Kinderarbeit

Kinderarbeit

Kinderarbeit, die berufsmäßige Beschäftigung von Kindern, namentlich in der Industrie, wobei in den Gesetzen unter Kindern meist jugendliche Personen unter 14 Jahren verstanden werden. Bezüglich der Übelstände der K. und der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung s. die Artikel »Arbeiterfrage« (S. 677) und »Fabrikgesetzgebung«. Die letzten statistischen Erhebungen im Deutschen Reich, nämlich die Berufszählung von 1895 und die von 1898 auf Anordnung des Reichskanzlers, zumeist durch die Volksschullehrer angestellten Erhebungen über die Arbeit von Kindern unter 14 Jahren, zeigen eine bedenklich große Anzahl von beschäftigten Kindern. Zwar hat die Zahl der in Fabriken beschäftigten Kinder infolge der verschärften Bestimmungen der Gewerbeordnungsnovelle von 1891 gegen früher erheblich abgenommen (1884: 18,703, 1890: 27,485, 1896: 5312, 1900: 9347), um so größer ist der Umfang der K. in gewerblichen Betrieben außerhalb der Fabriken. Die Erhebung von 1898 ergab in dieser Beziehung für das ganze Deutsche Reich die Beschäftigung von 544,283 Kindern unter 14 Jahren. Davon entfallen auf

Tabelle

= 6,53 Proz. der volksschulpflichtigen Kinder. Von den 544,283 Kindern waren beschäftigt in der Industrie 72,428 Knaben, 59,318 Mädchen, 175,077 ohne Angabe des Geschlechts, zusammen 306,823, von denen am meisten auf die Textilindustrie (zusammen 143,710), das Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe (40,997), die Metallverarbeitung (14,358) und die Industrie der Steine und Erden (12,890) entfielen. Im Handel zählte man 17,623, im Verkehr 2691, in Gast- u. Schankwirtschaft 21,610, im Austragedienst 135,830, im Laufdienst 35,909. Die ermittelten Zahlen bleiben aber noch hinter der Wirklichkeit zurück. Besonders stark findet sich die K. in den Großstädten (in Berlin mit 12,83 Proz. der volksschulpflichtigen Kinder) und in der sächsischen und thüringischen Hausindustrie (in einzelnen Orten Sachsen-Koburg-Gothas bis 86 Proz., im meiningenschen Sonneberg 75 Proz.). Die Erhebungen haben auch ergeben, daß die Kinder vielfach bei ungeeigneten und selbst gesundheitsgefährlichen Arbeiten und, namentlich in der Hausindustrie, teils zu lange, teils zu unpassenden Stunden beschäftigt werden. Das Reichsgesetz vom 30. März 1903 (s. Fabrikgesetzgebung, S. 250), betreffend die K. in gewerblichen Betrieben, wird wohl eine Minderung der Zahl der arbeitenden Kinder bewirken, vermag aber den zahlreichen Klagen über übermäßige Inanspruchnahme der Kinder seitens der eignen Eltern nicht abzuhelfen. Größern Umfang hat die K. noch in den Niederlanden, in Italien, Belgien. In der Landwirtschaft hat die K. nicht die schlimmen Folgen wie in der Industrie. Sie findet vorzugsweise im Sommer statt und nur zu bestimmten Zeiten, namentlich während der Ernte und bei gutem Wetter, schädigt nicht die Gesundheit und die Moral. Dagegen hat sie den Vorteil, daß sie das Einkommen der Arbeiterfamilie erhöht, die Kinder frühzeitig an eine für ihre körperliche und geistige Ausbildung förderliche Tätigkeit gewöhnt. Eine mißbräuchliche Ausdehnung der K., namentlich auf Kosten der Schulbildung der Kinder, kann ohne Schädigung des landwirtschaftlichen Betriebes vermieden werden durch zweckmäßige Schulvorschriften und deren strenge Durchführung. Der deutsche Reichstag hat übrigens auch amtliche Erhebungen über die K. in der Landwirtschaft gefordert. Vgl. Agahd, K. und Gesetz gegen die Ausnutzung kindlicher Arbeitskraft in Deutschland (Jena 1902); Ausgaben des Kinderschutzgesetzes mit Erläuterungen von Spangenberg (Berl. 1903), v. Rohrscheidt (das. 1903), F. Hoffmann (das. 1904), Agahd und von Schulz (3. Aufl., Leipz. 1905), Findeisen (das. 1904) u. a.; v. d. Goltz, Die ländliche Arbeiterfrage etc. (2. Aufl., Danz. 1874); ferner: »Die Verhältnisse der Landarbeiter«, in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 53–55 (Leipz. 1892).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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