zusammenwirkens der technischen Gesamtentwickelung aufzufassen, und man kann beispielsweise nicht sagen, welche Erfindung für den modernen Automobilbau die wichtigste ist, die Erfindung des leichten Motors, oder des Pneumatiks, oder sonst eines Automobilbestandteils; keine dieser Erfindungen hätte zum Ziele geführt, wäre sie nicht begleitet gewesen von den übrigen technischen Errungenschaften; deshalb gilt auch nicht das Jahr 1880 als Geburtsjahr des modernen Automobilismus, sondern das Jahr 1895, denn um diese Zeit war die Ausbildung des modernen Automobils in allen seinen Teilen bereits so weit gediehen, daß die Pariser Zeitung »Le Petit Journal« ein Automobilrennen inszenieren und ein Preisausschreiben erlassen konnte, womit sie die Aufmerksamkeit der Sportskreise auf das neue Fahrzeug lenkte. Die Entwickelung vollzog sich zunächst fast ausschließlich in Frankreich, wo es Levassor gelungen war, unter Verwendung der Arbeiten früherer Techniker sowie derjenigen von Daimler und Benz einen Gesamtaufbau des Motorwagens zu schaffen, der im wesentlichen bis auf den heutigen Tag beibehalten worden ist.

[Wirtschaftliches.] Wenn der M. heute noch in hohem Maße Sportszwecken dient, so teilt er diese Entwickelung mit dem Fahrrade, das sich vom Sportsfahrzeug im Laufe der Zeit zum unentbehrlichen und volkstümlichen Verkehrsmittel entwickelt hat. Der M hat indes diesen Entwickelungsgang heute schon zu einem großen Teil zurückgelegt; denn in aller Stille ist er in die verschiedensten Zweige des modernen Wirtschaftslebens eingedrungen und in der gesamten Fachliteratur steht der Gebrauchswagen im Vordergrunde des Interesses. Von den verschiedenen Arten solcher Wagen sind, abgesehen von den Personenwagen, am verbreitetsten die Lieferungswagen, die den größern Geschäften zur Überbringung der Waren an die Kunden dienen, und die Lastwagen, wie sie namentlich von Brauereien, Fabriken, Spediteuren etc. in immer umfangreicherm Maße verwendet werden. Die Ursache, weshalb solche Betriebe von den Lieferungs- und Lastwagen so willig Gebrauch machen, liegt weniger darin, daß die Betriebskosten erheblich reduziert wurden gegenüber dem Pferdebetrieb, als vielmehr darin, daß der M. schneller ist und deshalb erhebliche Zeitersparnisse ermöglicht. Auch in der Armee und im Postdienst gewinnt seine Verwendung fortwährend an Ausdehnung. Ein ungeahntes Feld hat sich ihm in der Unterstützung der Eisenbahn durch die Automobilverbindungen eröffnet, indem sich besonders in weniger bevölkerten Gegenden, wo eine Eisenbahn nicht angezeigt erscheint, in neuerer Zeit Vereinigungen von Kapitalisten zur Einrichtung von Automobilverbindungen bilden. Für den großstädtischen Verkehr lassen den M. seine Schnelligkeit, leichte Lenkbarkeit und die Möglichkeit der raschen Bremsung wie geschaffen erscheinen. Wenn die frühern Versuche, das Automobil in Form der Motordroschke in Großstädten einzuführen, vielfach finanziell versagten, so ist dies auf technische und wirtschaftliche Gründe zurückzuführen. Bei dem gänzlichen Mangel an praktischen Erfahrungen und feststehenden Modellen fehlte die kalkulatorische Grundlage für die Rentabilitätsberechnung. Heute, wo man es mit ausprobierten, feststehenden Modellen zu tun hat, die Amortisationsquote, Betriebs- und Reparaturkosten auf Grund mehrjähriger Erfahrung bekannt sind, liegen die Verhältnisse anders, und nun zögert das Großkapital nicht mehr, diesem neuen, gewinnabwerfenden Verkehrsunternehmen mit großen Mitteln an die Hand zu gehen.

Der ungeahnte Aufschwung des Motorwagens als Sports- und Gebrauchswagen hat eine blühende Industrie entstehen lassen, die allem Anscheine nach in den Mittelpunkt der gesamten industriellen Entwickelung treten wird und nur in dem seinerzeitigen wirtschaftlichen Aufschwung der elektrischen Industrie ihresgleichen wieder findet. An der Spitze aller automobilproduzierenden europäischen Völker steht Frankreich. Die enorme Entwickelung der französischen Automobilindustrie zeigen die folgenden Zahlen (in Franken):

Tabelle

Etwa 200 Motorwagenfabriken (abgesehen von den Sonderfabriken für Motorwagenzubehörstücke) fabrizierten 1904 ca. 22,000 M. im Gesamtwerte von 178,500,000 Frank.

Die Ziffern der deutschen Handelsstatistik sind weit niedriger; es betrug in Mark:

Tabelle

In Deutschland beschäftigen sich mit der Herstellung von M. ca. 15 Fabriken, abgesehen von den Sonderfabriken für Motorwagenzubehörstücke. Die Erzeugnisse der deutschen Werke erfreuen sich in der gesamten automobilistischen Welt eines glänzenden Rufes und gelten den erstklassigen französischen Wagen gegenüber in mancher Beziehung als überlegen.

Die englische Motorwagenindustrie hat keine so rasche Entwickelung nehmen können, weil das englische Kapital infolge früherer finanzieller Mißerfolge selbst heute sehr zurückhaltend ist und mehr der französischen Industrie zuströmt. Die Ausfuhr ist verhältnismäßig gering. Der italienische M. war bis vor kurzer Zeit nur gering entwickelt, hat aber neuerdings einen ungeahnten Aufschwung genommen, so daß es Frankreich und Deutschland gegenüber als ernster Konkurrent auftritt. Auch die schweizerische Motorwagenindustrie hat in jüngster Zeit einen bemerkenswerten Aufschwung genommen. Österreich-Ungarn besitzt einige anerkannte Fabriken, doch ist die Einfuhr deutscher und französischer M. nicht unbeträchtlich.

[Vereine.] Von den im Laufe der Zeit entstandenen automobilistischen Vereinigungen und Klubs haben sich weitaus die meisten zu nationalen Verbänden zusammengeschlossen. Von ausländischen Klubs sind zu nennen: der Französische Automobilklub (Paris), der Englische Automobilklub (London), Österreichischer Automobilklub etc.; von deutschen Automobilklubs: der Bayrische, Frankfurter, Kölner, der kaiserliche Automobilklub in Berlin, der Mitteleuropäische Motorwagenverein (Sitz Berlin), die Automobiltechnische Gesellschaft (Sitz Berlin) etc.; sie haben sich unter der Bezeichnung »Deutscher Automobilverband« (Sitz Berlin) zusammengeschlossen. Neben der Veranstaltung von Vorträgen, Aussetzung von Preisen, Veranstaltung von Ausstellungen, Einschreiten gegen rücksichtslose Schnellfahrer, Zustellung von Fachzeitschriften, ermäßigte Überlassung von Landkarten, Fachliteratur etc. suchen sie vor allen Dingen ihren Zweck zu erfüllen durch Veranstaltung von Zuverlässigkeitsfahrten und ähnlichen Konkurrenzen, auch durch Rennen. Diese Rennen betrachten sie nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zu immer vollendeterer Ausbildung des Motorwagens als Verkehrsmittel; auch die gründlichsten Studien in den Laboratorien unsrer Hochschulen und der Konstruktionsbureaus der industriellen Werke hätten das nicht erreicht ohne die Rennen, d.h. praktische Erprobung der M.; die Rennen scheiden mangelhafte Fabrikate rasch und sicher aus und geben die Richtung an, die Technik und Industrie zur Erzielung immer vollendeterer Fabrikate einzuschlagen haben. Die Tätigkeit der Automobilklubs etc. ist also auch in dieser Richtung von unschätzbarer industrieller und damit volkswirtschaftlicher Bedeutung. Zu erwähnen ist noch der Verein deutscher Motorfahrzeug-Industrieller als Interessenvertretung der industriellen Unternehmer, der neuerdings ähnlich wie in Frankreich zu großem Einfluß gelangt ist.

[Rechtliches.] Das Automobil untersteht bisher in privatrechtlicher Beziehung, insbes. bezüglich der Haftpflicht für angerichteten Schaden, den allgemeinen Normen des bürgerlichen Rechts (vgl. Bürgerliches Gesetzbuch, § 823, 831). Dagegen bestehen fast überall besondere öffentlichrechtliche (Polizei-) Vorschriften bezüglich des Automobilverkehrs. In Preußen und den meisten übrigen deutschen Staaten müssen die Automobile betriebssicher sein. Erregung übermäßigen Geräusches, Rauches und Geruchs ist unstatthaft. Die Lenkvorrichtungen müssen ein Umwenden auf 10 m breiten Dämmen ermöglichen. Jeder Kraftwagen muß eine Huppe, zwei Vorderlaternen und zwei voneinander unabhängige Bremsen führen (für Motorräder bestehen einige Erleichterungen). Jedes Automobil erhält nach vorheriger Untersuchung eine Erkennungsnummer, die nebst einem Buchstaben (zur Bezeichnung der Provinz) beim Befahren öffentlicher Wege geführt werden muß. Für den Zustand des Fahrzeugs, namentlich der Bremsen, ist der Eigentümer (oft auch der Besitzer) polizeilich verantwortlich. Der Führer muß im Besitz eines Befähigungsscheines sein (das Recht der Polizei auf Fahrscheinentziehung ist mit Erfolg angefochten worden). Die Sperrung der Straßen für Automobile ist zulässig. Die Geschwindigkeitsgrenze beträgt in der Regel 15 km (gestreckt trabendes Pferd), höher ist sie nur außerhalb der Bebauungsgrenze auf geraden übersichtlichen Wegen. Strafen: Geldstrafe bis 60 Mk. oder Hast bis zu 14 Tagen.

Vgl. Baudry de Saunier, Das Automobil in Theorie und Praxis (deutsch, Wien 1900–01, 2 Bde.; neuer Abdruck 1905), Praktische Ratschläge für Automobilisten (deutsch, das. 1901) und Grundbegriffe des Automobilismus (deutsch, das. 1902); Hasluck, Automobile (neue Ausg., Lond. 1903); Zechlin, Der Automobilsport (Leipz. 1903) und Automobilkritik (Berl. 1905); Lang, Die Adler-Fahrradwerke vormals Heinrich Kleyer, Festschrift (das. 1905); Vogel, Der M. und seine Behandlung (das. 1906); Jahrbuch der Automobil- und Motorbootindustrie (das., seit 1904); Zeitschriften: »Der M.« (das.); »Zeitschrift des Mitteleuropäischen Motorwagenvereins« (das.); »Stahlrad und Automobil« (Leipz.); »Allgemeine Automobilzeitung« (Münch.); »Das Fahrzeug« (Eisenach); »Automobilwelt« (Berl.); »L'Auto« (Par.); »L'Automobile« (Nizza); »La France Automobile« (Par.); »La Locomotion automobile« (das.); »Le Chauffeur« (das.); »The Autocar« (Coventry); »The Motor-Car Journal« (Lond.); »The Horseless Age« (New York); Walloth, Der Automobilismus auf öffentlichen Straßen (Wiesbad. 1904); Meili, Die rechtliche Stellung der Automobile (Zürich 1902); Rixeus u. Lafont, Législation et jurisprudence du cyclisme et de l'automobilisme (Par. 1902); Isaac, Das Recht des Automobils (Berl. 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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