Ähnlichkeit

Ähnlichkeit

Ähnlichkeit, im allgemeinen die Übereinstimmung mehrerer Dinge in mehreren oder den meisten ihrer Merkmale, im Unterschiede von der Gleichheit oder der völligen Übereinstimmung mehrerer Dinge in allen ihren Merkmalen. Je weniger wesentlich die übereinstimmenden Merkmale an den Dingen sind, desto zufälliger ist ihre Ä. Ob wir jedoch an zwei Objekten eine Ä. finden oder nicht, hängt auch mit davon ab, unter welchem Gesichtspunkt wir sie ver gleichen; Dinge, die in einer Hinsicht ähnlich sind, können in andrer Hinsicht Gegensätze bilden.

Der Begriff der Ä. ist vornehmlich in den Naturwissenschaften und in der Mathematik von Bedeutung. Die Klassifikation der Lebewesen geht von deren Ä. oder der Übereinstimmung im Organbau aus; die physiologischen und physikalischen Wissenschaften aber suchen aus der Ä. (Analogie) der Erscheinungen und Wirkungen die diese bedingenden allgemeinen Naturgesetze zu erkennen. Obwohl die A., die bestimmte Tier- und Pflanzenarten untereinander und mit ihren Erzeugern besitzen, in vielen Fällen von Blutsverwandtschaft oder gemeinsamer Abstammung herrührt, so gibt es doch auch eine durch gleiche Ernährungsweise und Lebensbedingungen erzeugte physiologische und morphologische Ä. (Anpassungs.), die z. B. viele Wasserpflanzen und Tiere der verschiedensten Familien einander äußerlich zu nähern scheint (s. Anpassung). Durch diese zusammenführende oder konvergente Züchtung ist z. B. die Ä. zwischen Erdwürmern, Blindwühlen, Amphisbänen und Blindschlangen entstanden, also bei Tieren, die zu sehr entfernt stehenden Klassen gehören, ebenso wie es im äußern Bau sehr übereinstimmende »Maulwürfe« unter Beutlern, Nagern und Insektenfressern gibt. Auch die natürliche Auslese bringt infolge des Schutzes, den gleichförmige Färbung mit dem Hintergrunde gewährt, Ä. in Färbung und Zeichnung der Tiere hervor (s. Schutzeinrichtungen). Noch strengere Ä., bis in Einzelheiten der Gestalt, Färbung und Zeichnung, ruft die Mimikry (s. d.) bei gar nicht verwandten Tieren ins Leben. Der Systematiker, der die natürliche Verwandtschaft der Organismen ergründet, muß daher streng die Gleichwertigkeit (Homologie) der ähnlichen Teile von der bloßen physiologischen Ä. (Analogie) unterscheiden. So sind die Flügel der Vögel und Fledermäuse als Um bil dungen der vordern Extremität untereinander und mit den vordern Schreit-, Grab- und Ruderbeinen der Amphibien, Reptilien und Säugetiere homologe Bildungen, die Schwingen der »fliegenden Drachen« als von falschen Rippen gestützte Hautgebilde und die Flügel der Insekten, die einen ganz andern Ursprung haben, nur analoge Bildungen. In der Pflanzenwelt entstehen unter anderm durch Fleischigwerden des Stengels und Rückbildung der Blätter überraschende A. unter Angehörigen gar nicht miteinander verwandter Pflanzenfamilien (z. B. Kakteen und Euphorbien). Über schützende Ä. s. Mimikry und Schutzeinrichtungen.

In der Mathematik versteht man unter Ä., daß zwei Figuren dieselbe Gestalt, aber verschiedene Größe haben. Das Zeichen der Ä. ist ∾ (ein liegendes s, vom lat. similis, »ähnlich«). Zwei ebene geradlinige Vielecke sind ähnlich, wenn sie gleichviele Seiten haben, und wenn man die Seiten des einen der Reihe nach den Seiten des andern so zuordnen kann, daß das Verhältnis der Längen je zweier aufeinander folgender Seiten und außerdem der Winkel zwischen diesen Seiten bei dem einen Vieleck genau so groß ist wie bei den entsprechenden Seiten des andern. Zwei entsprechende Seiten der beiden Vielecke stehen dann stets in demselben Verhältnis zueinander, und die Flächeninhalte der Vielecke verhalten sich zueinander wie die Quadrate von irgend zwei entsprechenden Seiten. Zwei ähnliche ebene Vielecke, z. B. die Fünfecke ABCDE und A´B´C´D´E´ (s. Figur), kann man stets so legen, daß die Verbindungslinien entsprechender Ecken (hier AA´, BB´ etc.) alle durch einen Punkt S gehen. Je zwei entsprechende Seiten (AB und A´B´, BC und B´C´ etc.) sind dann zueinander parallel, und die Abstände des Punktes S von irgend zwei entsprechenden Ecken (z. B. SA und SA´) verhalten sich wie zwei entsprechende Seiten. Man nennt in diesem Falle die Vielecke ähnlich liegend, und der Punkt S heißt, wenn er auf der Verbindungslinie je zweier entsprechender Ecken liegt (s. Fig. I u. III), ihr innerer, wenn er auf der Verlängerung dieser Verbindungslinie liegt (s. Fig. I u. II), ihr äußerer Ähnlichkeitspunkt.

Tabelle

Hat man ein beliebiges geradliniges Vieleck und wählt irgend einen Punkt S zum Ähnlichkeitspunkt, so kann man beliebig viele ähnliche und ähnlich liegende Vielecke konstruieren, indem man S mit allen Ecken des Vielecks verbindet, auf einer dieser Verbindungslinien eine Ecke des ähnlichen Vielecks beliebig wählt und dann die Seiten durch Ziehen von Parallelen zu den Seiten des ursprünglichen Vielecks ermittelt. In derselben Weise kann man zu jeder räumlichen Figur beliebig viele ähnliche und ähnlich liegende konstruieren, aber auch zu jeder krummen Kurve oder Oberfläche; die Kurve z. B. hat man sich dabei als ein Vieleck mit unendlich vielen Ecken zu denken.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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