- Montenegro
Montenegro (serb. Crnagora, spr. zrnagōra, türk. Karadagh, »schwarzes [d.h. wildes, ungastliches] Gebirge«), unabhängiges slaw. Fürstentum am Adriatischen Meer, zwischen der Südspitze Dalmatiens, der Herzegowina, Altserbien und Albanien (s. Karte »Bosnien etc.«), liegt zwischen 43°211/2´-41°52´ nördl. Br. und 18°27´-20°5´ östl. L. Der größte Teil von M. wird von dem als dinarisches Faltengebirge bezeichneten Kettengebirge eingenommen, das aus mehreren von NW. nach SO. gerichteten Ketten mit dazwischen liegenden Hochflächen und tiefen Flußtälern besteht. Im westlichen Teil, der eigentlichen Crnagora, sowie im W. der Brda, einem ein förmigen, wasserarmen Karstplateau, bestehen die breiten, flach gelagerten Falten wie in Dalmatien wesentlich aus Trias- und Kreidekalk mit eingelagerten Sandsteinen und Schiefern, im Küstenlande (Primorje) auch aus tertiären Gesteinen; erst im O. der Brda treten reich gegliederte triadische und jurassische Schichten, auch paläozoische Schiefer und Sandsteine auf, die vielfach von porphyrischen Eruptivgesteinen durchbrochen werden. Im Unterlauf der Zeta und Morača sowie am Nordostufer des Scutarisees finden sich ausgedehnte quartäre Bildungen. Hier findet sich die dichteste und wohlhabendste Bevölkerung, hier gestattet die zweimal jährlich stattfindende Ernte Ausfuhr, während das übrige M. einführen muß. Doch erzeugen die Überschwemmungen des Scutarisees Sümpfe und Fieber. Was die Höhenverhältnisse anlangt, so erhebt sich im Küstengebirge die Rumija zu 1593 m, der Lovéen westlich von Cetinje zu 1759 m und der Njegoš, in den Banjani, zu 1725 m. Höher und steiler sind die Gebirge in der Brda: Durmitor, das höchste Gebirge Montenegros, in der Cirova Pecina 2528 m, Kučki Kom 2490 m, Sto 2268 m, Gradiste 2216 m, Jablanov Vrh 2203 m, Maganik 2142 m, Zijovo 2133 m etc. Von Ebenen umschließt M. namentlich die Zeta (55 qkm), die von Nikšić (48 qkm) mit der Zupa Niksička im Gračanicatal, die an der untern Morača (220 qkm), die im höchsten Grade fruchtbare Crmnica-Ebene, früher die Hauptkornkammer Alt-Montenegros, und mehrere kleinere.
Soweit M. kein oberirdisch abflußloses Karstland ist, wird es durch tief eingegrabene Flußtäler zerschnitten und ist schwer zugänglich. Die Drinazuflüsse Tara, Piva und Lim entwässern es zur Donau und zum Schwarzen Meer, die Zuflüsse des Scutarisees, Morača, Zeta und Rijeka (s. diese Artikel), zum Adriatischen Meer. Von Seen gehört außer zahlreichen kleinen Gebirgsseen zu M. der Gornje Blato und die ganze Nordwesthälfte des Scutarisees.
M. hat in seinem südlichen, niedrigern Teil subtropisches (Extreme in Cetinje 34° und -15°), landeinwärts mehr und mehr kontinentales Gebirgsklima; es grenzt an das regenreichste Gebiet Europas. Der meist nur zur Weide benutzbare Karst hat stellenweise im Frühling Rasen und Blumen, die aber im Sommer rasch verdorren. Weiter verbreitet ist der Buschwald (Eiche, Esche, Ahorn, Zwergholunder, Buchen, Wacholder, Zürgelbaum). Die ehemaligen Buchen- und Fichtenurwälder sind großenteils ausgerodet, der Ackerbau (Mais, Kartoffeln) auf Kesseltäler u. größere Dolinen beschränkt. Das Schiefergebiet, an die deutschen Mittelgebirge erinnernd, hat große Wälder (besonders Buchen, unter 800 m Eichen, über 1300 m Nadelhölzer) und einen zusammenhängenden Grasteppich. Angebaut werden Apfel-, Birn-, Pflaumen-, Nußbäume, Tabak, Getreide, Mais, Kartoffeln, Melonen, Wein. Im Alluvial- und Küstengebiet finden sich Feige, Ölbaum, Weinrebe, Getreide, Granate, Mandel, Maulbeerbaum, Quitte, Sumach. Daneben tritt immergrüne Macchia auf, Gebüsch von Oleander, Lorbeer, Myrte, Erika, Spartium, Kermes- und Steineichen etc.
Armer als die Flora ist die Fauna. An wilden Tieren begegnet man noch, aber selten, Bären, Wölfen, Wildschweinen, Rehen und Hafen. Von Vögeln sieht man viele Kuckucke, dann Raben und Rebhühner; reicher ist die Vogelwelt im O. Von Fischen gibt es Forellen, Karpfen, Aale, Barsche, besonders aber Skoranzen, die den Scutarisee und die in ihn mündenden Flüsse beleben und deren Fang reichen Ertrag abwirft. Offiziell wird der Flächeninhalt Montenegros zu 8433 qkm angegeben; doch beträgt er nach einer privaten Berechnung 9080 qkm (164,9 QM.), auf denen (1896) 227,841 Einw., überwiegend griechisch-orthodoxen Glaubens (nur 12,924 meist albanesische Katholiken und 13,840 Mohammedaner, ebenfalls vorwiegend Albanesen), leben, also 25 auf 1 qkm. Dazu 6000 im Ausland, meist in Österreich, der Türkei, Rußland, Serbien lebende Montenegriner. Auch in Alexandria und San Francisco gibt es kleine montenegrinische Kolonien.
Die Montenegriner (serb. Crnogorac, Plur. Crnogorci) sind mit Ausnahme der obengenannten Albanesen Serben, aber zum Teil stark mit fremdem, besonders albanesischem Blut gemischt, namentlich die Kuči. Sie bekennen sich zum griechisch-orientalischen Kultus und sprechen das Serbische mit größter Reinheit. In physischer Beziehung zeigt sich ein Unterschied zwischen den blonden Bewohnern der Brda und der übrigen Bevölkerung, die brünett ist. Das geistliche Oberhaupt ist der russische Kaiser; im Lande besitzt der Metropolit (Vladika), dessen Sitz Cetinje ist, die höchste geistliche Würde. Ihm unterstehen die 16 Klöster des Landes, deren älteste und berühmteste diejenigen von Cetinje, Ostrog und Morača sind. Haupt der Katholiken ist der katholische Erzbischof von Antivari. Die Montenegriner sind ein ungemein kräftiges, kriegerisches Volk, dessen Bildung zwar noch auf ziemlich tiefer Stufe steht, das aber bedeutende Naturanlagen besitzt und mit dem rasch zunehmenden Schulbesuch schnelle Fortschritte macht. Die Nahrung ist einfach. Die Häuser sind im steinigen Alt-Montenegro von Stein, in der waldreichen Brda meist aus Holz Alles ist noch patriarchalisch; der Familienälteste führt die Regierung über die ganze, oft 50, 100–300 Köpfe starke Familie. Mehrere Familien bilden eine Bruderschaft (bratstvo), mehrere derselben ein Dorf (selo) oder einen Stamm (pleme), deren mehrere eine Nahija bilden, von denen es acht gab. Heute machen die Stämme den Kapetanien (s. unten) Platz.
Urproduktion, Industrie und Handel befinden sich im Stadium fortschreitender Entwickelung. Die Montenegriner leben hauptsächlich von der Viehzucht, die auch für die Ausfuhr liefert; die Hauptackerbaugebiete sind Süd-Montenegro, die Zetaebene und Crmnica-Niederung. Sonst ist der Ackerbau trotz eifriger Bodenausnutzung wegen der Gebirgsnatur des Landes gering, so daß viel Getreide eingeführt werden muß. Hauptausfuhrartikel sind Hammel und Ziegen, dann Käse, Fische (im Scutarisee wird lebhafter Fischfang betrieben), geräuchertes Hammelfleisch (Kastradina), Rindvieh, Sumachholz, Wolle, Häute, Honig, Wein, Tabak und Obst. Der Viehstand betrug bisher 350,000 Schafe und Ziegen, 60,000 Rinder, 8000 Schweine, 3000 Pferde, 30,000 Bienenstöcke, hat aber durch anhaltende Mißjahre gelitten. Abbauwürdige Manganitlager und Schwefelkiessunde sind im Küstengebirge und bei Nikšić nachgewiesen. Die Gewerbe befinden sich meist in der Hand von Ausländern, größtenteils Albanesen. Der Handel geht vorwaltend über Cattaro, wie M. überhaupt wirtschaftlich fast ganz von Österreich abhängt, neben dem noch Italien in Betracht kommt. Die Einfuhr (Getreide, Salz, Petroleum, Kaffee, Eisenwaren, Munition) wertete 1904: 3,107,000, die Ausfuhr 2,918,000 Kronen. Die Handelsflotte zählte 1901 einen Dampfer und 16 Segler über 50 Ton. von zusammen 3647 T. (netto). Zur Förderung des Handels ist in Nikšić eine Bank gegründet worden. Vom Werte der Waren werden 8 Proz. Einfuhrzoll erhoben. Österreichische und türkische Maße und Gewichte sind im Gebrauch, wie auch ein selbständiges Münzwesen fehlt. Das Umlaufsmittel bildet österreichisches Papier- und Metallgeld, daneben türkische und russische Münzen, auch französisches und englisches Gold, dessen Tauschwert die Regierung von Zeit zu Zeit feststellt. Fahrstraßen verbinden Cattaro mit Cetinje, Rijeka, Podgorica, Danilovgrad und Nikšić, Rijeka mit Virpazar und Antivari, Podgorica mit Plavnica am Scutarisee, Danilovgrad mit Cetinje über Cevo. Teils fertig, teils im Bau begriffen sind Fahrstraßen im Becken von Nikšić und im Moračatal (nach Kloster Morača und Kolašin); sonst gibt es nur Reit- und Fußwege. Telegraphenlinien existieren in einer Länge von 620 km (Drahtlänge 796 km) mit 20 Stationen. Postämter gibt es 18, die wöchentlich zweimal miteinander Verbindung haben. Auf dem Scutarisee gehen Dampfer der Montenegrinischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft. Der Bau einer 160 km langen, elektrisch betriebenen Eisenbahn von Antivari nach Nikšić ist geplant. Das Schulwesen steht auf einer erfreulichen Stufe. Die erste Schule war 1834 gegründet worden, zwei andre folgten in den 1850er Jahren nach. Heute besitzt M. ein Gymnasium, ein Priesterseminar, ein höheres Mädcheninstitut (alle in Cetinje) und 120 Volksschulen. In Cetinje und Nikšić befinden sich Druckereien.
Was die Staatsverhältnisse betrifft, so war M. zuerst ein absolutes Fürstentum, dann (1516) ein theokratischer Staat, der vom Vladika (Bischof) regiert wurde. 1852 erklärte Fürst Danilo I. ausdrücklich M. zu einem erblichen, absoluten Fürstentum nach dem Rechte der männlichen Erstgeburt in der Familie Petrović-Njegos (s. unten, S. 98 u. 99). Der Fürst hat eine Zivilliste von 100,000 Gulden, der Kronprinz eine solche von 25,000 Gulden. Die Regierung kommt dem Fürsten zu, der über Krieg und Frieden entscheidet, Verträge schließt und das Recht über Leben und Tod hat. 1905 hat M. eine neue konstitutionelle Verfassung mit einem Parlament erhalten, dessen Vertreter das Volk wählt. Der Staatsrat besteht aus einem Präsidenten, den Ministern und besonders ernannten Senatoren und steht dem Fürsten ratend zur Seite. Im März 1879 wurde das erste verantwortliche Ministerium (aus sechs Ministern: für Justiz und Kultus; Inneres, Handel und Bauten; Auf;eres; Krieg; Finanzen; Unterricht) gebildet. M. zerfällt in 21 Bezirke mit 83 Kapetanien; jeder Kapetan hat die militärische, politische, richterliche, polizeiliche etc. Leitung seines Bezirks. Die Rechtspflege ist trotz der Gemeindegerichte, der als Bagatellrichter fungierenden Kapetane, der zehn Kreisgerichte und des Obergerichts in Cetinje und trotz des neuen, von Professor Bogišić verfaßten Gesetzbuches noch sehr primitiv; sehr oft wird direkt an den Fürsten appelliert. – Nach Artikel 29 des Berliner Vertrags von 1878 verpflichtete sich M., keine Kriegsschiffe zu halten, seine Gewässer den Kriegsschiffen aller Nationen zu verschließen, die Hafen- und Gesundheitspolizei längs seiner Küste durch Organe Österreich-Ungarns ausüben zu lassen und die in Dalmatien geltende Seegesetzgebung anzunehmen, wogegen Österreich-Ungarn der montenegrinischen Handelsflagge seinen Konsularschutz zusichert. Die Einnahmen Montenegros beliefen sich 1902 aus Miet-, Grund- und Viehsteuer (717,154 Kronen), Spiritus-, Petroleum-, Pulver-, Salz- und Tabakmonopol (280,000 Kronen), Zöllen (417,510 Kronen) und andern Einnahmen (348,660 Kronen) auf 1,763,324 Kronen. Dazu kommen russische und österreichische Subventionen. Die Ausgaben waren ebenfalls auf 1,763,324 Kronen veranschlagt. Die Staatsschuld beträgt 1,920,000 Kronen. – An der Spitze des auf dem Milizsystem beruhenden Heeres steht der Fürst, das Kommando führt der Erbprinz. Es bestehen im Frieden: 2 Lehrbataillone, 2 Lehrbatterien als Cadre, untergebracht in Cetinje und im Sommerlager bei Morakovo; erstere bilden jährlich dreimal je 400 Mann vier Monate lang, letztere 80 Mann sechs Monate lang aus. Die Kriegsstärke der Armee soll 50,000 Mann betragen, die in eine Gardebrigade, 8 Infanteriebrigaden und eine Artilleriebrigade eingeteilt werden. Es sollen 58 Bataillone und 9 Batterien nebst einer Eskadron Reiterei aufgestellt werden. Das Wehrgesetz ordnet die allgemeine Wehrpflicht an, und zwar im ersten Aufgebot vom 20.–45., im zweiten vom 16.–20., im dritten vom 45.–60. Lebensjahr. Es werden auch die Frauen zum Verwaltungs-, Verpflegungs- etc. Dienst im Kriege herangezogen. Das Land ist in zehn Verwaltungs- und Militärbezirke eingeteilt, deren jeder ein Zeughaus mit den Waffen- und andern Vorräten für den Kriegsfall hat. Das Kriegsministerium hat vier Sektionen (für allgemeine Angelegenheiten, artilleristische, Generalstabs- und Administrationssachen). Im Budget für 1902 betrugen die Ausgaben für Heereszwecke 186,320 Kronen. Bewaffnung: für Infanterie 30,000 vom Kaiser von Rußland geschenkte Dreiliniengewehre, 80,000 Gewehre verschiedener Konstruktion, für Artillerie 12: 7,5 cm-Feldgeschütze von Krupp, 4: 12 cm-Kanonen, 2: 15 cm-Mörser neuer Konstruktion und 50: 7,5 cm-Gebirgsgeschütze. Vgl. Internationale Revue über die gesamten Armeen und Flotten (Dresd., jährlich); Loebells Jahresberichte (Berl. 1905). In Rijeka bestehen eine Waffenfabrik, Kugelgießerei und Pulvermühlen, in Cetinje eine Patronenfabrik. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den Kapetanien dienen die Gendarmen. Von fremden Staaten unterhalten Vertreter in M.: Großbritannien, Serbien, Griechenland und Bulgarien einen Geschäftsträger; Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn, Rußland und Deutschland (seit 1906) Ministerresidenten, Österreich auch einen Vizekonsul in Antivari, die Türkei einen außerordentlichen Gesandten, dazu Konsuln in Podgorica und Antivari. Das Wappen Montenegros (s. Tafel »Wappen II«, Fig. 11) besteht aus einem silbernen goldbewehrten, von einer Kaiserkrone überhöhten Doppeladler im roten Feld. In den Fängen trägt er Schwert und Zepter sowie den Reichsapfel. Auf der Brust des Doppeladlers ruht ein blauer Schild mit einem auf grünem Boden schreitenden goldenen Löwen. Die Flagge (s. Tafel »Flaggen I«) ist dreimal von Rot, Blau und Weiß gestreift und trägt die Initialen H. I. (= Nikolaus I.) unter einer Krone; alles in roter Tinktur. Nationalfarben sind: Rot, Blau, Weiß. An Orden bestehen der 1853 von Danilo gegründete Orden »Danilo I., für die Unabhängigkeit der schwarzen Berge«, in fünf Klassen, und der »Hausorden«, ursprünglich nur für die fürstliche Familie Montenegros bestimmt, zuweilen aber auch an andre Fürstlichkeiten verliehen. Sonstige Ehrenzeichen sind die »Obilića«, eine goldene Medaille mit dem Bilde des Milos Obilić, für Taten außergewöhnlichen Heldenmuts; die silbernen Medaillen »Za vjeru i slobodne« (»Für Religion und Freiheit«), »Za junaštvo« (»Für Heldentum«), die goldene Medaille »Za Revnost« (»Für Eifer«). Vgl. Müller v. Müllersheim und Schöppl, Les ordres et les décorations de la principauté de M. (Wien 1897). Hauptstadt ist Cetinje (3000 Einw.), Sommerresidenz meist Nikšić.
[Geschichte.] Das Gebiet des jetzigen Fürstentums M. bildete im 14. Jahrh. das Fürstentum Zeta, das vom slawischen Groß-Serbien abhängig war. Als letzteres 1389 unter das türkische Joch fiel, flüchteten mehrere Plemena (Stämme) der Serben nach den Wäldern Zetas; ihre Geschichte ist eine endlose Reihe von Unabhängigkeitskämpfen gegen die Türken. Nach dem Erlöschen ihrer stark mit Venedig verknüpften Fürstenfamilie Balšići (1362–1421) wählten sie den tapfern Stephan Crnogorac, dessen Nachkommen sich Crnojevići nannten, zu ihrem Woiwoden, nach dem das Land (zuerst 1435) »Crnagora« (oder M.) geheißen wurde; er gründete zwei Handelsplätze an der Küste des Adriatischen Meeres und schloß mit Venedig ein Schutz- und Trutzbündnis gegen die Türken. Auch sein Sohn Iwan, noch hochgefeiert in Volksliedern, lebte im beständigen Kleinkrieg mit diesen; (1478 oder) 1485 gründete er, selbst in Zabljak residierend, das Kloster Cetinje, das seit 1528 Residenz ist. Mit der Abdankung Georg Crnojević', der in Rijeka und Ohod residiert hatte, zugunsten des ersten geistlichen Würdenträgers (Metropoliten) Vavil (1516) beginnt die Reihe der geistlichen Herrscher (Vladiken) des Landes. Doch waren die einzelnen Plemena fast unabhängig und befehdeten sich untereinander; Staniša und Maxim Crnojević nahmen sogar den Islam an. Die türkische Herrschaft machte dieser Uneinigkeit wegen auch in M. große Fortschritte; M. war um 1530 dem Sandschak von Scutari untergeordnet. Erst der Vladika Danilo Petrović aus dem Pleme Njegoš, der am 23. April 1696 die Herrschaft übernahm, machte dem ein Ende. Er verjagte oder tötete alle Nichtchristen (1707), schloß außer mit Venedig 1711–15 auch mit Rußland ein Bündnis und stellte sich, nachdem er 1711 das Vladikat in seiner Familie erblich gemacht, einen Gubernator zur Seite, der indes, auf Österreich gestützt, bald mit dem Vladika (gest. 1735) in Streit geriet. 1767 fand ein Abenteurer aus Kroatien, Stephan Mali, der sich für den erdrosselten Zaren Peter III. von Rußland ausgab, in M. Anhang und verteidigte es gegen den Pascha von Rumelien und Bosnien, verlor aber 1774 in einer Empörung das Leben. Infolge der Manifeste, die Joseph II. von Österreich und Katharina II. von Rußland 1788 an die Montenegriner erließen, ergriffen diese die Waffen und beschäftigten 50,000 Türken bis 1791, wurden aber in dem Friedensschluß von Sistowa (4. Aug. 1791) trotz aller Versprechungen nicht berücksichtigt. Nun folgte eine lange Zeit der Ruhe, die der nachmals heilig gesprochene Vladika Peter I. Petrović (1782–1826) zur innern Ordnung des Landes benutzte. Er stiftete Frieden zwischen den verfehdeten Stämmen, erweiterte die Befugnisse des obersten Gerichtshofs, erließ 1796 ein Militärrecht und 1798 das Grund- und Staatsgesetzbuch (Zakonik) von M. Doch blieb das neue Staatsrecht ein toter Buchstabe, da die Montenegriner keine Steuer bezahlen wollten, und das Gubernatoramt bestand weiter. Kriegslustig wie immer, nahmen die Montenegriner an den Kriegen Rußlands gegen die Franzosen und Türken 1805–07 und 1810–14 lebhaft teil; Peter eroberte 1812 die Bocche di Cattaro. Sein Nachfolger wurde 17. Okt. 1830 sein Neffe, der in Petersburg gebildete, dichterisch veranlagte Peter II. Petrović. Er richtete sofort eine regelmäßige Regierung ein, bestehend aus einem Senat von 12 Personen und einer Guardia von 150 Mitgliedern; der letzte Gubernator, Vuk Radonić, wanderte nach Cattaro aus. Der Zakonik Peters I. wurde von neuem für gültig erklärt und eine Klassensteuer eingeführt. Wiederholte Kämpfe mit den Türken seit 1840 endeten in der Regel mit dem Sieg der Bergbewohner; doch konnten ihre Eroberungen nicht behauptet werden. Ein schwerer Verlust traf die Montenegriner durch die Wegnahme der Inseln Vranina und Lesendra durch die Albanesen, die seitdem die wichtige Fischerei auf dem See von Scutari störten. Nach dem Tode Peters II. (31. Okt. 1851) folgte sein Neffe Danilo I. Petrović Njegoš (s. Danilo). Er verzichtete 21. März 1852 auf seine geistliche Würde und erwirkte von dem russischen Kaiser und von Österreich die Anerkennung seines rein weltlichen erblichen Fürstentitels. Er erließ 1855 ein neues erweitertes Gesetzbuch (Zakonik kneza Danila), führte eine Grundsteuer sowie eine auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht ruhende Militärordnung ein und schaffte die erbliche Kriegerwürde ab. 1852–54 führte er (zu gleicher Zeit mit dem Krimkrieg) mit der Türkei einen erbitterten Krieg, während dessen es ihm gelang, Aufstände im Innern zu unterdrücken und bei Grahovo mehrere Siege davonzutragen. Kommissare der Großmächte stellten endlich die Grenzen des neuen Fürstentums fest. Am 12. Aug. 1860 wurde Fürst Danilo von dem Montenegriner T. Kadić aus Rache meuchlerisch durch einen Pistolenschuß verwundet, an dessen Folgen er am nächsten Tage starb, worauf sein Neffe Nikola als Nikolaus I. Petrović (s. Nikolaus 1) zum Fürsten von M. ausgerufen ward. Unter diesem kam es infolge vielfacher Parteinahme Montenegros für die von der Türkei abgefallene Herzegowina 1862 wieder zum offenen Krieg mit der Pforte. Die Türken überschritten die Grenze Montenegros, trugen bei Ostrog (10. Juli) und Rijeka (24.–25. Aug.) entscheidende Siege davon und besetzten Anfang September Cetinje; im Frieden vom 13. Sept. wurden mehrere Punkte an der Straße von der Herzegowina nach Scutari durch das Innere Montenegros türkischen Besatzungen eingeräumt (bis 1870). Ein Vertrag vom 21. Aug. 1864 regulierte sodann die Grenzen. Im Oktober 1866 überließ der Sultan dem Fürsten Nikolaus den Landstreifen von Novoselo. Gleichzeitig mit Serbien begann 1. Juni 1876 M. wieder Krieg gegen die Türkei. Nikola rückte mit 15,000 Mann gegen Nevesinje vor, ward zwar zum Rückzug genötigt, brachte aber 28. Juli dem allzu eilig verfolgenden Muchtar Pascha bei Vuči Do eine empfindliche Niederlage bei. Da die Türken nun ihre Hauptkraft gegen Serbien wandten, konnte M. 21. Okt. Medun erobern. Das Einschreiten Rußlands zugunsten Serbiens machte auch dem Krieg zwischen der Türkei und M. ein Ende. Die Konferenz der europäischen Großmächte beantragte im Januar 1877 für M. eine ansehnliche Gebietserweiterung, die jedoch die Türkei ablehnte. Daher begann im Juni d. J. der Krieg von neuem. Suleiman Pascha drang von Norden her durch den Dugapaß in M. ein, erlitt aber bei den neuntägigen Kämpfen im Zetatal schwere Verluste. Da auch die Pforte ihre Truppen gegen die Russen notwendig brauchte und abberief, konnten die Montenegriner ihrerseits angriffsweise vorgehen. Fürst Nikola zwang 8. Sept. Nikšić zur Übergabe, nahm Spizza und im Januar 1878 Antivari. Im Berliner Vertrag vom 13. Juli d. J. wurde darauf die vollständige Unabhängigkeit Montenegros anerkannt. Es erhielt einen so erheblichen Zuwachs an Gebiet (5100 qkm), daß es sich mehr als verdoppelte; wertvoll war namentlich der Erwerb von Nikšić, Podgorica und Antivari, wozu 1880 anstatt der albanesischen Distrikte Gusinje und Plava Hafen und Gebiet von Dulcigno kamen (vgl. Hassert, Die natürlichen und politischen Grenzen von M., in der »Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde«, Berl. 1895). 1879 verwandelte der Fürst den alten Senat in einen Staatsrat. Die Beziehungen zur Türkei waren seitdem friedlich, ja freundschaftlich; 1883 und 1900 stattete sogar der Fürst dem Sultan einen Besuch in Konstantinopel ab.
Die Kosten der Feier des 200jährigen Bestehens des Herrscherhauses, die im Sommer 1896 als eine großserbische mit viel Pomp geplant war, sind wegen der Armut des Bergvölkchens durch den Fürsten zur Milderung der Not verwandt worden. Geldverlegenheiten waren der Grund zu einer erheblichen Verstimmung mit Österreich. Anfang 1900 hatte der montenegrinische Postdirektor Sp. Popović (Anfang Oktober 1902 Opfer eines Mordanfalls) mehrere hunderttausend Mark, die nach einer viertel jährlichen Abrechnung an die österreichisch-ungarische Postverwaltung zu zahlen gewesen wären, auf höhern Befehl andern Zwecken zur Verfügung gestellt; da die vom Finanzminister Nik. Matanović (entlassen Anfang 1903) versprochene Regelung unterblieb, so brach Österreich Ende des Jahres den Postanweisungsverkehr mit M. ab. Der russische Zar ließ sich durch den Obersten Sumarakow über die montenegrinische Geldgebarung Bericht erstatten und half seinem finanziell bedrängten Freund, der sich im Dezember 1901 dafür persönlich in Petersburg bedankte, noch einmal aus. Das Verhältnis von M. zum türkischen Reiche blieb trotz niemals erlöschender Grenzunruhen zwischen Mohammedanern und Christen (so noch im Februar 1904 und im Juni 1905) leidlich; die Übernahme einer montenegrinischen Schuld von 70,000 türk. Pfund seitens des Sultans (1903) verbürgte die Neutralität Montenegros auch während der heftigsten Balkanwirren, ein Verdienst des damaligen Ministers des Äußern (gegenwärtigen Kriegsministers) Gavro Vuković. Der 1883 mit Italien abgeschlossene Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag, der am 31. Dez. 1900 erlöschen sollte, wurde Ende 1900 verlängert. Doch den Ausdehnungsgelüsten Italiens auf einen Punkt am Ostrande der Adria (Avlona) stand M. trotz der Verschwägerung der beiderseitigen Dynastien skeptisch gegenüber. Die zwischen dem Vatikan und M. lange schwebende Angelegenheit des San Girolamo-Instituts wurde im März 1902 durch eine päpstliche Note geregelt, wonach das Institut fürderhin Collegium Hieronymianum Illyricorum heißen und der Erzbischof von Antivari besondere Rechte ausüben soll. Unterm 1. Jan. 1902 traten die Trennung der Hof-von den Staatsfinanzen, ein regelmäßiger Staatshaushalt und ein Kontrollhof in Kraft. Ende desselben Jahres folgten eine einschneidende Justizreform und ein neun Rangklassen vorsehendes Beamtengesetz. Die Krone der Reformen aber bildete die Verfassung vom 19. Dez. 1905, wodurch M. in die Reihe der konstitutionellen Staaten als gleichberechtigtes Glied eingetreten ist; erster Ministerpräsident der neuen Ära ist Lazar Minsković (s. d.).
[Literatur.] Vgl. Schwarz, M., Schilderung einer Reise etc. (Leipz. 1882); Tietze, Geologische Übersicht von M. (Wien 1884); K. Hassert, Reise durch M. (das. 1893) und Beiträge zur physischen Geographie von M. (Ergänzungsheft Nr. 115 zu »Petermanns Mitteilungen«, 1895); Beck v. Mannagetta, Die Vegetationsverhältnisse der illyrischen Länder (Leipz. 1901); Wyon und Prance, The land of the Black Mountain (Lond. 1903); A. Baldacci, Zrnagora (Bologna 1897); Vinassa de Regny, Osservazioni geologiche sul M. orientale e meridionale (»Bull. Soc. Geol. Ital.«, 1902); Cvijić, Morphologische und glaziale Studien aus Bosnien, der Herzegowina u. M. (Abhandlungen der Geographischen Gesellschaft, Wien 1900); v. Haardt, Die Kartographie der Balkanhalbinsel im 19. Jahrhundert (das. 1903); Cvijić, Die Siedelungen der serbischen Lande (serb., Belgrad 1902, 2 Bde. und Atlas). Die besten Karten über M. sind: Spezialkarte von M., herausgegeben vom k. und k. Militärgeographischen Institut (Wien, seit 1893, 19 Blatt in 1: 75,000); die Blätter Ragusa, Plevlje, Scutari der österreichischen Spezialkarte von Mitteleuropa (1: 200,000). – Zur Geschichte vgl. Andrić, Geschichte des Fürstentums M. bis 1852 (Wien 1853); Milaković, Geschichte von M. (montenegrinisch, Agram 1856); Denton, M., its people and their history (Lond. 1877); Maton, Histoire du M. (Avesnes 1881); Gopčević, Der turko-montenegrinische Krieg (Wien 1877–79, 3 Bde.); Coquelle, Histoire du M. et de la Bosnie (Par. 1895); Rowinskij, M. in Vergangenheit und Gegenwart (russ., St. Petersb. 1888). Für die ältere Geschichte von M. bis 1614 wichtig ist die in der Markusbibliothek zu Venedig aufbewahrte »Relazione e descrizione del Sangiaccato di Scutari« von Mariano Bolizza.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.