Lehmann

Lehmann

Lehmann, 1) Johann Georg, Topograph, geb. 11. Mai 1765 in der Johannismühle bei Baruth, gest. 6. Sept. 1811 in Dresden als Direktor der Militärplankammer, stellte eine neue, bald sehr verbreitete Methode für das Situationszeichnen auf. Vgl. »Die Lehre der Situationszeichnung« (hrsg. von Fischer, Dresd. 1812–16, 2 Bde.; 5. Aufl. 1843). S. Landkarten, S. 112.

2) Orla, dän. Staatsmann, geb. 15. Mai 1810 in Kopenhagen, gest. daselbst 13. Sept. 1870, widmete sich der Juristenlaufbahn. Trotz seiner deutschen Abstammung und Erziehung nationaldänisch gesinnt, war er 1839 Wortführer der Studentendeputation, die von Christian VIII. die Einführung einer demokratischen Verfassung verlangte, redigierte 1839–42 mit Chr. N. David das »Fädrelandet«, ward 1840 Kopenhagener Stadtverordneter und Mitglied der Ständeversammlung, 1842 wegen einer Rede zu dreimonatiger Hast verurteilt, 1844 aber zur Advokatur zugelassen. Seit dem »Offenen Brief« von 1846 Führer der Eiderdänen, spielte er bei der Kopenhagener Bewegung im März 1848 eine bedeutende Rolle und verfaßte, seit 24. März Minister ohne Portefeuille im sogen. Kasinoministerium, die Antwort Friedrichs VII. an die schleswig-holsteinische Deputation. Hierauf beauftragt, das Berliner und Londoner Kabinett von einer Unterstützung der Herzogtümer abzuhalten, erreichte er diesen Zweck nur in London teilweise. Seit November 1848 Amtmann von Veile, ward er von April bis August 1849 von den Schleswig-Holsteinern in Gottorp, bez. Rendsburg in Gefangenschaft gehalten. 1851–53 Mitglied des Folkethings, 1854 bis 1870 des Landsthings, 1856–66 auch des Reichsrats, war L. an der Ausarbeitung der neuen konstitutionellen Verfassung Dänemarks hervorragend beteiligt. Seit 15. Sept. 1861 Minister des Innern, trat er 31. Dez. 1863 mit dem gesamten Kabinett Hall zurück. Eine Sammlung seiner »Efterladte Skrifter«, von denen »Om Aarsagerne til Danmarks Ulykke« (1864) viele Auflagen erlebte, erschien 1872–74 in 4 Bänden. Vgl Reinhardt, Orla L. og hans Samtid (Kopenh. 1871); J. Clausen, Af O. Lehmanns Papirer (das. 1903).

3) Heinrich, franz. Maler, geb. 14. April 1814 in Kiel, gest. 31. März 1882 in Paris, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater, dann von Ingres in Paris. Im Salon trat er zuerst 1835 mit Tobias und der Engel auf. 1837 wurde er von Ludwig Philipp beauftragt, den Tod Roberts des Starken für die Galerie von Versailles zu malen. Gegen Ende des Jahres siedelte er nach München über, von wo er 1838 nach Italien ging. Später kehrte er nach Paris zurück. Unter den Staffeleibildern des Künstlers, der sich in Frankreich hatte naturalisieren lassen, sind zu nennen: der Fischer, nach Goethe (1837, Museum von Carcassonne); die Töchter der Quelle, Mariuccia (beide 1842); Prometheus (1851, im Luxembourg); Ankunft der Sara bei den Eltern des Tobias (1866). Diese Bilder zeichnen sich durch Feinheit und Kraft der Modellierung und Anmut der Form aus. Seine Formenkenntnis kam ihm namentlich auch in seinen zahlreichen Bildnissen zugute. Vortrefflich verstand sich L. auf dekorative Malerei in Fest- und Prachträumen. Ende der 1850er Jahre malte er im Thronsaal im Luxembourg, dann im Palais de Justice zu Paris. Unter seinen monumentalen Kirchenmalereien sind die in der Kapelle des Heiligen Geistes zu St.-Merry die bedeutendsten. Seine Schöpfungen haben meist einen akademischen Charakter, dem es an Wahrheit und Wärme fehlt.

4) Theodor Heinrich Wilhelm, Begründer der deutsch-nationalen Partei in Schleswig-Holstein, Vetter von L. 2), geb. 22. Nov. 1824 in Rendsburg, gest. 29. Juli 1862 in Kiel, studierte die Rechte in Tübingen, Heidelberg und Kiel, machte 1848–50 den Krieg gegen Dänemark mit und ward 1851 Advokat in Kiel. Als Abgeordneter der holsteinischen Provinzialstände (1859) stritt er für die Zusammengehörigkeit der Herzogtümer, half den Nationalverein in Frankfurt a. M. (im September 1859) gründen und trat in den Ausschuß. 1861 wegen einer Resolution, die eine von ihm berufene Versammlung in Kiel über die schleswig-holsteinische und deutsche Frage annahm, von der dänischen Regierung in Untersuchung gezogen, ward er 1862 freigesprochen.

5) Julius, Agrikulturchemiker, geb. 4. Juli 1825 in Dresden, gest. daselbst 12. Jan. 1894, studierte seit 1848 in Jena, Gießen, Freiberg und Paris, wurde 1854 Oberlehrer in Dresden. 1857 Direktor der Landwirtschaftlichen Versuchsstation in Weidlitz, später in Pommritz (in der sächsischen Oberlausitz), 1867 Professor an der Landwirtschaftlichen Akademie in Proskau und 1869 Vorstand der Zentralversuchsstation in München, wo er eine landwirtschaftliche Abteilung an der Technischen Hochschule einrichtete und an dieser die Professur der Agrikulturchemie erhielt. Ende 1879 trat er in den Ruhestand und lebte seitdem in Dresden. L. arbeitete namentlich über Pflanzen- und Tierernährung, lieferte auch milchwirtschaftliche Untersuchungen und gab eine Methode an, Mehl aus ausgewachsenem Roggen zu einem völlig normalen, lange Zeit haltbaren Brot zu verbacken.

6) Johannes Christian Eugen, hamburg. Staatsmann, geb. 9. Sept. 1826 in Hamburg, gest. daselbst 21. Febr. 1901, studierte die Rechte, kämpfte 1848 im schleswig-holsteinischen Krieg mit, ließ sich 1850 in seiner Vaterstadt als Advokat nieder, war 1859–62 und 1864–68 Vertreter des Handelsgerichts, seit 1861 dessen Vizepräses, in der Bürgerschaft, deren Vorsitz er 1867–68 führte, und wurde 1876 Obergerichtsrat. Seit 1879 Senator, leitete L. längere Zeit die Baudeputation und war 1894, 1895, 1897, 1898 und 1900 Bürgermeister. Als solcher begrüßte er 1895 in dem damals noch nicht ganz vollendeten Rathaus Kaiser Wilhelm und die übrigen Gäste bei der Eröffnung des Nordostseekanals und übergab später das fertige Rathaus dem Senat und der Bürgerschaft. Die Annahme des Eisenbahnvertrags mit Preußen hat er bei der Bürgerschaft durchgesetzt. Im September 1900 zog er sich in den Ruhestand zurück.

7) Meïr, genannt Markus, ein Hauptvertreter des orthodoxen Judentums, geb. 2. Jan. 1831 in Verden, gest. 15. April 1890 in Mainz, studierte in Prag und Berlin und wurde 1854 als Rabbiner an die 1853 gegründete Religionsgesellschaft in Mainz berufen. Hier errichtete er 1859 eine Religions- und Elementarschule für Knaben und Mädchen, gab von 1860 bis zu seinem Tode die bis heute von seinem Sohn Oskar fortgeführte Wochenschrift »Der Israelit« heraus, die den Interessen des orthodoxen Judentums dient. Außer zahlreichen homiletischen, exegetischen und historischen Arbeiten für diese Wochenschrift edierte er nach einer Handschrift den Kommentar des Salomo Serillo zum ersten Teile des jerusalemischen Talmud (Frankf. 1874) und schrieb eine Reihe von ErzählungenRabbi Joselmann von Rosheim«, »Akiba«, »Familie y Aguilar« u.a.), die u. d. T.: »Aus Vergangenheit und Gegenwart« (Frankf. 1872 ff.) erschienen sind.

8) Karl Friedrich August, Stenograph, geb. 16. April 1843 in Zossen, gest. 8. April 1893 in Berlin. Ursprünglich Schuhmacher, fertigte er seit 1867 in Berlin fabrikmäßig Schuhabsätze an, widmete sich aber seit 1875 ausschließlich als Praktiker und Schriftsteller der Stenographie und veröffentlichte 1875 ein eignes System unter dem Namen »Stenotachygraphie« (14. Aufl., Berl. 1888). Die aufgetauchten Zweifel an Lehmanns Urheberschaft sind bisher nicht erwiesen. Seit 1883 zerfiel L. mit dem größten Teil seiner Anhänger und bildete sein System als »Schnellstenographie« (Berl. 1888; 2. Aufl., das. 1892) weiter, ohne Erfolge damit zu erzielen. Der 1887 gegründete Allgemeine deutsche Stenotachygraphenverband nahm unter Führung des Parlamentsstenographen Johannes Dahms (geb. 28. Mai 1865) 1888 und im Dezember 1897 Änderungen und Vereinfachungen am System vor (»Vereinfachte deutsche Stenographie nach dem System der Stenotachygraphie«; vgl. Näheres mit Schriftprobe in dem Art. »Stenographie«). In dieser Form wurde die Stenotachygraphie 30. Juni 1903 vertreten von 425 Vereinen mit 17,083 Mitgliedern. Vgl. Dahms, Lehrgang der Stenotachygraphie (11. Aufl., Halle 1904); Saar, Ausführliches theoretisches Handbuch der Stenotachygraphie (das. 1901); Mertens, Stenographenkalender (1894); »Der Stenotachygraph« (1893, Nr. 7). Übertragungen des Systems auf moderne und die klassischen Sprachen sind mehrfach versucht worden (vgl. das genannte Handbuch von Saar, S. 69). Hauptzeitschrift: »Allgemeine Deutsche Stenotachygraphenzeitung« (Schweidnitz).

9) Richard, Geograph, geb. 17. Mai 1845 in Neuzelle, studierte 1863–68 in Halle und Berlin, promovierte 1869 in Göttingen und machte den Feldzug gegen Frankreich mit. Seit 1871 war er Gymnasiallehrer in Halle, wurde 1875 daselbst Oberlehrer an den Franckeschen Stiftungen und 1881 zugleich Privatdozent für Geographie an der Universität, 1885 Professor an der Akademie (jetzt Universität) in Münster. Er veröffentlichte: »Über ehemalige Strandlinien in anstehendem Fels in Norwegen« (Halle 1879; neue Beiträge, 1881); »Über systematische Förderung wissenschaftlicher Landeskunde von Deutschland« (1882); »Bericht über die Tätigkeit der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland«; »Vorlesungen über Hilfsmittel und Methode des geographischen Unterrichts« (Halle 1885–91); »Anleitung zum Gebrauch der Debesschen Zeichenatlanten« (Leipz. 1888); »Atlas für Mittel- und Oberklassen höherer Lehranstalten« (mit W. Petzold, das. 1897); »Atlas für die untern Klassen höherer Lehranstalten« (das. 1894). Mit Scobel gab er heraus: »Atlas für höhere Lehranstalten mit besonderer Berücksichtigung der Handelsgeographie« (Bielefeld u. Leipz. 1903).

10) Max, deutscher Geschichtschreiber, geb. 19. Mai 1845 in Berlin, studierte 1863–67 in Königsberg, Bonn und Berlin Geschichte, ward 1868 Gymnasiallehrer in Berlin, 1875 Staatsarchivar am Geheimen Staatsarchiv und Redakteur von Sybels »Historischer Zeitschrift«, 1879 Lehrer der Geschichte an der Kriegsakademie, 1887 Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften und 1888 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Marburg. 1893 nach Leipzig berufen, siedelte er schon nach einem halben Jahr an die Universität Göttingen über. Als Fürstbischof Kopp zum Ehrenmitgliede der Göttinger Akademie der Wissenschaften ernannt wurde (Anfang 1902), trat L. aus dieser Körperschaft aus. Er schrieb: »Knesebeck und Schön« (Leipz. 1875); »Stein, Scharnhorst und Schön, eine Schutzschrift« (das. 1877); »Preußen und die katholische Kirche seit 1640« (das. 1878–94, 7 Bde.); »Scharnhorst« (das. 1886–87, 2 Bde.), wofür L. 1888 den Verdunpreis erhielt; »Friedrich d. Gr. und der Ursprung des Siebenjährigen Kriegs« (das. 1894); »Freiherr vom Stein« (das. 1902–05, 3 Bde.) und zahlreiche Abhandlungen besonders in der »Historischen Zeitschrift« und in den »Preußischen Jahrbüchern«.

11) Lilli, Sängerin, geb. 24. Nov. 1848 in Würzburg als die Tochter der Sängerin und Harfenvirtuosin Marie L.-Löw, debütierte in Prag, sang dann an den Bühnen in Danzig (1868), Leipzig (1870) und wurde gleich darauf an die Berliner Hofoper gezogen, wo sie 1876 zur königlichen Kammersängerin ernannt wurde. Im Frühjahr 1886 begab sie sich zu einer Gastspielreise nach Nordamerika, wo sie sich mit dem Tenoristen Paul Kalisch verheiratete. Die eigenmächtige Verlängerung ihres Urlaubs hatte ihre Entlassung aus dem Verbande der Berliner Hofbühne zur Folge. Seit 1892 lebt sie wieder in Deutschland. Lilli L. hat sich im lyrischen, sentimentalen, komischen und heroischen Fach in gleichem Maße bewährt, wie in letzter Zeit als Liedersängerin. Sie veröffentlichte: »Meine Gesangskunst« (Berl. 1902) und eine Studie zu »Fidelio« (Leipz. 1905). – Ihre Schwester Marie, ebenfalls eine ausgezeichnete Sängerin, geb. 15. Mai 1851 in Hamburg, betrat die Bühne zuerst in Leipzig, war 1872–73 am Hamburger, dann am Kölner, 1878–79 am Breslauer Stadttheater, dann am Landestheater in Prag engagiert, von wo sie 1881 zum Hofoperntheater in Wien überging. Sie lebt jetzt in Berlin als Gesangslehrerin.

12) Otto, Physiker, geb. 13. Jan. 1855 in Konstanz, studierte in Straßburg, wurde Lehrer in Freiburg i. Br., 1876 in Mülhausen i. E., 1883 Dozent, dann Professor an der Technischen Hochschule in Aachen, 1888 Professor für Elektrotechnik in Dresden und 1889 Professor der Physik an der Technischen Hochschule in Karlsruhe. Er arbeitete über Kristallanalyse, Mikrokristallographie, Enantiotropie und Monotropie (Einführung dieser Begriffe), entdeckte fünf feste Modifikationen des Ammoniumnitrats und bekämpfte die bestehenden Ansichten über die drei Aggregatzustände. Auch arbeitete er über die Mischkristalle nicht isomorpher Körper, über Schichtkristalle, Skelett- und Trichitenbildung, über flüssige Kristalle und Homöotropie (Einführung dieser Begriffe), über halbbegrenzte Tropfen, elektrische Entladungen, Magnetokathodenstrahlen etc. Er schrieb: »Physikalische Technik, speziell Anleitung zur Selbstanfertigung physikalischer Apparate« (Leipz. 1885); »Molekularphysik mit besonderer Berücksichtigung mikroskopischer Untersuchungen« (das. 1888–89, 2 Bde.); »Die Kristallanalyse« (das. 1891); »Elektrizität und Licht« (Braunschw. 1895); »Die elektrischen Lichterscheinungen oder Entladungen« (Halle 1898); »Flüssige Kristalle« (Leipz. 1904); »Magnetischer Wind und Magnetokathodenstrahlen« (Karlsr. 1905); »Physik und Politik«, Festrede (das. 1901); auch bearbeitete er die 6. Auflage von Fricks »Physikalischer Technik« (Braunschw. 1890–95, 2 Bde.; 7. Aufl., Bd. 1, 1904) und die 14. Auflage von J. Müllers »Grundriß der Physik« (das. 1896).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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