Wadāï

Wadāï

Wadāï, Reich im östlichen Sudân (s. Karte bei »Guinea«), früher selbständiger und bestorganisierter Staat Innerafrikas, seit 1903 zu Französisch-Kongo (Tschad-Territorium) gehörend, zwischen (8–18° nördl. Br. und 15–21° östl. L.) der Wüste, Dar Für, Bagirmi und Kanem. Es umfaßte samt den tributären Ländern nach Nachtigal 275,000 qkm mit 21/2 Mill. Einw., nach neuern Angaben etwa 200,000 qkm mit 2 Mill. Einw. Das Land, zum großen Teil Steppe mit einzelnen kahlen Berggruppen, wird im O. überragt von dem Tirgegebirge (600 m), im SW. von den wild zerklüfteten, bewaldeten Gerebergen (990 m). Von den Flüssen, nur in der Regenzeit mit Wasser, sind am bedeutendsten der Batha und Betheka, die in den Fittrisee fallen, der Bahr es Salamat und im S. der Aukadebbe, Nebenfluß des Schari, mit zahlreichen Nebenflüssen. Die Vegetation besteht aus Tamarinden, Sykomoren, Dum- und Delebpalmen, Lotus- und Heglygbäumen (Balanites aegyptiaca) u. a., Dattelpalmen gibt es nur am Nordrand Hauptnahrungspflanzen sind: Duchn (Pennisetum typhoïdeum), Weizen und Reis. Außerdem baut man Wassermelonen, Kukurbitazeen, Zwiebeln, Eibisch (Hibiscus esculentus), roten Pfeffer, Koriander, Durra, Mais, Bohnen und Baumwolle. Im N. findet sich der Strauß noch reichlich, am Bahr es Salamat und in Kuti viel Elfenbein, in der Nähe des Batha das zweihörnige Rhinozeros. Gezüchtet werden treffliche Kamele, Pferde und Rinder. Die Bevölkerung besteht im N. wesentlich aus Tibbu, im Zentrum und S. aus Negern, zwischen welche Fulbe und Araber eingedrungen sind. Herren des Landes waren die alle edlen Stämme umfassenden Maba, regierungsfähig machte erst die Abstammung von einer Maba. Die Sprache der Maba, nach Barths und Nachtigals Sammlungen genauer untersucht von Fr. Müller und Lepsius, wird von ersterm für ganz isoliert, von letzterm für nahe mit der Sprache von Dar Für und andern Nachbarsprachen und entfernt mit den Bantusprachen Südafrikas verwandt gehalten. Die ziemlich zahlreichen Araber treiben Kamel- und Rinderzucht. Herrschende Religion ist der Islam, doch gibt es noch viele Heiden (besonders im Süden). Die Industrie ist nur dürftig entwickelt, alle bessern Gewerbe werden von Leuten aus Bagirmi oder Bornu betrieben. Der König war der einzige, alles monopolisierende Kaufherr. Handelsstraßen führen nach N. über Kufra und Audschila nach Bengasi (Mittelmeer) und nach Ägypten, über Borku und Tibesti nach Tripolis und durch Dar Für zum Nil. Sklaven, Straußfedern, Elfenbein und Tamarinden bilden die Hauptausfuhrartikel. Hauptstadt ist Abesche (s. d.); die frühere Hauptstadt Wara, 1850 verlassen, liegt in Ruinen. Das Reich war in Provinzen geteilt unter Kemakel, die den Tribut (Sklaven, Pferde, Rinder, Honig, Korn) einzufordern hatten, zu welchem Zwecke das Heer (7000 Mann) hauptsächlich verwendet wurde. – In W. führte Abd el Kerim, ein Nachkomme der Abbasiden, 1715 den Islam ein. Mohammed Scherif (1835–58) ließ 1856 den ersten nach W. vorgedrungenen Europäer, Eduard Vogel, hinrichten; auch Cuny (1858) und v. Beurmann (1863) kamen bei dem Versuche, in W. einzudringen, um. Doch nahm Sultan Ali (1858–83) 1873 Nachtigal gastfreundlich auf; Matteucci und Massari durften 1879 das Land durchreisen. Unter Yusef (1883–99) war W. ein Hauptstützpunkt der Senûssi (s. d.). Yusefs ältester Sohn, Ibrahim (1899 bis Anfang 1901), wurde von Ahmed el-Ghasali, dem zweiten Sohn Alis, geblendet, dieser 1902 durch seinen Vetter Mohammed farhir Dudmora, zweiten Sohn des Sultans Yusef, ersetzt, der im Herbst 1903 das französische Protektorat annahm (französisch-englisches Sudân-Abkommen vom 21. März 1899). Vgl. Barth, Reisen in Zentralafrika, Bd. 3 (Gotha 1857); Nachtigal, Sahara und Sudân, Bd. 3 (Leipz. 1889); Matteucci im Bulletin der Italienischen Geographischen Gesellschaft, 1881; v. Bülow in den »Mitteilungen des Seminars für orientalische Sprachen« (Berl. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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