Buchhaltung

Buchhaltung

Buchhaltung (Buchführung, Rechnungsführung), die geordnete Auszeichnung von Ereignissen, die sich auf die Bewirtschaftung eines Vermögens beziehen. Sie dient entweder bloß zur Darstellung aller auf das Rechnungswesen sich beziehenden Vorkommnisse und zur Aufnahme aller für die periodische Vermögensermittelung wichtigen Daten, oder sie verfolgt noch weitere Ziele und enthält auch Angaben über die vorzunehmenden Wirtschaftsmaßnahmen selbst. Das erstgenannte Ziel strebt die kaufmännische B. an; sie umfaßt die Aufschreibungen über bereits abgeschlossene und in der Regel auch zur Durchführung gelangte Geschäfte; dagegen erbringt die Verwaltungs- oder kameralistische Buchhaltung (Staats-, Gemeinde-, Hospital-, Krankenkassen-, Vereins- und Vormundschaftsbuchhaltung, s. S. 542), nicht nur Aufschreibungen über vorgekommene wirtschaftliche Ereignisse, sondern meist auch planmäßige Angaben (Vorschreibungen) von vorzunehmenden vermögensrechtlichen Handlungen.

Die kaufmännische Buchhaltung.

Ursprünglich bestand die B. bloß in einer einfachen Auszeichnung aller wichtigen, den Wirtschaftsbetrieb betreffenden Vorgänge, später wurden in derselben Einnahmen und Ausgaben sowie Schulden und Forderungen getrennt dargestellt; so 1376–1408 in den Gheldersenschen Geschäftsbüchern und 1423–27 in den Handelsbüchern des Fuggerschen Hauses. Einer übersichtlichen Darstellung der systematischen B. begegnen wir erst in dem 11. Traktate der »Summa de Arithmetica etc.« des Franziskanermönchs Lukas Patiolus (auch Pacioli de Borgo; Venedig 1494). Seine Art der B. wird wegen ihres Ursprungs als italienische oder wegen ihrer Einrichtung als doppelte bezeichnet. Die Eintragung in die Bücher einer B. nennt man Buchung. Nur jene Ereignisse finden in Handelsbüchern Verzeichnung, die eine Änderung in dem Vermögenszustande hervorrufen, sie bilden die Geschäftsvorfälle und heißen in der B. Buchungsposten oder kurz Posten. Die Auszeichnung derselben erfolgt entweder der Zeitfolge nach (chronologisch) oder in einer bestimmten Anordnung (systematisch, synchronistisch oder kontoförmig).

Bei der chronologischen Aufzeichnungsweise folgen die Posten ihren Entstehungsdaten nach hintereinander, ohne daß auf die Art derselben Rücksicht genommen wird, wogegen dieselben bei der kontoförmigen Eintragungsart entweder nach Namen oder Geschäftsarten in besondere Abteilungen (Konten) eingereiht werden. Das Konto ist eine mit gesonderter Soll- (Eingangs-) und Haben- (Ausgangs-) Seite geführte Verrechnung. Was ihm seine hohe Bedeutung für die Buchhaltungstechnik gibt, ist der Umstand, daß auf demselben Handlungen, die im wirtschaftlichen Gegensatze stehen, wie Empfang und Lieferung, Einnahme und Ausgabe, in übersichtlicher Weise einander gegenübergestellt sind. Ist eine B. in der Weise eingerichtet, daß bloß der Geldumsatz und die Verrechnung mit Geschäftsfreunden synchronistische Auszeichnung finden, so wird dieselbe als einfache B. bezeichnet; erstreckt sich dagegen die kontoförmige Verrechnung auch auf Bestände und Betriebserfolge, die in einen systematischen Zusammenhang gebracht sind, so spricht man von einer Doppelbuchhaltung (B. in Doppelposten, Doppik).

Bisher hat man stets die einfache B. ebenso als ein System der kaufmännischen B. bezeichnet wie die Doppelbuchhaltung. In neuester Zeit begegnet man aber in der Fachliteratur der Ansicht, daß nur die doppelte B. als ein eigentliches System der kaufmännischen B. angesehen werden könne, während die einfache B. nur ein Bruchstück der systematischen B. bildet. Die einfache B. weist am Ende der Rechnungszeit das Gesamtergebnis aus; sie gibt aber keinen Ausschluß über die einzelnen Erfolgsbestandteile. Dieses Gesamtergebnis geht aus dem Inventarium (oder Inventar) hervor, das die Grundlage zu jeder Buchführung bildet. Dasselbe enthält die Auszeichnung sämtlicher Vermögensteile (Aktivposten) sowie aller Verbindlichkeiten (Passivposten). Zieht man die Passiva von der Aktiva ab, so verbleibt das Geschäftsvermögen (Kapital). Wird dasselbe mit dem in der vorhergegangenen Periode ausgewiesenen verglichen, so ergibt dies den Zu- oder Abgang. Wird das Inventar synchronistisch aufgestellt, indem man die einzelnen Vermögensbestandteile auf der linken Seite des Kontos aufzählt, auf der rechten dagegen die Verbindlichkeiten, so erhält man die Bilanz dadurch, daß man das reine Vermögen behufs Gleichstellung beider Seiten auf der rechten Seite dazusetzt; denn die Aktiva = Passiva + Reinvermögen.

Die doppelte B. erbringt nicht bloß Auszeichnung über die Bestandteile des Vermögens und deren Veränderungen, sondern sie liefert auch eine übersichtliche und spezifizierte Darstellung der in der Unternehmung erzielten Gewinne, bez. erlittenen Verluste. Zu diesem Behufe werden nicht bloß den Geschäftsfreunden, sondern auch den Vermögensbestandteilen besondere Rechnungen errichtet. Dadurch entstehen zwei Hauptgruppen von Konten: a) solche der Vermögensbestandteile (z. B. Kassa-, Wechsel-, Waren-, Personenkonten) und b) solche des reinen Vermögens (z. B. Kapital-, Bilanz-, Verlust- und Gewinn-sowie auch die Erfolgskonten). Die Buchungen erfolgen nach folgenden Grundsätzen: Bei jeder geschäftlichen Handlung ist ein Teil der Empfangende, der andre der Leistende. Der empfangende Teil wird bei Geschäftsvorfällen, die Bestandsveränderungen zur Wirkung haben, Schuldner (Debitor), der leistende wird dagegen Gläubiger (Kreditor). Sendet beispielsweise ein Kunde einen Wechsel zur Begleichung seiner Schuld, so wird gebucht: Wechselkonto Soll (erhält; wird Debitor) und Kontokorrentkonto (Konto des Kunden, leistet; wird Kreditor). Man kann sich auch, um die Übersicht über die Buchungsvorgänge leichter zu erlangen, die Bestandskonten personifiziert denken (Personifikationstheorie). Das Wechselkonto, als Person gedacht, etwa als Angestellter des Unternehmens, erhält den Betrag des Wechsels zur Verrechnung und wird daher Debitor.

Bezüglich jener Geschäftsvorfälle jedoch, welche die Vermögens- oder Erfolgskonten betreffen, kann die Personifikationstheorie nicht angewendet werden; es gilt bezüglich dieser die Regel, daß das Konto, das erhält, kreditiert (und nicht debitiert) wird, und daß das leistende Konto debitiert (und nicht kreditiert) wird. Werden beispielsweise Zinsen bar vereinnahmt, so wird das Zinsenkonto kreditiert, das Kassakonto dagegen debitiert. Die Richtigkeit des Vorganges kann man an dem Vermögensbestandteil »Kassa« leicht ersehen.

Dadurch, daß jeder Posten sowohl im Soll des einen als auch im Haben eines andern Kontos vorkommt, wird bewirkt, daß die sämtlichen Sollsummen und die sämtlichen Habensummen des Hauptbuches stets die gleiche Gesamtsumme ergeben (Gleichung der doppelten B.). Solche Summierung erfolgt periodisch, meist monatlich durch Probeabschluß (Probe-, Monats-, Roh- oder Bruttobilanz) in dem Bilanzbuch. Eine Probebilanz muß auch dem Abschluß des Hauptbuches mit Ausstellung der Schluß- oder Jahresbilanz vorausgehen. Dieser besteht in der Ausgleichung der sämtlichen Konten durch ihre schließlichen Saldi und in der Zusammenstellung der Bestand-Saldi in dem Bilanzkonto (Ausgangsbilanz) des Hauptbuches oder in einer Bilanztabelle.

Die Bücher, die man zur Eintragung der geschäftlichen Ereignisse benutzt, heißen Handels- oder Geschäftsbücher. Sie zerfallen in zwei Hauptgruppen: Stammbücher (Systembücher) und Nebenbücher (Hilfsbücher). Die Stammbücher können nicht entbehrt werden, ohne daß der Zweck der B., den Gang der Geschäfte übersichtlich darzustellen und zur Feststellung des Vermögensstandes die nötigen Daten zu liefern, vereitelt wird. Dieselben werden eingeteilt in 1) Vermögensbücher (Inventurbuch, Bilanzbuch), 2) Tagebücher, auch Grund- oder Vorbücher genannt (Kassabuch, Memorial, Einkaufs- und Verkaufsbuch); 3) Sammelbücher (Monatssammelbuch; auch Journal oder Mensual genannt); 4) Kontobücher (Hauptbuch der Doppelbuchhaltung und Kontokorrentbuch derselben; letzteres bildet zugleich auch das Hauptbuch der einfachen B.). Die Neben- (Hilfs-) bücher dienen bloß zu Nebenverbuchungen, Mengenkontrolle und Vormerkung (z. B. Waren-, Wechsel-, Wertpapier-, Speditions-, Kommissions- oder Nachnahmekonto). So bezwecken die Lohn-, Kalkulations- und Fabrikationsbücher die Betriebskontrolle in der Fabriksbuchhaltung.

Besondere Arten der doppelten B. sind: 1) die amerikanische B. (Tabellenbuchhaltung). Das Streben, mit möglichst geringem Zeitaufwand eine Übersichtsbilanz herzustellen, hat zur Ausbildung einer Form geführt, in der die Posten in einem tabellarisch geführten Journal (Bilanzjournal) auf die einzelnen Konten verteilt werden. Diese Methode ist nicht eine amerikanische Erfindung, sondern ist französischen Ursprungs (vgl. Tremery, Manuel du teneur des livres, Par. 1840). In der ältern Form der amerikanischen B. wird neben dem Tabellenjournal noch ein vollständiges italienisches Hauptbuch geführt; dagegen werden in der neuern Form, der sogen. reinen amerikanischen B., auch die Kapital-, Bilanz-, Verlust-, Gewinnverrechnungen im Tabellenjournal (Journalhauptbuch) vorgenommen. Verbesserungen und Vereinfachungen sind vorgeschlagen worden von I. Fr. Schaer (Maier-Rotschild-Bibliothek, Berlin), Osk. Hertel (Leipzig), Jos. C. Detoni (Hannover), Walter Wertheimer (Prag), Julius Ziegler (Wien). 2) Die deutsche Sammelbuchhaltung, die zwischen das chronologische Journal und das Hauptbuch ein Sammeljournal einschiebt und ein Hauptbuch für die Forderungen und Schulden, nicht selten auch für andre Kontengruppen kollektive oder Sammelkonten führt, was die Führung besonderer Bücher für die entsprechenden Konten erfordert (Kontokorrentbuch, Skontrobücher). 3) Die französische B., die statt des Memorials Spezialjournale für besondere Arten von Geschäftsfällen führt, andre Fälle direkt in das Sammel- oder Generaljournal aufnimmt. 4) Die Logismographie. Die in der italienischen Staatsbuchhaltung eingeführte Logismographie, eine Erfindung von Giuseppe Cerboni, ist eine Abart der doppelten B., die wohl ebenso wie die amerikanische ein Tabellen- (Bilanz-) journal hat, die aber von dieser Methode dadurch abweicht, daß die Posten nicht doppelt, sondern in mehreren Reihen gebucht werden. Damit aus dem Journal selbst der Stand des Reinvermögens und der reine Forderungs- und Schuldenstand ersehen werden könne, wird dasselbe in das Konto des Eigentümers (reines Vermögen) und das Wirtschaftskonto (Vermögensbestandteilekonto) geteilt. Ersteres nimmt das reine Vermögen ins Haben auf, die einzelnen Bestandteile werden dagegen der Wirtschaft debitiert. Da das Journal Kollektivkonten führt, ist ein Hauptbuch nötig, in dem die einzelnen Konten aufgeteilt und zergliedert werden in Konten des reinen Vermögens, Konten des materiellen Vermögens und Forderungen und Schulden. Der Übertrag vom Journal in das Hauptbuch kann direkt geschehen; die in der Theorie der Logismographie angegebene Methode, Buchungsentwürfe (»Minuten«) zu benutzen, ist umständlich. Vgl. Focke, Die doppelte B. in der italienischen Staatsbuchhaltung (1886); Schrott, Die Logismographie (1882); Katalog über 120 Werke der Logismographie (Rom 1884). 5) Die Stathmographie, der Logismographie ähnlich, ist in Italien eine neue Methode aufgetaucht, die das Interesse der Fachleute erregt. Während Cerboni seine Logismographie auf der personalistischen Theorie basiert, hat der Erfinder der Stathmographie, E. Pisani, die materialistische Theorie zu Grunde gelegt. Diese Methode bietet insbes. jenen Unternehmungen Vorteile, deren Betrieb an Voranschläge gebunden ist. 6) Die konstante B., die durch Hügli in der Staatsverwaltung des Kantons Bern eingeführt wurde, ermittelt wie die doppelte B. die Veränderungen der Vermögensbestandteile und die des reinen Vermögens, sie bucht sowohl die Anordnung als die Vollziehung der Vermögensveränderungen und stellt letztere der erstern gegenüber.

[Handelsrechtliche Bestimmungen.] Die Handelsgesetze der meisten Länder verpflichten den Kaufmann (auch die Handelsgesellschaften, eingetragenen Genossenschaften, die Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht) zur ordnungsgemäßen Führung von Geschäftsbüchern, aus denen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens vollständig zu ersehen sind, ohne jedoch die Methode der B. vorzuschreiben. Das deutsche Handelsgesetzbuch bestimmt (§ 38–47), daß jeder Kaufmann verpflichtet ist, Bücher zu führen, in ihnen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen, die Bücher, die Inventare und die Bilanzen sowie die empfangenen Handelsbriefe und die Abschriften der abgesandten (Kopie oder Abdruck) zehn Jahre vom Tage der letzten Eintragung an geordnet aufzubewahren. Bei Beginn seines Betriebes und am Schluß jedes Geschäftsjahres hat er sein Vermögen (Aktiva) und seine Schulden (Passiva) unter Angabe des Wertes der einzelnen Vermögensgegenstände zu inventarisieren und die Bilanz, d. h. einen das Verhältnis des Vermögens zu den Schulden darstellenden Abschluß, zu machen. Die Aufnahme des Inventars (Inventur) soll alljährlich, bei Geschäften, wo dies nicht geschehen kann, wenigstens alle zwei Jahre erfolgen. Dem zur Buchführung Verpflichteten liegt es ob, im Konkursfalle den Beweis zu erbringen, daß er gezwungen war, von der Rechtswohltat der zweijährigen Inventur Gebrauch zu machen. Inventur und Bilanz sind von dem Kaufmann oder allen persönlich haftenden Gesellschaftern zu unterzeichnen und entweder in ein besonderes Inventarienbuch einzutragen oder in zusammenhängender Weise geordnet aufzubewahren. Die Vorschriften über Handelsbücher gelten nicht für den Minderkaufmann; doch sind nach § 78 der Gewerbeordnung die Landesregierungen befugt, darüber zu bestimmen, wie Trödler, Händler, Agenten etc. (§ 35) ihre Bücher zu führen haben. Hinsichtlich der Form der Handelsbücher schreibt das deutsche Handelsgesetzbuch vor, daß die Bücher gebunden und Blatt für Blatt mit fortlaufenden Ziffern (Folio und Pagina) versehen sein sollen, und daß sich der Kaufmann bei seinen Aufzeichnungen einer lebenden Sprache bedienen solle. An Stellen, die der Regel nach zu beschreiben sind, dürfen keine leeren Stellen gelassen werden, und der ursprüngliche Inhalt einer Eintragung darf bei Abänderungen nicht unleserlich gemacht werden; es darf auch nichts radiert und überhaupt keine Veränderung vorgenommen werden, bei deren Beschaffenheit es ungewiß ist, ob sie bei der ursprünglichen Eintragung oder erst später gemacht worden ist. – Der Code de commerce, der außer in Frankreich in mehreren Staaten Europas und in vielen Überseegebieten gilt, schreibt vor, daß der Kaufmann bestimmte Bücher führen müsse, die er einmal jährlich dem Handelsrichter oder Bürgermeister zur Beglaubigung vorzulegen hat.

Bezüglich der Beweiskraft der Bücher ist im Deutschen Reich mit der Einführung der Reichsjustizgesetze (1. Okt. 1879) der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 259 der Zivilprozeßordnung) zur Geltung gelangt; die der formalen Beweistheorie huldigenden Bestimmungen des deutschen Handelsgesetzbuches wurden aufgehoben. Handelsbücher gelten vor Gericht nur als Privaturkunden. Über strafrechtliche Bestimmungen vgl. Bankrott.

Vgl. Schiebe u. Odermann, Die Lehre von der B. (13. Aufl., Leipz. 1891); Reischle, Die einfache und doppelte B. (9. Aufl., Nürnb. 1903); Hügli, Die Buchhaltungssysteme und Buchhaltungsformen (Bern 1887); Derselbe, Die Grundzüge der B. (2 Kurse, das. 1888 u. 1889); Jäger, Der Einfluß der neuen Justizgesetze auf die B. (Stuttg. 1880) und andre Schriften des Verfassers über die handelsrechtliche, auch über die geschichtliche Seite der B.; Beigel, Das allgemeine deutsche Buchführungsrecht (Leipz. 1900); Reisch u. Kreibig, Bilanz und Steuer (Wien 1900), Schmidberger, Lehrbuch der B. (Frankf. a. M. 1900); Maatz, Die kaufmännische Bilanz (3. Aufl., Berl. 1902); Wertheimer, Theorie und Praxis der B. (Prag 1902); Ziegler, Lehre und Übungsbuch der B. (Wien 1903); Berliner, Schwierige Fälle der B. (Hannov. 1902); Belohlawek, Zeitschrift für B. (12. Jahrg., Linz 1903); Stern, Buchhaltungslexikon (Leipz. u. Wien 1903). – Über gewerbliche B. vgl. Lehrbücher von Salomon (12. Aufl., Berl. 1899), Morgenstern (2. Aufl., Weim. 1890), Pfullmann (2. Aufl., Leipz. 1878), Gruner (Stuttg. 1891), Fuchs (4. Aufl., Langensalza 1893), Röhrich (2. Aufl., Leipz. 1900), Schmieder (2. Aufl., Chemnitz 1893), Singer (3. Aufl., Wien 1902), die »Bibliothek praktischer Spezialbuchführungen für Handel und Gewerbe« (Münch. 1892ff.) u. a. Die gesetzlichen Bestimmungen der wichtigsten Staaten über B. s. in Huberti u. Martens, Internationales Buchführungsrecht (Leipz. 1900).

Die landwirtschaftliche Buchhaltung.

Bei Anwendung der Grundsätze der kaufmännischen B. auf landwirtschaftliche Verhältnisse unterscheidet man die stehende B. von der laufenden oder jährlichen B. Jene enthält die genaue Beschreibung der Gutsobjekte und eine Chronik über die wichtigern Vorkommnisse auf dem Gute. Das Grund-, Lager- oder Erdbuch (Besitzkonto) gibt genaue Bezeichnung aller zu dem Gut oder Gutskomplex gehörenden Grundstücke, Gebäude, Wege, Gerechtigkeiten, Lasten, Nebengewerbe etc. mit den zum Beleg dienenden Karten, Vermessungs- und Bonitierungsregistern etc. Bauanschlägen, Steuern, Meliorationsfonds, Neubaukosten u. dgl., kurz mit allen zur Beurteilung des Wertes der Objekte nötigen Angaben und Urkunden. Wo das lebende und tote Inventarium mit dem Gute verkauft oder verpachtet zu werden pflegt (eisernes Inventar, vgl. Pachtvertrag), gehören auch noch Inventarienverzeichnisse u. dgl. hinzu, und wo wertvolle Zuchtherden gehalten werden, die Stammregister u. dgl. In der Gutschronik verzeichnet man alle für den Betrieb oder die Veränderungen im Werte der Objekte wichtigen Vorkommnisse. Das Grundbuch dient zur Grundlage bei der jährlich vorzunehmenden Inventur und beim Verkauf oder bei der Verpachtung und als Hilfsbuch für die eigentliche B. Die jährliche oder eigentliche B. ist bis jetzt in der Tabellen- oder Registerform, als sogen. kameralistische B. (s. unten), als einfache und als doppelte B., letztere in sehr verschiedenen Formen, zu geben versucht worden. Die Tabellen- oder Registerform entbehrt des innern Zusammenhalts; man legt für die wesentlichern Wirtschaftszweige eine Reihe von Tabellen oder Register an und verzeichnet darin den Bestand, Ab- und Zugang, die dafür gemachte Ausgabe, die erzielte Einnahme u. dgl. und wieder den Bestand am Schluß des Jahres; soz. B. für Vieh, Getreide, Geräte etc., ähnlich für die Arbeiter mit den für sie gemachten Ausgaben an barem Geld, Naturalien u. dgl., mit der Angabe der verwendeten Arbeitszeit für einzelne Betriebszweige u. dgl., ähnlich für die Spanntiere (Arbeitsjournale, Haushaltsjournal, Geldjournal etc.). Eine richtige B. für Landwirte hat festzustellen, wieviel der Betrieb im ganzen und im einzelnen Gewinn (oder Verlust) bringt. Dazu gehört aber eine Fülle von Vorarbeiten (Kalkulationen), die schwierige und verwickelte Fragen zu entscheiden haben, und zwar für die einfache wie für die doppelte Form.

Über den besten Zeitpunkt für den Beginn des Rechnungsjahres gehen die Ansichten sehr auseinander, das Kalenderjahr dient selten zum Ausgangspunkt; landesübliche Termine beim Wechsel von Pachtungen oder die Zeit, in der am wenigsten Arbeit vom Vorjahr zu übernehmen und am wenigsten Vorräte noch vorhanden sind, d. h. der 1. Juni, werden am liebsten gewählt. Die Vermögensaufnahme (Inventur) hat der laufenden Rechnungsführung vorauszugehen. Bei der Vermögensbewertung ergibt sich die spezifische Eigentümlichkeit, daß in der landwirtschaftlichen Unternehmung Vermögensbestandteile vorkommen, die in der Wirtschaft erzeugt und wieder verwendet werden, marktlos sind, und deren Wert daher nur schwer und unsicher geschätzt werden kann. Hierdurch finden besonders bei doppelter B., die den Erfolg der einzelnen Zweige nachzuweisen hat, bei denen daher eine Gegenrechnung der den Zweigen übergebenen Werte stattfinden muß, leicht fiktive Werte Eingang. Als marktlose Produkte kommen in Betracht: Futter, Streu und Stallmist. Der sicherste Maßstab für die Futterbewertung ist der Marktpreis, der jedoch vielfach für Heu und Stroh fehlt. Für letztere erfolgt daher die Wertermittelung nach dem Wertverhältnis zu Roggen, dem Pachtzins für Wiesenland, den Produktionskosten, dem Futterverwertungspreis (dabei komme man jedoch zu dem Zirkel, daß der Stallmist dem Felde zur Last und der Futterverwertung wieder zu gute geschrieben wird) oder nach Surrogatwerten. Letzterer Vorgang ist noch der verläßlichste, dabei wird der relative Geldwert nichtmarktgängiger Futtermittel auf Grund ihres Nährstoffgehaltes und des Geldwertes der Nährstoffe in marktgängigen Futtermitteln (und zwar nach dem mittlern Marktpreis einer Mehrzahl marktgängiger Futtermittel; Protein, Fett, stickstofffreie Extraktstoffe und Rohfaser = 3:2,5:1:6,5), d. h. die Futterwerteinheit oder Nährwerteinheit bestimmt, je nachdem man den Rohnährstoffgehalt oder den Gehalt an verdaulichen Nährstoffen zu Grunde legt. Die Bewertung des Stallmistes erfolgt nach Produktionskosten, Kompensierung gegen Stroh, der Wirkung auf die Pflanzenerträge, Roggenwert oder am sichersten nach Surrogatwerten, d. h. nach dem Geldwerte der in denselben enthaltenen Pflanzennährstoffe, besonders Stickstoff, Phosphorsäure und Kali im Vergleich mit den Marktpreisen derselben Stoffe in jenen Handelsdüngern, die vorzugsweise den betreffenden Nährstoff enthalten, oder nach den Marktpreisen, die diese drei Pflanzennährstoffe auf dem Düngermarkt besitzen.

Sind die vorstehend angedeuteten Vorfragen gelöst, so ergibt sich eine wesentliche Grundlage zur Ausstellung der jährlichen Inventur, d. h. der Berechnung des Betriebsfonds im ganzen und einzelnen (Handelsbesitz) und dessen Verteilung durch das Kapitalkonto an die einzelnen Konten. Als solche sind zunächst im Hauptbuch diejenigen zu unterscheiden, die Gewinn- (oder Verlust-) Saldi zu geben haben, und diejenigen, die nur zur Vermittelung dienen und ohne Saldi abschließen. Dahin gehören überall das Administrations-, Haushalts-, Gebäude-, Geräte-, Maschinen-, Spannvieh-, Dung-, Boden-, Scheunen-, Vorräte-, Milchwirtschaftskonto u. dgl. Diese haben nur die Kostenbeträge zu verrechnen und im Kredit sich dafür bezahlen zu lassen; sie übernehmen zu Anfang des Jahres den Bestand und geben ihn am Schluß wieder ab. Alle Grundstücke (Schläge), die Viehbestände für Nutzvieh und die technischen Nebengewerbe bilden die Konten, die Saldi geben und diese mit dem Bilanzkonto verrechnen müssen. Auch sie übernehmen den Bestand und geben ihn wieder ab, sie verrechnen mit jenen Konten und mit der Kassa, und aus ihren Saldi ergibt sich der Jahresgewinn (oder-Verlust). Journale und Tagebücher, Bilanz-, Gewinn- und Verlustkonto u. dgl. sind ähnlich wie beim Kaufmann zu führen.

In der kameralistischen oder einfachen B. (s. unten) hat man im landwirtschaftlichen Betriebe: das Tagebuch, die Geldrechnung mit Schuldbuch, die Naturalienberechnung mit Vorrats- oder Boden- (Keller-) register, die Viehrechnung, die Arbeitsrechnung, das Journal und die Hauptrechnung oder das Rubrikenbuch. Um den Erfolg der Unternehmung nachzuweisen, genügen bei der einfachen B. die Abschlüsse der Journale und des Hauptbuches nicht, sondern es muß noch eine Vermögensaufnahme am Schlusse des Rechnungsjahres und eine besondere Ertragsbilanz (Schlußrechnung) aufgestellt werden. Für die laufende Rechnung der doppelten B. sind auszulegen: die Tagebücher, die Vorratsbücher, die Primanota und das Hauptbuch. Häufig kommen Rechnungsposten in einer Unternehmung vor, die sich im Tage mehreremal wiederholen; um in solchen Fällen die Tagebücher nicht zu überfüllen, werden Hilfsbücher geführt, deren Posten summarisch in die Tagebücher übertragen werden. In diesem Sinne werden z. B. geführt: Belegungs- und Geburtslisten, Abwägelisten sowie Melktabellen und Schurlisten; dann das Anbau- und Erntebuch, die Heuerntetabelle, die Druschtabelle, das Fütterungsbuch, das Düngerausfuhrregister etc.; Detailverkaufsbücher, Forderungsbücher, Schuldenbuch, Lieferungsbücher, Approbationsbuch, Lohn- und Deputatbuch etc. Aus dem Anbau- und Erntebuch ist z. B. zu entnehmen: der Name und die Größe des Grundstückes, die Düngung, die Frucht, mit der dasselbe bestellt wurde, und das Ernteergebnis. Die Summen des Anbau- und Erntebuches werden in das Schüttbodenregister, bez. in die betreffenden Journale in einer Post eingetragen.

Diejenige B. des Landwirts ist die beste, die sich an die einfache oder doppelte kaufmännische am engsten anschließt und, soweit irgend tunlich, Posten vermeidet, die auf »Schätzung« beruhen. Vgl. Höger, Das Ganze der landwirtschaftlichen Geschäftspraktik (Pilsen 1870–71, 4 Bde.); Werner, Lehrbuch der einfachen und doppelten landwirtschaftlichen Buchführung (2. Aufl., Leipz. 1894); Pohl, Handbuch der landwirtschaftlichen Rechnungsführung (2. Aufl., Berl. 1894); Nicklas, Die landwirtschaftliche doppelte Buchführung (Leipz. 1887); Krämer, Die B. des Landwirts (2. Aufl., Bonn 1881); Derselbe, Wie muß der größere Landwirt seine B. einrichten, um dem neuen Steuergesetz entsprechend sein Einkommen darlegen zu können (Bunzlau 1892); Dieterichs, Einfache landwirtschaftliche Buchführung (4. Aufl., Berl. 1894); Freiherr von der Goltz, Die landwirtschaftliche Buchführung (8. Aufl., das. 1898); Schrott, Lehrbuch der Verrechnungswissenschaft (5. Aufl., Wien 1886); Böhme, Landwirtschaftliche Buchführung (2. Aufl., Leipz. 1902); Henneberg, Einiges über die doppelte Buchführung (Berl. 1875); Rigert-Haas, Anleitung für landwirtschaftliche Buchführung nach dem einfachen System (Aarau 1889); Volkmar, Die doppelte Buchführung bei dem Landwirtschaftsbetrieb auf größern Domänen (Berl. 1879); Rebiček, Neue abgekürzte rationelle Güterbuchführung in Doppelposten (Prag 1903).

Die kameralistische B. weist ebenso, wie die kaufmännische, die Veränderungen in den Vermögensbeständen aus; sie befaßt sich aber nicht mit der Feststellung des reinen Vermögens. Das Charakteristische besteht in der Gegenüberstellung von Anordnung (Verschreibung) und Vollziehung (Abstattung), die man in der kameralistischen B. mit Rubrik bezeichnet; ähnlich, wie in der der doppelten B. das Konto (vgl. Hudabiunigg, Die kameralistische Rubrik und das doppische Konto, Graz 1896). Es steht der erwarteten (präliminierten) Einnahme, der sogen. Soll-Einnahme, die tatsächlich bewerkstelligte, die Ist- Einnahme gegenüber, ebenso wieder Soll-Ausgabe die Ist-Aus gabe. Gewinn und Verlust können durch besondere Zusammenstellungen (Ertragsbilanzen) ermittelt werden, gehen aber aus der kameralistischen Rubrik selbst nicht hervor. Der Zweck der Kameralbuchhaltung besteht eben nicht darin, die Erfolge zu ermitteln, sondern Nachweis darüber zu bringen, inwieweit der Wirtschaftsplan eingehalten werden konnte. Der Rechnungsabschluß zeigt dann ein günstiges Resultat, wenn die wirklichen Ausgaben kleiner, die wirklichen Einnahmen größer als die planmäßig vorgesehenen sind.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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