- Gibraltar
Gibraltar, Halbinsel an der Südküste Spaniens, die durch die tief eingreifende Bai von Algeciras (oder von G.) gebildet wird, ist ein aus Jurakalk auf der Grundlage silurischen Schiefers bestehender Felsen, der in nordsüdlicher Richtung 4,62 km lang und 1,25 km breit ist, eine Fläche von 4,9 qkm bedeckt und bis 425 m Höhe erreicht. Während er an der Ostseite in fast senkrechten, zerklüfteten Felswänden zum Meer abstürzt und auch gegen N. mit einer schroffen Wand endigt, bildet er gegen W. eine von Schluchten durchfurchte Lehne, anderen Fuß sich die Stadt G. (s. unten) hinzieht. Mit dem spanischen Festland hängt die Halbinsel durch eine Landenge von 2 km Länge und 1,5 km Breite, den sogen. neutralen Boden, zusammen, dessen Grenze im N. ein niedriger Erdwall, la Linea, bezeichnet. An letztern lehnt sich der hiernach benannte spanische Ort (1900: 31,862 Einw.) an. Der schmale, gratähnliche Kamm der Halbinsel bildet drei Kuppen, deren mittlere (395 m) das Signalhaus trägt.
Am Südende des schroff abstürzenden Berges, der Punta de Europa (36°6' nördl. Br., 5°21' westl. L.), steht ein Leuchtturm. G., seit 1704 im Besitz der Engländer, ist von diesen in eine uneinnehmbare Festung verwandelt worden, die den Golf und die Meerenge von G. beherrscht und daher den Schlüssel des Mittelmeeres bildet. Von der Südspitze des Berges an ziehen sich gewaltige Festungswerke an dem ganzen Westsaume hin und endigen in den großartigen, in den Felsen gehauenen Galerien im N. Ein ergiebiger Süßwasserbrunnen und acht bombenfeste, 40,000 Ton. fassende Zisternen schützen vor Wassermangel. Das Klima ist sehr warm, dabei gesund, nur der Ostwind schädlich. Die Halbinsel enthält eine schöne Tropfsteinhöhle (St. Michael), eine neue wurde jüngst entdeckt. In den Klüften des O. hausen die einzigen in Europa freilebenden Affen (der nordafrikanische Inuus ecaudatus), die von den Engländern sorgfältig gehegt werden.
Die Stadt und Festung G. liegt terrassenförmig am Westabhang der Halbinsel, an der Bai von Algeciras, hat mehrere Kirchen verschiedener Konfessionen, schöne Promenaden, darunter die mit tropischen Gewächsen geschmückte Alameda am Südende der Stadt, und zahlreiche Villen mit Gärten. Eine Straße führt nach S. am Bergabhang zwischen den Festungswerken, Kasernen und Magazinen bis zur Punta de Europa. Mit der Signalstation (s. oben) steht G. durch eine Hängebahn (Luftbahn) in Verbindung. Es besteht Dampfschiffsverkehr mit Algeciras, von wo die Eisenbahn Algeciras-Bobadilla ins Innere Spaniens führt. An der Nordseite der Stadt liegen die Artilleriekaserne und das maurische Kastell, jetzt Militärgefängnis.
G. ist Sitz des englischen Gouverneurs und eines anglikanischen Bischofs, hat zwei Gerichtshöfe, mehrere Schulen, eine Bibliothek, ein Theater, ein Marine- und ein Zivilhospital und (1901) mit der Garnison (7105 Mann) 27,460 Einw., unter denen das spanische Element vorherrscht. In G. befinden sich zahlreiche auswärtige Konsulate, darunter auch ein deutsches. Der Schiffsverkehr der Reede von G. belief sich 1901 auf 3815 ein- und 3693 auslaufende Schiffe von 4,171,350, bez. 4,159,272 Ton. Die Einfuhr aus dem Mutterlande betrug 1900: 814,522 Pfd. Sterl., die Ausfuhr dorthin 48,756 Pfd. Sterl. Nach Spanien wird starker Schleichhandel getrieben.
Geschichte. Der Felsen von G. war schon in ältester Zeit unter dem Namen Calpe als eine der beiden Säulen des Herkules (die andre ist der Felsen von Avila bei Ceuta) bekannt. Die Römer gründeten hier eine Kolonie, Colonia Julia Calpe. Als 710 und 711 die Mauren bei ihrem Einbruch in Spanien bei G. landeten, legte der Feldherr Tarik ein festes Kastell an. Seitdem nannten die Mauren den Berg Gebel (Dschebel) al Tarik (»Fels des Tarik«), woraus der Name G. entstand. 1302 entriß der König Ferdinand II. von Kastilien die Festung den Mauren, aber schon 1333 eroberte Abu Melik, Sohn des Kaisers von Marokko, sie zurück. 1410 nahm Yusuf III., König von Granada, G. den Marokkanern ab; erst 1462 unter König Heinrich IV. ward es durch den Herzog von Medina-Sidonia den Mauren entrissen. Am 25. April 1607 erzwang der holländische Admiral Jakob Heemskerk den Eingang in den Hafen und zerstörte die in ihm liegende spanische Flotte. Im Spanischen Erbfolgekrieg landete 1704 der Admiral Rooke bei G. ein Korps von 1800 Mann englischer Truppen, das am 3. Aug. unter dem Prinzen Georg von Hessen-Darmstadt die schlecht verteidigte Festung durch einen Handstreich einnahm. Wiederholte Versuche der Spanier und Franzosen, die Stadt wiederzunehmen, scheiterten in den Jahren 1704 und 1705. Im April 1706 erklärte die Königin Anna G. für einen Freihafen. Der Utrechter Friede (1713) bestätigte England im Besitz von G., und 1729 gab auch Spanien im Vertrag von Sevilla seine Ansprüche an G. auf. Trotzdem hat es an Versuchen der Rückeroberung nicht gefehlt. Die berühmteste Belagerung Gibraltars war die von 1779–82. Verteidiger war General Elliot. Vom April bis Ende Mai 1781 warfen die Belagerer 56,760 Kugeln und 20,130 Bomben, die zwar die Stadt in einen Schutthaufen verwandelten, die Festungswerke aber nur wenig beschädigten. Dafür zerstörte Elliot in der Nacht vom 26. zum 27. Nov. 1781 die von den Spaniern errichteten Batterien; im März 1782 erhielt er von der See her Verstärkung, aber im Juni langte auch der Eroberer von Menorca, Herzog von Crillon, mit 8000 Franzosen im Lager an. Schon vorher hatten die Spanier zu Algeciras bombenfeste schwimmende Batterien nach der Idee des französischen Ingenieurs d' Arcon errichtet, die aber von den Engländern in Brand geschossen wurden. Trotzdem eröffnete der Herzog 9. Sept. den Sturm, hatte aber keinen Erfolg. Obgleich dann Franzosen und Spanier eine Flotte von 47 Linienschiffen und 10 schwimmenden Batterien und ein Landheer von 40,000 Mann vor G. vereinten, blieben alle ihre Anstrengungen vergeblich, und als die Festung durch Admiral Howe Zufuhr erhielt, hoben die Verbündeten Ende Oktober die Belagerung auf, und der Friede von 1783 bestätigte die Engländer im Besitz von G. Seitdem ist G. in allen englisch-spanischen Kriegen nur beobachtet worden. In neuerer Zeit war G. stets ein Einigungspunkt für die spanischen Liberalen (1831 fand von hier aus die Landung des Generals Torijos statt) und während des Karlistenkriegs ein sicherer Waffenplatz für die Cristinos. Obwohl England enorme Summen auf die Unterhaltung Gibraltars verwendet hat, so nimmt doch seine strategische Bedeutung gegenüber der modernen Waffentechnik immer mehr ab. Vgl. Drinkwater, History of the siege of G. (Lond. 1785, neue Ausg. 1861). Gilbard, History of G. (Gibr. 1882); »G. and its sieges, with a description of his natural features« (neue Ausg., Lond. 1892); Field, G. illustrated (das. 1889); Bowles, G., a national danger (das. 1901); Wachs, Schlaglichter auf das Mittelmeer (Berl. 1898). Die Geschichte Gibraltars behandelten noch Timaeus (Dessau 1808), Montero (Cadiz 1860) und Tubino (Sevilla 1863).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.