Gewerbebetrieb

Gewerbebetrieb

Gewerbebetrieb ist die Vereinigung und Verwendung von Arbeit und Kapital zum Zweck gewerblicher Produktion. Die deutsche Gewerbeordnung unterscheidet G. im Umherziehen (Hausierhandel, Wanderlager), der keinen festen Standort hat, und stehenden (nur an einem Platz ausgeübten) G. Gewerbe (s.d.) werden betrieben in Fabriken (s.d.), als Hausindustrie (s.d.) oder als Handwerk (s.d.). Mit dieser Unterscheidung fällt z. T. zusammen diejenige zwischen Groß-, Mittel- und Kleinbetrieb, die auf dem Umfang des Betriebes, insbes. auf der Zahl der beschäftigten Personen, auf der Größe des verwendeten Kapitals und auf der Höhe von Roh- und Reinertrag beruht. Der Großbetrieb ist zu allgemeinerer Verbreitung und zu einer herrschenden Stellung im Gewerbewesen erst im letzten Jahrhundert gelangt. Diese neuere Entwickelung ist die Folge der Gewerbefreiheit und der Fortschritte der Technik, insbes. der Maschinenproduktion. Die charakteristischen Merkmale der kleinen, großen und mittlern gewerblichen Unternehmungen sind folgende: In den kleinen Unternehmungen ist der Unternehmer auch als Arbeiter mittätig, die Geschäftsleitung nimmt nur einen kleinen Teil seiner Zeit und Kraft in Anspruch. Hilfspersonen (Gesellen, Lehrlinge, andre Arbeiter) sind nicht oder nur in geringer Zahl vorhanden. Meist arbeiten sie in den gleichen Räumen mit denselben Arbeitsinstrumenten wie der Unternehmer und sind von diesem in der Regel nicht durch eine soziale Kluft geschieden. Sie werden meist selbst Unternehmer. Das (vorwiegend umlaufende) Kapital der Unternehmung ist gering, der gewöhnlich mäßige Reinertrag ist wesentlich Arbeitsertrag. In der Gesamtheit der Unternehmungen überwiegt beim Personal die Zahl der selbständigen Gewerbtreibenden; das Gros der »Handwerker« gehört hierher. In großen Unternehmungen erfordert dagegen die eigentliche Unternehmerarbeit die Zeit und Kraft eines Menschen, nicht selten sogar mehrerer Personen. Die manuelle technische Produktion geschieht durch Hilfspersonen. Diese sind stets in einer Mehrzahl und in der Regel in so großer Zahl vorhanden, daß schon Direktion und Kontrolle der Tätigkeit derselben eine oder mehrere Personen (Direktoren, Aufseher, Werkmeister, Polierer etc.) beschäftigen. In allen Fällen ist ein größeres Kapital erforderlich, die Produktion beruht auf ausgedehnter Arbeitsteilung mit Maschinenanwendung. In der Gesamtheit der Unternehmungen, die teils Einzelunternehmungen, teils gesellschaftliche Unternehmungen sind, überwiegt beim Personal stark die Zahl der Hilfspersonen. Diese sind zum größten Teil »Lohnarbeiter«, von den oft gut bezahlten Dirigenten durch eine soziale Kluft geschieden; nur ein kleiner Teil derselben gelangt zu der Stellung eines Aufsehers, Vorarbeiters, Werkmeisters oder Unternehmers. In der Mitte zwischen beiden stehen die mittlern Unternehmungen, in denen die Unternehmer (größere Handwerker, kleine Fabrikanten) in der Regel auch noch, aber in geringerm Grad als beim kleinen G., an der ausführenden Arbeit teilnehmen.

Viele gewerbliche Erzeugnisse können nur in großen Unternehmungen hergestellt werden, weil deren Herstellung und Absatz die Wirksamkeit vieler Arbeitskräfte in geteilter Arbeit und die Anwendung von großem Kapital, namentlich von Maschinen, fordern (z. B. Lokomotiven, eiserne Brücken, eiserne Dampfschiffe, schwere Gußstahlkanonen, schwere Panzerplatten, Dampfhämmer, größere Dampfmaschinen, zahlreiche andre Maschinen etc.). Andre Erzeugnisse sind technisch sowohl in großen als in kleinen Unternehmungen herstellbar. Allerdings hat der Großbetrieb vor Mittel- und Kleinbetrieb unter gewissen Voraussetzungen wichtige Vorzüge, indem er nicht allein bessere Kräfte und Mittel (Werkzeuge, Geräte, insbes. kostspielige Maschinen) verwenden, dieselben vollständiger auswerten (Arbeits- und Kapitalteilung, Heizung, Beleuchtung), billiger beschaffen (Rohstoffe, Leihkapitalien etc.) und mit geringern Kosten ausnutzen kann, sondern auch oft bessere Erzeugnisse (Form, Stoff etc.) herzustellen und seine Produkte bei pünktlicher Lieferung auf Bestellung, Haltung von Vorräten zur Auswahl, geringern Transportkosten, ausgiebiger Beherrschung des Marktes (Annoncen, eignes Studium des Marktes) vorteilhafter abzusetzen vermag. Sind auch infolgedessen schon viele kleinere Unternehmungen im Kampfe gegen den Großbetrieb zugrunde gegangen, so machen sich jene Vorzüge doch nicht überall und in gleichem Maße geltend, sei es, daß die Technik, oder daß die eigentümliche Gestaltung der Absatzverhältnisse einen Betrieb im großen nicht gestatten. Es bleibt darum für jetzt noch, wahrscheinlich auch für die Zukunft, dem Klein- und Mittelbetrieb ein großes Arbeits- und Absatzgebiet gesichert. Diese beiden Betriebsarten sind konkurrenzfähig zunächst für das Gebiet der Reparatur und Unterhaltung schon vorhandener Gewerbsprodukte, dann für die Herstellung neuer: 1) wenn das Produkt am Orte seines Absatzes hergestellt werden muß, der Großbetrieb aber wegen der Kleinheit des Marktgebiets nicht genügenden Absatz hat (Metzger, Bäcker, Schmiede, Sattler, Baugewerbe etc., auch Schuhmacher, Schneider in kleinern Städten und auf dem Lande); 2) wenn weder Arbeitsvereinigung und -Teilung noch größere Kapital- (namentlich Maschinen-) Benutzung anwendbar und ebensowenig hohe Unternehmungsintelligenz verwertbar ist; 3) wenn die einzelnen Produkte den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten anzupassen sind; 4) wenn das Produkt wesentlich Handprodukt ist und seine Herstellung eine höhere technische Befähigung des Unternehmers erheischt, wie bei manchen (allerdings nicht bei allen) kunstgewerblichen Produkten.

Die Erhaltung kleiner und mittlerer Unternehmungen kann durch Gründung von Genossenschaften (s.d.), Anwendung von Kleinkraft- (Heißluft-, Gaskraft-) Maschinen, auch unter Speisung solcher Maschinen von einer Zentralstelle aus durch Elektrizität oder Druckluft, dann durch Sorge für eine gute Fachbildung gefördert werden. Vgl. G. Schönberg, Art. »Gewerbe« in dessen »Handbuch der politischen Ökonomie«, Bd. 2; Roscher, Über Industrie im großen und kleinen (in den »Ansichten der Volkswirtschaft«, Bd. 2, Leipz. 1878); Schmoller, Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe etc. (Halle 1870); E. Engel, Die industrielle Enquete und die Gewerbezählung im Deutschen Reich und im preußischen Staat 1875 (Berl. 1878); Kollmann, Die gewerbliche Entfaltung im Deutschen Reich (in Schmollers »Jahrbuch für Gesetzgebung etc.«, 1887 u. 1888); v. Schulze-Gävernitz, Der Großbetrieb ein wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt (Leipz. 1892); weitere Literatur bei Art. »Gewerbe«. Vgl. auch Art. »Gewerbepolitik«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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