Goten

Goten

Goten, germanisches Volk, wird zuerst von Tacitus (»Germania«, 44) als Gotones (Guttonen) erwähnt, als jenseit der Ligier im Nordosten Germaniens, etwa an der Ostsee, wohnend und von Königen beherrscht. Nach einer nicht beglaubigten Volksüberlieferung wanderten sie von der Insel Scanzia (Skandinavien) nach der »Bernsteinküste« und zogen wahrscheinlich zur Zeit der Markomannenkriege im 2. Jahrh. n. Chr. nach dem Flachland, das sich oft- und südwärts von den Karpathen an der Donau und an den Gestaden des Schwarzen Meeres ausdehnt. Sie besetzten Länder, die früher Geten und Skythen bewohnt hatten; dies sowie die Ähnlichkeit der Namen Geten und G. haben es veranlaßt, daß alte Schriftsteller die germanischen G. Skythen nennen, andre (selbst gotische Geschichtschreiber) sie für Abkömmlinge der Geten halten. Die angrenzenden Völker germanischen und sarmatischen Ursprungs durch Bündnis oder Gewalt mit sich vereinigend, breiteten die G. ihr Reich von der Theiß bis zum Don, vom Pontus bis zur Ostsee aus; Heruler, Rugier, Skiren, Turcilinger, Wandalen, Gepiden etc. gehörten dem Gotenreich an. Die eigentlichen G. zerfielen in die Westgoten (Thervingen), die unter dem Fürstengeschlecht der Balten (Kühnen) von den Karpathen bis zum Dnjepr wohnten, und die Ostgoten (Greuthungen) unter der Herrschaft der Amaler (Makellosen) in den Steppen Südrußlands. Zu Wasser und zu Lande unternahmen die G. Raubzüge in das römische Reich: 251 verheerten sie Mösien und Thrakien und besiegten den Kaiser Decius. 258–259 suchten sie die Küstenländer des Schwarzen Meeres, der Propontis und des Archipels mit ihren flachen, durch ein Dach gegen Wind und Wetter geschirmten Fahrzeugen heim, schleppten aus den Städten Beute weg, steckten den Tempel der Artemis zu Ephesos in Brand, plünderten Athen und dachten sogar an eine Landung in Italien. Da wurde 269 ein großes Gotenheer, das, 320,000 streitbare Männer stark, auf 2000 Fahrzeugen von der Mündung des Dnjestr ausgesegelt und nach vielen Plünderungen in Kreta und Cypern bei Thessalonich gelandet war, von Kaiser Claudius bei Naissus zersprengt. Nachdem Aurelian 270 den G. das linke Donauufer (Daeien) abgetreten, bestand längere Zeit Friede; freundschaftliche Berührungen zwischen Römern und G. verbreiteten Kultur unter dem begabten, bildungsfähigen und empfänglichen gotischen Stamm. Das Christentum nach der Lehre des Arms nahmen sie früh an, und Bischof Vulfila (Ulfilas, s. d.) übersetzte den größten Teil der Bibel in die gotische Sprache, nachdem er aus den Runen, mit Benutzung des griechischen Alphabets, ein gotisches gebildet hatte (s. Gotische Sprache). Um 370 hatte das Gotenreich unter dem Amaler Hermanrich (s. d.) seine höchste Macht und Ausdehnung erreicht.

Die Westgoten.

Der Einfall der Hunnen 375 zerstörte dies Reich: Hermanrich, infolge eines Mordanfalles schwerverwundet daniederliegend, gab sich selbst den Tod, um den Fall seines Reiches nicht zu überleben; sein Nachfolger Withimer wagte eine Feldschlacht gegen die Hunnen, verlor aber diese und auch sein Leben. Nun unterwarfen sich die Ostgoten den Hunnen; die Westgoten aber, 200,000 waffenfähige Männer mit Weibern und Kindern, zogen unter der Führung ihres Richters Fritigern nach der Donau und stellten sich unter den Schutz des römischen Reiches, dessen Kaiser Valens ihnen erlaubte, sich in Thrakien anzusiedeln. Doch die Erpressungen der römischen Statthalter reizten die G. zu einem Aufstand, der 377 in Marcianopolis in Niedermösien ausbrach; plündernd durchzogen die Scharen die Donauprovinzen. Die Schlacht, die ihnen die römischen Feldherren auf dem Weidenfeld (ad salices) 377 lieferten, blieb unentschieden; aber 9. Aug. 378 vernichteten die Westgoten, durch andre Barbaren verstärkt, bei Adrianopel ein großes römisches Heer, und Valens fand selbst seinen Tod. Nun setzten sie ihre Verwüstungszüge fort. Theodosius d. Gr. gelang es 380, sie zu beschwichtigen (s. Athanarich) und 394 sogar zu Bundesgenossen gegen den Usurpator Eugenius zu machen. Indes sofort nach Theodosius' Tod (17. Jan. 395) erhoben sie sich wieder und zogen unter ihrem Häuptling Alarich I. (s. d.) im Winter von 395 auf 396 vor Konstantinopel, plünderten Athen, verbrannten Korinth und verwüsteten die Peloponnes. Der weströmische Feldherr Stilicho zwang Alarich, Griechenland zu räumen. Dieser, vom oströmischen Hof aus Eifersucht gegen Stilicho zum Statthalter Illyriens ernannt, hielt fünf Jahre Ruhe, wandte sich aber im November 401 gegen Italien. Am 6. April 402 kam es bei Pollentia zwischen Alarich und Stilicho zu einer Schlacht, in der die Westgoten unterlagen; nach einer zweiten Niederlage bei Verona mußte Alarich Italien räumen, erzwang sich aber 407 eine Zahlung von 4000 Pfd. Gold. Nach Stilichos Ermordung (23. Aug. 408) brach Alarich wiederum in Italien ein und, nachdem er Rom zweimal bedroht, aber verschont hatte, erstürmte er es 14. Aug. 410 und gab es einer dreitägigen Plünderung preis. Nach Alarichs frühem Tode (Herbst 410) ward sein Schwager Ataulf (s. d.) König der Westgoten. Dieser schloß mit Kaiser Honorius einen Vertrag, wonach er als römischer Befehlshaber das von dem Usurpator Jovinus beanspruchte Gallien wieder unterwerfen sollte. Ataulf eroberte 414 auch Aquitanien, wurde jedoch im August 415 zu Barcelona von seinem Sklaven Dubius ermordet. Wallia (415–419), der nun auf den Königsschild erhoben wurde, setzte die Eroberungen im Namen des weströmischen Kaisers in Spanien fort, und zum Lohn erhielten die Westgoten die Provinz Aquitanien 419 als Wohnsitz eingeräumt, wo sie sich an ein seßhaftes Leben gewöhnten, ohne ihr Volkstum aufzugeben. Tolosa ward von Wallias Nachfolger Theoderich I. (419–451) zum Herrschersitz dieses westgotischen Reiches erwählt. Tapfer kämpften die Westgoten 451 gemeinsam mit den Römern gegen die stammverwandten Ostgoten und Gepiden, die Bundesgenossen Attilas, auf den mauriazensischen Feldern; Theoderich starb hier den Heldentod. Auf seine nach kurzer Herrschaft ermordeten Söhne Thorismund und Theoderich II. folgte der dritte Sohn, der tapfere König Eurich (466–484), der Gallien zwischen der Rhone, der Loire und den Pyrenäen eroberte und nach Besiegung der Sueven den größten Teil Spaniens unterwarf. Seinem Sohn Alarich II. (485–507) hinterließ er ein wohlgeordnetes Reich.

Was die Staats- und Rechtsverhältnisse der Westgoten betrifft, so wurde der König von alters her gewählt, und obwohl mehrmals die Krone vom Vater auf den Sohn überging, gelang es doch nicht, das Erbkönigtum gesetzlich einzuführen. Die königliche Gewalt bestand in der Führung des Heerbannes und in der höchsten Gerichtsbarkeit, kraft deren der König alle Beamten ernannte. Der Adel zerfiel in mehrere Klassen: die Duces oder Herzoge, denen ursprünglich die Führung im Kriege, später, nachdem das Volk seßhaft geworden war, auch die bürgerliche Verwaltung und die Gerichtsbarkeit in den Provinzen zufielen; die Comites oder Grafen, die dieselben Ämter in kleinern Bezirken verwalteten; die Gardinge, Edelleute ohne Amt, die sich am Hof aufhielten, und den übrigen Adel, der sich von den Gemeinfreien durch Vorrechte in bezug auf den Gerichtsstand und Befreiung von manchen Strafen unterschied. Sämtlichen Freigebornen gegenüber standen die Leute, denen durch Geburt, Kriegsgefangenschaft, durch Überschuldung oder sonstige Vergehen das übrigens erträgliche Los der Hörigkeit zugefallen war. Alle waffenfähigen G. waren zum Kriegsdienst verpflichtet und wurden von den Duces und Comites befehligt, unter denen der Tiufad einer Abteilung von 1000 Mann (Tiufadie) vorstand. Bei der Eroberung des Reiches teilten die Westgoten die gewonnenen Ländereien in drei Teile, von denen sie einen den römischen Einwohnern als freien Eigentümern überließen, zwei Drittel für sich behielten. Das gewonnene Land wurde in gleichgroße Güter (sortes) geteilt, an denen mehreren zugleich (consortes) ein Eigentumsrecht zustehen konnte; manche überließen ihre Landgüter gegen gewisse Leistungen an geringere Leute, die aber, sobald sie ihren Verpflichtungen nicht nachkamen, Kaufpreis und Grundstück verloren. Auch der König belehnte einzelne mit Gütern, die ihm dafür zu Treue und besondern Dienstleistungen verpflichtet waren und die Getreuen des Königs hießen. Die Rechtsgewohnheiten des Volkes ließ zuerst Eurich sammeln und auszeichnen. Doch hatte dies Gesetzbuch nur für die Westgoten Gültigkeit; für die bezwungenen Römer bestand das römische Recht fort, weshalb Alarich II. (s. d.) für die römischen Untertanen das Breviarium Alarici abfassen ließ. Leovigild ließ 100 Jahre später Eurichs Gesetzgebung revidieren, und sein Sohn Reccared unternahm eine abermalige Revision, die sogen. Antiqua, die in Bruchstücken erhalten ist (hrsg. von Blume, Halle 1847). König Chindasuinth (641 bis 649) gab mit Aufhebung des römischen Rechts dem westgotischen allgemeine Geltung. Die uns erhaltene Gestalt der Leges Visigothorum (hrsg. von Karl Zeumer als Vorläufer einer Monumenten-Ausgabe, Hannov. 1894) stammt aus der Zeit König Reccesuinths. Nach ihr übte der König die höchste Gerichtsbarkeit aus und übertrug sie untergeordneten Richtern, die als Herzoge, Grafen, Tiufaden, Millenarier, Zentenarier und Dekane zugleich im Kriege Befehlshaberstellen bekleideten oder als Defensoren und Numerarien bürgerliche Ämter bekleideten. Vgl. Helfferich, Entstehung und Geschichte des Westgotenrechts (Berl. 1858); Blume, Zur Texteskritik des Westgotenrechts (Halle 1872); Dahn, Die Könige der Germanen, Bd. 6: Die Verfassung der Westgoten (Würzb. 1871) und Westgotische Studien (das. 1874).

Trotz aller Milde gegen die romanischen Einwohner, denen ein Teil des Grundbesitzes, Religion und Recht gelassen wurden, konnten sie nicht für die Herrschaft der arianischen Westgoten gewonnen werden. Als daher 507 der rechtgläubige Frankenkönig Chlodwig in das Westgotenreich einfiel, Alarich II. bei Vouglé (b. Poitiers) tötete und das Land zwischen Loire und Garonne eroberte, wurde er von den Römern als Befreier begrüßt. Die Provence und Septimanien schützte gegen die Franken der Ostgotenkönig Theoderich; dieser war auch Vormund für seinen Enkel, Alarichs unmündigen Sohn Amalarich, der 526 selbst die Regierung des auf Spanien und Septimanien beschränkten Reiches übernahm. 531 reizte er durch die Mißhandlung seiner fränkischen Gemahlin Klothilde den Frankenkönig Childebert zum Kriege, in dem er bei Narbonne eine Niederlage erlitt; auf der Flucht wurde er, der letzte der Balten, auf Anstiften seines frühern Erziehers, des Ostgoten Theudes, ermordet, der nun den Thron bestieg und seine Residenz in Barcelona aufschlug. Diese Gewalttat war der Anfang einer Reihe von Greueltaten, durch die in rascher Folge Könige erhoben und gestürzt wurden. Endlich trat mit der Erhebung des Königs Leovigild (568–586), der Toledo zum Herrschersitz erkor, wieder eine Zeit der Macht und des innern Friedens ein. Sein Sohn Reccared (586–601) bahnte die völlige Verschmelzung der Westgoten mit der römischen Bevölkerung und ihre Romanisierung an durch seinen Übertritt zum katholischen Glauben, dem fast sein ganzes Volk folgte, sowie durch die Einführung des Konubiums zwischen beiden Bevölkerungen. Nun stieg, von den Königen begünstigt, die Macht der Geistlichkeit, die ihre Synoden durch Zuziehung der Grof;en zu förmlichen Reichstagen umgestaltete und bei den zahlreichen Thronstreitigkeiten entscheidend auftrat. Der Klerus stellte die königliche Gewalt unter den Schutz der Kirche; die Könige belohnten ihn durch reiche Schenkungen und durch Judenverfolgungen. Nach der kraftvollen Regierung Reccesuinths (649–672) und Wambas (672–681) erreichte die Macht der Kirche unter den Königen Erwich (681–687) und Egiza (687–701) ihren Höhepunkt. Witiza (701–710) stellte die Religionsverfolgungen ein, ordnete den Klerus der weltlichen Gewalt unter und machte die Königswürde erblich; doch wurde er das Opfer einer Verschwörung, deren Haupt Roderich den Thron bestieg. Die Söhne und Anhänger des gestürzten Königs, besonders der Statthalter von Ceuta, ferner die Juden riefen die Araber herbei, die 711 unter Tarik von Afrika herüberkamen und Roderich in der siebentägigen Schlacht von Jeres de la Frontera (19.–25. Juli 711) besiegten; der König ertrank auf der Flucht. Unter diesem niederschmetternden Eindruck eroberten die Araber ganz Spanien mit Ausnahme der nördlichen Gebirge. Der gotische Name hat sich in Gotalanien (Katalonien) erhalten. Weiteres s. Spanien (Geschichte).

Die Ostgoten.

Die Ostgoten hatten sich 375 den Hunnen unterworfen, blieben nördlich von der Donau wohnen und nahmen an den Kriegszügen Attilas teil. Erst nach seinem Tode (453) erhoben sie sich unter drei Brüdern aus dem Haus der Amaler, Walamir, Theodemir und Widemir, erstritten am Fluß Netad in Pannonien 454 ihre Selbständigkeit und schlugen von Wien bis Sirmium ihre Wohnsitze auf. Hier wurde nach Theodemirs Tode 475 Theoderich auf den Thron erhoben. Er zog nach der griechischen Halbinsel, um Kaiser Zenon gegen Aufrührer zu unterstützen, wurde aber dann, da die Ostgoten sich durch Plünderungen lästig machten, nach Italien geschickt, um dort Odoakers Herrschaft zu stürzen. 488 sammelten sich 200,000 Ostgoten zu Nova in Niedermösien, brachen sich durch das inzwischen von den Gepiden besetzte Pannonien Bahn, überschritten die Julischen Alpen und überwältigten Odoakers Scharen am Isonzo und bei Verona (489). Mit Hilfe der Westgoten errangen sie 490 einen dritten Sieg an der Adda und nötigten Odoaker zur Flucht nach Ravenna, wo er sich 493 ergeben mußte, nachdem die Ostgoten ganz Italien schon erobert hatten. Vom oströmischen Kaiser als König von Italien anerkannt, wußte Theoderich in kurzer Zeit dem ostgotischen Reich durch Energie und Klugheit Macht und Ansehen zu verschaffen und es zur Schutzmacht für kleinere germanische Völker gegen die Angriffe habgieriger Eroberer, namentlich Chlodwigs, zu erheben. Die Wandalen traten Sizilien ab; im Nordosten bis zur Donau stellten sich die Heruler unter den Schutz der Ostgoten, in den Alpen die Alemannen. Zugunsten der Westgoten schritt Theoderich 507 ein und rettete ihnen Septimanien, während er die Provence mit seinem Reich vereinigte.

Vortrefflich war die innere Organisation des Reiches. Die Ostgoten bekamen den dritten Teil alles eroberten Landes in ganz Italien nebst der entsprechenden Anzahl Sklaven zur Bebauung; sie hatten dafür allein die ehrenvolle Pflicht des Kriegsdienstes und durften Waffen tragen. Ordnung, Waffenführung und Kampfart in dem Heere waren altgermanisch. Der König blieb im Felde der alte Heerkönig und Kriegsfürst; unter ihm befehligten Herzoge und Grafen, im Frieden auch in den Grenzländern. Handel, Gewerbtätigkeit, Ackerbau und andre Künste des Friedens blieben den römischen Einwohnern überlassen, deren Gesetzgebung, Rechtspflege und Steuerordnung nicht verändert wurden. Die zwischen 511 und 515 von Theoderich d. Gr. und seinem Enkel Athalarich erlassenen Verordnungen (vgl. Dahn, Die Könige der Germanen, Bd. 4; Würzburg 1868) hatten sowohl für die G. als auch für die Römer Geltung. Die altrömischen Ämter bestanden weiter und wurden mit Römern besetzt; römische Richter entschieden die Streitigkeiten zwischen den Römern, während solche zwischen G. und Römern von den Gotengrafen mit Zuziehung rechtskundiger Römer abgeurteilt wurden. Unter dem Schutze des langen Friedens und der trefflichen Fürsorge des Königs blühte Italien von neuem auf. Trotzdem verschmolzen G. und Römer zu keinem Ganzen, hauptsächlich wegen des konfessionellen Gegensatzes der katholischen Römer zu den arianischen G., auf deren ursprüngliche Kraft und Sittenreinheit die römische Kultur nur verderblich einwirkte. Aufgereizt vom Klerus, zettelten die Römer Verschwörungen gegen die ketzerische Herrschaft an, und die Hinrichtung des Boëthius und Symmachos, zu ver sich Theoderich 524 hinreißen ließ, steigerte die Abneigung. Dazu kamen nach Theoderichs Tod (526) innerer Zwiespalt und äußere Gefahren. Amalasuntha, die Tochter Theoderichs, die für ihren unmündigen Sohn Athalarich die Regierung führen sollte, begünstigte die Römer und ihre Kultur so sehr, daß die G. ihr den jungen König entrissen, um ihm eine nationale Erziehung zu geben; doch starb Athalarich nach einem ausschweifenden Leben schon 534. Amalasuntha suchte die Herrschaft zu behaupten, indem sie sich mit ihrem Vetter Theodahad, dem letzten Amaler, vermählte. Dieser ließ Frühjahr 535 Amalasuntha im Bade erwürgen und bemächtigte sich der Alleinherrschaft, wurde aber schon Herbst 536 ermordet, weil er sich vor Kaiser Justinian, der als Rächer der Amalasuntha seinen Feldherrn Belisar nach Italien sandte, feig benahm. Belisar, von den römischen Einwohnern als Befreier begrüßt, eroberte Unteritalien und bemächtigte sich im Dezember 536 auch Roms. Witiges, von den G. auf den Thron erhoben, belagerte vergeblich ein Jahr lang (537–538) mit 150,000 Mann die Stadt und mußte endlich nach großen Verlusten nach Ravenna zurückgehen, das sich 539 Belisar ergeben mußte. Als dieser 540 abberufen wurde, führte er Witiges als Gefangenen nach Konstantinopel. Nun wählten die G. Ildibad und nach dessen Ermordung 541 seinen Neffen Totila zum König. Dieser eroberte rasch Italien wieder und zog 546 in Rom ein, das der zurückgesandte Belisar zwar 547 wiedergewann, 549 aber von neuem aufgeben mußte. Nach Belisars zweiter Abberufung (549) unterwarf Totila auch Sizilien, Sardinien und Korsika. 552 ward Narses mit einem oströmischen Heer nach Italien geschickt und besiegte das Gotenheer im Juli bei Tagīna(e) am Fuße des Apennin; Totila kam auf der Flucht um. Während Narses Rom eroberte und nach Kampanien vordrang, ward in Papia Teja auf den Königsschild erhoben. Er eilte seinem in Cumä von Narses belagerten Bruder Aligern zu Hilfe, kämpfte am Flusse Sarnus bei Neapel 60 Tage lang tapfer gegen die Römer und fiel endlich mit dem Kern des Heeres, vom Meer abgeschnitten und dem Hungertod preisgegeben, im Verzweiflungskampf; nur 1000 Mann ergaben sich gegen die Bedingung freien Abzugs. Aligern überlieferte Cumä 553 dem oströmischen Feldherrn, und nachdem ein Heer von Alemannen und Franken, das, mehr um zu plündern, als das Gotenreich herzustellen, in Italien einfiel, 554 am Volturuns vernichtet war, ergab sich die letzte gotische Festung Compsa (Conza) in Samnium 555. Die Reste der G. wurden in verschiedene Länder verschlagen und sind verschollen.

Vgl. die Geschichte der G. von Jordanes (s. d.), dessen Werk ein Auszug der gotischen Geschichte des Römers Cassiodorius (s. d.) ist, der, die G. mit den Geten (s. d.) identifizierend, die älteste Geschichte der G. verwirrt hat, und den »Gotischen Krieg« des Prokopios (s. d.); ferner Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung, Bd. 2 (2. Aufl., hrsg. von Dahn, Leipz. 1881); Pallmann, Geschichte der Völkerwanderung von der Gotenbekehrung bis zum Tod Alarichs, 2 Bde. (Gotha 1863 u. Weimar 1864); Dahn, Die Könige der Germanen, Abt. 2 und 5 (Würzb. 1861 u. 1871) und Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, Bd. 1 (Berl. 1881); Aschbach, Geschichte der Westgoten (Frankf. 1827); Manso, Geschichte des ostgotischen Reichs in Italien (Bresl. 1824); Kohl, Zehn Jahre ostgotische Geschichte 526–536 (Leipz. 1877); Hartmann, Geschichte Italiens im Mittelalter, Bd. 1 (Gotha 1897); Bradley, The Goths from the earliest times to the end of the gothic dominion of Spain (4. Aufl., Lond. 1898); Rappaport, Die Einfälle der Goten in das römische Reich bis auf Konstantin (Leipz. 1899).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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