Naumann

Naumann

Naumann, 1) Johann Gottlieb oder Amadeus, Komponist, geb. 17. April 1741 in Blasewitz bei Dresden, gest. 2. Okt. 1801 in Dresden, einer der letzten ganz italienisch geschulten Komponisten deutscher Geburt, kam schon 1758 in Begleitung eines schwedischen Dilettanten nach Italien, trat in Beziehungen zu Tartini und Martini und wurde als Opernkomponist bekannt, so daß er 1764 als Hofkirchenkomponist nach Dresden berufen wurde und 1765 auch die Ernennung zum Kammerkomponisten erhielt. 1776 wurde er Kapellmeister und 1786 Oberkapellmeister. Noch mehrmals erhielt er von Dresden Urlaub zu längerm Aufenthalt in Italien. Sein Ruhm war so verbreitet, daß er auch mehrmals nach Stockholm und Kopenhagen berufen wurde, um seine Opern einzustudieren. Außer 23 Opern, von denen »Amphion« (Stockholm 1777) und »Cora« (daselbst 1780) die berühmtesten sind, schrieb N. eine große Menge Kirchenmusik (Messen, Oratorien, Klopstocks »Vaterunser«), auch Symphonien und Kammermusikwerke. Doch hat von alledem nichts der Zeit getrotzt. Sein Leben beschrieb A. G. Meißner (Prag 1803–08, 2 Bde.), ein Ungenannter (Dresd. 1841) und sein Enkel Emil N. in der »Allgemeinen deutschen Biographie«.

2) Johann Friedrich, Ornitholog, geb. 14. Febr. 1780 in Ziebigk bei Köthen, gest. daselbst 15. Aug. 1857, Sohn des ebenfalls als Ornitholog bekannten Johann Andreas N. (geb. 1747, gest. 1826), erlernte bei seinem Vater die Landwirtschaft und ward später Professor und Inspektor des Ornithologischen Museums des Herzogs von Anhalt-Köthen. Sein Hauptwerk ist die an eignen Beobachtungen reiche, höchst gründliche und zuverlässige »Naturgeschichte der Vögel Deutschlands« (2. Aufl., Leipz. 1822–44, 12 Bde.; Nachträge hierzu von Blasius, Baldamus und Sturm, 1851–60; neubearbeitet und hrsg. von Hennicke u. d. T. »Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas«, Gera 1896 ff.). N. fertigte selbst die Zeichnungen zu derselben und stach gegen 500 Platten in Kupfer. Außerdem schrieb er: »Taxidermie« (Halle 1815, 2. Aufl. 1848); »Über den Haushalt der nördlichen Seevögel Europas« (Leipz. 1824). Mit Buhle gab er »Die Eier der Vögel Deutschlands und der benachbarten Länder« (Halle 1819–28, 5 Hefte) heraus. 1880 wurde ihm in Köthen ein Denkmal errichtet, und die Deutsche Ornithologengesellschaft benannte nach ihm ihr Organ »Naumannia« (1850 ff.). Vgl. Köhler, Johann Friedrich N. (Gera 1899).

3) Karl Friedrich, Mineral og und Geognost, Sohn von N. 1), geb. 30. Mai 1797 in Dresden, gest. daselbst 26. Nov. 1873, studierte seit 1816 in Freiberg, Leipzig und Jena, bereiste 1821–22 Norwegen, habilitierte sich 1823 als Privatdozent in Jena. wurde 1824 Professor in Leipzig und 1826 Professor der Kristallographie, später auch der Geognosie in Freiberg, 1842 in Leipzig und trat 1872 in den Ruhestand. Er schrieb: »Beiträge zur Kenntnis Norwegens« (Leipz. 1824, 2 Bde.); »Lehrbuch der Kristallographie« (das. 1830, 2 Bde.); »Anfangsgründe der Kristallographie« (Dresd. 1841; 2. Aufl., Leipz. 1854); »Elemente der theoretischen Kristallographie« (das. 1856); »Elemente der Mineralogie« (das. 1846; 14. Aufl. von Zirkel, 1901); »Lehrbuch der Geognosie« (das. 1850–54, 2 Bde.; 2. Aufl. 1857–72, Bd. 1 bis 3, letzterer unvollendet). Mit Cotta gab er die geognostische Karte des Königreichs Sachsen in 12 Sektionen heraus (Dresd. 1834–43; dazu Erläuterungen 1836–45, 5 Hefte; 2. Aufl. 1845, 4 Hefte); später lieferte er eine Spezialkarte des Kohlenbassins von Flöha mit »Beschreibung« (Leipz. 1865), »Ge ogn oft ische Karte des erzgebirgischen Bassins« (das. 1866) und eine solche der Umgegend von Hainichen (das. 1871).

4) Moritz Ernst Adolf, Mediziner, Bruder des vorigen, geb. 7. Okt. 1798 in Dresden, gest. 19. Okt. 1871 in Bonn, studierte seit 1816 in Leipzig, habilitierte sich 1824 daselbst als Privatdozent, ward 1825 außerordentlicher Professor in Berlin, 1828 ordentlicher Professor in Bonn und 1851 Direktor des gesamten klinischen Instituts; 1864 legte er die Leitung der Klinik nieder. Er schrieb: »Handbuch der medizinischen Klinik«. (Berl. 1829–39, 8 Bde.; 2. Aufl., 1. Bd., das. 1848); »Die Pathogenie« (das. 1840; mit 3 Fortsetzungen, 1841–45); »Vermischte Schriften« (Bonn 1850); »Allgemeine Pathologie und Therapie« (Berl. 1851); »Ergebnisse und Studien aus der medizinischen Klinik zu Bonn« (Leipz. 1858–60, 2 Bde.).

5) Christian, schwed. Rechtshistoriker, geb. 1. Juli 1810 in Malmö, gest. 30. Aug. 1888 in Stockholm, wirkte seit 1852 in Lund als Professor der Jurisprudenz und war 1860–87 Mitglied des Stockholmer Höchsten Gerichtshofes. Außer seinem Hauptwerk »Sveriges statsförfattningsrätt« (Stockh. 1844–74, 4 Bde.; 2. vermehrte Aufl. 1876–84) veröffentlichte er: »Om landsköp enligt Sveriges lag« (Lund 1838); »Om edsöret enligt landskapslagarne« (das. 1843); »De delictis publicis, praecipua juris patriae publicae et criminalis ratione habita« (das. 1845); »Om straffrättstheorien och penitentiär-systemet« (das. 1849; deutsch von C. N. David, Leipz. 1850); »Handbok för riksdagsmän« (Stockh. 1860); »Sveriges grundlagar« (3. Aufl., das. 1866); »Svenska statsförfattningens historiska utveckling« (das. 1864 u. ö.). Seit 1864 redigierte er die »Tidskrift för lagstiftning, lagskipning och förvaltning«.

6) Emil, Komponist und Musikschriftsteller, Enkel von N. 1), geb. 8. Sept. 1827 in Berlin, gest. 23. Juni 1888 in Dresden, Schüler von Schnyder von Wartensee in Frankfurt und des Leipziger Konservatoriums, machte sich zuerst durch größere Vokalkompositionen bekannt. 1856 wurde er auf Grund der Schrift: »Über Einführung des Psalmengesanges in die evangelische Kirche« (Berl. 1856), zum Hofkirchenmusikdirektor in Berlin ernannt und schrieb als solcher »Psalmen auf alle Sonn- und Feiertage des evangelischen Kirchenjahrs« (Bd. 8–10 in Commers »Musica sacra«). Später betätigte sich N. vorwiegend als Schriftsteller und veröffentlichte: »Die Tonkunst in der Kulturgeschichte« (Bd. 1, Berl. 1870); »Deutsche Tondichter von Seb. Bach bis auf die Gegenwart« (das. 1871, 6. Aufl. 1895); »Italienische Tondichter« (das. 1876, 2. Aufl. 1883); »Illustrierte Musikgeschichte« (Stuttg. 1880–85) u.a. Seit 1874 lebte N. in Dresden, wo er als Lehrer der Musikgeschichte am Konservatorium wirkte. 1889 wurde seine nachgelassene Oper »Lorelei« in Dresden ausgeführt.

7) Alexander, Chemiker, geb. 31. Juli 1837 in Eudorf (Hessen), studierte in Gießen seit 1855, habilitierte sich 1864 daselbst als Privatdozent und wurde ebenda 1869 außerordentlicher, 1882 ordentlicher Professor und Direktor des chemischen Universitätslaboratoriums. Er arbeitete besonders über Dissoziation chemischer Verbindungen und thermochemische Probleme. Seine Hauptwerke sind: »Grundriß der Thermochemie« (Braunschw. 1869); »Allgemeine und physikalische Chemie« (Bd. 1 von Gmelin-Krauts »Handbuch der anorganischen Chemie«, Heidelb. 1877); »Grundlehren der Chemie« (das. 1879); »Lehr- und Handbuch der Thermochemie« (Braunschw. 1881); »Technisch-thermochemische Berechnungen zur Heizung, insbes. mit gasförmigen Brennstoffen« (das. 1893); »Die Chemikerprüfung als vielumstrittene Zeitfrage« (Gießen 1897); »Zur Jahrhundertfeier des Geburtstages Justus von Liebigs« (Festrede, Braunschw. 1903).

8) Friedrich, Sozialpolitiker, geb. 25. März 1860 in Störmthal bei Leipzig, studierte in Leipzig und Erlangen, war 1883–85 Oberhelfer im Rauhen Hause bei Hamburg, 1886–90 Pastor in Langenberg bei Glauchau, 1890–94 Vereinsgeistlicher für innere Mission in Frankfurt a. M., dann im Dienst der Südwestdeutschen Konferenz für innere Mission. N. ist frühzeitig in die soziale Bewegung eingetreten und hat in der Christlich-sozialen Partei wie im Evangelisch-sozialen Kongreß die Führung der »Jungen« übernommen. Mit Göhre, Sohm u.a. gründete er im Herbst 1896 die Nationalsoziale Partei (s. d.). Nach der Niederlage dieser Partei bei den Reichstagswahlen 1903 trat N. zur Freisinnigen Vereinigung über und empfahl seinen Anhängern ein gleiches zu tun. 1903 ward er von der theologischen Fakultät in Heidelberg zum Ehrendoktor ernannt. N. ist Herausgeber der Wochenschrift »Die Hilfe« (seit 1895, mit dem Jahrbuch »Patria«) und Inhaber des Buchverlags der »Hilfe« in Berlin-Schöneberg. Die von ihm 1896 begründete Zeitung »Die Zeit« ging im folgenden Jahre wieder ein, erschien seit 1901 weiter als Wochenschrift, wurde aber 1903 mit der von Th. Barth herausgegebenen Wochenschrift »Die Nation« vereinigt. Außer zahlreichen Vorträgen und einer Sammlung seiner Andachten (»Gotteshilfe«, Götting. 1895–1902, 7 Bde., in mehreren Ausgaben) veröffentlichte N.: »Arbeiterkatechismus« (Kalw 1888); »Was tun wir gegen die glaubenslose Sozialdemokratie?« (Leipz. 1889); »Das soziale Programm der evangelischen Kirche« (das. 1890); »Was heißt Christlich-sozial e« (1. Heft, das. 1894, 2. Aufl. 1896; 2. Heft 1896); »Soziale Briefe an reiche Leute« (Götting. 1894); »Jesus als Volksmann« (das. 1894); »Zum sozialdemokratischen Landprogramm« (das. 1895); »National-sozialer Katechismus« (Berl. 1896); »Asia« (Berl. – Schöneberg 1898, 4. Aufl. 1900); »Demokratie und Kaisertum. Handbuch für innere Politik« (das. 1900, 4. umgearbeitete Aufl. 1906); »Neudeutsche Wirtschaftspolitik« (das. 1902, gänzlich neu und wesentlich erweitert 1906); »Briefe über Religion« (das. 1903); »Der Streit der Konfession um die Schule« (das. 1904). »Die Kunst im Zeitalter der Maschine« (das. 1904); »Die Politik der Gegenwart« (das. 1905). Mit andern gab er die »Göttinger Arbeiter-Bibliothek« (Götting. 1895–1900, 2 Bde., oder 20 Hefte) heraus. Vgl. Fr. Meyer-Benfey, Friedrich N. (Götting. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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