Frauenfrage

Frauenfrage

Frauenfrage ist die Frage, wie die Stellung der Frau im Gesellschaftsorganismus zu regeln ist. Diese Regelung ist bei den einzelnen Kulturvölkern und auf den einzelnen Kulturstufen in verschiedener Weise erfolgt. Eine eigentliche F. kennt erst die Neuzeit. Sie ist das Resultat einerseits der individualistischen Ideen, die sich seit dem 18. Jahrh. entwickelt haben, anderseits der Rückwirkung, welche die völlige Umgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse seit dem Ende des Mittelalters auf die Lage des weiblichen Geschlechts ausübte. In der F. offenbart sich das Bewußtsein von dem Vorhandensein eines Widerspruchs zwischen den Ansprüchen, welche die Frauen an die Gesellschaftsordnung zu stellen wirklich oder vermeintlich berechtigt sind, und der Stellung, die ihnen tatsächlich zugewiesen ist. Sie berührt alle Seiten der weiblichen Existenz, die rechtliche, wirtschaftliche, sittliche und politische. Mit der Frage zugleich entstand die Frauenbewegung als die Gesamtheit aller jener Bestrebungen, die auf die Beseitigung jenes Widerspruchs durch eine Neuregelung der Beziehungen des Weibes zur übrigen Gesellschaft gerichtet sind. Die Frauenbewegung begann mit dem Ausbruch der französischen Revolution zu Ende des 18. Jahrh. Nicht Geringeres erstrebte sie damals als die unvermittelte Herbeiführung einer völligen Gleichberechtigung beider Geschlechter im öffentlichen und privaten Leben. Der »Erklärung der Menschenrechte« folgte mit innerer Konsequenz die von Olympia de Gouges formulierte »Erklärung der Frauenrechte«. Die Hauptforderungen lauteten auf aktives und passives Wahlrecht sowie Zulassung zu allen Ämtern. Die Frauen erschienen in den bestehenden Klubs und beteiligten sich an den Debatten, sie gründeten besondere Frauenklubs und verfochten ihre Sache in eignen Journalen. Als jedoch schließlich an die Geschlechtsgenossinnen die öffentliche Aufforderung der Führerinnen erging, männliche Kleidung anzulegen, um auch jede äußerliche Unterscheidung der Geschlechter zu beseitigen, entzog der Konvent den Frauen das Versammlungsrecht und schloß ihre Klubs. Damit hatte die Bewegung vorläufig ihr Ende erreicht. Aufs neue tauchte sie zur Zeit der Julirevolution (1830) auf. Seit dieser Zeit wurde die Bezeichnung Frauenemanzipation üblich. Realere Gestalt gewann sie mit ihrem erneuten Auftreten zur Zeit der Februarrevolution (1848). Von nun ab verbreitete sie sich auch nach andern Ländern, gestaltete sich aber nach Umfang und Charakter bei den einzelnen Völkern verschieden. In Europa ist England dasjenige Land, in dem nicht nur die Emanzipationsbestrebungen bisher den nachhaltigsten Erfolg erzielten, sondern wo auch zuerst die Lösung der F. mehr in praktischer Richtung auf dem Gebiete des Erwerbslebens versucht wurde. 1860 wurde dort von Lord Shaftesbury der Londoner Frauenerwerbsverein gegründet, dem bald weitere folgten. Von diesen Vereinen wurden Handels- und Gewerbeschulen, Arbeitsnachweisungsbureaus und andre Einrichtungen zur Verbesserung des Frauenloses geschaffen. Ein Teil der Bestrebungen galt der Beseitigung der ungünstigen Lage, in der sich die Frauen Englands im Widerspruch zu ihrem sonstigen gesellschaftlichen Ansehen hinsichtlich des bürgerlichen Rechtsverkehrs befinden. Eine wesentliche Verbesserung schuf erst das Ehefrauen-Eigentumsgesetz von 1882. Nicht ohne Erfolg ist man bemüht gewesen, den Frauen einzelne Staats- und Ehrenämter, insbes. das aktive Wahlrecht, zugänglich zu machen. Für die Munizipalwahlen wurde es den selbständigen steuerzahlenden Frauen (nicht den Ehefrauen) bereits 1869, für die Grafschaftswahlen den unverheirateten Mieterinnen oder Besitzerinnen eines Hauses 1888 erteilt. Dagegen blieb das Verlangen nach Erteilung des Stimmrechts für die Parlamentswahlen bisher ohne Erfolg. In Deutschland hat es an einer politischen Frauenbewegung bisher fast gänzlich gefehlt, man beschränkte sich hier auf die Verfolgung unmittelbar praktischer Ziele. Seit den 1860er Jahren wurde in Versammlungen und Vereinen eine rege Tätigkeit, vor allem von den Frauen selbst, entfaltet, und wie in England gibt eine Reihe neugeschaffener Institute für Bildung und Erwerb sowie die angebahnte Reform der Mädchenerziehung in den Schulen Zeugnis von der Wirksamkeit der Bemühungen. Besonders zeichnet sich Schweden durch das aus, was der Staat auf dem Gebiete der F. geleistet hat, während die andern Regierungen bisher eine größere Zurückhaltung bewiesen haben. Die romanischen, noch mehr die slawischen Völker stehen den germanischen erheblich nach.

In mancher Beziehung anders als in Europa liegen die Verhältnisse in Nordamerika. Hier war die Lage der Frau infolge des Umstandes, daß die weibliche Bevölkerung früher allgemein in der Minderzahl gegenüber der männlichen war und auch heute noch in weiten Gegenden ist, von jeher eine begünstigte. In Verbindung mit den rationalistisch-demokratischen Anschauungen und Lebensformen und im Zusammenhang mit dem allgemein verbreiteten Wohlstande des Landes genießen die ledigen wie die verehelichten Frauen von jeher eine freiere und selbständigere Stellung als bei den Völkern alter Kultur, sind in weitem Umfang von der Last der niedrigen Tagesarbeit befreit, können aber anderseits leichter selbständigen Erwerb in den eigentlichen Berufszweigen finden. Unter der Lehrerschaft bilden die Frauen mit mehr als zwei Dritteln die Mehrheit. Auch zu andern öffentlichen Ämtern sind sie berechtigt, besonders an der Schulverwaltung sind sie hervorragend beteiligt. Infolge der Gleichberechtigung, der sich die Frauen im Erwerbsleben erfreuen, ist die vorhandene Bewegung fast ausschließlich auf die Gewinnung politischer Rechte gerichtet. Aus ihr ging die 1890 begründete National American Woman Suffrage Association hervor.

Hervorgegangen aus dem Geiste der modernen Zeit, die jedem Einzelnen das gleiche Recht zuspricht und ihn mit dem Verlangen erfüllt, seine Individualität frei und ungehindert zu entfalten, schöpft die Frauenbewegung ihre nachhaltige Kraft vornehmlich aus ihren wirtschaftlichen Zielen. Im Laufe der Zeit unterlag die Stellung der Frauen in der Volkswirtschaft tiefgreifenden Veränderungen. Im Mittelalter und noch in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit lag beim Vorherrschen der Naturalwirtschaft der Schwerpunkt der Produktion im Familienhaushalt. Hier fand die Frau in der Verarbeitung der Rohprodukte der Landwirtschaft, im Backen, Spinnen, Weben etc. auf dem Lande und größtenteils auch in der Stadt reichliche Beschäftigung. Die ledig Gebliebenen, namentlich der höhern Stände, fanden vielfach Unterkunft in den zahlreichen Klöstern, auch war für sie durch Legate, Stiftungen u. dgl. in reichem Maße gesorgt. Mit der zunehmenden Entwickelung der Arbeitsteilung und der Entstehung der modernen Großindustrie, zumal nach Einführung der Maschinen, lockerte sich nach und nach die ursprüngliche Wirtschaftsverfassung. Die Produktion löste sich, indem sie für den Absatz arbeitete, mehr und mehr von der Hauswirtschaft. Damit ging den Frauen die einst in der Familie gebotene Arbeitsgelegenheit verloren. Teilweise fand sich Ersatz für das Verlorne. Waren die Frauen unter der Herrschaft der Zünfte von der gewerblichen Arbeit in der Regel ausgeschlossen gewesen, so erzeugte die moderne Großindustrie wiederum die Möglichkeit einer umfangreichen Verwendung ungelernter, schwächerer und zugleich billigerer Kräfte. Letztere boten sich außer in den Kindern in den Frauen, deren Erwerbsarbeit, weil ursprünglich nur als Nebenbeschäftigung verrichtet, bei verhältnismäßig starkem Angebot niedriger bewertet wurde und ihren niedrigen Preis kraft der Tradition behielt. Die weiblichen Arbeiter aber, die sich nunmehr in Fabriken oder daheim für die Unternehmer beschäftigen ließen, gehörten ausschließlich den untern Schichten des Volkes an. Ihnen gegenüber erwuchs dem Staate die Aufgabe, eine verderbliche Ausnutzung ihrer Arbeitskraft, die oft genug Gesundheit und Sittlichkeit aufs schlimmste gefährdete, zu verhindern, indem er die von ihnen zu leistende Arbeit nach Maß und Art begrenzte. Diese Aufgabe suchten die industriellen Staaten in der Fabrikgesetzgebung (s.d.) zu lösen.

Anders als bei der Arbeiterbevölkerung gestalteten sich die Verhältnisse in den mittlern Gesellschaftsschichten, namentlich im sogen. gebildeten Mittelstande. Die wachsende Schwierigkeit, die zur Gründung und Erhaltung einer Familie erforderlichen Mittel zu gewinnen, bewirkte eine abnehmende Heiratsfrequenz, deren nachteilige Wirkungen die Töchter vermögensloser Familien um so mehr empfanden, als sie kraft der herrschenden Standesanschauungen sich für die Ehe auf gewisse engere Kreise beschränkt sahen. In den protestantischen Staaten verschlimmerte sich die Lage des weiblichen Geschlechts weiter durch die Aufhebung der Klöster. Zudem verboten die herrschenden Vorurteile den ledigen Frauen, sich durch Anteilnahme am öffentlichen Erwerbsleben selbständigen Unterhalt zu schaffen. So erwuchs in den ledigen Frauen dieser Stände eine ansehnliche Bevölkerungsmasse, die, durch Anschauungen und Erziehung dem Erwerbsleben ferngehalten, sowohl der ökonomischen Selbständigkeit als auch eines befriedigenden Wirkungskreises ermangelte und vielfach dem Elend einer dem Zufall preisgegebenen Existenz verfiel.

Die F. betrifft danach vorzugsweise die Unverheirateten, da den Verheirateten Unterhalt und Wirkungskreis in der Familie geboten ist. Allerdings wird die soziale Stellung des weiblichen Geschlechts stets in erster Linie durch die Ehe und Familie und die hierdurch erwachsenden besondern Aufgaben bestimmt bleiben müssen, und bei der spezifischen Verschiedenheit der von der Natur den Geschlechtern zugewiesenen Stellung im Geschlechtsleben kann selbst bei noch so weit getriebener formaler Rechtsgleichheit eine tatsächliche Gleichstellung des männlichen und weiblichen Geschlechts niemals zur Verwirklichung gelangen, obschon das Verhältnis der Unterordnung der Frau unter den Mann mehr und mehr einem wirklichen Genossenverhältnis weichen muß. Die sozialen Verhältnisse in den sogen. arbeitenden Klassen leiden gerade an dem Übel, daß die Frauen, vornehmlich die verheirateten, durch zu weit gehende Heranziehung zu der Erwerbsarbeit ihrem spezifischen Pflichtenkreis oft allzusehr entrückt werden. Im übrigen berührt die F. mehr die städtische Bevölkerung als die ländliche, wo die naturalwirtschaftlichen Verhältnisse z. T. fortbestehen. In erster Linie ist sie gerichtet auf die Hebung der Erwerbstätigkeit und Erwerbsfähigkeit durch gründliche Reform der weiblichen Bildung und Erziehung. Die Unvollkommenheit der letztern hatte zur Folge, daß die Frauen bisher wegen mangelhafter Beschaffenheit der Leistungen oder aus übergroßer Konkurrenz auf den wenigen, ihnen zugänglichen Gebieten nur ein unzulängliches Entgelt für ihre Arbeit erhielten. An eine verbesserte allgemeine Schulbildung, die zugleich die Bestimmung hätte, die Mädchen in höherm Maß, als es bisher zu geschehen pflegte, für ihren Beruf in der Familie vorzubereiten, muß sich eine sachliche Fortbildung anschließen, um ihnen den Erwerb überhaupt oder die Erfüllung eines eigentlichen, den weiblichen Fähigkeiten und Kräften angemessenen Berufes zu erleichtern. Hand in Hand mit der Bildungs- und Erziehungsreform muß eine Vermehrung der Arbeitsgelegenheit gehen. Zu diesem Behuf gilt es, die bestehenden Vorurteile und Gewohnheiten zu besiegen, die zurzeit die umfassendere Verwendung weiblicher Arbeitskräfte hindern. Manches ist bereits darin erreicht worden, wie die Verwendung von Frauen für den Post-, Telegraphen- und Eisenbahndienst in vielen Staaten beweist. Eine völlige Gleichstellung der Geschlechter auf allen Arbeitsgebieten kann freilich nicht das Ziel sein. Denn trotz der gegenteiligen Behauptung Mills u. a. begründet das Geschlecht eine natürliche Verschiedenheit der körperlichen, geistigen und Gemütsanlagen, die Berücksichtigung verdient. Wie die schwere körperliche Arbeit und der Waffendienst ganz, wird die leitende geistige Tätigkeit den Männern (in der Regel wenigstens) vorbehalten bleiben. Die genauere Grenzbestimmung wird hierin erst durch eine reichere Erfahrung gewonnen und überhaupt nicht mit absoluter Gültigkeit festgestellt werden können. Gegenwärtig erscheinen die Frauen oft selbst noch in solchen Beschäftigungen von den Männern verdrängt, für die, wie auf dem Gebiete des Elementarunterrichts, der Mädchenerziehung, der Krankenpflege u. a., ihre natürliche Befähigung nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann. Indem man die Erziehung verbessert und das Gebiet der weiblichen Wirksamkeit erweitert, wird zugleich die sittliche Würde der Frauen erhöht, wirksamer als mit bloßen Polizeimaßregeln dem weitern Umsichgreifen der Prostitution gesteuert wird. Denn in der materiellen Not der ledigen weiblichen Bevölkerung liegt eine der wichtigsten Ursachen für die bedenkliche Ausbreitung des Übels.

Die Frauenbeschäftigungsfrage brachte für Deutschland 1865 zunächst Präsident Lette in Berlin durch Gründung des nach ihm benannten Vereins zur Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts in Fluß, nach dessen Vorbild verwandte Vereine an vielen Orten entstanden sind. (Weiteres über diese Frauenvereine s. S. 46f.) Die erste Gewerbeschule für das weibliche Geschlecht schuf für Deutschland Direktor Nöggerath in Brieg; eine ähnliche wurde in Hamburg unter Frau Wüstenfeld sowie ein Paulson-Stift für das weibliche Geschlecht eingerichtet; in Prag rief Professor C. Th. Richter eine Handelsschule für dasselbe ins Leben, während in Leipzig seit 1863 die Lehranstalt für erwachsene Töchter zur Ausbildung für den kaufmännischen Geschäfts- u. Gewerbebetrieb besteht. Auch in München, Nürnberg, Stuttgart, Darmstadt und an vielen andern Orten gibt es solche Institute. Außer diesen sind neuerdings vornehmlich in den süddeutschen Staaten und in Sachsen Frauenarbeitsschulen emporgekommen, in denen nicht nur allgemein bildende Fächer und Zeichnen sowie gewerbliches Rechnen, Buchführung und Geschäftsaufsätze, sondern auch weibliche und kunstgewerbliche Arbeiten gelehrt werden. Die erste Schule, die für alle später gegründeten das Vorbild wurde, entstand in Reutlingen, wo auch Lehrerinnen für Industrie- und Frauenarbeitsschulen ausgebildet werden.

Einen besondern Teil der weiblichen Erziehungsfrage bildet die Frage des Frauenstudiums (s. den besondern Artikel, S. 44).

[Politische Gleichstellung.] Die Gleichstellung des weiblichen Geschlechts mit dem männlichen auf dem Gebiete des Privatrechts (Einräumung gleicher Befugnisse in bezug auf Vermögensverwaltung, Testamentserrichtung, Vormundschaftsführung, Bürgschaftsleistung etc.) entspricht einer Forderung der Gerechtigkeit, deren Erfüllung auf höherer Kulturstufe nicht abzuweisen ist. Von den meisten modernen Kulturvölkern ist sie im Prinzip anerkannt und der Hauptsache nach vollzogen. Immerhin sind noch manche beschränkende Bestimmungen, besonders im Familienrecht, in Geltung, die der Anschauung entspringen, daß dem Mann als dem Haupte der Familie auch die Verwaltung und Nutznießung des seiner Frau gehörigen Vermögens gebühre. Daß die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ebenso allgemeine Anerkennung in Zukunft finden werde wie die privatrechtliche, unterliegt starkem Zweifel. Auch gehen die Forderungen der Frauen selbst in der Regel über die Gewährung des bloßen Stimmrechts nicht hinaus. Das auf politische Gleichberechtigung gerichtete Verlangen entspringt weniger einem praktischen Bedürfnis als einer theoretischen Anschauung von zweifelhaftem Werte. Die geistige Individualität der Frau sowie das bei ihr vorherrschende Gemütsleben lassen sie für eine tätige Teilnahme am öffentlichen Leben wenig geeignet erscheinen. Verwirft auch die moderne Kultur sowohl die grausame Knechtung der Frau, wie sie bei rohen Völkern und im Orient vorkommt, als auch die römische Tutel (s. Vormundschaft) und das mittelalterliche Mundium (s.d.), so will sie doch durch Anerkennung der idealisierten Geschlechtsverschiedenheit gerade dem Interesse echter Weiblichkeit dienen und der Frau zu einer würdigen Stellung und einem segensreichen Wirkungskreis verhelfen. Dem Mann der Staat, der Frau die Familie!

Statistisches zur Erwerbstätigkeit der Frauen.

Welche Ausdehnung die Teilnahme der Frauen an Produktion und Erwerb in unsrer Zeit erlangt hat, erhellt aus nachfolgenden Ziffern. Nach der Berufszählung vom 14. Juni 1895 betrug in Deutschland die gesamte weibliche Bevölkerung 26,361,123 (nach der Volkszählung vom 1. Dez. 1900: 28,629,931). Unter dieser waren Erwerbstätige (ohne Dienende) 5,264,393 = 20 Proz. der weiblichen Bevölkerung, Dienende 1,313,957 = 5 Proz. Hingegen gab es unter den Frauen:

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Von jenen 5,3 Mill. erwerbstätigen Frauen in Deutschland entfielen auf:

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Die Landwirtschaft beschäftigt demnach in Deutschland von 5,26 Mill. erwerbstätigen Frauen mit 2,75 Mill. mehr als die Hälfte. Von allen (auch den männlichen) Erwerbstätigen in der Landwirtschaft waren 33,7 Proz. Frauen. Ähnlich liegen die Verhältnisse in Österreich, wo die erwerbstätigen Frauen in der Landwirtschaft 73,9, in Frankreich, wo sie 43,9, in Italien, wo sie 55,6 Proz. aller erwerbstätigen Frauen ausmachen, während die Frauen in England wegen des Zurücktretens des Landbaues nur mit 3,9, in den Vereinigten Staaten mit 7,8 Proz. beschäftigt sind.

Über die Verteilung der Frauen auf die verschiedenen Berufsstellungen (Selbständige, Angestellte, Arbeiter) innerhalb der Berufsabteilungen A, B, C und E unterrichtet die folgende Tabelle:

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Es entfielen demnach in Gruppe A von den erwerbstätigen Frauen auf die Selbständigen 12,6, auf die Angestellten 0,7, die Arbeiterinnen 86,7 Proz., in Gruppe B: 34,1,0,7 und 65,2, in Gruppe C: 34,9,2,2 und 62,9, in Gruppe E: 57,9,8,8 und 33,8 Proz. Aus dieser Zusammenstellung erhellt, daß das Verhältnis der selbständigen Frauen zu den abhängigen weitaus am günstigsten in Gruppe E ist, wo die Selbständigen (Lehrerinnen, Schauspielerinnen, Hebammen u. dgl.) 58 Proz., die Angestellten (Aufseherinnen, Ordensschwestern, Diakonissinnen, Waisenmütter u. dgl.) 8,8 Proz. ausmachen und 33,8 Proz. auf das eigentliche Arbeitspersonal (Dienst- u. Wartepersonal in religiösen Kranken- und Erziehungsanstalten) entfallen. Faßt man die drei andern Gruppen (A, B und C) zusammen, so findet man selbständige erwerbstätige Frauen: 1,069,007 = 22 Proz., angestellte: 39,418 = 0,8 Proz. und Arbeiterinnen. 3,745,455 = 77,2 Proz. (Von der männlichen erwerbstätigen Bevölkerung machten die Selbständigen 31,3, die Angestellten 4,1, die Arbeiter 64,6 Proz. aus.)

Was den Familienstand betrifft, sv waren von den über 16 Jahre (1382: über 14 Jahre) alten erwerbstätigen Frauen

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Hatte schon die Zählung von 1882 ein rascheres Anwachsen der Frauenarbeit gegenüber der Männerarbeit ergeben, so tritt das gleiche in verstärktem Maßstabe bei der Zählung von 1895 hervor. So hat die Zahl der Arbeiterinnen in Bergbau und Industrie sowie im Handelsgewerbe seit 1882 um 104,9 Proz. zugenommen, während die der Männer nur um 52,8 Proz. wuchs. Besonders stark ist die Zunahme im Handelsgewerbe, wo die weiblichen Arbeitskräfte 1882 nur ein Drittel ausmachten, während sie 1895 fast die Hälfte betrugen.

Wegen des besondern Interesses, welche die Frauenarbeit in den Gewerben (im weitesten Sinn des Wortes) beanspruchen darf, seien noch einige Angaben aus der Gewerbestatistik angereiht. Die Gewerbestatistik (Abteilung B der obigen Tabellen) von 1895 ergibt folgendes Verhältnis der als Unternehmer, Angestellte und Arbeiter tätigen Personen:

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Um den Charakter der Frauenarbeit in Industrie und Handel würdigen zu können, muß man auf die einzelnen Berufsgruppen eingehen. Bei Betrachtung der 1895er Statistik ergibt sich, daß bei weitem der größte Teil derselben (nämlich 1,9 Mill. von im ganzen 2,1 Mill.) auf die Gruppen: Bekleidung und Reinigung, Textilindustrie, Handelsgewerbe, Gast- und Schankwirtschaft, Nahrungs- und Genußmittel entfällt. In einzelnen Erwerbszweigen, so in manchen Gebieten der Konfektions- und Reinigungsgewerbe, der Textilindustrie, in der Spielwarenindustrie, in der Gast- und Schankwirtschaft, überwiegt die Zahl der beschäftigten Frauen die Zahl der Männer. Ein ähnliches Bild bieten die übrigen Staaten mit entwickelter Industrie, besonders England, wo 1891 von 1,84 Mill. in der Industrie beschäftigten weiblichen Personen 1,32 Mill. der Textil- und Bekleidungsindustrie angehörten.

Großen Raum beansprucht die Frauenarbeit naturgemäß in der Hausindustrie. Von den ca. 1/2 Mill. Hausindustriellen in Deutschland ist ungefähr die Hälfte weiblichen Geschlechts.

Besonderes Interesse muß der Frauenarbeit in Fabriken zugewendet werden. Nach den Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten waren im Deutschen Reich 1901 (1899) in 72,344 Fabriken, die jugendliche Arbeiter beiderlei Geschlechts beschäftigten, bez. in 46,809 Fabriken, die Arbeiterinnen beschäftigten, verwendet: 951,507 (899,983), darunter 3578 (2911) unter 14 Jahren, 100,543 (98,664) von 14–16 Jahren, 310,211 (297,387) von 16–21 Jahren und 537,175 (501,021) über 21 Jahren. Von den 951,507 Arbeiterinnen entfallen 394,265 auf die Textilindustrie.

In Österreich waren in Bergbau und Industrie 725,037 Frauen oder 12,2 Proz. aller weiblichen Erwerbstätigen, in Frankreich 1,427,322 od. 34,5 Proz. beschäftigt. Im Handel sind in Frankreich 571,067 oder 12,1 Proz. Frauen erwerbstätig.

Von den freien Berufen ist es in erster Linie der Lehrstand, dem die Frauen sich in größerer Anzahl zuwenden, weil er ihrem Geschlecht mehr als andre angemessen ist. In England und Nordamerika bleibt die Zahl der Lehrer erheblich zurück gegenüber der Zahl der Lehrerinnen. Man zählte

Tabelle

In Deutschland und Österreich ist das Verhältnis entgegengesetzt. Man zählte

Tabelle

während in Frankreich 1891 mit 82,000, bez. 88,000 die Ziffern für beide Geschlechter annähernd im Gleichgewicht stehen. In der Schweiz unterrichteten in den Primärschulen (1890) 3100 Lehrerinnen neben 6200 Lehrern. Nach einem neuen Gesetz (1903) können sie in Basel auch in die Schulbehörden gewählt werden. In der preußischen öffentlichen Volksschule kamen 1901 auf 74,588 Lehrer nur 13,758 Lehrerinnen. Die Zahl der Handarbeitslehrerinnen belief sich auf gegen 40,000. Derjenige liberale Beruf, der in zweiter Linie für die Verwendung weiblicher Arbeitskraft in Betracht kommt, ist der Sanitätsberuf. In Deutschland gab es 1895: 66,246 Frauen (neben 41,706 Männern), die sich dem Sanitäts- und Heilwesen gewidmet hatten, in England 37,846 gegen 17,063, in Österreich 14,682 gegen 13,845, in Frankreich dagegen nur 17,737 gegen 40,410. Allerdings ist die Zahl der eigentlichen Ärztinnen in diesen Ländern nur eine sehr geringe. Dagegen praktizierten in Nordamerika schon 1890 fast 2500 weibliche Ärzte, in Rußland 1887: 550. In den Vereinigten Staaten finden sich selbst weibliche Advokaten und Priester. Weibliche Regierungsbeamte, höhern wie niedern Grades, zählte man 7300. In Deutschland und andern Ländern nimmt die Verwendung der Frau im Post-, Telegraphen- und Eisenbahnbetrieb in der letzten Zeit erheblich zu. So waren in Deutschland 1895 im Eisenbahnbetrieb 2409, im Post- und Telegraphenwesen 498, bez. 7628 verwendet. Frankreich zählte schon 1891 rund 9000 Frauen allein im Post- und Telegraphenbetrieb.

[Literatur.] Mary Wollstonecraft, Vindication of the rights of woman (Lond. 1792, neue Ausg. 1890); v. Hippel, Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber (Berl. 1792); I. St. Mill, Die Hörigkeit der Frau (deutsch von I. Hirsch, 3. Aufl., das. 1891); Luise Otto, Das Recht der Frauen auf Erwerb (Hamb. 1866); Daubié, La femme pauvre an XIX. siècle (2. Aufl., Par. 1870, 3 Bde.); v. Sybel, Über die Emanzipation der Frauen (Bonn 1870); Luise Büchner, Die Frauen und ihr Beruf (5. Aufl., Leipz. 1884); Schönberg, Die F. (Basel 1873); v. Holtzendorff, Die Verbesserung in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung der Frauen (Berl. 1877); P. v. Nathusius, Zur F. (Halle 1871); L. v. Stein, Die Frau auf dem Gebiet der Nationalökonomie (6. Aufl., Stuttg. 1886) und Die Frau auf dem sozialen Gebiet (das. 1880); Fanny Lewald, Für und wider die Frauen (2. Aufl., Berl. 1875); Hedwig Dohm, Der Frauen Natur und Recht (2. Aufl., das. 1893) und Die wissenschaftliche Emanzipation der Frau (das. 1874); Bebel, Die Frau und der Sozialismus (36. Aufl., Stuttg. 1904), dazu v. Raumer, Die Frau und die Sozialdemokratie (Berl. 1884); Helene Lange, Frauenbildung (das. 1889); E. Dühring, Der Weg zur höhern Berufsbildung der Frauen (2. Aufl., Leipz. 1885); über Frauenstudium s. d.; Hirt, Die gewerbliche Tätigkeit der Frauen vom hygienischen Standpunkt aus (Bresl. 1874); Lina Morgenstern, Frauenarbeit in Deutschland (Geschichte und Statistik, Berl. 1893, 2 Tle.); Fehling, Die Bestimmung der Frau, ihre Stellung zu Familie und Beruf (Stuttg. 1892); Elise Ölsner, Die Leistungen der deutschen Frau in den letzten vier Jahrhunderten auf wissenschaftlichem Gebiet (Guhrau 1894); Ichenhäuser, Der gegenwärtige Stand der F. in allen Kulturstaaten (Leipz. 1894) und Zur F. (Zittau 1896); G. Cohn, Die deutsche Frauenbewegung (Berl. 1896); Walcker, Die Frauenbewegung (Straßb. 1896); Duboc, Fünfzig Jahre F. in Deutschland (Leipz. 1896); Küssner, Zur F. (Kiel 1901); Cathrein, Die F. (Freib. i. B. 1901); Lily Braun, Die F. (Leipz. 1901); H. Schmitt, Frauenbewegung und Mädchenschulreform (Berl. 1902, 2 Bde.); Hel. Lange u. Gertrud Bäumer, Handbuch der Frauenbewegung (das. 1901–1902, 4 Bde.); Gerhard und Simon, Mutterschaft und geistige Arbeit (das. 1901); Elisabeth Gnauck-Kühne, Die deutsche Frau um die Jahrhundertwende (das. 1904); Letourneau, La condition de la femme dans les diverses races et civilisations (Par. 1903). – Über Frauenarbeit insbes.: Jules Simon, L'ouvrière (9. Aufl., Par. 1891); Leroy-Beaulieu, Le travail des femmes an XIX. siècle (das. 1873); Frankenstein, Die Lage der Arbeiterinnen in den deutschen Großstädten (»Jahrbuch für Gesetzgebung«, neue Folge, Bd. 12, Leipz. 1888); »Working women in large cities« (»Report of the Commissioner of labor«, Washingt. 1889); »Statistik des Deutschen Reichs«, neue Folge, Bd. 102–111 (Berufsstatistik vom 14. Juni 1895) und Bd. 112–119 (Gewerbestatistik desgleichen); »Ergebnisse der über die Frauen- und Kinderarbeit in den Fabriken auf Beschluß des Bundesrats angestellten Erhebungen« (Berl. 1877); ferner die fortlaufenden Berichte der Fabrikinspektoren; Pierstorff, Frauenarbeit und F. (Jena 1900); Pohle, Frauenfabrikarbeit und F. (Leipz. 1900); »Die Frau«, Monatsschrift für das gesamte Frauenleben (hrsg. von Helene Lange, Berl., seit 1893) und »Die Frauenbewegung« (das., seit 1895); »Verzeichnis der auf dem Gebiete der F. 1851–1901 in Deutschland erschienenen Schriften«, hrsg. vom deutsch-evangelischen Frauenbund (Hannov. 1903). Weitere Literatur, insbes. Zeitschriften, s. Frauenvereine.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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