Justiniānus

Justiniānus

Justiniānus, Name zweier oströmischer Kaiser: 1) J. I., geb. um 483 zu Tauresium in Illyrien, gest. 14. Nov. 565. Er wurde unter der Regierung des Kaisers Anastasius von seinem Oheim, dem nachmaligen Kaiser Justinus I., nach Konstantinopel gerufen, erhielt daselbst eine höhere Bildung, gelangte zu immer angesehenern Ehrenstellen, erhielt 521 das Konsulat, während dessen er glänzende Spiele veranstaltete, wurde schließlich von seinem Oheim adoptiert und zum Mitkaiser angenommen und nach dessen Tode (527) sein Nachfolger. Neben ihm spielte eine bedeutende Rolle seine Gemahlin Theodora, ehemals eine wegen ihrer Sittenlosigkeit berüchtigte Schauspielerin, die durch ihre Gewandtheit und Energie einen großen Einfluß auf ihn ausübte (sie starb 548). Seine Regierung ist besonders bedeutend durch die Bauten, die er ausführte, durch einige glänzende Kriegserfolge und die von ihm veranstaltete Gesetzsammlung. Er baute, von zahlreichen Gebäuden an andern Orten abgesehen, allein in Konstantinopel 25 Kirchen, darunter die Sophienkirche (die heutige Hauptmoschee), eines der großartigsten und prächtigsten Bauwerke der Welt. Seine Kriegserfolge bestanden darin, daß durch Belisar und Narses (s. d.) das Wandalen- und das Ostgotenreich gestürzt und so Nordafrika und Italien dem Kaiserreich wieder einverleibt, auch eine Anzahl von Küstenstädten im südöstlichen Spanien erobert wurden. Er selbst beteiligte sich an diesen Kriegen nicht, sondern suchte durch schlaue Diplomatie und durch »Geschenke«, die er den benachbarten Barbaren zahlte, das Reich zu sichern. Der gefährlichste Feind desselben war der Perserkönig Chosroes Nuschirwan, der 528–532 und dann 540–545 gegen ihn Krieg führte, 540 sogar Antiochia eroberte und zerstörte, und von dem er endlich 562 durch einen jährlichen Tribut den Frieden erkaufte. Die von Norden her das Reich bedrohenden Barbaren, die Bulgaren, Slawen und Avaren, suchte er durch großartige Festungsbauten, die er namentlich längs der Donau ausführte, abzuhalten. Über das Corpus juris s. d Die Bauten, die Kriege und die Kontributionen, dazu der glänzende Hofhalt und die Spiele erforderten große Geldmittel, die er und sein Finanzminister Johann der Kappadokier durch alle möglichen Arten der Erpressung aufbrachten. 532 kam es infolge der Unzufriedenheit des Volkes über diese Erpressungen zu dem sogen. Nikaaufstand (s. d.) in Konstantinopel, der erst nach einem großen Blutbad, wobei ein großer Teil der Stadt in Flammen ausging, unterdrückt wurde In bezug auf die Kirche nahm J. eine unumschränkte Herrschaft in Anspruch; er hielt mehrere Synoden, um die Rechtgläubigkeit festzustellen, begünstigte aber in den letzten Jahren seiner Regierung die Sekte der Aphthartodoketen, eines Zweiges der Monophysiten. Er hob 529 die Philosophenschule in Athen auf, vernichtete auch sonst die Reste des Heidentums in Griechenland und schaffte 541 das Konsulat ab. Vgl. Ludewig, Vita Justiniani atque Theodorae nec non Triboniani (Halle 1731); Isambert, Histoire de Justinien (Par. 1856, 2 Bde.); Bury, History of the later Roman empire, Bd. 1 (Lond. 1889); Dieht, Justinien et la civilisation byzantine (Par. 190 t).

2) J. II., folgte 685 seinem Vater Konstantin IV. Pogonatos auf dem Thron, führte ein grausames und verschwenderisches Regiment, wurde 695 durch den Feldherrn Leontios gestürzt und von diesem, der sich zum Kaiser aufschwang, verstümmelt (daher sein Beiname Rhinotmetos) und nach Cherson verbannt. Nach dem Sturze des Leontios 698 entfloh er zuerst zu den Chasaren, dann zu den Bulgaren und gewann mit deren Hilfe 705 den Thron wieder, nahm mit wilder Grausamkeit an seinen Feinden Rache, wurde aber schon 711 bei einem neuen Aufstand getötet. Mit ihm erlosch das Geschlecht des Heraklios.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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