Kupferstecherkunst

Kupferstecherkunst

Kupferstecherkunst (Chalkographie), die Kunst, durch Eingravieren einer Zeichnung in eine Kupfertafel eine Druckplatte herzustellen, die, in den vertieften Stellen mit Druckerschwärze eingerieben und auf der Kupferdruckpresse (s. unten, S. 842) gedruckt, ein Abbild der Zeichnung gibt. Es gibt verschiedene Manieren des Kupferstichs (s. unten), d. h. der Herstellung der Kupferstichplatte; im Prinzip des Druckverfahrens stimmen sie jedoch unter sich und mit dem sogen. Stahlstich (s. d.) darin überein, daß sie, im Gegensatz zum Holzschnitt, die Zeichnung vertieft in die Platte bringen und infolgedessen beim Druck nicht die erhabenen Stellen auf das Papier abgedruckt, sondern dieses in die allein mit Farbe ausgefüllten vertieften Stellen eingedrückt wird. Dies dem Prinzip der Buchdruckpresse entgegengesetzte Druckverfahren des Kupferstichs läßt dessen eigentliche Verwendung als Illustrationsmittel nicht zu, weil eine Kupferstichplatte nicht zugleich mit dem Text gedruckt werden kann. Doch spielt der Kupferstich und die als dessen Ersatz dienende Heliogravüre (s. d.) jetzt auch in der Buchillustration eine Rolle, indem man den Text besonders druckt und in die frei gebliebenen Stellen die in Kupfer gestochenen oder heliographisch auf Kupferplatten hergestellten Illustrationen nachträglich hineindruckt. Wichtig für den Stich sowohl als für den Druck ist die Reinheit und gleichmäßige Textur der Kupferplatte. Die Platten, deren Stärke je nach der Größe 11/2-3 mm beträgt, werden gewalzt und gehämmert oder auch auf galvanoplastischem Weg erzeugt. Letztere geben die gleichmäßigste Textur, weil sich die Metallatome auf chemischem Wege kontinuierlich miteinander zu einer Masse verbinden. Ungleichmäßige Festigkeit des Metalls, schieferige, rissige oder poröse Stellen machen die Arbeit sehr schwierig, weil sie dem Stichel weniger Widerstand leisten und nachgeben. Nach der ersten Herstellung der Platte durch Walzen und Schmieden wird die für den Stich bestimmte Seite auf dem Stein geschliffen und durch feinern Nachschliff mit Lindenkohle geglättet und poliert, so daß sie eine spiegelglatte, ebene Fläche darbietet.

Technik des Kupferstichs. Kupferdruck.

Die zahlreichen Manieren des Kupferstichs, von denen nicht selten mehrere auf derselben Platte zur Anwendung kommen, lassen sich nach dem Prinzip des Verfahrens auf dreierlei Arten zurückführen: die Linienmanier, die geschabte Manier und die Radiermanier. In der Linienmanier, der ältesten Art, wird der Kupfer stich, d. h. die Bearbeitung der Platte mit dem Grabstichel (s. d.), vorzugsweise in Anwendung gebracht. Bevor jedoch der Grabstichel sein Werk beginnt, sind noch einige vorbereitende Arbeiten, die übrigens auch bei den andern Manieren vorkommen, erforderlich, namentlich das Aufpausen der Zeichnung auf die Platte. Zu diesem Zweck wird die Platte mit einem dünnen Ätzgrund überzogen, indem man sie erwärmt und darauf eine Mischung von Mastix und Pech oder Mastix, Asphalt, Wachs und Schellack so zergehen läßt, daß sie eine dünne schwarze Schicht auf der Fläche bildet. Nun wird von der ausgeführten Zeichnung, um sie zu schonen, eine Durchzeichnung auf Öl- oder Glaspapier genommen, ein mit Rotsteinstaub angewischtes Papier mit der gefärbten Seite auf die Platte und darauf wieder die Durchzeichnung, und zwar mit der gezeichneten Seite nach unten, gelegt und dann mit einem stumpfen Stifte die Umrisse der durch das Pauspapier durchscheinenden Zeichnung nachgezogen. Hierdurch druckt sich mittels des Rotsteinstaubs die Zeichnung auf dem schwarzen Ätzgrund der Platte ab und kann nun mittels der Radiernadel entweder in die Platte selbst, so daß sie auch nach Abnahme des Ätzgrundes noch sichtbar bleibt, eingeritzt oder radiert und geätzt werden (s. unten). Nachdem dies geschehen, wird der Ätzgrund durch Erwärmung oder mit Terpentin aufgelöst und abgewaschen. Jetzt beginnt das eigentliche Stechen, indem der Kupferstecher mit dem Grabstichel, der eine dreieckig schräg abgeschliffene Spitze hat, die Schatten und Lichter der Zeichnung und die Schwingung der plastischen Formen der Figuren durch ein System von geraden und geschwungenen, teils parallelen, teils sich kreuzenden, stärkern und schwächern Lineamenten wiederzugeben versucht. Eine genaue Kenntnis der Schraffierungen, wie diese Lineamente genannt werden, mit Rücksicht auf ihre plastische Wirkung, die wiederum auf einem genauen Studium der Formen selbst beruht, ist für den Linienstecher eine unumgängliche Bedingung. Der beim Stechen, namentlich bei tiefen Schnitten, entstehende Grat oder die Barbe, wie man die etwas erhöhte zackige Kante des Schnittes nennt, muß mit dem Schabeisen (Schaber) fortgenommen werden, worauf die bearbeitete Stelle mit dem Polierstahl geglättet wird. Zu gewissen parallelen, geraden oder geschwungenen Lineamenten, namentlich in den Lufthintergründen, Meeresflächen etc., bedient man sich auch wohl der Parallelmaschine, jedoch seltener beim Kupferstich als beim Stahlstich. Korrekturen bei falschen Schnitten werden durch Zudrücken der Vertiefung mit dem Polierstahl bewirkt. Während der Linienstich bei Anwendung aller ihm zu Gebote stehenden Mittel auch die Wiedergabe der farbigen Wirkung seiner Vorlage, namentlich bei Gemälden, anstrebt, beschränkt sich der in neuerer Zeit fast ganz aus der Übung gekommene Kartonstich, gewissermaßen eine Vorstufe des Linienstichs, auf die Angabe der äußern und innern Linien und der zur Modellierung notwendigsten Schatten. Man benutzte den Kartonstich meist zur Wiedergabe von Zeichnungen. Verzichtet man gänzlich auf Schattenangaben, so heißt diese Art des Stiches, die früher namentlich bei Illustrationen von kunstgeschichtlichen und andern wissenschaftlichen Werken angewendet wurde, Kontur- oder Umrißstich.

Die geschabte Manier (Schwarzkunst, mezzo tinto) wird selten auf Kupfer, sondern meist auf Stahl, seiner Härte wegen, ausgeführt. Hier wird die ganze Platte, nachdem zuerst die Zeichnung aufgepaust und radiert ist, mit dem Granierstahl (Wiege) rauh gemacht, also in lauter Schatten verwandelt und dann die Lichter durch Schaben mit dem Schabeisen und durch Polieren mit dem Polierstahl herausgebracht. Durch dieses System entsteht eine der Kreidezeichnung ähnliche Wirkung der Platte, der jedoch von tüchtigen Stechern eine ziemlich ausgeführte Unterradierung zugrunde gelegt wird, die dem Ganzen Kraft und höhere künstlerische Schönheit verleiht. Diese Unterradierung beschränkt sich nicht auf die Umrisse, sondern bedeckt, wie bei der Linienmanier, die ganze Platte, indem sie die Zeichnung bereits, mit Ausnahme der vollen, malerischen Wirkung, in allen Details wiedergibt. Die Schabkunst wurde in den 40er Jahren des 17. Jahrh. durch den hessischen Oberstleutnant L. v. Siegen erfunden. Prinz Ruprecht von der Pfalz führte sie in England ein, wo dann namentlich im 18. Jahrh. eine Unmasse Blätter der Art, zumeist fabrikmäßig, produziert wurde, besonders Blätter nach Rembrandt. Gegenwärtig wird die Schwarzkunst nur noch in Verbindung mit Radiermanier angewendet.

Die Radiermanier (Ätzkunst), die als Vorarbeit schon bei der Linienmanier und der Schabkunst in Anwendung kommt, nimmt in künstlerischer Beziehung, wenn der Stecher sich zur Herstellung der Zeichnung auf sie beschränkt, eine eigentümliche Stellung ein, indem die meisten radierten Blätter ursprünglich nicht von Kupferstechern von Fach und nicht nach Zeichnungsvorlagen, sondern als Originalkompositionen von Meistern der bildenden Künste gefertigt werden (peintres-graveurs). Solche Radierungen sind von den berühmtesten Künstlern, wie Dürer, Rembrandt, A. van Dyck, Waterloo, Ostade, Paul Potter, Callot, Hogarth, auch von Bildhauern, wie Schadow etc., bekannt und sehr geschätzt. Diese eigentümliche Stellung der Radierung gründet sich auf ihre technische Manier, die in der Leichtigkeit und Freiheit der Stiftführung ganz der freien Handzeichnung ähnlich ist. Die zu radierende Platte wird zuerst erwärmt, dann mit schwarzem Ätzgrund überzogen, der mit dem Tampon, einem in Seide eingewickelten faustgroßen Leinwandballen, gleichmäßig auf der Fläche verteilt wird, und nach dessen Erkaltung die Zeichnung (falls eine solche als Vorlage vorhanden ist, wie beim eigentlichen Kupferstich) aufgepaust (s. oben). Demnächst wird die Zeichnung (Komposition) mit der Radiernadel, einem runden, zugespitzten Stahlstift, der die Form einer Bleifeder hat, in ganz freier Handzeichnungsmanier ausgeführt, indem nur der dünne Ätzgrund eingeritzt wird, so daß nach Vollendung der Zeichnung diese den roten Kupfergrund bloßlegt und also sich in roten Strichen auf schwarzem Grunde darstellt. Dann wird die ganze Platte mit einem festen Wachsrand umgeben und das Ätzwasser (früher meist Salpetersäure, jetzt Eisenchlorid und ähnliches) auf die Platte gegossen, das sich nun an den bloßgelegten Stellen in das Kupfer einfrißt und also die Zeichnung vertieft. Sind die leichtesten, zartesten Stellen der Zeichnung hinlänglich geätzt, so wird das Ätzwasser abgegossen, die Platte mit Wasser abgespült und diese Stellen gedeckt, d. h. vermittelst des Pinsels mit durch Terpentin aufgelöstem Deckfirnis überstrichen, damit sie bei fernerer Ätzung nicht weiter vertieft werden. In dieser Weise fährt man fort, zu ätzen und zu decken, bis man auf die am meisten zu vertiefenden Stellen gekommen ist. Schließlich wird der ganze Ätzgrund abgewaschen und, wenn es nötig ist, oder wenn man bestimmte Wirkungen erzielen will, hier und da mit der kalten Nadel oder mit dem Stichel nachgearbeitet. Die Radiermanier ging durch die Harnischmacher auf Dürer über, der jedoch nur wenige Blätter radierte (auf Eisen und Stahl, vgl. Eisenstich). Seitdem datiert ihre große Verbreitung. In unsrer Zeit hat die Radierung besonders in Frankreich, England und Deutschland einen neuen Aufschwung genommen. Sie wird sowohl von Malern betrieben, die ihre Zeichnungen selbst radieren (Malerradierer, peintres graveurs), als auch als selbständige Kunst von Radierern im engern Sinne, die alte und moderne Gemälde mit Rücksicht auf ihre malerische Wirkung reproduzieren (s. Radierung).

Alle andern Manieren sind Abarten der drei hier beschriebenen oder eine Verbindung von ihnen. Zu nennen sind folgende: die Aquatinta- oder Tuschmanier, die auf dem Prinzip des Ätzens beruht. Die Platte wird, nachdem die Umrisse der Zeichnung leicht geätzt sind, mit Kolophoniumpulver, gepulvertem Asphalt oder Harz besiebt und dann erwärmt, so daß der Staub zu einzelnen Punkten schmilzt. Dann wird mit einem Pinsel schwarzer Deckfirnis leicht auf die Stellen aufgetragen, die weiß bleiben sollen (die Lichter werden gedeckt), und demnächst die Platte geätzt. Hierauf kommen die Halblichter, Mitteltöne, Halbschatten etc., wie bei der Radierung, bis zu den tiefsten Schatten. Diese erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. von Le Prince (1768) erfundene Manier ist wieder aus dem Gebrauch gekommen. Die Punktiermanier ist eine Abart der Linienmanier und unterscheidet sich von ihr dadurch, daß statt der mit dem Grabstichel eingegrabenen Lineamente mit dem Punzen (Bunzen) Punkte ein geschlagen werden, die unterbrochene Linien in ähnlicher Schwingung wie beim Linienstich darstellen. Diese Manier wurde schon gegen das Ende des 16. Jahrh. in Nürnberg geübt. Die moderne englische Punktiermanier, die besonders beim Stahlstich angewendet wird, ist im Prinzip ähnlich, doch in ihrer Anwendung verschieden; auch wird bei ihr der Grabstichel angewendet. Die Krayonmanier (Kreidemanier oder der Kreidestich), seit Mitte des 18. Jahrh. besonders in Frankreich geübt, besteht in der Nachahmung von Kreidezeichnungen, häufig in rötlicher Farbe, wobei man sich besonders der Roulette, eines kleinen, sich drehenden Rädchens, dessen Achse in einem Stil mit Handhabe steckt, und des Mattoirs, einer Art groben Punzens, bedient. Der Farbendruck in Kupfer wird von mehreren Platten bewirkt. Er ist neuerdings durch die Franzosen wieder aufgenommen und auch für die Buchillustration verwertet worden (vgl. Farbiger Stich).

[Kupferdruck.] Wenn die Kupferstichplatte auf eine der angeführten Manieren hergestellt ist, kommt sie in die Kupferdruckpresse, die eine von der Buchdruckpresse ganz abweichende Konstruktion hat. Im wesentlichen besteht sie aus einem Gestell, das zwei wenig voneinander abstehende, verstellbare, entgegengesetzt laufende Eisenwalzen trägt, zwischen denen das zum Aufnehmen der Platte bestimmte Lauf- oder Druckbrett liegt. Man schwärzt nun die etwas erwärmte Platte ein, so daß alle Vertiefungen mit Farbstoff gefüllt sind, und reibt sie dann wieder so ab, daß nur in den Vertiefungen Farbe bleibt, die erhabenen Stellen dagegen ganz rein sind. Sodann legt man sie auf das Laufbrett und zwar mit der gestochenen Seite nach oben, darauf das angefeuchtete Kupferdruckpapier (ein aus den feinsten Leinenhadern bereitetes dickes, in der Regel ungeleimtes, im Gefüge lockeres Papier), auf dieses eine Lage von 3–4 glatten, guten Tüchern von Wolle oder eine dünne Filzdecke und zieht dann, indem die Walzen durch ein Schwungrad in Bewegung gesetzt werden, das Laufbrett mit Platte und Papier zwischen den Walzen so durch, daß das Papier mit möglichster Kraft in die Vertiefungen der Platte durch den doppelten Walzendruck hineingepreßt wird. Hiermit ist der Druck eines Exemplars vollbracht. Vor jedem neuen Abdruck muß die Platte wieder erwärmt und aufs neue eingeschwärzt werden. Das Verfahren ist also ein ziemlich langsames, bei größern Platten können täglich nur 20–25 Abdrücke gemacht werden. Eine gute Platte hält, wenn sie in Linienmanier gestochen, 1000 gute und weitere 1500 brauchbare Abdrücke aus, Radierungen nur 200–300. Um mehr Abdrücke zu erzielen, werden die Platten der letztern verstählt oder galvanoplastisch vervielfältigt. Da es demzufolge für die Qualität des Stiches sehr wesentlich ist, zu wissen, ob er dem ersten oder zweiten Tausend der Abdrücke angehört, so pflegt man die ersten 100–200 Abdrücke ohne Unterschrift zu drucken, d. h. die Unterschrift erst nach dem Abzug dieser Exemplare (avant la lettre) darunter stechen zu lassen, die deshalb wertvoller und seltener sind als die Drucke mit der Schrift. Auch unter den »avant la lettre« werden noch die sogen. Drucke auf chinesisches Papier und die Épreuves d'artiste oder Künstlerdrucke (d. h. Abdrücke mit dem eigenhändig eingravierten Namen des Stechers, mit dem Porträt des Künstlers, nach dem das Blatt gestochen ist, oder mit andern Auszeichnungen), die allerersten Abdrücke, besonders hoch geschätzt. Die folgenden Abdrücke mit der Unterschrift heißen après oder avec la lettre. Durch das Verfahren der galvanoplastischen Vervielfältigung gestochener Kupferplatten ist jedoch dieser Unterschied im Werte fast illusorisch geworden, da man, ohne von der Originalplatte selbst zu drucken, galvanoplastische Platten in beliebiger Anzahl herstellen kann. Auch das sogen. Verstählen der gestochenen Kupferplatten sichert die Herstellung einer bedeutend größern Anzahl tadelfreier Abdrücke. Um die Seltenheit der Blätter zu erhöhen, kommt es neuerdings vor, daß die Platte, nachdem eine bestimmte Zahl von Abdrücken gemacht, zerstört oder zersägt wird und die einzelnen Stücke an die Subskribenten der im voraus bestimmten Auflage verteilt werden. Außer der Unterschrift des Titels, der den Gegenstand der Darstellung bezeichnet, findet man dicht unter dem Bildrand an den Ecken und in der Mitte den Namen des Malers oder Erfinders des Bildes mit der Abkürzung pinx. (pinxit) oder inv. (invenit), des Zeichners mit del. (delineavit), des Stechers mit sc. (sculpsit) und auch wohl des Druckers und Verlegers mit imp. (impressit) oder exc. (excudit).

Geschichte des Kupferstichs.

Der Kupferstich kam um 1440, wie es scheint, im südwestlichen Deutschland auf, d. h. der oben erwähnte Papierabdruck, während man allerdings schon in den ältesten Zeiten in Kupfer Linien eingegraben hatte. Am nächsten lag diese Kunst den Goldschmieden, die ja mit dem Stichel in Metall (s. Metallschnitt) stachen, und so dürfte wohl ein solcher der Erfinder der K. gewesen sein. Die erste bekannte Jahreszahl, 1446, findet sich auf dem Blatt eines deutschen Meisters, der Geißelung, zu einer Folge von sieben Blättern aus der Passion gehörig (im Berliner Kupferstichkabinett). Dieses Blatt setzt jedoch bereits eine längere Praxis im Druckverfahren voraus. Sodann kommt ein Abendmahl mit der Jahreszahl 1457 im Britischen Museum. Eine sehr reife Technik besitzt schon der Meister »E. S.« von 1466, der im südwestlichen Deutschland lebte, und nach dem sich M. Schongauer (geb. um 1445, gest. 1488 in Kolmar), der größte Kupferstecher im 15. Jahrh., gebildet haben soll. Gegen diese sichern Daten können die italienischen Ansprüche nicht aufkommen; Vasaris Mitteilung von der Erfindung durch den florentinischen Goldschmied Maso Finiguerra, der durch den Abdruck einer Kußtafel in Niëllo (s. d.) auf den Kupferstich gekommen sein soll, ist schon deshalb unbegründet, weil nicht nachgewiesen ist, daß Finiguerra Abdrücke gemacht hat, und weil die ältesten datierten italienischen Kupferstiche (um 1477) viel unbeholfener als die frühern deutschen sind. Schongauers Vorgang war von äußerster Wichtigkeit; seine feine, saubere Technik vererbte sich auf A. Dürer (1471–1528), den großen Stecher von Nürnberg. Er versuchte sich auch auf ein paar Blättern in der Kaltenadelarbeit und in der Radiermanier. Seine deutschen Nachahmer Barthel und Sebald Beham, H. Aldegrever, A. Altdorfer (durch seine radierten Landschaften namentlich interessant, während er sonst in Reinheit des Stiches den andern nachsteht), J. Binck, G. Pencz u. a. nennt man wegen ihrer zierlichen Stichweise und des kleinen Formats ihrer Blätter die »Kleinmeister«. Sie stehen in der Zeichnung schon unter dem Einfluß der italienischen Renaissancekünstler. Eine besondere Spezialität des 16. Jahrh. sind die Ornamentstecher, die Vorbilder für das Kunstgewerbe lieferten. Von Spätern sind hervorzuheben Virgil Solis, Hirschvogel, J. Amman. Diese standen schon nicht mehr auf der alten Höhe, und nach ihnen, im letzten Drittel des 16. Jahrh., begann der Verfall der K.; die italienischen und niederländischen Stecher waren den deutschen vorausgekommen und übten entscheidenden Einfluß. Zu nennen sind: der fabrikmäßig arbeitende Matth. Merian (1593–1650), die Familie Kilian in Augsburg, W. Hollar (1607 bis 1677), der größte deutsche Stecher des 17. Jahrh., der an 4000 Stiche in eigentümlicher malerischer Manier und aus allen Gebieten künstlerischer Darstellung geliefert hat. Im Radieren begann die Rembrandtsche Manier ihren Einfluß zu gewinnen, später die französische Technik. Das 18. Jahrh. sah keinen Aufschwung: Jakob Frey (1682–1771) ist mehr zu den Italienern zu rechnen; der fruchtbare Radierer Dietrich nahm sich vornehmlich die Holländer zum Vorbild, der glänzende, aber etwas kalte G. Fr. Schmidt (1712–75) Rembrandt und die Franzosen. Ihm eiferte nach J. Georg Wille (1715–1808); dessen Schüler ist Gotth. v. Müller; auch J. Schmutzer und A. v. Bartsch in Wien sind zu nennen. Der geistvollste deutsche Kupferstecher des 18. Jahrh. ist Chodowiecki, der nur nach eignen Kompositionen stach. Ein neuer Aufschwung der K. beginnt mit dem 19. Jahrh., an dessen Schwelle Fr. Müller (1782–1816), der Schöpfer des heute noch klassischen Stiches nach der Sixtinischen Madonna, steht. In Berlin gründete Buchhorn eine Schule, aus der Mandel, der selbst wieder eine Schule gründete, Eichens, Lüderitz, Habelmann, Trossin, Jacoby, H. Meyer, O. Reim u. a. hervorgegangen sind. Außerdem sind zu nennen: Ruscheweyh, Thäter, Steinla, Caspar, Keller, J. L. Raab und Doris Raab, J. Burger, Barthelmeß, J. Felsing, Eilers, R. Stang, Steifensand, Kohlschein, Forberg, Sonnenleiter, Jasper. Die Gründung der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in Wien hat auf den Stich einen fördernden Einfluß ausgeübt. Infolge der stetig wachsenden Vervollkommnung der wohlfeilen mechanischen Reproduktionsverfahren, insbes. des Kupferlichtdrucks (Heliogravüre), ist er jedoch durch diese mehr und mehr verdrängt worden. Italien überkam den Stich wahrscheinlich aus Deutschland. Der erste bekannte Stecher ist Baccio Baldini aus Florenz, um 1470–80 tätig; andre sind Pollajuolo und A. Mantegna (1431–1506), welch letzterer die italienische K. zu höherer Entwickelung gebracht hat. Minder bedeutend sind Fogolino, Robetta, Campagnola, A. da Brescia etc., originell Jacopo de' Barbari. Nach Fr. Francias, des Malers und Goldschmieds, Zeichnungen und Malereien bildete sich Marco Antonio Raimondi (1488 bis etwa 1530), auf den auch Dürer starken Einfluß übte. Er stach zumeist nach Raffaels Vorlagen und ist durch seine edle Behandlung und die Gediegenheit der Zeichnung ein Muster für die Folgezeit geworden. Erst durch ihn erhielt der Stich auch in Italien die technische Vollendung, die er in Deutschland längst besaß. Nach Markanton bildeten sich zahlreiche Künstler: Agostino Veneziano, Marco da Ravenna, der Meister mit dem Würfel (vermutlich Benedetto Verino) u. a., auch deutsche, französische und niederländische Künstler. Giorgio Ghisi aus Mantua (1520–82) ist als der bedeutendste Meister der Folgezeit zu erwähnen. Um 1567 begann in Italien die einflußreiche Tätigkeit des Niederländers C. Cort; auf dessen Schultern stehen alle folgenden Italiener, unter denen Agost. Carracci (1557–1602) durch die Energie seiner Behandlung und die Reinheit seiner Zeichnung hervorragt. Viel Nachfolge fand des Niederländers C. Bloemaert (1603–88) glatte Manier. P. S. Bartoli (1635–1700) und die Gebrüder Aquila lieferten zahlreiche Blätter. Im 17. Jahrh. nahm die Radierkunst, die schon Markanton und Parmeggiano gepflegt hatten, das Hauptinteresse in Anspruch; Ann. Carracci, G. Reni, Ribera, S. Rosa, Castiglione haben sich darin ausgezeichnet; doch wurde die Behandlung bald zu flüchtig. Nach der Mitte des 18. Jahrh. hob sich der italienische Stich wieder, man bildete die Meister des Cinquecento mit Vorliebe nach. G. Volpato (1733–1803) ist der Vorbote des neuen Aufschwungs; sein Schüler ist der berühmte R. Morghen (1758–1833), der sich durch malerische Weichheit, die freilich oft in Flauheit übergeht, auszeichnete. Schärfer, fester ist Giuseppe Longhi (1766–1831), der bestimmenden Einfluß ausübte. Seine Schüler sind Anderloni, Garavaglia u. v. a. Nach P. Toschi (1788–1854), der namentlich Correggio meisterhaft stach, sank die italienische K. Zu nennen sind noch P. Mercurj und Calamatta. In den Niederlanden finden wir bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. gute Meister; Lucas van Leiden (1494–1533) bildete sich nach Dürer. C. Cort ging nach Italien; die Sadeler, Goltzius (1558–1616) u. a. bilden schon den Übergang zu der kraftvollen, malerischen, von Rubens gegründeten Schule, in der L. Vorsterman, P. Pontius, B. und Schelte van Bolswert hervorragen, und zu den Holländern: P. Soutman, J. Suyderhoef, C. Visscher. Neben diesem Linienstich aber entwickelte sich nun auch die Radierkunst: in Belgien sind A. van Dyck, L. van Uden, Schut und Thulden hervorzuheben; für Holland wurde Rembrandt (1606–69) entscheidend, unter dessen Einwirkung namentlich A. van Ostade steht; ferner sind Waterloo, Potter, Jacob Ruisdael, Berchem zu erwähnen. Durch G. Edelinck (1649–1707) hängt die Brabanter Schule mit der französischen zusammen. Später boten die Niederländer nichts Bemerkenswertes dar; in neuerer Zeit ist J. W. Kaiser zu nennen. Frankreich trat erst mit J. Callot (1592–1635) in den Vordergrund. Edelinck gehört halb der französischen Schule an, und seine Werke, die sich durch Vollendung des Stiches auszeichnen, wurden das Vorbild der Franzosen. Durch G. Audran, Poilly, Drevet, Masson, Nanteuil, Dorigny, die schon ins 18. Jahrh. reichen, erstieg der französische Farbenstich die höchste Höhe, um sodann zur Rokokozeit in geistreiche Spielerei auszuarten. Nachdem die Revolution einen Rückschlag herbeigeführt, schwang sich der französische Stich durch Boucher-Desnoyers, A. Martinet, Richomme, Henriquel-Dupont, Gaillard, Flameng, Jacquemart u. a. wieder empor. Insbesondere wurde die Radierung (s. d.) zu einer Höhe gebracht, die erst durch französischen Einfluß von andern Ländern erreicht wurde. In England ward die K. besonders durch W. Hollar im 17. Jahrh. gefördert; zu gleicher Zeit drang auch die Schwarzkunst ein, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. alles beherrschte (Faber, Earlom, Green u. a.). Doch leisteten R. Strange (1721–92), der besonders nach Tizian stach, und W. Sharp im Linienstich sehr Gutes. Neuerdings ist die Radierung in den Vordergrund getreten. Der Italiener F. Bartolozzi (1728–1813) brachte die oberflächliche Punktiermanier in Ausnahme. Die Erfindung des Stahlstichs in England war der Kunst nur schädlich, da eine massenhafte Fabriktätigkeit begann und auch der moderne englische Kupferstich einen kalten, geleckten Anstrich bekam. Auch in Spanien blieb die K. auf einer niedrigen Stufe stehen. Dagegen lieferten A. Cano, Murillo, Goya u. a. sehr geschätzte Radierungen.

[Literatur.] Vgl. Bartsch, Peintre-graveur (Wien 1802–21, 21 Bde.; neue Ausg., Leipz. 1866–1870), und die sich anschließenden Werke von R. Weigel, Passavant, R. Dumesnil, Baudicour, Andresen, Ph. van der Kellen, Hippert und Linnig; Perrot, Manuel de gravure (Par. 1830); Léon de Laborde, Histoire de la gravureen manière noire etc. (das. 1839); Ch. Leblanc, Manuel de l'amateur d'estampes (das. 1850–90, 4 Bde.); Naumann und Weigel, Archiv für die zeichnenden Künste (Leipz. 1855–1871); Andresen-Wessely, Handbuch für Kupferstichsammler (das. 1870–74, 2 Bde.); Wessely, Anleitung zur Kenntnis und zum Sammeln der Werke des Kunstdrucks (2. Aufl., das. 1886) und Geschichte der graphischen Künste (das. 1891); Hymans, Histoire de la gravure dans l'école de Rubens (Brüssel 1879); A. Rosenberg, Der Kupferstich in der Schule und unter dem Einfluß des Rubens (Wien 1888); H. Delaborde, La gravure (Par. 1882) und La gravureen Italie avant Marc-Antoine (das. 1883); Duplessis, Les merveilles de la gravure (4. Aufl., das. 1882) und Histoire de la gravure (das. 1879); Lippmann, Der Kupferstich (Bd. 3 der Handbücher der königlichen Museen, 3. Aufl., Berl. 1905); v. Lützow, Geschichte des deutschen Kupferstichs und Holzschnitts (das. 1891) und Der Kupferstich der Gegenwart (Wien 1891); Apell, Handbuch für Kupferstichsammler; Lexikon der Kupferstecher des 19. Jahrhunderts (Leipz. 1880); Dutuit, Manuel de l'amateur d'estampes (Par. 1881–89, Bd. 1–6); W. Schmidt, Die Inkunabeln des Kupferstichs im königlichen Kabinett zu München (Münch. 1887); Singer, Geschichte des Kupferstichs (Magdeb. 1895) und Der Kupferstich (Bd. 15 der Sammlung illustrierter Monographien, Bielef. 1904); Kristeller, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten (Berl. 1905). Von Sammelwerken sind zu nennen. Die Publikationen der internationalen chalkographischen Gesellschaft (Berl. 1886–97); »Kupferstiche und Holzschnitte alter Meister in Nachbildungen« (hrsg. von der Reichsdruckerei, 630 Blätter, das. 1889–1900); Bouchot, Chefs d'œuvre et pièces uniques du cabinet des estampes (Par. 1900 ff.).

Über das Technische vgl. Bosse, Traité des manières de graver sur l'airin, etc. (Par. 1645; deutsch bearbeitet von Göttler, Nürnb. 1795 f., 3 Tle.); Thon, Lehrbuch der K. (Ilmen. 1831); Longhi, Die Kupferstecherei (deutsch von Barth, Hildburgh. 1837, 2 Bde.); Fielding, History of the art of engraving (Lond. 1841); Lalanne, Traité de la gravure à l'eau-forte (Par. 1866); de Lostalot, Les procédés modernes de la gravure (Lond. 1822); S. R. Köhler, Etching (New York 1885); Herkomer, Etching and mezzotint engraving (Lond. 1892); Singer und Strang, Etching, engraving and other methods of printing pictures (das. 1899); Bonnardot, Essai sur l'art de restaurer les estampes, etc. (2. Aufl., Par. 1858); Schall, Anleitung zur Restauration vergilbter, fleckiger und beschädigter Kupferstiche (Leipz. 1863).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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