Säugetiere

Säugetiere

Säugetiere (Mammaliai hierzu Tafel »Körperteile der Säugetiere I und II«, mit Erklärungsblättern), die höchste Klasse der Wirbeltiere, behaarte Warmblüter, die lebendige Junge gebären (Ausnahme: Kloakentiere) und eine Zeitlang mit der Muttermilch ernähren. Von den Vögeln und Reptilien unterscheiden sie sich wesentlich durch den Besitz zweier Hinterhauptshöcker anstatt eines einzigen und stimmen hierin mit den Amphibien überein (s. Wirbeltiere). Sie leben meist auf dem Land und bewegen sich auf ihm gewöhnlich mit allen vier Füßen. Nur den Walen fehlen die Hinterbeine (s. unten). Die Haut besteht aus der bindegewebigen Lederhaut mit Gefäßen, Nerven und auch Pigment sowie aus der zelligen Oberhaut, die sich in eine weiche, gefärbte untere (innere) und in eine verhornte, an manchen Stellen schwielig verdickte obere (äußere) Schicht sondern läßt. Die in ihr wuchernden und für die S. sehr charakteristischen Haare (Tafel I, Fig. 1) fehlen keinem Säugetier gänzlich, sind aber z. B. bei den Walen nur an den Lippen vorhanden, während sie in der Regel den ganzen Körper bedecken. Außer den sogen. Spür- oder Schnurrhaaren auf den Lippen unterscheidet man noch weichere, kürzere, gekräuselte, oft verfilzte Wollhaare und längere, derbere, steifere Licht- oder Stichelhaare. Nach Jahreszeit und Klima ändert sich das Haarkleid (Winterpelz und Sommerpelz, ersterer mit längern und dichten, letzterer mit kürzern, weniger dichten Haaren), auch wechselt dabei bisweilen seine Farbe. Sehr starke Stichelhaare nennt man Borsten und Stacheln. Übrigens kann die Oberhaut auch kleinere Hornschuppen (am Schwanz von Nagetieren und Beuteltieren) und große, wie Dachziegel übereinander greifende Schuppen (Schuppentiere) bilden. Bei den Gürteltieren ist die Lederhaut stellenweise verknöchert, und diese Hautknochen bilden ähnlich wie bei den gepanzerten Fischen und Reptilien aneinander grenzende Platten und in der Mitte des Leibes breite, verschiebbare Gürtel. Die Enden der Finger und Zehen (Tafel I, Fig. 2) tragen überall, mit alleiniger Ausnahme der Waltiere, eine Hornschicht in Gestalt von Platt- und Kuppnägeln, Krallen und Hufen. Ferner gehören zur Oberhaut die Hornscheiden der hohlhörnigen Wiederkäuer und die Hörner der Nashörner, während die periodisch sich erneuernden Geweihe der Hirsche etc. Hautknochen sind. Allgemein kommen in der Haut Talg- und Schweißdrüsen vor, außerdem oft an gewissen Stellen, zumal nahe dem After oder in der Weichengegend, besondere Drüsen mit stark riechenden Absonderungen, wie die Afterdrüsen vieler Raubtiere, die Zibetdrüsen, die Moschusbeutel, die Bibergeilsäcke, die auf dem Rücken der Schwanzwurzel liegenden Violdrüsen des Fuchses etc., die Seitendrüsen der Spitzmäuse etc. Auch gehören die Milchdrüsen hierher, insofern sie als umgewandelte Hautdrüsen aufgefaßt werden.

Der Schädel (Tafel I, Fig. 3–7) ist vergleichsweise größer als bei den Vögeln und besteht aus viel weniger einzelnen Knochen als bei Fischen und Reptilien; auch sind die Knochen nur selten ganz miteinander verschmolzen. Der Oberkiefer ist unbeweglich an ihm befestigt, und die beiden Hälften des Unterkiefers sind direkt an ihm eingelenkt (Unterschiede von dem Schädel der Vögel). Das Gesicht tritt im allgemeinen um so mehr unter dem Schädel hervor, je weniger die geistigen Fähigkeiten entwickelt sind. Man bestimmte früher allgemein das Verhältnis von Schädel und Gesicht durch den Camperschen Gesichtswinkel, der beim Menschen fast 90° erreicht, aber auch bis etwa 70°, bei den Affen von 60 auf 30° herabsinkt und bei andern Säugetieren etwa 25° und mehr beträgt. Bedeutung und Wert desselben sind indessen sehr beschränkt; auch hat man jetzt bessere Mittel zur Messung; s. Schädel. An der Wirbelsäule lassen sich, mit Ausnahme der Wale, bei denen mit den Hinterbeinen auch die Beckengegend ausfällt, fünf Abschnitte unterscheiden: Halsteil; Brustteil mit Rippen, Brustbein und Schultergürtel; Lendenteil; Kreuzbein mit dem Beckengürtel; Schwanz. Halswirbel gibt es meist 7 (beim Lamantin und Unau 6, beim Faultier 8 und 9); die Länge des Halses mancher S. beruht daher nur auf der Länge der einzelnen Wirbel. Meist sind die Halswirbel sehr beweglich, bei den Walen aber sind die vordern miteinander verwachsen. Die Zahl der Rückenwirbel beträgt meist 13, sinkt bei einigen Fledermäusen und Gürteltieren auf 12 und 10, steigt dagegen beim Pferd auf 18, beim Elefanten auf 19–21, beim dreizehigen Faultier auf 23 und 24. Lendenwirbel finden sich meist 6 oder 7, aber auch nur 2,6 oder 9. Das Kreuzbein entsteht durch Verschmelzung von 3 oder 4, selten weniger oder mehr Wirbeln; die Zahl der hinten immer kleinern Schwanzwirbel schwankt zwischen 4 (Mensch) und 46 (Schuppentier). Bewegliche, mit den Wirbeln verbundene Rippen sitzen nur an den Brustwirbeln. Von den beiden Gliedmaßenpaaren (Tafel I, Fig. 8, 9, 12 u. 13) fehlt das vordere niemals, wohl aber das hintere bei den Walen. Stets sind Schulterblätter vorhanden, dagegen fehlen Schlüsselbeine, wenn die Vorderbeine nur zur Stütze des Vorderleibes dienen oder einfache Bewegungen (Rudern, Gehen, Laufen, Springen) auszuführen haben, sind aber kräftig, wo es sich um Graben, Scharren, Klettern etc. handelt. Das Becken ist bei den Walen verkümmert, sonst bildet es einen mit dem Kreuzbein verwachsenen, geschlossenen Gürtel. Die im Schulter- und Beckengürtel eingelenkten Gliedmaßen sind bei den schwimmenden Säugetieren zu Flossen oder flossenartigen Beinen umgewandelt; bei den Flattertieren sind die Vorderbeine zu Flugwerkzeugen geworden, die freilich von den Flügeln der Vögel sehr abweichen. Zehen sind höchstens 5, aber auch weniger, bis zu einer (der mittelsten; so bei den Einhufern) vorhanden; die Reste der andern können sich dann als Afterklauen in rudimentärer Ausbildung vorfinden und berühren den Boden nicht. Ist am Vorderbein die Innenzehe als Daumen den übrigen Zehen (Fingern) gegenüberstellbar, so wird der Fuß zur Hand. Zwar ist bisweilen auch am Hinterfuß die innere Zehe gegenüberstellbar; allein damit ist dieser Greiffuß (Affen) nicht auch schon eine Hand, weil zum Begriff der letztern auch eine eigne Anordnung der Knochen und Muskeln gehört. Nach der Art, wie die Füße beim Laufen den Boden berühren, unterscheidet man Sohlengänger und Zehengänger. – Das Nervensystem ist durch das Überwiegen des Gehirns (Tafel II, Fig. 1–3) gekennzeichnet. Dieses füllt den Schädel fast ganz aus; das Großhirn bedeckt teilweise das Kleinhirn und hat bei den Beutel- und Kloakentieren eine glatte Oberfläche, sonst hingegen Gruben und Eindrücke, die im allgemeinen, je höher das Tier geistig steht, um so mehr sich zu regelmäßigen Furchen und Windungen anordnen. Augen finden sich überall, sind aber bei den in der Erde wühlenden Säugetieren sehr klein, liegen mitunter sogar tief unter der Haut und können wohl kaum zum Sehen dienen. Außer dem obern und untern Augenlid gibt es meist eine Nickhaut, die freilich nicht so vollkommen ist wie bei den Vögeln, und von der zuweilen nur noch ein Rest im innern Augenwinkel übrigbleibt. Das äußere Ohr ist stark ausgebildet und durch besondere Muskeln beweglich, fehlt jedoch den im Wasser und in der Erde lebenden Säugern entweder ganz oder nahezu; die Wasserbewohner können es durch eine Klappe schließen. Im innern Ohr ist stets eine Schnecke vorhanden. Die Nase dient manchen Säugetieren zum Wühlen, Tasten und als Rüssel, sogar zum Greisen. Bei den tauchenden Säugetieren kann sie durch Muskeln oder durch besondere Klappen geschlossen werden; bei den Walen ist sie kein Geruchsorgan mehr, sondern leitet nur noch die Atemluft. Das Tasten besorgen bei ihrem Reichtum an Tastkörperchen in der Haut die Enden der Gliedmaßen, außerdem noch Zunge, Lippen und Rüssel. Die Lippen tragen meist lange, borstenartige Tasthaare; auch die Haare auf der Flughaut der Fledermäuse dienen dem Gefühl. Der Geschmack hat seinen Sitz hauptsächlich an der Zungenwurzel, aber auch am weichen Gaumen.

Die Verdauungswerkzeuge der S. sind komplizierter als sonst im allgemeinen bei Wirbeltieren. Lippen fehlen nur den Walen. Die Backen sind mitunter zu Backentaschen erweitert, die bis hinter den Schädel zurückreichen können. Zähne (Tafel I, Fig. 10 u. 11) stehen nur in den Kiefern. Zahnlos sind Ameisenigel, Schuppentier und Ameisenfresser; die Bartenwale haben vor der Geburt richtige Zähne, die aber nicht durchbrechen, sondern durch die Barten, d.h. durch senkrechte, in Querreihen gestellte Hornplatten am Gaumen ersetzt werden. Auch das Schnabeltier hat vorübergehend echte Zähne, später aber Hornzähne. Die echten Zähne sitzen in besondern Höhlen der Kiefer mit einer oder mehreren Wurzeln, während die Krone frei hervorragt; hiervon weichen jedoch die Zähne mit unbeschränktem Wachstum ab, die in ihrer ganzen Länge gleich sind und bei der Abnutzung stets nachwachsen. Nur selten (Delphine) sind alle Zähne kegelförmige Fangzähne; sonst lassen sie sich nach ihrer Stellung im Mund als Schneidezähne (dentes incisivi), Eckzähne (d. canini) und Backenzähne (d. molares) unterscheiden. Die erstern sind meißelförmig und dienen zum Abschneiden der Nahrung, die Eckzähne sind meist kegelförmig oder auch hakig und als Waffen zum Angriff oder zur Verteidigung geeignet. Nicht selten (Nagetiere, Wiederkäuer) fallen sie gänzlich weg, und dann zeigt das Gebiß eine weite Lücke zwischen Schneide- und Backenzähnen. Letztere wechseln sehr in der Form und dienen mit ihren schneidenden, häufiger höckerigen oder mahlenden Kronen zur Zerkleinerung der Nahrung. Kloakentiere, Zahnlücker und echte Wale bilden nur einmal Zähne; die übrigen S. haben zuerst ein Milchgebiß, das noch nicht alle Backenzähne enthält und auch sonst Abweichungen zeigt, später jedoch der zweiten, bleibenden Zahnreihe weicht. Bei den Raubtieren werden ein oder zwei Backenzähne zu Reißzähnen. Beim Elefanten, Walroß etc. bilden sich Schneidezähne zu großen Stoßzähnen aus. Wegen der Einzelheiten und besonders wegen der Zahnformeln s. Gebiß. – Die Mundhöhle setzt sich nach hinten in den Schlundkopf und dann in die Speiseröhre fort, die in den Magen (Tafel II, Fig. 7) führt. Dieser ist in der Regel ein einfacher, quer gelagerter Sack, zerfällt aber bisweilen in mehrere Abschnitte, die bei den Wiederkäuern als gesonderte Magen unterschieden und benannt werden (s. Wiederkäuer). Der Darm (bei Fleischfressern 4–5mal, bei Pflanzenfressern 6–28 mal länger als der Körper) zerfällt in Dünndarm und Dickdarm, deren Grenze durch eine Klappe und den namentlich bei Pflanzenfressern mächtig entwickelten Blinddarm (Tafel II, Fig. 4) bezeichnet wird. Das Endstück des Dickdarms, der Mastdarm, mündet (mit Ausnahme der Kloakentiere) hinter der Öffnung der Harn- und Geschlechtswerkzeuge durch den After aus. – Das Herz besteht, wie bei den Vögeln, aus einer rechten venösen und einer linken arteriellen Abteilung (jede mit Vorhof und Kammer) und liegt gewöhnlich in der Mittellinie der Brusthöhle. Die paarigen Lungen hängen frei in der Brusthöhle. Die Atmung geschieht hauptsächlich durch die Bewegungen des Zwerchfelles, das eine vollkommene Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle bildet und bei seiner Zusammenziehung die Brusthöhle erweitert. Die Luftröhre verläuft in der Regel gerade und teilt sich an ihrem hintern Ende in zwei zu den Lungen führende Bronchien. Sie beginnt mit dem Kehlkopf, der zugleich Stimmorgan ist. Zuweilen hat letzterer häutige oder knorpelige Nebenräume, die teils, wie beim Walfisch, Luftbehälter sind, teils, wie bei manchen Affen, als Resonanzapparate die Stimme verstärken. – Die Nieren sind einheitliche Drüsen von Bohnenform; die Harnleiter münden in die Harnblase, und diese wieder mündet durch die Harnröhre vor dem After aus. Die Hoden der männlichen Tiere (Tafel II, Fig. 6 u. 9) bleiben bei den Walen und Kloakentieren (wie bei Vögeln und Reptilien) in der Bauchhöhle; gewöhnlich jedoch treten sie durch den Leistenkanal hervor und in eine doppelte, zum Hodensack (Scrotum) umgestaltete Hautfalte ein, der im weiblichen Geschlechte die großen Schamlippen entsprechen; hier liegen sie dauernd oder wandern, wie bei manchen Nagetieren, Insektenfressern etc., nach der Brunstzeit wieder in die Bauchhöhle zurück. Das Produkt der Hoden, der Same, gelangt durch die Nebenhoden und Samenleiter (diese nehmen auch den Saft der Vorsteherdrüse auf) in die Harnröhre. Dem Ende der letztern schließt sich die Rute (Penis) an, die sich infolge des Besitzes der Schwellkörper durch Blutandrang anschwellen und steifen kann; bisweilen sind in ihr auch knorpelige oder knöcherne Stützen (Penisknochen, bei Raub- und Nagetieren) vorhanden. Die Spitze der Rute, die Eichel, ist sehr verschieden geformt und kann vielfach in eine drüsenreiche Hautfalte zurückgezogen werden; bei den Kloakentieren und einigen Beuteltieren ist sie gespalten. Die Eierstöcke (Tafel II, Fig. 10 u. 11) sind nur bei den Kloakentieren denen der Vögel ähnlich, d.h. traubig und links verkümmert, sonst beiderseits gleichmäßig entwickelt und kompakt. Die Ausführungsgänge bestehen aus den beiden Eileitern, die jeder für sich zu einer Gebärmutter (Uterus; Tafel II, Fig. 8) anschwellen und darauf völlig getrennt in je eine Scheide münden (Beuteltiere), oder zwar noch zwei Uteri, aber nur eine gemeinschaftliche Scheide (Nagetiere) oder endlich auch nur eine gemeinschaftliche Gebärmutter besitzen. Die äußern Geschlechtsteile werden durch zwei Hautwülste (große Schamlippen), zwei kleine innere Schamlippen und durch die der Rute gleichwertige Klitoris gebildet. Letztere wird zuweilen sehr groß, kann auch, von der Harnröhre durchbohrt, zur Ableitung des Harnes dienen. Die Geschlechter sind in der Regel leicht an der verschiedenen Form der äußern Teile zu erkennen; häufig ist das Männchen größer, hat einen andern Haarwuchs, lautere Stimme, stärkere Zähne, auch wohl Geweihe. Dagegen sind die Milchdrüsen (Tafel II, Fig. 5), die in der Weichengegend, am Bauch oder an der Brust liegen können und fast stets in Zitzen oder Saugwarzen auslaufen, bei ihnen verkümmert.

Fortpflanzung. Lebensweise.

Die Fortpflanzung (Brunst) fällt meist in das Frühjahr; in wärmern Klimaten und bei den größern Haussäugetieren wiederholt sie sich (wie die Menstruation beim Menschen) in Zwischenräumen von einigen Wochen. Unabhängig von der Begattung treten gegen Ende der Brunst ein oder mehrere Eier aus dem Eierstock und verlassen den Körper unbefruchtet oder werden im Eileiter befruchtet. Nur die Kloakentiere legen die Eier gleich den Vögeln ab, sonst jedoch tritt das Ei (von 0,1–0,2 mm Durchmesser) in die Gebärmutter und entwickelt sich hier in verschiedener Weise. Wenn im Embryo sich der Darm gebildet hat, so wächst hinten aus ihm eine Blase (Allantois oder Harnsack) hervor und wird, indem sich viele Blutgefäße in ihr verzweigen, für den Embryo von großer Bedeutung. Bei den Beuteltieren ist sie klein und reicht nicht bis zu der Wand der Gebärmutter, so daß ihre Gefäße nicht mit denen der letztern zum sogen. Mutterkuchen (Placenta) in Verbindung treten können. Bei allen übrigen Säugetieren hingegen dehnt sie sich bis zur Wand aus, und nun legen sich die Gefäße der Allantois und der Gebärmutter so innig aneinander, daß das Blut des Embryos seine Bestandteile mit dem der Mutter austauschen kann. Bei der Geburt löst sich die Allantois glatt los, oder es wird auch ein Teil der Wand der Gebärmutter als Nachgeburt mit ausgestoßen. Hiernach und nach der Verbreitung des Mutterkuchens um den Embryo herum lassen sich die S. in mehrere große Gruppen einteilen (s. unten). Die Dauer der Trächtigkeit steht im Verhältnis zur Körpergröße, richtet sich aber auch nach dem Reifegrad der zur Welt kommenden Jungen. Am längsten währt sie bei den großen Land- und Wassertieren, am kürzesten bei den Beuteltieren, deren Junge noch ganz unreif geboren werden und sich erst an den Zitzen der Mutter befestigt weiter entwickeln. Die Zahl der Jungen eines Wurfes schwankt zwischen 1 und 12, doch kommen auch 24 vor. Die großen S., die länger als sechs Monate tragen, gebären in der Regel nur ein Junges auf einmal. Meist deutet die Zahl der Zitzen auf die der Jungen hin.

Wale, Seekühe und Robben leben im Wasser, mit wenigen Ausnahmen im Meer; alle übrigen S. auf dem Lande. Manche hausen einsiedlerisch in bestimmten Jagdrevieren und nur zur Zeit der Brunst paarweise, andre leben gesellig, oft unter Schutz und Führung der ältesten und stärksten Männchen. Weitaus die meisten suchen am Tage Nahrung und ruhen nachts; doch gibt es in allen Ordnungen, und in manchen vorherrschend, Dämmerungs- und Nachttiere. Einige Nager, Insektenfresser und Raubtiere verfallen im Winter in ihren oft sorgfältig geschützten und ausgepolsterten Schlupfwinkeln in einen unterbrochenen Winterschlaf, wie es beim Bär und Dachs, bei der Fledermaus der Fall ist, oder aber in andauernden Schlaf (Siebenschläfer, Haselmaus, Igel, Murmeltier). Regelmäßige Wanderungen, wenn auch nicht den Zügen der Vögel vergleichbar, unternehmen das Renntier, südamerikanische Antilopen, der nordamerikanische Büffel, Seehunde, Wale, Fledermäuse und besonders der Lemming. Eigentliche Kunsttriebe sind selten, doch erreichen im Einklang mit der Größe des Gehirns die Geisteskräfte mitunter eine sehr hohe und beim Menschen die höchste Stufe. Viele S. legen Gänge und kunstvolle Bauten über und in der Erde an, und fast alle errichten für die Nachkommen besondere, oft mit weichen Stoffen überkleidete Lager, einige sogar wahre Nester, ähnlich denen der Vögel; vgl. Tafel »Tierwohnungen I«. Viele tragen in diese auch Wintervorräte ein.

Geographische Verbreitung der Säugetiere.

(Hierzu die Karten »Verbreitung der Säugetierë I-IV«.)

Während die Klasse der S. im höchsten Norden, wie unter den Tropen und im antarktischen Gebiet vertreten ist, haben die einzelnen Ordnungen der S. eine sehr verschiedenartige Verbreitung. Die Affen bewohnen die wärmsten Teile Amerikas, Afrikas, Asiens und in wenigen Exemplaren die Felsen von Gibraltar. Ausschließlich neuweltlich sind die Breitnasen, ausschließlich altweltlich die Schmalnasen. Die Halbaffen sind hervorragend charakteristisch für Madagaskar und finden sich außerdem im kontinentalen Afrika und in Indien. Die Ordnung der Fledermäuse ist fast kosmopolitisch, indem sie nur den kältesten Regionen fehlt, dagegen mit geringen Ausnahmen selbst auf den kleinsten und entlegensten Inseln vertreten ist. Die Familie der fruchtfressen den Fliegenden Hunde ist besonders charakteristisch für die heißen Gegenden der östlichen Halbkugel. Die Raubtiere fehlen allgemein nur der antarktischen und australischen Region (mit Ausnahme von Celebes) und unter den Subregionen nur den Antillen. Sehr ausgedehnt in der Alten und der Neuen Welt ist die Verbreitung der Katzen. Die Zibetkatzen finden sich nur in der äthiopischen, orientalischen und im Süden der paläarktischen Region. Die Hyänen sind afrikanische Charaktertiere, nur eine Art geht nach Asien hinüber bis zum Kaukasus und Altai. Die Bären haben eine ausgedehnte Verbreitung in der Alten und in der Neuen Welt. Die Hunde fehlen von den Gebieten, in denen Raubtiere vorkommen, nur Madagaskar; der Dingo ist der einzige Vertreter der Hunde in der australischen Region. Die Marder fehlen nur der äthiopischen Region. Von den Stinktieren ist eine Art (Bandiltis) vorwiegend äthiopisch, die andern beiden (Chinga und Surilho) amerikanisch. Die Dachse sind weit verbreitet, wobei jedoch die einzelnen Hauptgattungen in den einzelnen Regionen sich vertreten. Sehr weit verbreitet sind die Fischottern, deren stattlichster Vertreter, der Seeotter, marin ist. Die Insektenfresser fehlen der antarktischen Region, Australien und Südamerika. Am verbreitetsten sind die Spitzmäuse und Maulwürfe, die ihr Entstehungszentrum in der mandschurischen Subregion der paläarktischen Region haben. Die Nagetiere sind nahezu kosmopolitisch; am verbreitetsten sind die echten Mäuse, es sind die einzigen Nager, welche Australien, Polynesien und Madagaskar zukommen, fehlen aber in Neuseeland. Die scharf gekennzeichnete Familie der Hafen ist verbreitet über die nearktische und paläarktische Region. Die Rüsseltiere (Elefant) sind an den Tropengürtel der äthiopischen und orientalischen Region gebunden; von den nicht wiederkäuenden Paarzehern ist das Flußpferd afrikanisch, die Schweine verbreiten sich über die paläarktische, äthiopische und orientalische Region und gehen selbst in die australische über. Von den Wiederkäuern finden sich die Rinder in der arktisch-zirkumpolaren Region, der nearktischen und paläarktischen, der äthiopischen und vor allem in der orientalischen, von wo sie sogar in die australische Region vordringen. Von den Antilopen sind nur zwei Arten nearktisch, die übrigen altweltlich und in erster Linie Charaktertiere Afrikas; außerdem finden sie sich in der orientalischen und paläarktischen Region. Die Hirsche fehlen völlig in der äthiopischen Region, und finden sich in allen übrigen Regionen, aus der australischen jedoch nur von Timor und den Molukken bekannt. Die Kamele sind in der Alten Welt durch Dromedar und Kamel, in der Neuen (Südamerika) durch Lama, Guanako, Vicunna und Alpaka vertreten. Von den Unpaarzehern sind die Pferde durchweg altweltlich; die Nashörner sind äthiopisch und orientalisch, die Tapire dagegen finden sich außer in der orientalischen Region auch in der neotropischen. Von den Meersäugern haben die Zahnwale die weiteste Verbreitung und unter diesen die Delphine, die in allen Meeren vorkommen und selbst Flüsse hinaufsteigen; tropisch sind speziell die Pottwale. Die Bartenwale sind ausgesprochen arktische und antarktische Tiere. Von den Flossenfüßern ist die eine Familie, nur das Walroß umfassend, arktisch-zirkumpolar. Die Ohrenrobben sind scharf nach Arten lokalisiert; sie fehlen im Atlantischen Ozean; die Seehunde finden sich in allen Meeren der kalten und gemäßigten Zone. Die Zahnarmen sind mit Ausnahme zweier Gattungen, die beide der äthiopischen Region angehören, und von denen das Schuppentier sich auch noch in der orientalischen findet, neotropische Charaktertiere. Die Beuteltiere sind Charaktertiere Australiens und finden sich sonst nur noch in Südamerika und im südlichen Teil Nordamerikas. Auf Australien, Tasmania und Neuguinea beschränkt sind die Kloakentiere, die niedersten bekannten S.

Geschichte. Einteilung.

Man kennt über 5000 Arten S., etwa 3000 fossile und reichlich 2000 lebende. Der Mensch hat die Verbreitung mancher Arten völlig geändert; auch zeigen prähistorische und paläontologische Untersuchungen, daß noch jetzt lebende Arten in frühern Zeiten zugleich mit dem Menschen in Gegenden lebten, wo sie gegenwärtig nicht vorkommen. Anderseits lebte der Mensch mit gegenwärtig ausgestorbenen Säugetieren (Mammut, Torfhirsch) zusammen. Die ältesten fossilen Reste gehören den Beuteltieren (Microlestes, Dromatherium), vielleicht auch den Kloakentieren an und finden sich in der obern Trias (im Keuper). Im Tertiär treten viele pflanzenfressende Huftiere (z. B. die Astrapotheriden), weniger Raubtiere etc. auf; doch werden letztere gegen das Ende dieser Epoche sehr zahlreich. Zu den Huftieren in Beziehung steht Pyrotherium, das älteste Säugetier Nordamerikas. Von manchen noch lebenden Säugetieren hat man die Vorfahren mit einiger Sicherheit ermittelt; namentlich gilt dies vom Pferde, das man bis zum Eocän rückwärts verfolgen konnte. Zahlreiche Funde in Nordamerika haben die frühern Anschauungen über die Verwandtschaft der großen Gruppen der S. sehr stark modifiziert. Phylogenetisch sind die S. gewiß von Reptilien, vielleicht von Formen abzuleiten, die den Theromorphen nahestanden. – Die ältere Linnésche Einteilung nach den Zehen (Zehen-, Huf- und Flossensäugetiere) ist längst aufgegeben. Jetzt unterscheidet man nach der Beschaffenheit des Mutterkuchens:


I. Alpacentalia (Säugetiere ohne Mutterkuchen).

1. Ordnung: Kloakentiere (Monotremata). Darm, Harn- und Geschlechtswerkzeuge münden in einen gemeinschaftlichen Raum, die Kloake. Kiefer schnabelförmig. Legen Eier. S. Kloakentiere.

2. Ordnung: Beuteltiere (Marsupialia). Bei dieser wie bei allen übrigen Ordnungen fehlt die Kloake. Die in sehr unreifem Zustand gebornen Jungen werden von der Mutter eine Zeitlang in dem sogen. Beutel großgezogen. Bei einigen Beuteltieren findet übrigens die Bildung einer Art von Placenta statt, indem die Allantois mit der Uterusschleimhaut der Mutter in Verbindung tritt (Parameles) oder das gleiche mit den Gefäßen des Dottersacks der Fall ist, so bei Dasyurrus viverinus. S. Beuteltiere.

II. Placentalia (Säugetiere mit Mutterkuchen).

A. Adeciduata (Indeciduata). Embryonaler und mütterlicher Teil des Mutterkuchens nur locker verwebt.

3. Ordnung: Zahnlücker (Edentata). Zehen mit Krallen, Haut teilweise mit Schuppen oder Knochenschildern, Zähne lückenhaft. S. Zahnlücker.

4. Ordnung: Wale (Cetacea). Wasserbewohner mit flossenähnlichen Vorderfüßen und wagerechter Schwanzflosse. S. Wale.

5. Ordnung:.Huftiere (Ungulata). Zehen zu Hufen umgewandelt. Magen oft sehr kompliziert gebaut; Gebiß meist vollständig, oft jedoch ohne Eck- und Schneidezähne im Oberkiefer. S. Huftiere.

B. Deciduata. Beide Teile des Mutterkuchens innig verwachsen, so daß ein Stück des mütterlichen sich bei der Geburt mit ablöst.

a) Mutterkuchen gürtelförmig. Zonoplacentalia.

6. Ordnung: Rüsseltiere (Proooscidea). Vielhufer mit langem Rüssel und mit Stoßzähnen im Zwischenkiefer. S. Rüsseltiere.

7. Ordnung: Klippschliefer (Lamnungia). Kleine Tiere mit flachen, platten Hufen, an den hintern Innenzehen mit Krallen. S. Klippschliefer.

8. Ordnung: Robben (Pinnipedia). Behaarte Wasserbewohner mit fünfzehigen Flossenfüßen, ohne Schwanzflosse. S. Robben.

9. Ordnung: Raubtiere (Carnivora). Fleischfresser mit Raubtiergebiß und starken Krallen. S. Raubtiere.

b) Mutterkuchen scheibenförmig. Discoplacentalia.

10. Ordnung: Nagetiere (Glires). Mit Nagetiergebiß und Krallen. S. Nagetiere.

11. Ordnung: Insektenfresser (Insectivora). Mit vollständig bezahltem Gebiß und Krallen. S. Insektenfresser.

12. Ordnung: Handflügler (Chiroptera). Mit Flughäuten zwischen den verlängerten Fingern der Hand und zwischen Rumpf und Gliedmaßen. S. Handflügler.

13. Ordnung: Halbaffen (Prosimii). Klettertiere mit Händen und Greiffüßen, mit behaartem Gesicht, mit Brust- und Bauchzitzen. S. Halbaffen.

14. Ordnung: Primaten (Primates). Meist mit Händen und Greiffüßen, mit kahlem Gesicht, mit zwei Brustzitzen. S. Primaten.


Die 11. und 13. Ordnung stehen einander sehr nahe und werden mit einer Anzahl ausgestorbener Gattungen auch wohl als Bunotheria zusammengefaßt. Ebenso vereinigt man auch die 8. und 9. Ordnung als Raubtiere und unterscheidet dann die Pinnipedia und Fissipedia als Unterordnungen. Endlich zieht man auch die 5., 6. und 7. Ordnung als Huftiere im weitern Sinne zusammen; hierzu geben die ausgestorbenen Zwischenformen Veranlassung. Überhaupt bedienen sich aus leicht verständlichen Gründen die Paläontologen bei der Einteilung der S. der Charaktere, die den Zähnen und Knochen entnommen sind, und gelangen so meist zu abweichenden Gruppierungen.

Vgl. Schreber, Die S. (fortgesetzt von Goldfuß und Wagner, Erlang. u. Leipz. 1775–1855, 7 Bde., 5 Suppl.); Geoffroy Saint-Hilaire und Cuvier, Histoire naturelle des Mammiferes (Par. 1819 bis 1842, 7 Bde.); Temminck, Monographies de mammalogie (Leid. 1825–41); Fischer, Synopsis mammalium (Stuttg. 1829–30); Blasius, Naturgeschichte der S. Deutschlands (Braunschw. 1857); Brehm, Illustriertes Tierleben, Bd. 1–3 (3. Aufl., Leipz. 1891); Vogt und Specht, Die S. in Wort und Bild (Münch. 1884); Murray, The geographical distribution of Mammalia (Lond. 1866); Wallace, Geographical distribution of animals (das. 1876; deutsch, Dresd. 1876, 2 Bde.); Cope, The Vertebrata of the tertiary formations of the West (Washingt. 1884); Giebel, Die S. (in Bronns »Klassen und Ordnungen«, Leipz. 1874 ff., fortgesetzt von Leche); Flower, Einleitung in die Osteologie der S. (nach 3. Aufl. [mit Gadow] deutsch, Leipz. 1888); Gaudry, Die Vorfahren der S. in Europa (deutsch von Marshall, das. 1890); Flower und Lydekker, Introduction to the study of mammals (Lond. 1891); Lydekker, Geographical history of mammals (Cambridge 1896; deutsch von Siebert, Jena 1897); W. L. und P. L. Sclater, The geography of mammals (Lond. 1899); Trouessart, Catalogus mammalium tam viventium quam fossilium (Berl. 1897–99, 6 Tle.; Supplement 1905); Max Weber, Die S. Einführung in die Anatomie und Systematik der rezenten und fossilen Mammalia (Jena 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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