Greif [1]

Greif [1]

Greif (althochd. grîfo, v. griech.-lat. gryps), bei den Griechen ein fabelhaftes Tier mit Löwenleib, Flügeln und Adlerkopf. Aristeas erzählte in seinem Gedicht »Arimaspeia«, daß es im höchsten Norden auf den Rhipäischen Bergen die Goldgruben gegen die Arimaspen bewache. Ktesias ließ es in Indien das Gold aus den Bergen graben und aus diesem sich seine Nester bauen. Herder u. a. wollten fälschlich des Moses Cherub in diesem G. wiederfinden. Greifendarstellungen finden sich zahlreich auf Denkmälern altorientalischen Ursprungs, besonders solchen von Babylon und Nordsyrien. Der G. erscheint in ihnen wie in der altgriechischen Kunst (s. Tafel »Tierornamente I«, Fig. 1) als Symbol göttlicher Macht und als Wächter des Göttlichen. Die spätere griechische Kunst verwendet ihn ebenfalls häufig zum Schmuck von Tempelgiebeln, Säulen, Helmen, Harnischen, Münzen (besonders von Teos, Abdera) und Gräbern, machte ihn aber auch zum besondern Attribut des Apollon sowie der Artemis, der Nemesis und des Dionysos.

Greif mit aufgeschlagenem Schweif (Rostock).
Greif mit aufgeschlagenem Schweif (Rostock).
Greif mit niedergeschlagenem Schweif (Stargard i. P.).
Greif mit niedergeschlagenem Schweif (Stargard i. P.).

Besonders häufig ist die Darstellung zweier einen Hirsch zerfleischenden Greifen oder eines die eine Tatze auf ein Rad (Symbol der Nemesis) legenden Greisen. Im Mittelalter brachte man Greifen klauen (fossile Rhinozeroshörner) u. Greifen-(Straußen-)Eier aus dem Morgenlande mit, die sich, vielfach zu Reliquienbehältern verarbeitet, in Sammlungen kirchlicher Kunstgegenstände finden. In den Bestiarien (Tierbüchern) und mittelalterlichen Dichtungen (Gudrun, Herzog Ernst, Heinrich der Löwe etc.) spielt der G. eine große Rolle, wurde auch im Flächenornament, in der Plastik und in Kunstschmiedearbeiten vielfach dargestellt. Vgl. Stephani, Der G. (im »Compte rendu de la commission archéologique de St. Pétersbourg«, 1864); Furtwängler in Roschers »Lexikon der Mythologie«, Bd. 1, Sp. 1742 ff. – In der Heraldik steht der G., ebenso wie der Löwe, stets im Profil; der Kopf unterscheidet sich durch die spitzen Ohren vom Adler, die vorgeworfenen Vorderfüße und die Flügel sind dem Adler, der ganze untere Teil des Körpers dem Löwen entlehnt. Der Schweif ist bald auf-, bald niedergeschlagen (s. Abbildungen und das Wappen von Greifswald, S. 273).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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