Dohna [2]

Dohna [2]

Dohna, deutsches Burggrafengeschlecht dynastischen Ursprungs, dessen frühestes bekanntes Glied 1152 von Friedrich Barbarossa mit der Burggrafschaft der schon im 10. Jahrh. genannten Burg Donyn (s. oben: Dohna 1) belehnt wurde. Das Geschlecht war reichsunmittelbar und erhielt diese Eigenschaft unter anderm von Kaiser Siegmund 1420 und Ferdinand III. 1648 bestätigt; seit dem 13. Jahrh. besaß es auch Güter in Böhmen und Schlesien. Nachdem 1402 Markgraf Wilhelm von Meißen die Burg zerstört und die Dohnaschen Lehen eingezogen hatte, lebten Burggrafen von D. in bevorzugter Stellung am böhmischen Hofe; diese böhmische Linie ist 1652 ausgestorben. Aus der von Heinrich III. (gest. 1256) gegründeten Grafensteiner Linie, der unter anderm die Güter Grafenstein und Königsbrück gehörten und die als solche 1609 erlosch, ist die jüngere, 1671 ausgestorbene Lausitzer (Muskau) Linie und die schlesisch-preußische hervorgegangen. Letztere teilte sich im 15. Jahrh. in den schlesischen (ausgestorben 1711) und den von Stanislaus begründeten und jetzt allein noch blühenden preußischen Zweig. Zu diesem gehören die Teillinien D.-Lauck, D.-Reichertswalde (ausgestorben 1878), D.-Schlobitten, D.-Schlodien; letztere weist wiederum die Nebenlinien D.-Kotzenau und D.-Mallwitz auf. Die sogen. schwedische Linie D.-Karwinden ist 1820 im Mannesstamm ausgestorben. Das ganze Geschlecht gilt als hochadlig und wurde früh protestantisch, seine Glieder führen den Titel »Reichsburggrafen und Grafen«. König Friedrich Wilhelm IV. erhob 10. Sept. 1840 die Majorate Schlobitten, Lauck, Reichertswalde und Schlodien zu einer Grafschaft D., 1854 wurden die Inhaber der Majorate erbliche Mitglieder des preußischen Herrenhauses. König Wilhelm II. erhob 1. Jan. 1900 den Burggrafen Richard zu D.-Schlobitten in den erblichen preußischen Fürstenstand nach dem Rechte der Erstgeburt mit dem Prädikat »Durchlaucht«. Vgl. »Aufzeichnungen über die Familie D.« (als Manuskript gedruckt, Berl. 1877–85, 4 Bde.). Namhafte Sprößlinge des Geschlechts sind:

1) Abraham II., der schlesischen Linie angehörig, gest. 1613, ward kaiserlicher Großbotschafter in Polen, Kaiser Rudolfs II. Rat und Landvogt in der Oberlausitz, 1611 Kammerpräsident in Böhmen. Er war katholisch, vielleicht übergetreten, führte 1600 die Primogenitur ein und soll in den Reichsfürstenstand erhoben worden sein.

2) Karl Hannibal, Sohn des vorigen, geb. um 1588, gest. 1633 in Prag, wie sein Vater Landvogt in der Oberlausitz, schloß sich während der böhmischen Rebellion eng an Österreich an. Zur Belohnung ward er Kammerpräsident in Schlesien und soll als solcher die Protestanten heftig verfolgt haben; vielleicht ward ihm deshalb der Beiname Seligmacher zu teil. Der Dichter Opitz war einige Zeit sein Sekretär.

3) Peter, aus der preußischen Linie, geb. 1483, gest. 1553, diente dem Deutschen Orden, lernte, von einer Pilgerfahrt heimkehrend, in Wittenberg Luther kennen, trat zum Protestantismus über, unterstützte Herzog Albrecht von Preußen in seinem Kampfe gegen Polen und bestimmte dessen Entschluß zur Säkularisierung des Ordens mit.

4) Fabian, Sohn des vorigen, geb. 1550, gest. 1621, ward Rat, Hofmarschall und Gesandter des Pfalzgrafen Johann Kasimir und trat zur reformierten Lehre über. Er führte 1587 die Heinrich von Navarra. spätern König Heinrich IV. von Frankreich, zu Hilfe gesendeten 13,000 Mann pfälzischer Hilfstruppen, diente 1591 in Frankreich auf seiten Heinrichs IV. und wohnte im Auftrage des Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz mehreren Reichstagen bei. In Preußen wirkte er für die Brandenburgische Partei, setzte die Belehnung des Brandenburgers mit Preußen durch und wurde 1607 zum Oberburggrafen des Herzogtums Preußen ernannt. Er hinterließ eine deutsche, noch nicht veröffentlichte Autobiographie; sein Bildnis findet sich jetzt in der Siegesallee zu Berlin neben dem Johann Siegmunds. Vgl. H. G. Schmidt, Fabian v. D. (Halle 1897).

5) Abraham, Neffe des vorigen, geb. 10. März 1579 in Mohrungen, gest. 14. Dez. 1631 in Schlobitten, 1604–1609 in den Niederlanden militärisch gebildet, trat 1610 in die Dienste der Union, dann aber in die des Kurfürsten von Brandenburg und war dessen Abgesandter bei der Wahl des Kaisers Matthias in Frankfurt 1612 und ebenfalls auf dem Regensburger Reichstag 1613, auf den er ein großes Spottgedicht verfaßte; auch sein bei dieser Gelegenheit geführtes Tagebuch ist erhalten. Als kurbrandenburgischer Geheimrat war er beim Übertritt des Kurfürsten zum reformierten Bekenntnis von entscheidendem Einfluß, nahm 1611 die Belehnung Brandenburgs mit Preußen in Warschau entgegen, gab auch die erste Anregung zur Gründung einer brandenburgischen Kriegsflotte. Zugleich war er als Genealog und Architekt mit Erfolg tätig und baute unter anderm das Schloß Schlobitten und die Festungen Königsberg und Memel. Vgl. Chroust, Abraham v. D., sein Leben und sein Gedicht auf den Reichstag von 1613 (Münch. 1896).

6) Achatius der ältere, Bruder des vorigen, geb. 1581, gest. 1647, war der Erzieher Friedrichs V. von der Pfalz und unterstützte seinen Zögling als Diplomat vor, während und nach dem böhmischen Abenteuer.

7) Christoph der ältere, ein zweiter Bruder, geb. 1583, gest. 1. Juli 1637, war ebenfalls am Hofe des Winterkönigs und floh mit ihm, wurde der Vertraute Christians I. von Anhalt und zuletzt Gouverneur von Orange. Er war mit Ursula Gräfin zu Solms-Braunfels, Schwester der Gemahlin des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien, vermählt, hatte als Dichter und Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft geistige Interessen und schrieb eine noch nicht veröffentlichte deutsche Autobiographie.

8) Friedrich der jüngere, ältester Sohn des vorigen, geb. 4. Febr. 1621 in Küstrin, gest. 27. März 1688 zu Lutry bei Lausanne, ward seit 1636 in Holland militärisch ausgebildet, wirkte wie sein Vater 1649–62 als Statthalter des Fürstentums Orange und war seit 1656 mit einer Französin (gest. 12. Juli 1690) vermählt. 1662–68 war er Chef des Verteidigungswesens in Genf, übernahm 1668 seine Güter in Preußen, warb dann in der Schweiz für Holland gegen Frankreich Truppen und vertrat zugleich die politischen Interessen des Großen Kurfürsten. Seit 1673 privatisierte er zu Coppet am Genfer See und schrieb französisch seine Autobiographie: »Les mémoires du burggrave et comte Frédéric de D. 1621–1688« (hrsg. von Borkowski, Königsb. 1898).

9) Christoph Delphicus, jüngster Bruder des vorigen, geb. 4. Juni 1628, gest. 21. Mai 1668, war seit 1653 Kammerherr der Königin Christine von Schweden. Er begründete die schwedische Linie seines Hauses. Seine Leiche wurde 1669 im Dom zu Upsala beigesetzt.

10) Alexander, geb. 5. Febr. 1661 in Genf, gest. 25. Febr. 1728 in Königsberg, ältester Sohn von D. 8), ward 1686 Amtshauptmann der Ämter Mohrungen und Liebstadt in Preußen, 1687 Geheimrat und Geschäftsträger am polnischen Hofe, 1695 Geheimer Kriegsrat sowie 1695–1703 Oberhofmeister des Kurprinzen, nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm I., und 1713 Generalfeldmarschall. Er beerbte die erloschene schlesische Linie und ist Ahnherr des Hauses Schlobitten.

11) Christoph der jüngere, Bruder des vorigen, geb. 5. April 1665 auf Schloß Coppet am Genfer See, gest. 11. Okt. 1733, kämpfte im brandenburgischen Heer 1686 in Ungarn gegen die Türken, 1689 als Oberst der grands musquetaires gegen Ludwig XIV., war dann diplomatisch tätig, unter anderm in London, und wurde 1713 Wirklicher Geheimer Etats- und Kriegsrat sowie 1714 Gesandter in Wien, nahm aber 1716 den Abschied und zog sich auf seine preußischen Güter zurück. Seine »Mémoires originaux sur le règne et la cour de Frédéric I, roi de Prusse« gab Raumer (Berl. 1883, als Manuskript gedruckt) heraus.

12) Christoph, geb. 25. Okt. 1702, gest. 19. Mai 1762, dritter Sohn des vorigen, seit 1740 preußischer Oberst, zeichnete sich in den ersten beiden Schlesischen Kriegen aus, ebenfalls 1757 und 1758 bei Großjägerndorf, Stralsund und Zorndorf, wurde aber, als er im Sommer 1759 mit wenig Glück in der Neumark gegen die Russen operierte, abberufen und lebte fortan in Berlin.

13) Friedrich Alexander, Enkel von D. 10), geb. 6. Juli 1741 in Königsberg, gest. 8. April 1810 zu Finckenstein (Westpreußen), war 1761–63 Generaladjutant des Herzogs Ferdinand von Braunschweig, dessen 16 Bände Tagebücher (1751–66) er geschenkt erhielt, wurde 1803 Obermarschall des Königreichs Preußen und befand sich 1806–10 an der Seite des Königs in Memel und Königsberg. 1790–93 war Schleiermacher der Hauslehrer seiner Kinder.

14) Friedrich Ferdinand Alexander, ältester Sohn des vorigen, geb. 29. März 1771 auf Schloß Finckenstein, gest. 21. März 1831 zu Königsberg, trat 1790 in den preußischen Staatsdienst. Seit 1807 Präsident der Domänenkammer zu Marienwerder, dann seit Steins Rücktritt 1808 Minister des Innern, beteiligte er sich an den Reformen, schied zwar 1810 bei Hardenbergs Eintritt ins Ministerium aus, beförderte aber als Generallandschaftsdirektor in Ostpreußen 1813 die Bewaffnung der Provinz und ward Zivilgouverneur der Provinz Preußen. Vgl. Voigt, Leben des Grafen zu D. (Leipz. 1833).

15) Karl Friedrich Emil, jüngerer Bruder des vorigen, geb. 4. März 1784 in Schlobitten, gest. 21. Febr. 1859 in Berlin, trat 1798 in ein preußisches Kavallerieregiment, ging aber im Oktober 1812 in russische Dienste, half die Konvention zwischen York und Diebitsch auf der Poscheruner Mühle 30. Dez. 1812 abschließen, führte in den Befreiungskriegen das 2. Husarenregiment der russisch-deutschen Legion und trat dann in preußische Dienste zurück, 1815 wurde er Oberst, 1837 Generalleutnant, erhielt 1839 das Generalkommando des 2. Armeekorps, 1842 das des ersten und ward 1848 zum General der Kavallerie und 1854 zum Generalfeldmarschall und Oberstkämmerer ernannt. Er war ein Schwiegersohn Scharnhorsts. Ihm zu Ehren erhielt 1889 das ostpreußische Ulanenregiment Nr. 8 den Namen Ulanenregiment Graf zu D.


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