Mecklenburg

Mecklenburg

Mecklenburg (hierzu Karte »Mecklenburg«), richtiger nach Etymologie und Aussprache Meklenburg, deutsches Territorium im ehemaligen niedersächs. Kreis, an der Ostsee, im übrigen von den preußischen Provinzen Pommern, Brandenburg, Hannover, Schleswig-Holstein (Lauenburg) und dem lübischen Staat umschlossen, zerfällt in die beiden Großherzogtümer M.-Schwerin und M.-Strelitz, von denen ersteres ein im wesentlichen zusammenhängendes Gebiet bildet, letzteres aber aus zwei voneinander getrennten Teilen, nämlich dem Herzogtum Strelitz oder dem Stargardschen Kreis, östlich, und dem Fürstentum (bis 1648 Bistum) Ratzeburg, nordwestlich von M.-Schwerin, besteht. Das Großherzogtum M.-Schwerin (siebenter Staat im Deutschen Reich) erstreckt sich von 53°4'–54°22' nördl. Br. und von 10°36'–13°11' östl. L. mit einem Flächeninhalt von 13,126,9 qkm (238,4 QM.) und mit Einschluß des Anteils am Saaler Bodden 13,161 qkm und besteht aus dem Herzogtum (vor 1348 Fürstentum) Schwerin oder dem Mecklenburgischen Kreis, dem Herzogtum Güstrow oder dem Wendischen Kreis, dem Rostocker Distrikt, dem Fürstentum (vor 1648 Bistum) Schwerin und der Herrschaft Wismar. Zu ihm gehören drei kleine Gebietsausschlüsse: der von M.-Strelitz umschlossene Ausschluß Ahrensberg mit dem zu ihm gehörenden, aber von ihm getrennten Pälitzsee, 32,3 qkm groß, und die zwei von der Provinz Brandenburg umgrenzten Ausschlüsse Rossow, 29,9 qkm, und Netzeband, 32,5 qkm groß. Innerhalb der Landesgrenzen liegt der zum Fürstentum Ratzeburg gehörige Gebietseinschluß Dodow, 6,8 qkm groß, und im O. die zum Herzogtum Strelitz gehörigen Einschlüsse Blankenhagen-Gevezin und Viezen-Gaarz sowie das zur preußischen Provinz Pommern gehörige Gebiet Zettemin. Von den beiden Bestandteilen des Großherzogtums M.-Strel itz (des neunten Staates im Deutschen Reich) erstreckt sich das Herzogtum Strelitz von 53°9'–53°47' nördl. Br. und von 12°40'- 13°57' östl. L., das Fürstentum Ratzeburg von 53°40'–54°54' nördl. Br. und 10°45'–11°5' östl. L. Der Flächeninhalt beträgt 2929,5 qkm (53,2 QM.), wovon 2547,56 qkm auf das Herzogtum Strelitz und 381, ot qkm auf das Fürstentum Ratzeburg entfallen.

[Physische Beschaffenheit.] M. bildet einen Teil der norddeutschen Tiefebene und ist daher ungefähr zur Hälfte ein bis 60 m ü. M. liegendes Flachland, das aber in der Richtung von SO. nach NW. von einem breiten, von 60–100 m ansteigenden, an wenigen Punkten über 150 m hohen, mehrere seitliche Ausläufer aussendenden, ungefähr die Hälfte der Landesfläche einnehmenden Landrücken durchzogen wird, der die Wasserscheide zwischen den nordwärts zur Ostsee und südwärts zur Elbe abfließenden Gewässern bildet und wegen seiner zahlreichen Seen (s. unten) Mecklenburgische Seenplatte genannt wird. Nur 13 Höhen sind über 130 m hoch. Die höchsten Punkte sind: in M.-Schwerin die Ruhner Berge bei Marnitz mit dem Ruhner Berg (178 m), dem Dachsberg (165 m) und dem Buchberg (149 m), die Hoheburg im Schlemminer Wald unweit Bützow (144 m) und der Diedrichshäger Berg bei Kröpelin (128 m); in M.-Strelitz der Helpter Berg unweit Woldegk (179 m). Dieser Landrücken ist aber keineswegs ein einheitliches Gebilde, sondern besteht aus mehreren ungefähr parallel von SO. nach NW. streichenden Flözgebirgsfalten, an und auf denen Moränenschutt und Sedimente des Diluviums ausgeschüttet sind, und die mehrfach durch Querriegel verbunden werden. Nordöstlich und südwestlich sind diesem Gebiete weite Heidesandebenen vorgelagert. Der Boden besteht zu 1/10 aus Wiesen und Mooren; die übrigen 9/10 bestehen zum größten Teil (3/4) aus mehr oder weniger fruchtbarem Lehm, Mergel und lehmigem Sand, zum kleinsten Teil (1/4) aus Sand. Nach seiner Ertragfähigkeit besteht das Ackerland zu 35 Proz. aus Weizenboden, 41 Proz. aus gutem Roggenboden und nur 24 Proz. aus geringem Roggenboden; am ergiebigsten ist der nordwestliche Teil des Landes, zwischen der Ostsee, Wismar und dem Dassower Binnensee (im sogen. Klützer Winkel). Bemerkenswert ist eine mitten im Lande liegende, 12,5 km lange und 9 km breite, wildreiche Wiesenfläche, die Lewitz (7977 Hektar), in der regelrechter Wiesenbau durch zahlreiche Entwässerungsbauten möglich gemacht ist.

Die mecklenburgische Ostseeküste ist 228,39 km lang, in der Luftlinie 133,5 km. Sie beginnt am Zollhaus auf dem Priwall, einer schmalen Landzunge, welche die Pötenitzer Wiek (des Dassower Binnensees) von der Ostsee trennt, verläuft in sanfter Rundung um den vorspringenden Großen und Kleinen Klütz Hövd mit ziemlich steilen Abbruchufern, namentlich bei Kalkhorst, herum, bildet die flache Boltenhäger Bucht, um dann tief ins Land, bei Wismar einschneidend, die Wohlenberger Wiek (mit dem davor lagernden Riff der Lieps) und die Wismarsche Bucht, im trefflichen Hafen von Wismar südlich endend, zu bilden, vor der die einzige bedeutendere mecklenburgische Insel Poel (36,1 qkm, durch eine Brücke mit dem Festlande verbunden, mit dem Leuchtfeuer von Timmendorf) liegt. Nordöstlich von Poel bildet die Ostsee die Große Wiek und das Salzhaff, durch die Halbinsel Wustrow (mit dem Kieler Ort) von der offenen See getrennt. Von hier verläuft die Küste in ungebrochener Linie und meist nordöstlicher, stellenweise östlicher Richtung, um die (durch das Leuchtfeuer von Bastorf bezeichnete) Bukspitze herum, am Seebad Heiligendamm (s. Doberan), dessen Strand von massenhaften, glatt geschliffenen Geröllsteinen bedeckt wird, vorbei, weist an der Stoltera, westlich von Warnemünde, ein besonbers steiles Abbruchufer auf, wird bei Warnemünde von der Mündung der Warnow unterbrochen und endet endlich zwischen dem mecklenburgischen Dorf Althagen und dem pommerschen Dorf Ahrenshoop auf dem Fischland (im frühern Mittelalter eine Insel Svante Wustrow), einer schmalen, niedrigen Nehrung, die mit dem sich anschließenden pommerschen Darß und Zingst eine lange Reihe von Bodden (Ribnitzer Binnensee, Saaler Bodden etc.) von der Ostsee trennt. Die Flüsse des Landes ergießen sich entweder in die Ostsee oder durch die Elbe in die Nordsee. Zur Ostsee fließen ab: die Trave an der Grenze von Ratzeburg, mit der Stepenitz, die durch die Radegast und Maurine verstärkt wird; die Warnow, welche die Mildenitz (Abfluß des Goldberger und Sternberger Sees) und die Nebel (Abfluß des Krakower Sees) aufnimmt und bei Warnemünde die haffartige Erweiterung des Breitling bildet; die Recknitz, die in den Ribnitzer Binnensee mündet; die Peene, die den Malchiner und Kummerower See durchfließt und die aus dem Tollense-See bei Neubrandenburg kommende Tollense und die Trebel aufnimmt. Die Elbe berührt nur auf kurze Strecken, bei Dömitz und Boizenburg (20 km), das mecklenburg-schwerinsche Gebiet, nimmt aber aus demselben folgende Flüsse auf: die Stecknitz (Delvenau), Grenzfluß gegen Lauenburg; die Boize, die Sude, aus dem Dümmerschen See abfließend, welche die Schmarr, die Rögnitz und die Schaale, einen Abfluß des Schaalsees mit der Schilde, aufnimmt; die schiffbare Elde, den Müritz- und Plauer See durchfließen d und bei Dömitz mündend, nachdem sie die Stör, den Abfluß des Schweriner Sees, und die Löcknitz aufgenommen; endlich die Havel, deren Quellgebiet nur in M. liegt, ebenso wie das ihres Nebenflusses, der Dosse. Für den Wasserverkehr kommen außer der Elbe nur in Betracht die Elde, die Warnow von Bützow abwärts, die Nebel, bez. der Güstrow-Bützow-Kanal, und die Peene. Die wichtigsten Kanäle sind: 1) der Störkanal und der Friedrich Franz-Kanal, welche die aus dem Schweriner See fließende Stör mit der streckenweise durch den Hechtssortkanal, Grabowkanal und Güritzkanal abgekürzten Elde und dadurch mit der Elbe (Dömitz) verbinden; 2) der Güstrow-Bützow-Kanal; 3) der Dahmerkanal und der Peenekanal, die Malchin mit dem Malchiner See und dem Kummerower See, wo lebhafter Wasserverkehr stattfindet, verbinden; 4) die Schiffahrtsstraße von der Müritz (Bolterkanal, Havelkanal) zum Bahlensee bei Fürstenberg; 5) der Kammerkanal, eine Schiffahrtsstraße vom Zierker See bei Neustrelitz bis Ellenbogensee bei Priepert. So ist eine Schiffahrtsstrecke vorhanden vom Schweriner See über Eldeschleuse einerseits nach Domitz (Elbe). anderseits nach Fürstenberg (Havel), ebenso von Fürsten berg nach Dömitz (282,8 km).

Zahlreich sind die Landseen; man zahlt in M.-Schwerin 465, in M.-Strelitz 132 Seen (von 2 Hektar Fläche aufwärts). In M.-Schwerin machen alle über 1 Hektar großen Gewässer zusammen 593,17 qkm oder 4 Proz. der Gesamtlandesfläche aus. Die bedeutendsten Seen sind in M.-Schwerin: die Müritz (11,661 Hektar), an die sich, durch die Elde untereinander verbunden, der Kölpin- (2063 Hektar), der Fleesen- (1099 Hektar), der Malchower (184 Hektar) und der Plauer See (3846 Hektar) anreihen; ferner der Schweriner See (6308 Hektar), der Krakower See (1625 Hektar), Malchiner See (1447 Hektar), Goldberger See (772 Hektar), Dobbertiner See (416 Hektar) etc.; und auf der Grenze im O. der Kummerower See (3309 Hektar, davon 952 Hektar zu M.) und im W. der buchtenreiche Schaalsee (davon 348 Hektar zu M., der tiefste See des Landes, bekannt durch eine seltene köstliche Fischart, die große Schaalseemaräne), endlich in M.-Strelitz der Specker, Zierker und Luzinsee, mit dem Zanzen-, Karwitzer und Dretzsee verbunden; der Galenbecker und Tollense-See, mit dem Lieps- und dem Wanzkaer See zusammenhängend. Von Mineralquellen sind zu nennen: die Eisenquellen bei Doberan und Goldberg und die Kochsalzquelle bei Sülze (Solbad, Saline). Besuchte Seebäder sind auf dem Heiligen Damm bei Doberan, zu Warnemünde, Boltenhagen, Arendsee-Brunshaupten, Müritz-Graal (mit der Kinderheilstätte Friedrich Franz-Hospiz).

[Politische Einteilung. Bevölkerung.] Nach dem Grundeigentum zerfallen beide M., wo sich die Verhältnisse des mittelalterlichen Feudalwesens ziemlich rein erhalten haben, in drei politische Landesteile: das großherzogliche Domanium, die Ritterschaft und die Städte mit den städtischen Gütern; sie stellen jedoch keine zusammenhängenden Gebiete dar, sondern sind regellos durcheinander über das ganze Land verteilt. Das großherzogliche Domanium umfaßt in M.-Schwerin 5604,05 qkm (42,6 Proz. der Gesamtfläche) mit 231 Pachthöfen, 112 Erbpachthöfen, 5401 Erbpachtstellen und 17,835 Kleingrundbesitzstellen (darunter 95 Pachthöfe zum großherzoglichen Haushalt gehörend), die Ritterschaft (mit Einschluß der 450,26 qkm Klostergüter, die nach der Säkularisation 1572 von der Landesherrschaft der Ritter- und Landschaft zur christlichen Auferziehung inländischer Jungfrauen überwiesen worden sind) umfaßt 6037,61 qkm (45,8 Proz. der Gesamtfläche) mit 1023 Hauptgütern, die 639 Gutsbesitzern gehören (darunter 316 bürgerliche und 292 adlige Besitzer). Das Gebiet der 42 Städte (zu Rostock gehört der Flecken Warnemünde) umfaßt 1519,95 qkm (11,5 Proz.). Neben den Städten gibt es drei domaniale Flecken (Dargun, Lübtheen, Zarrentin) und zwei ritterschaftliche Flecken (Klütz und Dassow).

Nach der Volkszählung vom 1. Dez. 1900 betrug die Einwohnerzahl von M.-Schwerin 607,770 Seelen; davon entfielen auf das großherzogliche Domanium 192,013 oder 31,5 Proz., auf die Ritterschaft 125,435 oder 20,6 Proz. und auf die Städte und ihre Gebiete 290,272 oder 47,8 Proz. Auf dem platten Lande wohnten 316,263 Menschen oder 52 Proz., in den Städten 291,507 oder 48 Proz. Unter den 42 Städten sind 3 Mittelstädte (deren größte Rostock mit 54,735 Einw.), 8 Kleinstädte und 31 Landstädte. In bezug auf die Dichtigkeit seiner Bevölkerung steht M.-Strelitz an letzter, M.-Schwerin an zweitletzter Stelle unter den deutschen Bundesstaaten. Die mecklenburgische Bevölkerung zeigt eine außerordentlich geringe Zunahme, von 1871–1900 nur um 9 Proz., gegenüber der Zunahme der gesamten deutschen Bevölkerung von 37,3 Proz. Diese Zunahme der mecklenburgischen Bevölkerung entfällt ausschließlich auf die Städte, während das platte Land, und zwar die Ritterschaft um 11,7 Proz., abgenommen hat; das Domanium ist stehen geblieben. Die überseeische Auswanderung hat sehr stark abgenommen; während sie 1354: 8750 Personen oder 16,2 vom Tausend, 1865: 4825 Personen oder 8,7 vom Tausend und 1882 noch 6155 Personen oder 10,8 vom Tausend betrug, war sie 1900 auf 168 oder 0,3 vom Tausend zurückgegangen. Die jährliche Anzahl der Eheschließungen betrug im Durchschnitt der letzten 10 Jahre (1894–1903) 4846, die der Geburten 18,062, der Sterbefälle 11,464, mithin der Geburtenüberschuß 6598. Die Konfession der Landeskirche ist die evangelischlutherische; daneben gab es 1900: 8124 oder 1,34 Proz. Katholiken und 1763 oder 0,29 Proz. Juden; die Zahl der Katholiken hat seit 1890 um 61,3 Proz. zugenommen, die der Juden um 19,2 Proz. abgenommen. Die Mundart des Volkes ist das Plattdeutsche, das in unsrer Zeit durch Fr. Reuters Dichtungen auch in die Literatur eingeführt ist. Auf dem Lande hat sich noch stellenweise die altsächsische Bauart der Bauernhäuser hin und wieder mit den Pferdeköpfen (Mulagen) an den Giebelenden erhalten. Die frühern Bauerntrachten sind dagegen verschwunden.

In M.-Strelitz umfaßt das großherzogliche Domanium mit Einschluß der Kabinettsgüter 1652 qkm, die ritterschaftlichen Güter 640 qkm und die städtischen Gebiete endlich 296 qkm. Es gibt 9 Städte und 2 Marktflecken. Die Einwohnerzahl betrug 1900. 102,602 Seelen, davon 49,960 oder 48,7 Proz. in den Städten und Flecken und 52,642 oder 51,3 Proz. auf dem Lande. Neben den Angehörigen der evangelisch-lutherischen Landeskirche gab es 1900: 1522 Römisch-Katholische und 331 Juden.

[Bildungsanstalten.] In M.-Schwerin gab es 1903 im ganzen 1226 Volks- und Bürgerschulen (1111 Landschulen und 115 Stadt- und Fleckenschulen) mit 2150 Klassen, in denen 94,971 Schüler von 2041 Lehrkräften unterrichtet wurden. Die Gesamtunterhaltungskosten dieser Volks- und Bürgerschulen betrugen 1903: 3,835,562 Mk. In den 42 Städten und 6 Flecken sind Gewerbeschulen, in denen 1903 von 264 Lehrkräften 4255 Schüler unterrichtet wurden, die 88 Gewerbearten angehörten. Zur Bildung von Lehrern bestehen ein großherzogliches Schullehrerseminar in Neukloster für die großherzoglichen Domänen und das Seminar für ritterschaftliche Schullehrer in Lübtheen. Ferner bestehen bei Schwerin eine Bildungs- und Pfleganstalt für geistesschwache Kinder, in Neukloster eine Blinden-, in Ludwigslust eine Taubstummenanstalt. Der höhern Bildung dienen 7 Gymnasien, 6 selbständige Realgymnasien, 3 Realprogymnasien und 4 Realschulen; endlich 3 städtische und eine größere Anzahl privater höherer Tochterschulen; Navigationsschulen sind in Wustrow und Rostock, eine Navigations-Vorbereitungsschule in Dierhagen; eine Ackerbauschule in Dargun und schließlich 2 städtische Baugewerks- und technische Lehranstalten in Neustadt und Sternberg; Landesuniversität ist Rostock, 1419 gestiftet, mit vier Fakultäten. Eine Irrenheilanstalt ist in Sachsenberg bei Schwerin, eine zweite in Gehlsheim bei Rostock, eine Heil- und Pfleganstalt in Rostock.

In M.-Strelitz bestehen an Lehranstalten 233 Volks- und Bürgerschulen, darunter 218 Landschulen, in denen 1901: 16,057 Schüler von 382 Lehrkräften unterrichtet wurden; ferner ein Schullehrerseminar in Mirow, 3 Gymnasien, 2 Realgymnasien und 4 höhere Töchterschulen.

[Landwirtschaft.] Der Hauptwirtschafts- und Erwerbszweig ist die Landwirtschaft. Mit Einschluß der Forstwirtschaft und Fischerei umfaßte sie 1895: 48,7 Proz. der Gesamtbevölkerung, während auf die Industrie nur 25,7 Proz. und auf Handel und Verkehr gar nur 9,6 Proz. entfielen. Unter den 97,069 landwirtschaftlichen Betrieben in M.-Schwerin, die 1895 gezählt wurden, überwogen der Zahl nach die Kleinbetriebe, der Fläche nach aber die Großbetriebe; 78,2 Proz. aller Betriebe blieben unter 2 Hektar, 11,6 Proz. waren 2–10 Hektar groß, dagegen nur 1,3 Proz. über 100 Hektar. Auf diese letztern, den Großgrundbesitz, entfielen aber 61,1 Proz. der Gesamtfläche. Im J. 1900 umfaßte die landwirtschaftlich genutzte Fläche in M.-Schwerin 71,0 Proz., in M.-Strelitz 57,4 Proz. der Gesamtfläche, darunter 57,4, bez. 47,4 Proz. Acker- und Gartenland, 8,9, bez. 7,1 Proz. Wiesen und 4,7, bez. 2,9 Proz. Weiden; die Forsten und Holzungen betrugen in M.-Schwerin 18,0 Proz., in M.-Strelitz 21,2 Proz. der Gesamtfläche, die weder land-noch forstwirtschaftlich genutzte Fläche betrug 11,0, bez. 21,4 Proz. (wegen der vielen Gewässer, namentlich in M.-Strelitz). Im Getreidebau nehmen Roggen (in M.-Schwerin 161,895 Hektar, in M.-Strelitz 25,037 Hektar) und Hafer (118,450, bez. 20,392 Hektar) weitaus die erste Stelle ein. Geerntet wurden im J. 1900 auf 1 Hektar:

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Die Gesamtjahresernte an Brotgetreide und Kartoffeln betrug 1900 in M.-Schwerin: 121,769 Ton. Weizen, 293,067 T. Roggen und 775,345 T. Kartoffeln, und in M.-Strelitz: 27,128 T. Weizen, 38,480 T. Roggen und 133,471 T. Kartoffeln. Diese Erntemenge übersteigt den eignen Bedarf des Landes bei weitem. 1904 hatte die Jahresernte an Getreide (Roggen, Weizen, Hafer, Gerste) und Kartoffeln einen Geldwert von 139,028,431 Mk. Andre Produkte des Ackerbaues sind: Zuckerrüben (17,987 Hektar; im J. 1878 erst 1112 Hektar), Raps und Rübsen, Klee. Der Flachsbau, 1878 noch 3038 Hektar, ist auf 243 Hektar zurückgegangen. Obst- und Gartenbau stehen in Blüte. Der Viehstand ist reich. 1900 wurden gezählt:

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Auch an Vieh erzeugt das Land weit über den eignen Bedarf; die Mehrausfuhr betrug 1900: 53,851 Stück Rindvieh, 197,155 Schweine und 102,292 Schafe. Die Schafzucht ist ganz erheblich zurückgegangen; dagegen hat sich die Schweinezucht ungemein vermehrt. Der Pferdezucht dient das Landesgestüt in Redefin. Auf den beiden Wollmärkten zu Güstrow und Rostock wurden 1904: 566,688 kg Wolle für 1,064,543 Mk. verkauft. Ein wichtiger Pferdemarkt ist in Neubrandenburg. Zur Hebung der Landwirtschaft besteht der Mecklenburgische patriotische Verein mit 31 Distrikten und der Verein kleinerer Landwirte mit 10 Kreisvereinen und 68 Lokalvereinen sowie in M.-Strelitz der Landwirtschaftliche Hauptverein. Die Fischerei ist der vielen Gewässer wegen ein sehr bedeutender Erwerbszweig. Wild kommt in den ausgedehnten Waldungen noch in Menge vor, sowohl Reh-als Hoch- und Schwarzwild. Was die Forstkultur anlangt, so bedeckte die Gesamtforstfläche 1900 in M.-Schwerin 236,740 Hektar und in M.-Strelitz 62,225 Hektar. Davon entfielen in M.-Schwerin 45,2 Proz. auf die Kron- und Staatsforsten, 9,6 Proz. auf Gemeindeforsten und 40,2 Proz. auf Privatforsten, in M.-Strelitz 68,1 Proz. auf Kron- und Staatsforsten, 7,9 Proz. auf Gemeindeforsten und 23,7 Proz. auf Privatforsten. 36,6 Proz. waren Laubwald, 63,4 Proz. dagegen Nadelwald. Bergbau wird in M. nur in sehr geringem Umfang betrieben. Die Gewinnung von Braunkohlen in Malliß dient nur noch dem eignen Bedarf der dortigen Ziegelei; ein Kalisalzbergwerk in Jessenitz liefert bereits gute Erträge; ein zweites in Lübtheen ist noch im Ausbau begriffen. Sonst wird nur noch Torf, Kalk und Ziegelerde für die vielen Ziegeleien gewonnen, außerdem jährlich ca. 1250 Ton. Kochsalz zum Wert von ca. 30,000 Mk. in der Saline zu Sülze.

[Industrie und Handel.] Die gewerbliche Tätigkeit ist von geringer Bedeutung und zeigt nur eine langsame Entwickelung. Industrie und Handwerk beschäftigten in M.-Schwerin 1895 nur 63,917 Erwerbstätige (davon 23,091 Selbständige und 40,826 Unselbständige), die mit ihren Angehörigen und Dienenden eine Gesamtberufsbevölkerung von 156,107 Personen ausmachten. Hiervon gehörten 3/4 dem Handwerk und nur 1/4 der Industrie im engern Sinn an. In M.-Strelitz beschäftigt die gewerbliche Tätigkeit 11,338 Personen, darunter 4368 Selbständige. Am bedeutendsten sind: die Holzbearbeitungsindustrie (wegen der beträchtlichen eignen Holzgewinnung und der leichten Holzeinfuhr vom Norden), Ziegeleien, Kalkbrennereien, landwirtschaftliche Nebengewerbe, wie Zuckerfabriken, Brennereien, Molkereien, ferner Mühlenindustrie, Fabriken landwirtschaftlicher Maschinen, Brauereien, Lohgerbereien, Papierfabriken, Schiffbau (Rostock) etc. Die Interessen des Handwerks finden ihre Förderung durch die Mecklenburgische Handwerkskammer in Schwerin; der Industrie dient auch neben dem Handel die Mecklenburgische Handelskammer in Rostock. Der früher sehr lebhafte Handel hat seit dem Rückgang der Segelschiffahrt viel von seiner Bedeutung verloren; er beschäftigte 1895 in M.-Schwerin nur 11,486 Erwerbstätige, darunter 6191 Selbständige; seine wichtigsten Plätze, zugleich die einzigen für den überseeischen Verkehr, sind Rostock mit Warnemünde und Wismar. Hauptgegenstände für die Einfuhr zur See sind: Steinkohlen, Bau- und Nutzholz (Wismar), Bau- und Pflastersteine, Heringe (Rostock), der Ausfuhr zur See: Zucker und Getreide. Sehr rege ist der Handel in Getreide und Mühlenfabrikaten, Vieh, Kartoffeln, Spiritus, Holz; hierin findet beträchtliche Ausfuhr statt.

An Verkehrswegen besitzt M.-Schwerin 2021 km Chausseen (mit Einschluß von 29 Nebenchausseen = 160 km), davon 13,7 km in M.-Strelitz; M.-Strelitz hat ohne diese letztern 276 km (darunter 52,6 km Nebenchausseen). Die Eisenbahnen M.-Schwerins betragen 1175 km innerhalb der Landesgrenzen, davon 163 km unter preußischer Verwaltung, und 92,5 km außerhalb der Landesgrenzen (84 km in M.-Strelitz). Die Eisenbahnen in M.-Strelitz umfassen 291 km, davon 73 km unter preußischer Verwaltung. M.-Schwerin ist durch eine Dampffähre Warnemünde-Gjedser für den durchgehenden Eisenbahnverkehr mit Dänemark (Kopenhagen) verbunden. Die Kanäle haben für den Verkehr nur beschränkte Bedeutung; nicht unwichtig ist die Elbe mit ihren beiden Umschlagsplätzen Dömitz und Boizenburg (Kohlen, Getreide, Mühlenfabrikate). Die mecklenburgische Reederei ist von keiner großen Bedeutung mehr; Wismar hatte 1. Jan. 1905: 4 Segelschiffe von 182,4 Reg.-Ton. Bruttoraumgehalt und 16 Dampfer von 15,082 Reg.-Ton.; in Rostock waren beheimatet 9 Segelschiffe von 4347 Reg.-Ton. und 22 Dampfer von 16,880 Reg.-Ton. 1903 sind in mecklenburgischen Häfen 3208 Schiffe, darunter 2022 Dampfschiffe von zusammen 538,638 Reg.-Ton., angekommen und 3238 Schiffe, darunter 2038 Dampfer von 538,955 Reg.-Ton., abgegangen. Davon fuhren 1243, bez. 1253 unter deutscher Flagge; von Ausländern verkehren hauptsächlich dänische und schwedische Schiffe in mecklenburgischen Häfen. Als Förderungsmittel für Handel und Verkehr kommen in Betracht: die Mecklenburgische Hypotheken- und Wechselbank und die Mecklenburgische Sparbank in Schwerin, die Rostocker Bank in Rostock und die Wismarsche Vereinsbank in Wismar. Bei den 39 Ersparniskassen in M.-Schwerin waren 1. Jan. 1904: 58,462,000 Mk. Einlagen auf 133,483 Sparkassenbücher vorhanden. In M.-Strelitz bestehen die M.-Strelitzsche Hypothekenbank in Neustrelitz und 7 Sparkassen.

[Verfassung und Verwaltung.] Beide Großherzogtümer haben einen gemeinschaftlichen Landtag. Das Grundgesetz ist der landesgrundgesetzliche Erbvergleich vom 18. April 1755, vereinbart zwischen dem Herzog von M.-Schwerin und seinen Ständen, dem M.-Strelitz durch die Agnitionsakte vom 30. Sept. d. J. beitrat. In M.-Schwerin ist gegenwärtig Regent Großherzog Friedrich Franz IV. (seit 10. April 1897), in M.-Strelitz Großherzog Adolf Friedrich (seit 30. Mai 1904). In beiden Ländern ist der Thron nach dem Rechte der Erstgeburt und nach der Linealerbfolge im Mannesstamm erblich. Beide großherzogliche Häuser sind durch Hausverträge von 1701 und 1755 verbunden, und es sukzediert im Fall des Aussterbens der einen Linie die andre. Beim Erlöschen beider Häuser geht die Thronfolge auf Preußen über. Nach dem Hausgesetz vom 23. Juni 1821 tritt die Volljährigkeit des Großherzogs in beiden Ländern mit vollendetem 19. Lebensjahr ein. Beide Großherzoge bekennen sich zur evangelisch-lutherischen Kirche. Obwohl alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich und allen die Staatsämter auf gleiche Weise zugänglich sind, so haben doch die Rittergutsbesitzer, adlige und bürgerliche, große Real- und Personalvorrechte. Sie besitzen das Landstandsrecht, die Jagdgerechtigkeit und oft auch das Patronatsrecht. Leibeigenschaft und Gutsuntertänigkeit sind 1820 aufgehoben worden. Während im Domanium der Großherzog alleiniger Gesetzgeber ist, ist für die Gebiete der Ritterschaft und der Städte Gesetzgebung und Verwaltung auf die Mitwirkung der Landstände, d. h. der Grundherren dieser Gebiete, angewiesen. Die Landstände beider Großherzogtümer bilden seit 1528 eine gemeinschaftliche Körperschaft, die »Landesunion«, und bestehen aus der Ritterschaft, zu der alle landtagsfähigen Besitzer ritterschaftlicher Hauptgüter in dem Mecklenburgischen, Wendischen und Stargardschen Kreis gehören, und der Landschaft, welche die Obrigkeiten der 49 landtagsfähigen Städte umfaßt. Die Mitgliedschaft des Landtags steht also lediglich den Obrigkeiten zu; in den Rittergütern sind die Besitzer Träger der obrigkeitlichen Funktionen. Von der Ritterschaft werden zugleich die Bauern und Hintersassen, von der Landschaft die Bürger der Städte repräsentiert. Die Einwohner des Domaniums, fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung, sind auf dem Landtage nicht vertreten. Beide Stände, Ritter und Landschaft, gliedern sich nach den Kreisen, dem Mecklenburgischen (Herzogtum Schwerin), Wendischen (Herzogtum Güstrow) und Stargardschen (Herzogtum Strelitz). Außerhalb der ständischen Verfassung stehen das Fürstentum Ratzeburg und die Stadt Neustrelitz, die daher nicht auf dem Landtage vertreten sind. Die Zahl der Gutsherren, die Mitglieder der Ritterschaft sind, wechselt mit dem Besitz der landtagsfähigen Güter. Zur Landschaft gehören die Stadt Rostock, 20 Städte im Mecklenburgischen, 20 im Wendischen und 7 im Stargardschen Kreis und die seit 1. Juli 1897 in den ständischen Verband aufgenommene Stadt Wismar (seit 19. Aug. 1903 endgültig von Schweden an Mecklenburg abgetreten). Die Ausübung des landständschaftlichen Rechts geschieht hier durch die Magistrate und zwar durch die lebenslänglich angestellten Bürgermeister. Jeder Gutsbesitzer hat dasselbe Stimmrecht wie jede einzelne Stadt, doch wird eine Überstimmung der Landschaft dadurch vermieden, daß Ritterschaft und Landschaft sich zu besonderer Beschlußfassung trennen können (itio in partes). Das Direktorium der Ritter- und Landschaft auf Landtagen und Landeskonventen besteht aus 8 von der Landesherrschaft erwählten Landräten aus dem eingebornen oder rezipierten Adel, je 4 aus dem Herzogtum Schwerin und dem Herzogtum Güstrow, aus 3 Erblandmarschällen, ebenfalls dem Adel angehörig, entsprechend den drei Kreisen, und aus dem Deputierten der Stadt Rostock. Die Geschäfte der Ritterschaft in jedem Kreise führen die Erblandmarschälle, die Geschäfte der Landschaft die Bürgermeister der drei Vorderstädte in den drei Kreisen Parchim, Güstrow und Neubrandenburg; sie besorgen auch die Zusammensetzung der Kommissionen zur Beratung der Vorlagen. Der Landtag tritt alljährlich im November bis Dezember abwechselnd in Sternberg und Malchin auf Berufung durch die beiden Landesherren zusammen. Den Vorsitz führt der älteste, dirigierende Landrat; ihm steht zur Seite ein gewählter Protokolldirigent. Eine Geschäftsordnung für die Verhandlungen besteht nicht, auch wird eine Rednerliste nicht geführt. Die Sitzungspolizei üben die Erblandmarschälle. Als Vertreter der beiden Landesherren und ihrer Regierungen werden drei landesherrliche Landtagskommissarien entsandt, die aber nicht an den Verhandlungen des Landtags teilnehmen dürfen. Sie übergeben die landesherrlichen Vorlagen den Erblandmarschällen und besprechen mit diesen deren geschäftliche Behandlung. Neben dem Landtage besteht der engere Ausschuß von Ritter- und Landschaft in Rostock als ein permanentes, die gesamte Ritter- und Landschaft vorstellendes Kollegium aus 2 Landräten, 3 ritterschaftlichen und 4 landschaftlichen Deputierten, zur Vorbereitung der Landtagsvorlagen und zur Ausführung der Landtagsbeschlüsse sowie zur Erledigung eiliger Angelegenheiten vor Zusammentritt des Landtags. Zur Erledigung privativ ritterschaftlicher Angelegenheiten besteht dann noch ein engerer Ausschuß der Ritterschaft zu Rostock. Von den Landtagen verschieden sind die sogen. Konvokations- und Deputationstage: jene sind ad hoc berufene Versammlungen der Stände eines oder des andern der beiden Staaten zur Verhandlung wichtiger und eiliger Sonderangelegenheiten; diese werden aus von den Ständen zu Landeskonventen und gemeinsamen Angelegenheiten Deputierten gebildet, die nach Bedürfnis zu nicht von der Landesherrschaft ausgeschriebenen Zusammenkünften, und zwar zu allgemeinen Landeskonventen und zu besondern Kreis- und Amtskonventen, zusammen treten. silas die Gemeindeverfassung betrifft, so gibt es außer in den Städten nur noch in dem landesherrlichen Domanium Gemeinden, von denen letztere nur für innere Gemeindeangelegenheiten bestimmt sind; sonst bestehen ländliche Gemeinden bloß in kirchlicher Beziehung. In den Städten ist die Gemeindeverfassung sehr verschieden, namentlich genießen Rostock und Wismar als Seestädte bedeutende Vorrechte. In den Landstädten stehen 1–2 Bürgermeister und das Ratskollegium (Magistrat) an der Spitze der Verwaltung, in den Domanialgemeinden Schulzen, Schöffen und Beiräte. Zur Vertretung der Bürgerschaft wird ein Bürgerausschuß durch Wahl aus der Mitte der Bürger gebildet. Die obersten Behörden der evangelisch-lutherischen Staatskirche sind der Oberkirchenrat für M.-Schwerin und das Konsistorium für M.-Strelitz.

Die oberste Leitung der verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung haben im Großherzogtum M.-Schwerin vier Ministerien (für die auswärtigen Angelegenheiten, für das Innere [gegenwärtig beide in einer Hand vereinigt], für die Justiz, das zugleich die geistlichen, Schul- und Medizinalangelegenheiten umfaßt, und für die Finanzen, wozu auch die Verwaltung der Domänen und Forsten gehört), deren Vorstände das Staatsministerium bilden. Die großherzogliche Militärverwaltung gehört in das Ressort des Militärdepartements, das unmittelbar unter dem Großherzog steht. Im Großherzogtum M.-Strelitz ist das Staatsministerium zu Neustrelitz die höchste Behörde, repräsentiert durch einen Staatsminister. Eine durchgreifende und einheitliche Einteilung in kleinere Verwaltungsbezirke fehlt; das Domanium ist in 23 Ämter geteilt; im übrigen bilden die einzelnen Rittergüter und Städte für sich ebenso viele einzelne Verwaltungsbezirke.

Rechtspflege. M. – Schwerin besitzt ein Oberlandesgericht in Rostock, 3 Landgerichte in Güstrow, Rostock und Schwerin, 43 Amtsgerichte (s. die Textbeilage »Gerichtsorganisation im Deutschen Reich«, Bd. 7), eine Landesstrafanstalt in Dreibergen, ein Zentralgefängnis in Bützow; M.-Strelitz besitzt ein Landgericht in Neustrelitz und 10 Amtsgerichte, ein Landarbeits- und Zuchthaus in Strelitz. Das Oberlandesgericht in Rostock ist beiden Großherzogtümern gemeinsam, ebenso die Schwurgerichtssitzungen in Güstrow.

Die Finanzverwaltung ist in M. keine einheitliche, es wird kein einheitliches Staatsbudget aufgestellt; vielmehr bestehen nebeneinander drei von einander unabhängige Finanzverwaltungen mit einnen Etats: eine rein landesherrliche, eine gemeinsame landesherrlich-ständische und eine rein ständische Finanzverwaltung. 1) Das Rechnungs- und Kassenwesen der landesherrlichen Finanzverwaltung ist in der großherzoglichen Rente rei zusammengefaßt. Die Einnahmen der Renterei bestehen in den Erträgnissen der Domänen und Forsten, der ordentlichen, als Beitrag zu den Kosten des Landesregiments bewilligten Kontribution, den Zinsen vom Kapitalvermögen, Gebühren, Strafgeldern, Rekognitionen etc., Zuschüssen der Landessteuerkasse (s. unten: 2) und verschiedenen Regalien, darunter in Zukunft die Abfindungssumme aus der preußisch-mecklenburgischen Lotteriegemeinschaft. Die Ausgaben der Renterei bestehen in Ausgaben für das großherzogliche Haus an Apanagen, Wittümern etc. (der eigentliche Aufwand für den großherzoglichen Haushalt wird aus den Einkünften der einer besondern Verwaltung unterstellten Haushaltsgüter bestritten), in den Gesamtkosten des Landesregiments, dem Aufwand für Verzinsung und Tilgung der landesherrlichen Schulden und den Matrikularbeiträgen. Über diese Ausgaben steht dem Landesherrn die alleinige Bestimmung, unabhängig von einer Mitwirkung der Stande, zu. Der Hauptabschluß der Renterei für 1903/04 umfaßte im ordentlichen Etat 8,133,450 Mk. in Einnahme und 8,407,070 Mk. in Ausgabe und im außerordentlichen Etat 123,500 Mk. in Einnahme und 402,080 Mk. in Ausgabe. Unter den Einnahmen ergab die Domänen- und Forstverwaltung einen Nettoertrag von 4,420,190 Mk. Die ordentliche Kontribution, die vom Landtag als regelmäßiger jährlicher Beitrag des Landes zu den Kosten des Landesregiments bewilligt und auf dem Land als Hufensteuer, in den Städten als Haus- und Ländereisteuer erhoben wird, beträgt 361,190 Mk.; an Zinsen vom Kapitalvermögen wurden 2,212,790 Mk. ein genommen. Der Matrikularbeitrag belief sich 1903/04 auf 6,112,259 Mk., der Anteil an den Reichsüberschüssen (die Überweisung) auf 5,845,180 Mk., so daß ein ungedeckter Matrikularbeitrag von 267,079 Mk. als Ausgabe der Renterei blieb. Die landesherrlichen Schulden betrugen 1904: 24,998,500 Mk. Für Verzinsung und Tilgung dieser Schulden werden jährlich ca. 1,354,700 Mk. verwandt. Diesen landesherrlichen Schulden standen außer dem Besitz an Domänen und Forsten 1904 an Aktiven gegenüber: der Kapitalwert einer bis 1936 von der Eisenbahnverwaltung zu zahlenden Eisenbahnannuität von 15,879,584 Mk.; der Domanialkapitalfonds von 74,967,810 Mk.; der Elbzollablösungsfonds von 3 Mill. Mk. und der Sicherheits- und Betriebsfonds der Renterei von 6,788,616 Mk.

2) Die landesherrlich-ständische Finanzverwaltung umfaßt den Etat der Landessteuerkasse, in welche die Erträge der Landessteuern, d. h. der ediktmäßigen außerordentlichen Kontribution, ferner der Wanderscheinsteuer, Papierstempelsteuer und Erbschafts- und Fideikommißsteuer neben bestimmten landesherrlichen Beiträgen und einzelnen kleinern Einnahmen fließen. Der Etat der Landessteuerkasse für 1903/04 schließt mit 4,757,688 Mk. in Einnahme und 4,146,092 Mk. in Ausgabe ab. Die ediktmäßige Kontribution (direkte Steuern, bestehend aus landwirtschaftlicher Steuer, Mietssteuer, Gewerbesteuer, Besoldungssteuer, Erwerbssteuer, Lohnsteuer, Zinsensteuer, Hundesteuer) ergab 2,782,307 Mk.; die Wandergewerbesteuer 82,075 Mk., die Papierstempelsteuer 255,999 Mk., die Erbschafts- und Fideikommißsteuer 149,219 Mk. Unter den Ausgaben waren 1903/04 für die landesherrlich-ständische Finanz- und Schuldenverwaltung 1,436,721 Mk., darunter 720,241 Mk. für Verzinsung und Abtragung von Landesschulden, und 2,709,372 Mk. für die sonstige Verwaltung vorgesehen (darunter 306,377 Mk. für die Polizeiverwaltung, 97,334 Mk. für Handel und Gewerbe, 88,753 für Landwirtschaft, 1,093,863 Mk. für Verkehrswege, 821,536 Mk. für die Justizverwaltung, 115,026 Mk. für die Medizinalverwaltung, 106,150 Mk. für geistliche und Unterrichtsangelegenheiten). Die Landesschulden betrugen 1904: 13,497,000 Mk., darunter 2,796,000 Mk. Chausseebauschulden und 5,582,000 Mk. Eisenbahnbauschulden. Die Eisenbahnverwaltung hat ihre eigne Finanzverwaltung, deren Etat dem Landtag jährlich zur Bewilligung vorgelegt werden muß. Ihr Etat schloß 1903/04 mit 14,612,840 Mk. in Einnahme und Ausgabe ab; darunter 12,727,700 Mk. Verkehrseinnahmen; 9,791,757 Mk. Betriebsausgaben und 3,599,700 Mk. Aufwand für Verzinsung und Tilgung der 92,967,158 Mk. bet ragenden Eisenbahnschulden. Das in den Staatsbahnen steckende Anlagekapital betrug 1903/04: 127,315,600 Mk.; dazu kommt ein Eisenbahnsicherheitsfonds von 5,350,345 Mk. und ein Betriebsfonds von 1,040,000 k Mk.

3) Endlich kommt noch eine rein ständische Finanzverwaltung hinzu, deren öffentlich nicht bekannte Einnahmen und Ausgaben nur gering sind.

Das großherzoglich mecklenburgische Kontingent, das beide Großherzogtümer zusammen auf Grund der im Dezember 1872 mit Preußen abgeschlossenen Militärkonvention zum deutschen Reichsheer stellen, umfaßt die 34. Infanteriebrigade: das Grenadierregiment Nr. 89 (davon das 2. Bataillon in Neustrelitz), das Füsilierregiment Nr. 90, ferner das Jägerbataillon Nr. 14 (in Kolmar im Elsaß), die 17. Kavalleriebrigade: die beiden Dragonerregimenter Nr. 17 und 18, dann das Feldartillerieregiment Nr. 60 und die 3. (mecklenburgische) Batterie des holsteinischen Feldartillerieregiments Nr. 24 (in Neustrelitz). Diese Truppenteile gehören dem 9. Armeekorps an mit Ausnahme des zum 14. Armeekorps gehörenden Jägerbataillons. Über die 6 Reichstagswahlkreise von M.-Schwerin und den einen von M.-Strelitz s. die Karte »Reichstagswahlen«.

[Wappen, Orden.] Das mecklenburgische Wappen enthält sechs Felder und einen Mittelschild; die erstern zeigen die Wappen von M. (schwarzer, gekrönter Stierkopf mit silbernen Hörnern und abgerissenem Halsfell im goldenen Felde, s. Tafel »Wappen I«, Fig. 3), Rostock, Fürstentum Schwerin, Ratzeburg. Stargard, Wenden; der Mittelschild, von Rot über Gold quer geteilt, zeigt das Wappen der Grafschaft Schwerin. Das Wappen wird von einem schwarzen Stier und einem goldenen Greif gehalten und von der Königskrone bedeckt. Die Landesfarben sind Blau, Gelb, Rot. Als Ritterorden ward 1864 der großherzogliche Hausorden der Wendischen Krone von beiden Großherzogen und 1884 vom Großherzog von M.-Schwerin der Greifenorden gestiftet (1904 auch von M.-Strelitz übernommen), von denen jeder Großkreuze (mit der Krone in Erz oder in Gold), Großkomture, Komture und Ritter umfaßt (s. Tafel »Orden I«, Fig. 6). Als Ehrenzeichen werden verliehen in M.-Schwerin eine Medaille in Gold und Silber, eine Verdienstmedaille in Gold, Silber und Bronze (gestiftet 28. Febr. 1859, s. Tafel »Verdienstmedaillen I«, Fig. 5), eine silberne Rettungsmedaille, eine Ehrenmedaille für Hilfe in Wassersnot, eine Gedächtnismedaille für Großherzog Friedrich Franz III., ein goldenes Militärdienstkreuz für Offiziere nach 25jähriger Dienstzeit, ein Dienstkreuz für Soldaten nach 10–25jähriger Dieu stzeit, ein Militärverdienstkreuz für Auszeichnung im Krieg (1848 gestiftet), eine Landwehrdienstauszeichnung (1874 gestiftet); in M.-Strelitz dieselben Militärdienstkreuze. Die Residenzen des Großherzogs von M.-Schwerin sind Schwerin und Ludwigslust, neben denen es noch sechs fürstliche Schlosser gibt; der Großherzog von M.-Strelitz residiert in Neustrelitz und besitzt außerdem noch fünf Schlosser.

[Geographisch-statistische Literatur.] Raabe, Mecklenburgische Vaterlandskunde (2. Aufl., Wismar 1392–95, 5 Bde.); Boll, Abriß der mecklenburgischen Landeskunde (das. 1862); Geinitz, Übersicht über die Geologie Mecklenburgs (Güstrow 1884), Die Seen, Moore und Flußläufe Mecklenburgs (das. 1886), Der Boden Mecklenburgs (Stuttg. 1885), Geologischer Führer durch M. (Berl. 1899) und Grundzüge der Oberflächengestaltung Mecklenburgs (Güstrow 1899); Krause, Mecklenburgische Flora (Rostock 1893); Böhlau, Fiskus, landesherrliches und Landesvermögen im Großherzogtum M.-Schwerin (das. 1877); Balck, Finanzverhältnisse in M.-Schwerin (Schwerin 1877–78, 2 Bde.) und Landschulwesen in M.-Schwerin (Wismar 1880); Büsing, Staats recht der Großherzogtümer M. (in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts«, Bd. 3, Stuttg. 1884); Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus M. (Wien 1879–80, 2 Bde.); H. Witte, Wendische Bevölkerungsreste in M. (in den »Forschungen zur deutschen Landes- u. Volkskunde«, Stuttg. 1905); Schlie, Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums M.-Schwerin (Schwerin 1896–1901, 4 Bde.); die amtlichen »Staatskalender« und die Veröffentlichungen des großherzoglichen Statistischen Amtes zu SchwerinBeiträge zur Statistik Mecklenburgs«) und »Statistisches Handbuch für das Großherzogtum M.-Schwerin« (1. Jahrg., Schwerin 1899); Baade, Topographische Spezialkarte der Großherzogtümer M., 1:200,000 (4 Blatt, Rostock 1905).

Geschichte.

Zur Zeit des Tacitus wohnten im heutigen M. Germanen, von denen eine Völkerschaft die Warner, an die vielleicht die Warnow noch erinnert, hieß. Als die Germanen M. verlassen hatten, besetzten es im 6. Jahrh. slawische Völker: den Westen die Obotriten (ihr Hauptort war Michilenburg, dessen Wallreste beim Dorfe Mecklenburg südlich von Wismar zu sehen sind), den Osten Leutitier (auch Wilzen genannt), den Süden Redarier. Karl d. Gr., von dem Obotritenfürsten Witzin gegen die Wilzen zu Hilfe gerufen, zwang diese 789 zur Unterwerfung, doch fielen die letztern sowohl als die Obotriten im 9. Jahrh. wieder vom fränkischen Reich ab und wurden nicht christlich. Erst Heinrich I., der 928–931 die Slawen Mecklenburgs von neuem unterwarf, verschaffte dem Christentum Eingang, und Otto I. befestigte es durch die Stiftung der Bistümer Havelberg (946) und Oldenburg (948), denen M. zugeteilt ward. 983 bewog der Obotrite Mistiwoi die Slawen zur Empörung und zum Abfall vom Christentum; der Obotritenfürst Gottschalk führte dieses 1043 wieder ein, wurde aber 1066 ermordet, worauf sich sein Volk den alten Göttern wieder zuwandte. Sein Sohn Heinrich erkannte um 1093 die Lehnshoheit der sächsischen Herzoge an, zwang aber, obwohl selbst Christ, der Bevölkerung den christlichen Glauben nicht auf. Kaiser Lothar verlieh 1125 das Land an den Herzog Knut Laward von Schleswig, nach dessen Ermordung 1131 sich Pribislaw Wagrien, Niklot das Obotritenland aneignete. Erst nach langwierigen Kriegen gelang es 1160 dem Herzog Heinrich dem Löwen, M. vollständig zu unterwerfen und durch Aufnahme deutscher Kolonisten und durch Errichtung eines Bistums in Schwerin der deutschen Herrschaft zu sichern. Doch gab er 1167 das Obotritenland dem Sohne des im Kampf erschlagenen Fürsten Niklot, Pribislaw, zurück und vermählte dessen Sohn Heinrich Borwin mit seiner Dochter Mechthilde; 1170 erhielt Pribislaw von Kaiser Friedrich I. die Reichsfürstenwürde. Schwerin mit seiner Umgebung wurde als Grafschaft dem tapfern Ritter Gunzelin von Hagen verliehen. Sehr bald verfiel M. dem dänischen Einfluß, und Friedrich II. trat es 1214 an König Waldemar II. ab, dessen Oberherrschaft 1227 durch die Schlacht bei Bornhövede wieder gestürzt wurde.

Die erste Teilung Mecklenburgs, das damals nur ein Drittel des jetzigen Gebietes umfaßte, fand 1229 unter Heinrich Borwins vier Enkeln statt; damals entstanden die vier Linien M., Werle (Güstrow), Rostock und Parchim. Die letzte, von Pribislaw II. gestiftet, erlosch um 1315; die vorletzte, gegründet von Heinrich Borwin III., 1314; die Linie Werle zerfiel 1282 in die Linien Werle-Güstrow und Werle-Parchim. Beide wurden 1291 von Nikolaus II. von Parchim wieder vereinigt; 1316 teilten sie sich von neuem in Güstrow und Goldberg (Parchim), von der erstern sonderte sich 1347 die Linie Waren ab. Der Zweig in Goldberg erlosch 1374, der in Waren 1425 und der in Güstrow 1436. So blieb dann als einzige Linie die von Mecklenburg übrig, die Johann (gest. 1264) stiftete. Dessen Sohn Heinrich I. der Pilger unternahm 1271 eine Fahrt nach dem Gelobten Lande, geriet in die Gefangenschaft der Sarazenen und schmachtete darin 26 Jahre. Inzwischen regierte in M. sein Sohn Heinrich II. der Löwe, der beim Tode des Vaters 1302 folgte. Er erwarb durch den Vietmannsdorfer Vertrag 1304 das Land Stargard als brandenburgisches Lehen und 1314 im Einverständnis mit Dänemark die Stadt Rostock, konnte sich aber im Besitz der Priegnitz und Ukermark, die ihn nach dem Erlöschen der Askanier in der Mark 1319 als Herrn anerkannten, nicht behaupten. Dagegen erhielt er 1323 das Land Rostock als erbliches Lehen von Dänemark. Kaiser Karl IV. verlieh Albrecht II. von M. (1329–79) die Herrschaft Stargard 1347 als Reichslehen und erhob 1348 M. zum Herzogtum. Albrechts jüngerer Bruder, Johann, begründete 1352 die Nebenlinie Stargard, deren Gebiet nach ihrem Erlöschen 1471 wieder an M. fiel. Albrecht II. erwarb 1358 die Grafschaft Schwerin. Nach dem Tode seines ältesten Sohnes, Heinrich III. (1384), und dessen Sohnes Albrecht IV. (1388) folgte der 2. Sohn Albrecht III., der seit 1363 König von Schweden war, aber bis 1395 von der Königin Margarete von Dänemark in Gefangenschaft gehalten wurde. Nach seiner Befreiung regierte er bis 1412 und dann sein Sohn Albrecht V. gemeinschaftlich mit Johann IV., dem Sohne von Albrechts III. jüngstem Bruder Magnus. Johann IV. (gest. 1422) und Albrecht V. (gest. 1423) stifteten 1418 die Universität Rostock. Von Johanns IV. Söhnen starb Johann V. 1442, so daß Heinrich IV. über ganz M. herrschte, das 1436 durch den Rückfall Werles und 1471 durch den Stargards vergrößert wurde. Im Vertrag von Wittstock 12. April 1442 verpflichtete sich Heinrich IV. mit seinem Bruder und Vetter, seine Lande die Erbhuldigung an Brandenburg leisten zu lassen für den Fall ihres erblosen Absterbens. Abgesehen von einer vorübergehenden Abtrennung des Fürstentums Wenden (der frühern Werleschen Besitzungen 1480–83), regierten die Söhne Heinrichs IV., Magnus II. und Balthasar (1480–1507), und dann des erstern Söhne Heinrich V. und Albrecht VII. gemeinschaftlich. Die Einheit der mecklenburgischen Lande wurde noch durch die Union befestigt, welche die Prälaten, Ritter und Städte 1523 schlossen. Beide Herzoge traten 1526 dem Torgauer Bunde bei und führten die Reformation in M. ein. Wenn auch Albrecht VII. 1530 zur katholischen Kirche zurücktrat, so behauptete sich doch die lutherische Lehre mit Erfolg im Land und wurde 1549 von den Ständen als Landesreligion anerkannt. Albrecht VII. hinterließ 1547 fünf Söhne, von denen nach Heinrichs V. Tode (1552) Johann Albrecht I. die Regierung über ganz M. antrat. Als aber sein Bruder Ulrich Anspruch auf Mitregentschaft machte, kam 1555 mit Bewilligung der Stände wieder eine Teilung zustande, in der Johann Albrecht den Westen mit Schwerin, Ulrich den Osten mit Güstrow erhielt. Beide Fürsten gaben dem Land eine neue Kirchen- und Schulverfassung; auch wurden die Klöster (mit Ausnahme der obenerwähnten Landesklöster) und geistlichen Stiftungen eingezogen und größtenteils zu den Domänen geschlagen. Johann Albrecht setzte für M.-Schwerin die Erbfolge nach der Erstgeburt fest. Nach seinem Tode (1576) regierte Johann VII. zuerst unter Vormundschaft seines Oheims Ulrich, seit 1585 selbständig, endete jedoch schon 1592 durch Selbstmord, worauf ihm sein Sohn Adolf Friedrich I. unter Vormundschaft zunächst des Herzogs Ulrich, dann des Herzogs Karl von M.-Schwerin folgte. Als letzterer 1610 starb, fiel sein Land an Johann Albrecht II., und 1621 teilten die Brüder endgültig so, daß Adolf Friedrich I. M.-Schwerin, Johann Albrecht II. M.-Güstrow erhielt; doch blieben die Landtage gemeinschaftlich und wurden abwechselnd in Sternberg und Malchin gehalten. Die Stadt Rostock, die Universität, das Konsistorium und Hofgericht waren von der Teilung ausgenommen.

Obwohl beide Herzoge sich gleich nach der Schlacht bei Lutter 1626 vom Dänenkönig Christian IV. losgesagt hatten, verpfändete der Kaiser Ferdinand II. 19. Dez. 1627 n. St. M. an Wallenstein, der, nachdem er die Stände zur Huldigung 29. März a. St. gezwungen hatte, die Herzoge vertrieb und 16. Juni 1629 n. St. förmlich mit M. belehnt wurde. Die sich beschwerenden Herzoge verwies der Kaiser auf den Rechtsweg. Gustav Adolf setzte sie 1631 wieder ein, und im Frieden von Prag (1635) erkannte sie auch der Kaiser an. Im Westfälischen Frieden 1648 mußten sie die Stadt Wismar nebst den Ämtern Poel und Neukloster an Schweden abtreten; dafür wurde die Schwerinsche Linie durch die Bistümer Schwerin und Ratzeburg und die Johanniterkomturei Mirow, die Güstrowsche durch die Komturei Nemerow entschädigt. Die Wunden des Krieges bedurften längere Zeit zur Heilung; namentlich der Bauernstand hatte sehr gelitten und zum größten Teil seine Freiheit verloren. Die Güstrowsche Linie erlosch 1695 mit Johann Albrechts II. (gest. 1636) Sohn Gustav Adolf. In der Linie M.-Schwerin regierte Adolf Friedrich I., ein eigensinniger Herr, der mit den Ständen und allen Mitgliedern seiner Familie fortwährend in Zwist lag, bis 1658. Sein Sohn und Nachfolger Christian Ludwig lebte meist in Paris, wo er 1663 katholisch wurde, während sein Land wegen des Herzogs Anhänglichkeit an Ludwig XIV. im Kriege gegen Schweden 1675–79 von Brandenburgern und Dänen feindlich überzogen wurde. Als er 1692 starb, folgte ihm sein Neffe Friedrich Wilhelm. Hiergegen erhob der einzige noch lebende Bruder Christian Ludwigs, Adolf Friedrich II. von Strelitz, entschiedenen Einspruch, und noch heftiger entbrannte der Streit zwischen beiden nach dem Erlöschen der Linie Güstrow 1695. Nach langen Verhandlungen kam 8. März 1701 der Hamburger Teilungsvertrag zustande, in dem Adolf Friedrich II. das Fürstentum Ratzeburg, die Herrschaft Stargard, die Kumtureien Mirow und Nemerow und jährlich 9000 Taler aus dem Boizenburger Elbzoll nebst Sitz und Stimme auf den Reichs- und Kreistagen, Friedrich Wilhelm aber das übrige weit größere Gebiet erhielt. Das Recht der Erstgeburtserbfolge nach Linien ward für immer festgesetzt. Da Friedrich Wilhelm seinen Wohnsitz in Schwerin, Adolf Friedrich den seinigen in Strelitz nahm, so nannten sich fortan die beiden Linien M.-Schwerin und M.-Strelitz.

Friedrich Wilhelm zu M.-Schwerin geriet mit der Ritter- und Landschaft über die Regelung der Steuern in Streit und rief gegen die widerspenstigen Ritter selbst preußisches Militär herbei, doch ohne Erfolg. Sein Bruder und Nachfolger (seit 1713), Karl Leopold, nahm für Rußland, dem er durch seine Heirat 1716 noch näher trat, und Dänemark gegen Schweden am Nordischen Kriege teil und stürzte sein Land dadurch in bedeutende Schulden. Darüber kam es 1715 zu neuen Konflikten mit den Ständen, in denen die Russen dem Herzog beistanden. Als nach deren Abzug 1717 der Streit wieder ausbrach, ließ Kaiser Karl VI. 1719 durch hannoversche und braunschweigische Truppen die Reichsexekution vollstrecken, und da Karl Leopold sich den Verordnungen der zu Rostock eingesetzten kaiserlichen Kommission hartnäckig widersetzte, übertrug der Kaiser 1728 seinem Bruder Christian Ludwig als kaiserlichem Kommissarius die Regierung. Ein Aufstand der Bürger und Bauern (1733), die Einmischung Preußens zugunsten Karl Leopolds blieben erfolglos. Als nach seinem Tode (1747) Christian Ludwig die Regierung definitiv übernahm, machte er den bisherigen Wirren durch den Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich (18. April 1755) ein Ende; er bildet die Grundlage des heutigen mecklenburgischen Verfassungszustandes; in demselben wurde unter anderm auch die Art der Steuererhebung genau bestimmt und festgesetzt, daß die Rittergüter für die ordentliche Landeskontribution mit der Hälfte ihres Areals steuerpflichtig sein und zu den Reichs-, Kreis- und Prinzessinnensteuern den dritten Teil beitragen sollten. Christian Ludwigs Sohn Friedrich der Fromme (1756–85) veranlaßte durch seine feindselige Haltung gegen Preußen im Siebenjährigen Krieg Einfälle der preußischen Truppen, traf zahlreiche zeitgemäße Reformen, ordnete das Finanzwesen und erhielt im Teschener Frieden 1779 das Privilegium de non appellando. Da er keinen Leibeserben hinterließ, folgte ihm sein Neffe Friedrich Franz I. (1785–1837), der 1803 Wismar als Pfand von Schweden zurückgewann. Er mußte 1808 dem Rheinbund beitreten, beteiligte sich 1813–15 an den Kriegen gegen Frankreich und Dänemark, nahm 1815 den Titel Großherzog an und trat dem Deutschen Bunde bei. Auf dem Landtag zu Sternberg wurde 1819 die Aufhebung der Leibeigenschaft beschlossen, 1822 die Separation der Bauerndörfer im Domanium angeordnet; jede separierte Bauernhufe sollte womöglich in Erbpacht gegeben werden. Auf Friedrich Franz I. folgte 1. Febr. 1837 sein Enkel Paul Friedrich, der aber schon 7. März 1842 starb. Die Nachfolger sind Friedrich Franz II. (1842–1883), Friedrich Franz III. (1883–97) und Friedrich Franz IV. (seit 1897). Unter ihm ward 1903 nach Verzicht Schwedens auf sein Rückkaufsrecht Wismar endgültig mit seinem Lande vereinigt.

In M.-Strelitz herrschten inzwischen Adolf Friedrich II. (1701–08), Adolf Friedrich III. (1708–52, Erbauer des Schlosses und Begründer der Residenzstadt Neustrelitz 1726) und dessen Neffe Adolf Friedrich IV. (1752–94), der durch die Agnitionsakte vom 30. Sept. 1755 dem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich beitrat, ein harmloser, gutmütiger Mann von etwas absonderlichen Gewohnheiten, die Fr. Reuter in seinem »Dörchläuchting« sehr übertrieben schildert. Ihm folgte sein Bruder Karl (1794–1816), der Vater der preußischen Königin Luise. Nach 1806 hatte sein Land schwer von französischen Kontributionen zu leiden. Nachdem der Herzog 1808 dem Rheinbund hatte beitreten müssen, ließ er 1813 bis 1815 seine Truppen beim schlesischen Heer am Kampfe gegen Frankreich teilnehmen. nahm 17. Juni 1815 den Titel Großherzog an und erhielt auf dem Wiener Kongreß einen Distrikt im Saardepartement mit 10,000 Seelen, den sein Nachfolger Georg (1816–60) 1819 für 1 Mill. Tlr. an Preußen verkaufte. Ihm folgte Großherzog Friedrich Wilhelm (1860–1904). Gegenwärtig regiert Adolf Friedrich.

Die Bewegung von 1848 richtete sich in M. vor allem gegen die alte ständische Verfassung, das Volk forderte die Berufung eines außerordentlichen Landtags zur Beratung eines volkstümlichen Wahlgesetzes und einer Verfassungsreform. Diese wurde 18. März vom Großherzog bewilligt, auf dem am 26. April eröffneten außerordentlichen Landtag wurde ein auf allgemeinem Wahlrecht beruhendes Wahlgesetz vereinbart, das am 15. Juli verkündet wurde. Bei den Wahlen erhielt die streng konservative Partei zwei Drittel der 103 Mandate; der Landtag beschloß dann die deutschen Grundrechte und die Aufhebung der landständischen Union, Bestimmungen über das Domanium und nahm den Grundsatz des Suspensivvetos in die Verfassung auf, die am 3. Aug. 1849 von der Kammer angenommen wurde. Doch gegen die Beschlüsse protestierte nicht nur die Regierung von Strelitz, während Schwerin zustimmte, sondern auch die Agnaten beider mecklenburgischen Linien, darunter der König von Preußen auf Grund des Vertrags von 1442, und die adlige Ritterschaft und wandten sich mit einer Klage an den Bund. Das von diesem eingesetzte Bundesschiedsgericht (v. Langenn, v. Scheele, Götze) erklärte 11. Sept. 1850 die neue Verfassung und das Gesetz über die Aufhebung der landständischen Union für nichtig, und der Großherzog von Schwerin wurde angehalten, für 1850 einen Landtag nach dem Erbvergleich von 1755 zu berufen. Damit war die alte landständische Verfassung wiederhergestellt; nur die kirchliche Union wurde aufgehoben, indem für Schwerin ein Oberkirchenrat, für Strelitz ein Konsistorium errichtet wurde. Am 27. Jan. 1851 wurden alle Versammlungen zu politischen Zwecken verboten, 1852 die Prügelstrafe wieder eingeführt. Auf dem gemeinsamen Landtag zu Malchin, der am 15. Febr. 1851 zusammentrat, hatte die adlige Ritterschaft wieder das Übergewicht. Die allgemeine Reaktion und die drückende Lage der Bauern und Tagelöhner führte 1852–57 zur jährlichen Auswanderung von 6000 Seelen.

Während M.-Strelitz beim Ausbruch des Krieges von 1866 so zögernd auf Preußens Seite trat, daß sein Kontingent gar nicht mehr am Kampfe teilnahm, schloß M.-Schwerin 30. Juni mit Preußen ein Bündnis und führte sein Kontingent mit preußischen Truppen vereint nach Bayern. Beide Länder traten dem Norddeutschen Bunde, dessen Verfassung der Landtag, wenn auch ungern, 4. Juni 1867 annahm, und den Zollverein (11. Aug. 1867) bei; der Abschluß einer Militärkonvention mit Preußen verzögerte sich bis 23. Dez. 1872. Nach dem deutsch-französischen Krieg, an dem die mecklenburgischen Truppen im Verbande der 17. Division und unter dem Oberbefehl des Großherzogs Friedrich Franz teilnahmen, und nach der Begründung des Deutschen Reiches regte sich das Streben nach einer konstitutionellen Verfassung von neuem, und 1871 und 1873 forderte auch der Reichstag, daß die Reichsverfassung für jeden Bundesstaat eine Volksvertretung vorschreiben sollte. Auch die beiden Großherzoge forderten infolge einer entsprechenden Petition aus dem Lande 7. Dez. 1871 den Landtag auf, Vertreter zu kommissarisch-deputatischen Verhandlungen über Veränderung der bestehenden Verfassung zu erwählen. Dieselben begannen 19. Okt. 1872, doch lehnten die landschaftlichen Vertreter die Regierungsvorlage als völlig ungenügend ab. Als die Regierungen 1. Febr. 1874 einem außerordentlichen Landtag einen neuen Entwurf vorlegten, lehnten die Vertreter der Ritterschaft, obwohl das ständische Prinzip gewahrt und das Wahlrecht der Bauern sehr beschränkt war, auch diesen Entwurf ab und erklärten, daß die Ritterschaft niemals auf ihr Virilstimmrecht verzichten werde. Alle Bemühungen des wohlwollenden Großherzogs Friedrich Franz II., eine Verständigung herbeizuführen, blieben erfolglos, und nach seinem Tode (15. April 1883) setzte sein Nachfolger Friedrich Franz III. sie nicht fort. Die Ritterschaft stellte dafür allen Gesetzvorlagen und Geldforderungen der Regierung an den Landtag keine Schwierigkeiten entgegen und kaufte auch die Eisenbahnen an. 1905 gingen beide M. eine Lotteriegemeinschaft mit Preußen ein.

[Geschichtsliteratur.] Rudloff, Pragmatisches Handbuch der mecklenburgischen Geschichte (Schwer. 1780–1822, 3 Teile in 4 Bdn.; 1. u. 2. Teil in 2. Aufl.); v. Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von M. (Berl. 1827–35, 3 Bde.); Boll, Geschichte Mecklenburgs (Neubrandenb. 1855–56, 2 Tle.); Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände bis 1555 (Rostock 1856); »Mecklenburgische Geschichte in Einzeldarstellungen« (Berl. 1899 ff., bisher 8 Hefte); Mayer, Geschichte des Großherzogtums M.-Strelitz 1816–1890 (Neustrelitz 1890); Tolzien, Die Großherzöge von M.-Schwerin (Wismar 1904); Lehsten, Der Adel Mecklenburgs seit dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich (Rostock 1864); Voß, Geschichte der Volksschule M.-Schwerins (Schwer. 1893); für die ältere Zeit wichtig: »Mecklenburgisches Urkundenbuch« (Bd. 1–21, das. 1873–1903); »Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde« (das. 1836 ff.); Bachmann, Die landeskundliche Literatur über die Großherzogtümer M. (Güstrow 1890).


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