Handelsstatistik

Handelsstatistik

Handelsstatistik, derjenige Teil der Statistik, der den Warenverkehr umfaßt, und zwar, da die Statistik des Binnenhandels meist nicht kontrollierbar, wenig entwickelt und lückenhaft ist, vornehmlich die Statistik des Außenhandels. Letzterer ist, da die Waren nur die Grenzlinie zu überschreiten haben, an dieser leichter zu kontrollieren, zumal wenn Ein- und Ausfuhr sich an wenigen Punkten (Paß, Fluß, Hafen) zusammendrängen. Im Interesse der statistischen Erfassung auch der zollfreien Waren und als Beitrag zur Kostendeckung erheben verschiedene Staaten von allen ein- und ausgehenden Waren eine kleine Kontrollgebühr (Wagegeld, »statistische Gebühr«, s. d.). In der H. sind zu unterscheiden der allgemeine Warenverkehr (Generalhandel), der die gesamten über die Grenze gehenden Waren ohne Rücksicht auf ihre Bestimmung oder ihren Ursprung umfaßt, also sowohl die allgemeine Einfuhr (general imports) als auch die allgemeine Ausfuhr (general exports), und der besondere Warenverkehr (Spezialhandel, commerce spécial, imports for home consumtion), der den Eingang in den freien Verkehr (direkte Einfuhr und Einfuhr aus Niederlagen) und den Ausgang aus demselben (exports of articles of home produce) in sich begreift, also im wesentlichen die auszuführenden Waren angibt, die im Inland erzeugt wurden, bez. die eingeführten, die dem heimischen Verbrauch dienen; ferner der Eingang auf Niederlagen und Konten und der Ausgang von solchen (Niederlagenverkehr) und endlich die unter zollamtlicher Kontrolle erfolgende unmittelbare Durchfuhr (Durchfuhrhandel) sowie insbes. noch der Veredelungsverkehr (s. d.). Bei den nicht zollpflichtigen Waren, die bei der Einfuhr in den freien Verkehr eintreten, wie in den meisten Ländern die Rohstoffe, läßt sich die Durchfuhr (Wiederausfuhr) vom Spezialhandel nicht scheiden. Von Bedeutung für die Beurteilung der Handelsverhältnisse ist deshalb nur die Statistik des Spezialhandels. Von Wichtigkeit ist die Bestimmung des Wertes der Ware. Dieselbe erfolgt entweder durch besondere Kommissionen (in Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn permanente Kommissionen, in Deutschland jeweilig vom Statistischen Amt berufene Sachverständige), die alljährlich die Durchschnittswerte für alle in den statistischen Warenverzeichnissen enthaltenen Gattungen feststellen (in der Schweiz nur für die Einfuhr), oder bei der Zollabfertigung, hierbei durch die an den Produktionsorten den Konsuln gemachten Erklärungen (Amerika), oder durch den Warenführer, bez. bei der Einfuhr durch den Empfänger, bei der Ausfuhr durch den Versender (so in England, in der Schweiz nur für die Ausfuhr). Bei den Einfuhrpreisen werden in Deutschland nicht gerechnet der Einfuhrzoll sowie jeder im Inland erzielte Verdienst und Gewinn, bei den Ausfuhrpreisen die Zoll- und Steuerrückvergütungen; wohl aber werden hierbei alle dem Inland zufließenden Gewinne und Verdienste in Anrechnung gebracht. Jedoch können alle bisher in der H. angewendeten Methoden zur Erfassung der Mengen und Werte keinen Anspruch auf volle Genauigkeit erheben, und bei internationalen Vergleichen ist immer in Betracht zu ziehen, wie die einzelnen Staaten die Mengen und Werte berechnen. Außer den bezeichneten Angaben hat die H. noch solche zu machen über die eingegangenen Zollbeträge, gewährte Rückvergütungen, Konfiskationen, Strafen, Land- und Schiffahrtsverkehr mit Unterscheidung der Schiffe nach ihrer Nationalität, Tonnengehalt, Maß der Beladung u. dgl. Statistische Erhebungen über den Außenhandel wurden unter dem Einfluß der Lehre von der Handelsbilanz schon im 17. Jahrh. vorgenommen, deren Ergebnisse jedoch gern geheim gehalten. Eine Ausnahme bildete England, wo diese schon seit Ende des 17. Jahrh. öffentlich bekannt gegeben wurden. Heute werden sie in den meisten Ländern teils monatlich, teils in jährlichen Übersichten veröffentlicht, so im Deutschen Reich seit 1881, nachdem bereits Dieterici 1834 unter großen Schwierigkeiten den Grund zu einer deutschen H. gelegt hatte, in Österreich seit 1821, bez. 1845 (gegenwärtig durch das statistische Bureau des Handelsministeriums), in Frankreich seit 1818, ebenso in Rußland, den Vereinigten Staaten und den übrigen Kulturstaaten. Die deutsche H. war früher sehr unvollkommen. Aber auch später, bis 1880, war sie nur zuverlässig für die Einfuhr zollpflichtiger Waren, weniger für die von zollfreien Waren und ganz unzuverlässig für die Ausfuhr. Dies änderte sich infolge des Gesetzes vom 26. Juli 1879, betreffend die Statistik des Warenverkehrs, das auch die Ausfuhr sowie die Einfuhr zollfreier Waren statistisch zu erfassen gestattet (ähnliche Bestimmungen sind in Österreich durch Gesetz vom 26. Juni 1890 getroffen). Mit einigen Ausnahmen sind alle Waren, die über die Zollgrenze gebracht werden, vom Warenführer den mit den Anschreibungen für die Verkehrsstatistik beauftragten Amtsstellen (Anmeldestellen) anzumelden. Auf dem Anmeldeschein oder durch die Zoll- oder Steuerdeklaration ist anzugeben die Menge der Waren nach dem Gewicht, die Gattung derselben nach spezieller Benennung und Beschaffenheit, wobei das statistische Warenverzeichnis zugrunde zu legen ist, das Land der Herkunft, d. h. dasjenige, aus dessen Eigenhandel die Ware stammt (Provenienz), und das der Bestimmung. Die deutsche H. unterscheidet außer dem General- und dem Spezialhandel auch noch den Gesamteigenhandel und begreift unter dem letztern neben dem Spezialhandel den Handelsumsatz, den deutsche Kaufleute von deutschen Handelsplätzen aus mit ausländischen Erzeugnissen zu verzeichnen haben, und der im wesentlichen durch den Bestand der Zollniederlagen repräsentiert wird.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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