- Tirol [2]
Tirol (hierzu Karte »Tirol«), gefürstete Grafschaft und österreich. Kronland, bildet mit dem Kronland Vorarlberg (s. d.) ein Verwaltungsgebiet, grenzt nördlich an Bayern, östlich an Salzburg, Kärnten und Italien, südlich an Italien, westlich an Italien, die Schweiz und Vorarlberg und umfaßt 26,683 qkm (484,7 QM.), mit Vorarlberg 29,285 qkm (531,9 QM.). T. ist das gebirgigste Land Österreichs und hat Anteil an dem nördlichen, mittlern und südlichen Zuge der Alpen. Zur zentralen Gneisalpenzone gehören die nördlichen Verzweigungen der Rätischen Alpen, und zwar die Fermuntgruppe (Fluchthorn 3408 m) und die Fervallgruppe (Kuchenspitze 3170 m), ferner das gletscherreiche Massiv der Ötztaler Alpen (Wildspitze 3774 m) und der Stubaier Alpen (Zuckerhütl 3511 m), die Adamelloalpen (Presanella 3564 m), die Ortleralpen (Ortler 3902 m, der höchste Gipfel des Landes) und das Penser Gebirge (Hirzer 2785 m). Jenseit des Brenner erheben sich die Zillertaler Alpen (Hochfeiler 3523 m) und die Hohen Tauern (Großglockner 3798 m) mit ihren südlichen Vorlagerungen. Im NO. lehnen sich an die Gneisalpen das Tuxer Tonschiefergebirge (Reckner 2882 m) und die Kitzbühler Alpen (Katzenkopf 2532 m) an. Die nördliche Kalkalpenzone beginnt mit den Algäuer (Lechtaler) Alpen (Parseier Spitze 3038 m) und setzt sich in den Nordtiroler Kalkalpen mit den Gruppen des Wettersteingebirges (2968 m), des Karwendelgebirges (2756 m), der Brandenberger Alpen (2296 m) und des Kaisergebirges (2344 m) fort. Der südlichen Kalkalpenzone gehören in T. insbes. die Brentagruppe (3176 m), dann östlich vom Etschtal die Vicentinischen Alpen (Cima Dodici 2331 m), die Südtiroler Dolomiten (Marmolata 3360 m), endlich an der Grenze gegen Kärnten die Karnischen Alpen (Sandspitze 2863 m) an. Vgl. auch die »Geologische Karte der Alpen« mit Textblatt. Wichtige Alpenpässe in T. sind: der Arlberg, der Brenner, Finstermünz, das Reschenscheideck, das Stilfser Joch, der Tonalpaß, der Fernpaß, der Scharnitzpaß und der Paß Strub. Das nördliche T. gehört zum Flußgebiet der Donau, ebenso der östliche Teil des Pustertals, aus dem die Drau nach Kärnten übertritt. Das übrige Land gehört zum Gebiete des Adriatischen Meeres. Der Inn betritt das Land bei Finstermünz und verläßt es unterhalb Kufstein, nachdem er die Rosanna, den Ötzbach, Sill und Ziller aufgenommen. Ganz im N. Tirols entspringen der Lech und die Isar, die aber bald nach Bayern übergehen. Der Hauptfluß des südlichen T. ist die Etsch, die links die Passer, den Eisack und den Avisio, rechts den Noce aufnimmt und bei Borghetto nach Italien übertritt. Außerdem sind von Flüssen zu nennen: im SW. die Sarca, im SO. die Brenta. Unter den Seen ist der Gardasee, dessen Spiegel nur zum Teil zu T. gehört, der größte; außer diesem gibt es nur kleinere Seen, z. B. der Achensee, der Brennersee, der See von Caldonazzo, der Loppiosee. Sehr zahlreich sind die Mineralquellen. Die besuchtesten der 82 Kurorte sind: Meran, Riva, Arco, Levico, Gries bei Bozen, Brennerbad. Das Klima Tirols ist sehr verschieden, indem die zentrale Gebirgskette eine Klimascheide bildet. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Innsbruck 8, in Lienz 7,5, in Trient dagegen 12,3°. Die mittlere jährliche Regenmenge beträgt in Innsbruck 872, in Meran 689, in Riva 1150 mm.
Die Bevölkerung von T. betrug 1890: 812,696, 1900: 852,712 (mit Einschluß von Vorarlberg 1890: 928,769, 1900: 981,949) Seelen und zeigt eine geringe Zunahme (jährlich 0,5 Proz.). Auf 1 qkm kommen 32 Einw., auf 1000 männliche 1017 weibliche Bewohner. Von der Bevölkerung gehören 55,5 Proz. der deutschen, 44,3 Proz. der italienischen (und ladinischen, s. Romanische Sprachen, S. 92, mit Literatur) Nationalität an; erstere bewohnt Nord- und Mittel-, letztere Südtirol (s. die »Ethnographische Karte von Österreich-Ungarn«). Im italienischen Sprachgebiet befinden sich mehrere deutsche Sprachinseln (s. unten, Literatur). Die Ladiner bewohnen hauptsächlich das Fassa-, Grödner-, Abtei- und Enneberger Tal. Die herrschende Religion ist die katholische; 1900 wurden nur 3232 Evangelische und 1008 Israeliten gezählt. Vgl. Bidermann, Die Nationalitäten in T. (Stuttg. 1886); Nabert, Das Deutschtum in T. (Münch. 1901); Baß, Deutsche Sprachinseln in Südtirol etc. (Leipz. 1901); Rohmeder, Das deutsche Volkstum in Südtirol (Wien 1898); Schindele, Reste deutschen Volkstums südlich der Alpen (Köln 1904).
Die Bodenproduktion Tirols ist wegen der gebirgigen Beschaffenheit vorwiegend auf Waldwirtschaft und Viehzucht beschränkt; doch wird, wo nur möglich, auch Ackerbau betrieben. Von der gesamten Bodenfläche kommen auf Äcker 5,2 Proz., Wiesen 6, Gärten 0,2, Weingärten 0,5, Hutweiden 4,2, Alpen 25,7, Waldungen 38,9, auf unproduktives Land 19,4 Proz. Landwirtschaftliche Produkte sind: Weizen (1906: 144,558 metr. Ztr.), Roggen (259,607 metr. Ztr.), Gerste (92,575 metr. Ztr.), Hafer (52,575 metr. Ztr.), Mais (270,728 metr. Ztr., hauptsächlich in Südtirol), Hülsenfrüchte (17,961 hl), Buchweizen (24,105 hl) in Südtirol, Kartoffeln (1,381,202 metr. Ztr.), Futterrüben (115,595 metr. Ztr.), Kraut (98,663 metr. Ztr.), Flachs (3118 metr. Ztr.), Tabak (4869 metr. Ztr.) um Rovereto, Kleeheu (268,303 metr. Ztr.), Grasheu (11,132,587 metr. Ztr.) etc. Die Obstkultur ist in Nordtirol meist auf die Gärten beschränkt; das Kernobst wird zu Obstwein (Cider) und das Steinobst zur Branntweinerzeugung verwendet. In Südtirol werden edle Obstsorten, neben der Traube auch Pfirsiche, Aprikosen, Mandeln, Zitronen (am Gardasee), Orangen, edlere Apfelsorten, besonders bei Bozen, seine Birnen, Kirschen, Granatäpfel etc. kultiviert. Das Erträgnis an Obst belief sich auf 135,208 metr. Ztr. Die Kultur des Ölbaums und namentlich des Maulbeerbaums wird in Südtirol betrieben. Ebenso ist der Weinbau auf Südtirol beschränkt (s. Tiroler Weine). Die Weinernte betrug 866,502 hl. Eine der Haupterwerbsquellen ist für T. ferner die Viehzucht. Nach der Zählung von 1900 gab es: 17,226 Pferde, 6439 Maulesel, Maultiere und Esel, 423,405 Rinder, 176,594 Schafe, 93,706 Ziegen, 70,558 Schweine, 50,468 Bienenstöcke. Die Seidenraupenzucht wird in Südtirol stark betrieben (Kokonsertrag 1,6 Mill. kg).
Der Bergbau und Hüttenbetrieb, ehemals in Nordtirol von hoher Bedeutung, hat fast seine ganze Wichtigkeit verloren. Der Bergbau ergab 1905: 6037 metr. Ztr. Kupfererz, 7640 Eisenerz, 1353 Bleierz, 23,242 Zinkerz, 20,000 Schwefelkies, 5135 Asphalt und 147,100 metr. Ztr. Braunkohle (ärarischer Bergbau zu Häring); der Hüttenbetrieb lieferte: 427 kg Silber, 2497 metr. Ztr. Kupfer und 4988 metr. Ztr. Roheisen. Hierzu kommt der Betrieb der Saline in Hall mit einer Produktion von 125,260 metr. Ztr. Sudsalz, 189 metr. Ztr. Steinsalz und 37,832 metr. Ztr. Industrialsalz. Beim Berg- und Hüttenbetrieb waren insgesamt 1517 Arbeiter beschäftigt; der Produktionswert belief sich auf 3,166,875 Kronen. Vgl. v. Wolfstrigl-Wolfskron, Die Tiroler Erzbergbaue 1301–1665 (Innsbr. 1903). Sonstige Produkte des Bodens sind: Torf, Farberde, Gips, Kreide, Quarz, Marmor (bei Laas und Predazzo), Serpentin, Amethyste, Granate (Ötztal und Zillertal) u. a. Die Industrie hat in T. bisher noch keine hohe Bedeutung erlangt. Die gewerbliche Betriebszählung von 1902 ergab im ganzen 4707 motorische Betriebe mit 25,153 beschäftigten Personen und 59,000 Pferdekräften. Hiervon entfielen auf die folgenden Hauptgruppen:
Die Lage Tirols zwischen Deutschland und Italien und die Vorteile wohlerhaltener Kunststraßen und Eisenbahnen begünstigen den Handel mit dem In- und Auslande wie auch den Transithandel. An Verkehrswegen bestehen 4831 km Landstraßen, 975 km Eisenbahnen (davon 944 km Hauptbahnen), 339 km Wasserstraßen.
Für den Unterricht sorgen: die Universität zu Innsbruck, 15 theologische Lehranstalten, 9 Obergymnasien, 3 Oberrealschulen, 3 Lehrer- und 3 Lehrerinnenbildungsanstalten, 3 höhere Töchterschulen; ferner 4 Handelslehranstalten, eine Staatsgewerbeschule zu Innsbruck, 16 gewerbliche Fachschulen, eine Handwerkerschule, 3 Schulen für Land- und Forstwirtschaft, eine Hebammenlehranstalt, 4 Musikschulen, endlich 2 Bürger-, 1368 öffentliche und 55 private Volksschulen. – Der Landtag besteht aus dem Fürsterzbischof von Salzburg, den Fürstbischöfen von Brixen und Trient, 4 Abgeordneten der Äbte und Pröpste, dem Rektor der Innsbrucker Universität, 10 Abgeordneten des Großgrundbesitzes, 13 der Städte, Märkte und Industrialorte, 3 der Handels- und Gewerbekammern (zu Innsbruck, Bozen und Rovereto) und 34 Vertretern der Landgemeinden, zusammen aus 68 Landtagsmitgliedern. In den Reichstag entsendet T. 25 Abgeordnete. Das Wappen von T. (s. Tafel »Österreichisch-Ungarische Länderwappen«, Fig 7) bildet im silbernen Feld ein roter, goldbewehrter und gekrönter Adler mit goldenen Kleeblattstengeln auf den Flügeln. Die Landesfarben sind Weiß und Rot. Administrativ ist das Land in 4 Städte mit selbständigem Statut und 23 Bezirkshauptmannschaften eingeteilt; s. folgende Tabelle.
Sitz der Statthalterei ist Innsbruck. Für die Rechtspflege bestehen: ein Oberlandesgericht zu Innsbruck, ein Landesgericht, 3 Kreis- und 66 Bezirksgerichte.
Vgl. Beda Weber, Das Land T. (Innsbr. 1837 bis 1838, 3 Bde.; 2. Aufl. als »Handbuch für Reisende in T.«, 1853); Staffler, T. und Vorarlberg, statistisch und topographisch (das. 1839–46, 2 Bde.); Schneller, Landeskunde von T. (das. 1872); Schaubach, Die deutschen Alpen, Bd. 2, 4 u. 5 (2. Aufl., Jena 1866–67); Zingerle, Sitten, Bräuche etc. des Tiroler Volks (2. Aufl., Innsbr. 1871); Hörmann, Tiroler Volkstypen (Wien 1877); Jüttner, Die gefürstete Grafschaft T. und Vorarlberg (das. 1880); Egger, Die Tiroler und Vorarlberger (Teschen 1882); »Gemeindelexikon von T.« (hrsg. von der statistischen Zentralkommission, Wien); Grohmann, Tyrol and the Tyrolese (2. Aufl., Lond. 1877); Defreggers Bilderwerk »Vom Land T.« (mit Text von Haushofer, Münch. 1895); Achleitner, T. und Vorarlberg (Leipz. 1895, illustriert); Haushofer, Tirol (in den Monographien »Land und Leute«, Bielef. 1899); Heyl, Volkssagen, Bräuche und Meinungen in T. (Brixen 1898); Schilderungen von Steub (s. d.), Noë, Schneller, Kollbach u. a.; Blaas, Kleine Geologie von T. (Innsbr. 1907) und dessen »Geologische Karte der Tiroler und Vorarlberger Alpen, 1:500,000« (das. 1903); Dalla Torre und Graf v. Sarntheim, Flora der. gefürsteten Grafschaft T. etc. (das. 1901–06, Bd. 1–6); Clemen, Tiroler Burgen (Wien 1894); Schwarz und v. Myrbach, Tirolische Schlösser (Innsbr. 1907 ff.); »Wappenbuch der Städte und Märkte der gefürsteten Grafschaft T.« (Innsbr. 1894); »Beiträge zur Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte von T.« (das. 1894); Reisehandbücher von Meyer (»Deutsche Alpen«), Bädeker, Trautwein, Amthor, Meurer etc.
Geschichte.
T. war schon in vorgeschichtlicher Zeit von mehreren in Kultur und Sprache verschiedenen Völkern bewohnt, die man unter dem Gesamtnamen Rhäter zusammen faßt, unter denen Etrusker und illyrische Veneter den Hauptbestandteil bildeten. Als letzte Schicht in vorchristlicher Zeit kamen die Gallier hinzu. Im ersten Jahrhundert v. Chr. drangen zuerst die Römer in diese Gegend vor. Das Gebiet von Tridentum (Trient) gehörte zur Provinz Gallien diesseit der Alpen, das Pustertal zu Noricum. Die unter Augustus angelegte Straße Claudia Augusta stellte die Verbindung vom Po zur Donau her und öffnete T. dem Verkehr mit dem Hauptlande; längs derselben entstanden eine Reihe von Kastellen, Zoll- und Kultstätten. Mit dem 2. Jahrh. begannen die Einfälle germanischer Stämme, insbes. der Alemannen. Schon im 4. Jahrh. fand hier das Christentum Eingang, für welches das Bistum Trient und wenig später das in Seben errichtet wurde; letzteres ward im 11. Jahrh. nach Brixen verlegt. Nach dem Sturze des abendländischen Kaisertums kam T. unter die Herrschaft der Ostgoten, nach deren Zertrümmerung 552 der nördliche Teil des Landes von den Bojoaren (Bayern), der südliche von den Langobarden besetzt ward. Dann ward T. im 8. Jahrh. fränkische Provinz, in Gaue geteilt, deren Namen sich erhalten haben, wie Vintschgau (Finsgowe), Tal Passeyer (Passir), Zillertal (Cillarestal), Pustertal (Pustrissa), Inntal, Norital (das innere T. um den Brenner herum) mit der Grafschaft Bozen, und von Grafen verwaltet. Nach dem Aussterben des karolingischen Hauses kam das nördliche und mittlere T. an das bayrische Herzogtum, das südliche (Trient) zur Veroneser Mark. Kaiser Konrad II. verlieh dann 1027 dem Bischof von Trient die Grafschaften Trient, Vintschgau und Bozen, dem von Brixen fiel das Norital und später (1091) auch das Pustertal zu. Die Bischöfe belehnten mit diesen Territorien ihrerseits wieder weltliche Adlige, unter denen das Geschlecht der Grafen von T. nach der Burg dieses Namens nächst Meran zu besonderer Macht gedieh. Als dieses nach dem Erlöschen des bayrischen Geschlechts Andechs 1248 auch die Grafschaften im Unterinntal und im Pustertal erhielt, war fast das ganze »Land im Gebirge« im Besitze der Grafen von T. Die Schwiegersöhne des söhnelosen Grafen Albert von T. (gest. 1253), Meinhard von T. und Gebhard von Hirschberg, erbten das Land, und da Gebhard kinderlos starb, vereinigte des erstern Sohn Meinhard II., seit 1286 Herzog von Kärnten, Kärnten und T. in seiner Hand. Meinhards II. Sohn Heinrich, Herzog von Kärnten und Graf von T., hinterließ eine Erbtochter, Margarete Maultasch, die zuerst mit Johann, Bruder Karls V., und dann mit dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg, Kaiser Ludwigs ältestem Sohn, vermählt war und nach dem Tode ihres Sohnes Meinhard 1363 das Land an die Herzoge von Österreich abtrat. 1364 bestätigte der Kaiser diese Gebietsveränderung im Vertrag zu Brünn, und 1369 erkannten sie auch die bayrischen Herzoge im Schärdinger Vergleich an. Bei der Erbteilung zwischen den Brüdern Albrecht III. und Leopold III. (1379) fiel T. an Herzog Leopold, der 1386 bei Sempach fiel. Bei der Teilung von 1406 überkam dessen jüngster Sohn, Herzog Friedrich IV. »mit der leeren Tasche« (1405–39), das Land samt den schwäbischen Vorlanden in ziemlicher Verwirrung, die sich durch den Konflikt, in den Friedrich mit dem Konstanzer Konzil und dem Kaiser Siegmund 1415 geriet, noch steigerte. Während Friedrich im Gebirge umherirrte, suchte sich sein Bruder Ernst von Steiermark des Landes zu bemächtigen; doch kam 1416 eine Versöhnung zwischen den Brüdern zustande, und die Grafschaft T. erhielt der Herzog Friedrich zurück, der mit Hilfe des Landvolks die landesfürstliche Macht gegenüber dem Adel und den Landbischöfen bedeutend stärkte. Durch ihn bekamen die Städte und das Landvolk gleiche politische Rechte mit den zwei vornehmen Ständen (Landtag zu Meran 1433). Unter Friedrichs Sohn Siegmund, dem »Münzreichen«, aber durch verschwenderische Freigebigkeit stets geldbedürftigen Herrscher, blühte der Bergbau in T. auf, zumal die Silbergruben von Schwaz unermeßliche Ausbeute ergaben. Trotz des langwierigen Streites mit dem Brixener Bischof, Nicolaus von Cusa, und dem Adelsgeschlechte der Gradner blühte und gedieh das Land unter diesem Fürsten, der zahlreiche prächtige weltliche und kirchliche Bauwerke und neue Straßen schuf. Da Siegmund kinderlos war, übergab er die Grafschaft 1490 seinem Neffen, dem König Maximilian I., der sie 1504 durch das Zillertal, Kufstein, Kitzbühel, Rattenberg, das kärntnische Pustertal zwischen Ober-Drauburg und Lienz, ferner gegen Italien durch die Reichsvikariate Ala, Avia, Mori, Brentonico, das Grenzgebiet von Covolo (Kosel) und Pudestagno (Peutelstein), ferner Riva und Rovereto vergrößerte und ihr den Titel gefürstete Grafschaft beilegte. Anderseits zwangen ihn seine kostspieligen Kriege und Unternehmungen zu mehrfachen Verpfändungen und Veräußerungen von Gütern sowie der einträglichen Bergwerke. Ferdinand I. trat der Reformation entgegen, die seit 1522 im Lande Eingang gefunden hatte, und unterdrückte 1525 den Bauernaufstand, den in Brixen Michael Gaismayr angestiftet hatte, mußte aber die freie Predigt nach dem Worte Gottes gestatten. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. ward durch das Zusammenwirken des katholischen Adels und der Regierung in Innsbruck bewirkt, daß T. von den Protestanten verlassen wurde. Nach Ferdinands I. Tode (1564) übernahm sein zweiter Sohn, Erzherzog Ferdinand, der Gemahl der schönen Philippine Welser von Augsburg, die Regierung; da Ferdinand keine erbberechtigten Söhne hinterließ, so fiel nach seinem Tode (1594) das Land wieder an die kaiserliche Familie, bis 1602 Rudolf II. seinen Bruder Maximilian zum Regenten bestellte. Nach dessen Tode (1618) trat Erzherzog Leopold aus der steirischen Linie ein, der Gatte Claudias von Medici, die nach seinem Ableben, unterstützt von dem berühmten Kanzler Wilhelm Biener, die Grafschaft verwaltete (1632–46). Auf Claudia folgten noch ihre beiden Söhne, zuerst Karl Ferdinand, dann Siegmund Franz, der 1665 starb. Mit ihm erlosch das selbständige tirolische Regentenhaus, und T. wurde jetzt wieder von Wien aus regiert. Die verschwenderische Hofhaltung der letzten Fürsten, die Nachwehen des Dreißigjährigen Krieges, der Niedergang des Bergwesens, Pest und Entvölkerung machten sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. in T. sehr fühlbar und verursachten einen merklichen Niedergang im ganzen Lande. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1703) unternahm Max Emanuel von Bayern eine Expedition nach T., die anfangs gelang, bald aber durch die Tapferkeit des Landsturms den Bayern ebenso verderblich ward wie den Franzosen, die unter Vendôme von Italien her bis Trient vorgedrungen waren. Die weitern Kriege des 18. Jahrh. berührten aber, mit Ausnahme des Österreichischen Erbfolgekrieges unter Maria Theresia, in dessen ersten Jahren die Nordgrenze Tirols bedrängt war, das Land nur insofern, als es für die Kriegszwecke große Geldopfer zu bringen hatte. Um so stärker griffen die innerpolitischen Reformen der Kaiserin und ihres Sohnes in die ständischen Verhältnisse des Landes ein. Mit der Regierung Kaiser Franz' I. begann für T. ein Heldenzeitalter durch die gewaltigen Kämpfe mit Franzosen und Bayern. Im Frieden zu Preßburg 1805 fiel T. an Bayern; 11. Febr. 1806 erfolgte die Übergabe. Die Einmischung der neuen Regierung in viele Dinge, welche die Wiener Hofräte bisher klüglich unberührt gelassen, die bedeutenden Geldverluste, welche die Entwertung der das Land überschwemmenden Bankozettel verursachte, die Einführung neuer Steuern und die Konskription, die Auflösung der Tiroler Landschaft, die Beseitigung selbst des Namens »T.«, namentlich aber die Verminderung der Feiertage und Klöster: dies alles erzeugte im Land eine den Bayern sehr feindliche Stimmung und bereitete einem Aufstand günstigen Boden. Es entzündete sich im April 1809 jener Volkskrieg unter den Helden Andreas Hofer (s. d.), Speckbacher u. a., nach dessen unglücklichem Ende im Wiener Frieden vom Oktober 1809 T. in drei Teile zerrissen ward: Welschtirol mit Bozen fiel an das Königreich Italien, Oberpustertal an Illyrien, und das übrige blieb bei Bayern. Erst 1814 wurde das ganze Land wieder mit Österreich verbunden, das auch die salzburgischen Enklaven, das Zillertal, das Brixental und Windisch-Matrei damit vereinigte, worauf das Land sich mehrere Jahrzehnte voller Ruhe erfreute.
Die Ereignisse des Jahres 1848 erweckten auch hier das Volk zu regem politischen Leben, doch vollzogen sich die Umwandlungen ohne tiefere Stürme. Dagegen begannen damals die Bestrebungen Welschtirols auf Lostrennung vom Mutterland und Anschluß an Italien. Eine große Kundgebung im Lande veranlaßte sodann das Patent vom 8. April 1861, das im Prinzip die Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken aussprach. Doch hatte die mit 129,000 Unterschriften versehene Adresse des allein aus Vertretern von Deutschtirol zusammengesetzten Landtags, der auf Antrag des Fürstbischofs von Brixen an den Kaiser die Bitte richtete, die Ausübung des öffentlichen Gottesdienstes, die Bildung kirchlicher Gemeinden, den Erwerb von Realbesitz den Protestanten in T. nicht zu gestatten, keinen Erfolg. Friedlich und festlich wurde 1863 die Feier der fünfhundertjährigen Vereinigung Tirols mit Österreich im ganzen Lande begangen. Die Sistierung der Verfassung nach Schmerlings Sturz 1865 rief in T. keine oppositionelle Kundgebung hervor, weil die Regierung T. in Hinsicht auf das Protestantenpatent bedeutende Zugeständnisse machte. Daher gab sich für die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Zustände 1867 in dem Landtag Tirols geringe Sympathie zu erkennen; indessen erfolgte doch der Beschluß, den Reichsrat zu beschicken. Die liberalen österreichischen Gesetze über Kirche und Schule stießen in T. natürlich auf große Abneigung und im Landtag auf Opposition. Alle Versuche des verfassungstreuen Ministeriums, eine liberale Mehrheit im Landtag zu erreichen, waren vergeblich. Auch nach dem Eintritt der Welschtiroler in den Landtag (1875) blieb die Mehrheit ultramontan und protestierte ebenso wie die Bischöfe immer wieder gegen die interkonfessionelle Schule und für die Glaubenseinheit. Erst als 1889 die Italiener, die lange Zeit wieder dem Landtag fern geblieben waren, sich mit den Deutschliberalen vereinigten, gerieten die Klerikalen in die Minderheit, doch nur vorübergehend, da das Ministerium Taaffe die Forderungen der Welschtiroler nach einer Teilung des Landes und einer administrativen Sonderstellung des Trentino ablehnte, worauf diese neuerdings abstinierten und den Klerikalen das Feld überließen, von denen die Regierung 1892 nur durch allerlei Zugeständnisse in kirchlicher Richtung die Zustimmung zur Einführung des Volksschulgesetzes erreichte. Vgl. Egger, Geschichte Tirols (Innsbr. 1872–80, 3 Bde.); über einzelne Perioden: A. Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mit Österreich (das. 1864); v. Hormayr, T. und der Tiroler Krieg von 1809 (2. Aufl., Leipz. 1845, 2 Tle.); Bartsch, Der Volkskrieg in T. 1809 (Wien 1905); A. Jäger, Zur Vorgeschichte des Jahrs 1809 in T. (das. 1852); »T. unter der bayrischen Regierung, mit Aktenstücken« (Aarau 1816–17, 2 Tle.); A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols (Innsbr. 1881–85, 2 Bde.); Streiter, Studien eines Tirolers (für die neuere Zeit, Leipz. 1862); Arens, Das Tiroler Volk in seinen Weistümern (Gotha 1904); Steinitzer, Geschichtliche und kulturgeschichtliche Wanderungen durch T. und Vorarlberg (Innsbr. 1905); »Tirolische Geschichtsquellen« (das. 1867–91, 3 Bde.); »Archiv für Geschichte und Altertumskunde Tirols« (das. 1864–1868); »Acta Tirolensia; urkundliche Quellen zur Geschichte Tirols« (das. 1886–99, 2 Bde.); »Zeitschrift des Ferdinandeums für T.« (das., seit 1825); »Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols« (Innsbr. 1904 ff.) und unsre »Geschichtskarten von Bayern« (im 2. Bd.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.