- Steinkohlenformation
Steinkohlenformation (Kohlenformation, karbonische Formation; hierzu die Tafeln »Steinkohlenformation I-VI«), ein vorwaltend aus Konglomeraten, Sandsteinen, Grauwacken, Tonschiefern, Schiefertonen, Mergeln, Kalksteinen und Kieselschiefern, untergeordnet aus Steinkohle und Sphärosideriten bestehendes paläozoisches Schichtensystem, das zwischen der devonischen und der permischen Formation zur Ablagerung gekommen ist. Der Name S. wurde ihm 1756 von J. G. Lehmann gegeben. Die Trennung von den beiden benachbarten Formationen wird bei vollkommener Konkordanz und petrographischer Ähnlichkeit der Grenzschichten oft sehr erschwert. Paläontologisch wird die S. charakterisiert durch die in keiner andern Periode erreichte Üppigkeit der Kryptogamenflora und durch das erstmalige Auftreten von luftatmenden Tieren (Amphibien). Sehr häufig ist die an 4–7000 m mächtige Schichtenfolge der S. den ältern Formationen in Form flacher Mulden, Becken oder Bassins ausgelagert (vgl. Tafel »Geologische Formationen I«, Fig. 3, und II, Fig. 1), deren regelmäßiger Zusammenhang häufig durch sekundäre Störungen (Verwerfungen) unterbrochen ist. Das beigegebene Profil (Tafel VI) durch einen Teil des Kohlenfeldes von Zwickau (Sachsen) sucht ein Bild der allgemeinen Lagerungsverhältnisse zu geben. Es ist der südwestliche Flügel einer Mulde mit einer Mehrzahl von Kohlenflözen und zeigt neben dem allgemeinen Einfallen der Schichten nach Nordosten eine Reihe von Verwerfungen, welche die Kohlenflöze und die begleitenden Schichtensysteme förmlich zerstückelt und oft beträchtlich gegeneinander verschoben haben.
Wo alle Glieder der S. entwickelt sind, läßt sich eine Zweiteilung der Formation nach petrographischen und paläontologischen Unterschieden nachweisen. Das untere Glied, das sogen. Unterkarbon oder Subkarbon (subkarbonische Formation), neigt zur Bildung von Fazies, für die es aber an Übergängen ineinander nicht mangelt. In Amerika, in Nordchina, in den meisten Becken Englands, in Nordfrankreich, Belgien, bei Aachen, bei Silberberg, Hausdorf, Altwasser etc. in Schlesien und in Rußland wird das Unterkarbon von einem gewöhnlich festen und dichten Kalkstein (Bergkalk, Mountain limestone, Kohlenkalk) gebildet, der reich an organischen Resten meerischen Ursprungs ist. Untergeordnet kommen mit dem Bergkalk Dolomit, Anhydrit, Gips, Steinsalz (Michigan, Durham, Bristol) vor. In Devonshire, Irland, Westfalen, Hessen-Nassau, am Harz, in Oberschlesien und den Alpen bilden dagegen Tonschiefer, Sandsteine, Grauwacken und Kieselschiefer ein als Kulm bezeichnetes Äquivalent des Kohlenkalks. Armer an Versteinerungen als der Kohlenkalk, führt der Kulm immerhin noch genug Arten (Posidonomya oder Posidonia Becheri, Tafel I, Fig. 7, Goniatites sphaericus, Tafel II, Fig. 4, etc.) gemeinsam mit dem Kalk, um ihn als bloße Fazies desselben aufzufassen. Während die Tonschiefer oft sehr reich an Posidonia Becheri sind (Posidonomyenschiefer, Posidonienschiefer), stellen sich in den Sandsteinen und Grauwacken Pflanzenreste ein (die im Kohlenkalk nur als äußerste Seltenheiten bekannt sind), mitunter sogar zu kleinen Kohlenflözen angehäuft (Calamites, Sigillaria, Lepidodendron etc., Tafel III). Man betrachtet den Kulm als eine Bildung innerhalb flacher Meeresbuchten, während der Kohlenkalk einen Absatz des hohen Meeres darstellt. Über jeder dieser beiden Fazies lagert in der Regel konkordant (an einigen Stellen, wie in Niederschlesien, auch diskordant) ein Sandstein mit untergeordneten Konglomeraten, der nur selten bauwürdige Flöze (so bei Waldenburg in Niederschlesien, Hainichen in Sachsen) enthält. Dieser sogen. flözleere Sandst ein wurde früher zum Kulm (obere Kulm grauwacke, Millstone grit) gerechnet, wird jetzt aber allgemein zu der obern Abteilung der S., der eigentlichen produktiven Kohlenformation (Hauptsteinkohlenformation, Coal Measures der Engländer) gestellt. Letztere besteht an den meisten Orten aus einer bis 3500 m mächtigen Schichtenfolge von Sandsteinen, Schiefertonen und Steinkohlen und enthält hier und da auch grobe Konglomerate und tonige Sphärosiderite, bald in einzelnen Konkretionen in den Schiefertonen eingeschlossen, bald zusammenhängende Lagen bildend, und Kohleneisenstein (s. Spateisenstein). Die Kohle ebensowohl als die Eisenerze sind gelegentliche Begleiter der übrigen Gesteine und, selbst wo sie vorhanden sind, in so geringer Mächtigkeit gegenüber den Sandsteinen und Schiefertonen entwickelt, daß sie trotz ihrer großen technischen Wichtigkeit nur als untergeordnete Glieder der produktiven S. bezeichnet werden können. Die Benennung »produktiv« wurde für die obere Abteilung des Oberkarbons eingeführt, weil dieselbe, wenigstens in Westfalen und an der Saar, sehr reich an bauwürdigen Steinkohlenflözen und Eisenerzen ist; indessen ist diese Bezeichnung keine besonders glückliche, weil bauwürdige Kohlenflöze auch in der untern Abteilung des Oberkarbons (z. B. in Niederschlesien, in Missouri, Alabama, in China etc.), ja sogar in der untern S. selbst (so bei Hainichen und Chemnitz in Sachsen, in Schottland und Northumberland, in Rußland bei Tula etc., in China) bekannt sind. Innerhalb der obern S. selbst gehören die tiefern der oberschlesischen Kohlenflöze, die, etwa 100 an der Zahl, eine Gesamtkohlenmächtigkeit von mehr als 150 m erreichen, einer ältern, der sogen. Sagenarienstufe oder der Zone der Waldenburger Schichten, die höhern in den sogen. Schatzlarer Schichten eingeschlossenen Flöze sowie die westfälischen, rheinischen, belgischen, nordfranzösischen und viele englischen Kohlenflöze einer mittlern Stufe, der Sigillarienstufe oder der Zone der Saarbrücker Schichten, und die höhern niederschlesischen Flöze, ferner die von Pilsen und Zentralfrankreich einer jüngern, der Kalamarienfarnstufe oder der Zone der Ottweiler Schichten an. Die Ottweiler Schichten enthalten bei Saarbrücken nur noch wenige bauwürdige Kohlenflöze und zeigen in ihrer obern Abteilung mit höher gelegenen, zur Dyasformation gerechneten Schichten (Kuseler Schichten) eine solche Ähnlichkeit, daß die Abgrenzung der S. gegen das Rotliegende sehr schwierig wird. An manchen Orten führt übrigens die obere S., soz. B. in den westlichen Provinzen der Vereinigten Staaten, in Guatemala, in Brasilien, auch in Oberschlesien, in Rußland, auf Spitzbergen und den Bäreninseln und in China, Kalksteine mit reichen Resten marinen Charakters (Fusulinenkalk). Die für die Kohle der S. gegebene geographische Verbreitung (s. Steinkohle) stellt natürlich nur einen kleinen Teil derjenigen der S. dar, insofern, als namentlich der Kohlenkalk über große Horizontalstrecken hin als anstehendes Gestein dominiert. Er ist außer in den vorher genannten Gegenden besonders in Irland, in China, in Nordamerika, in Chile und Bolivia in großer Verbreitung bekannt. In Schottland und in Devonshire ist die Fazies des Kulms die Unterlage der produktiven S., in Irland fehlt letztere gänzlich. An andern Orten, wie in Böhmen und bei Saarbrücken, fehlt dagegen das Subkarbon und ist nur die obere, produktive Abteilung der S. vorhanden. Flözführendes Oberkarbon ist auch aus Neusüdwales, Queensland, Victoria und von Vandiemensland bekannt, oberkarbonischer Kalk aus der Sahara und von den Sunda-Inseln. Über die karbonen Eccaschichten Südafrikas und die karbonen Talchirschichten Indiens, die als Ablagerungen karboner Gletscher angesehen werden, vgl. Eiszeit (S. 577) sowie Afrika (S. 137) und Asien (S. 859); über die Verteilung von Wasser und Land zur Zeit der S. s. Tafel »Geologische Formationen IV«, Fig. 1.
Unter den Tierresten der S. beanspruchen das größte Interesse die Landbewohner und Süßwasserformen der obern Abteilung. In dieser war allerdings das tierische Leben auf ein Minimum beschränkt, ähnlich wie heute in unsern Urwäldern; immerhin kennen wir einige Landschnecken (so Pupa vetusta, Tafel II, Fig. 16), Skorpione (z. B. Cyclophthalmus aus der böhmischen Steinkohle, Tafel II, Fig. 8), Spinnen (z. B. Eophrynus Prestwichi, Tafel II, Fig. 9, und Protolycosa anthracophila, Tafel II, Fig. 7), Tausendfüßer (Xylobius, Tafel II, Fig. 15), Heuschrecken, Schaben und Käfer. Die Wassertümpel waren von kleinen Schalenkrebsen (Leaia, Tafel II, Fig. 13, Leperditia, Estheria) bevölkert, während als höchst organisierte Tiere Amphibien auftreten. Die meisten derselben gehören Mittelformen zwischen den Echsen und Batrachiern an, der Abteilung der Labyrinthodonten oder Stegokephalen, und zwar den Gattungen Anthracosaurus. Branchiosaurus (Tafel II, Fig. 14), Keraterpeton etc. Weit größern Reichtum an tierischen Resten, unzweifelhaften Meeresbewohnern, bergen die kalkigen Schichten sowohl des Oberkarbons als des Kulms und zumal der Kohlenkalk. Von Protozoen kommt eine weizenkorngröße Foraminifere, Fusulina cylindrica (Tafel I, Fig. 1), namentlich in Rußland und Amerika in zahllosen Exemplaren vor, bestimmte Lagen des oberkarbonen Fusulinenkalks fast ausschließlich zusammensetzend. Die Korallen (Chaetetes und Zaphrentis, Tafel I, Fig. 6 u. 10), die ebenfalls mitunter in gesteinsbildender Fülle auftreten, gehören denselben Ordnungen wie die des Silurs und der Devonischen Formation (s. d.) an. Die Krinoideen sind zahlreich nach Formen und Individuen; besonders häufig, zumal im nordamerikanischen Kohlenkalk, sind die zu der Ordnung der Seelilien gehörigen Gattungen Cyathocrinus, Actinocrinus (Tafel I, Fig. 2), Platycrinus (Tafel I, Fig. 3), Poteriocrinus (Tafel I, Fig. 11), Rhodocrinus verus; die Säulenglieder des letztern setzen oft ganze Bänke zusammen. Zu der Abteilung der Blastoideen gehören die Gattungen Codonaster und Pentremites (Tafel I, Fig. 15, 4 u. 16); die letztere tritt zwar schon im Silur und Devon auf, besitzt in der Steinkohle aber ihre zahlreichsten Vertreter. Seeigel, aus 30–35 Reihen sechsseitiger Platten zusammengesetzt, sind durch mehrere Genera (darunter Palaeechinus, Tafel I, Fig. 8) vertreten. Unter den Mollusken sind die Ordnungen der Brachiopoden und Kephalopoden, wenn auch noch artenreich, doch nicht mehr so vorwaltend wie in den noch ältern Formationen (Productus semireticulatus, Spirifer striatus auf Tafel I, Fig. 13 u. 5, Chonetes Dalmanni, Goniatites Jossae, G. sphaericus und Nautilus Konincki auf Tafel II, Fig. 2 u. 4). Zu den Pelekypoden zählen die im Kulm häufige Posidonomya oder Posidonia Becheri (Tafel I, Fig. 7), die Anthracosia und das nach vorn abgestutzte, nach hinten schnabelförmig ausgezogene und klaffende Conocardium fusiforme (Tafel I, Fig. 9). Die Gastropoden gehören fast ausnahmslos denselben Genera (Bellerophon, Tafel I, Fig. 14, Euomphalus, Tafel II, Fig. 1, Chiton, Tafel I. Fig. 12) wie die der devonischen Formation an. Die Trilobiten klingen in der S. aus und sind nur noch durch die kleinen und seltenen Arten der Gattung Phillipsia (Tafel II, Fig. 3) vertreten; daneben sind, wenn auch selten, Molukkenkrebse (Limulus), Dekapoden (Anthracopalaemon, Tafel II, Fig. 12) und einmal im Kulm bei Herborn der eigentümliche Bostrichopus (Tafel II, Fig. 6) beobachtet worden. Von Fischen der S. findet man Zähne und Rückenstacheln besonders häufig. Sie gehören meist Haien an, wenn auch Abteilungen, die in der Jetztwelt teils ganz erloschen, teils nur durch wenige Formen vertreten sind (Orodus, Tristychius und Cochliodus, Tafel II, Fig. 5, 10 u. 11).
Die pflanzlichen Reste der S. sind wesentlich auf die Steinkohlenflöze und die sie begleitenden Schiefertone beschränkt, die tierischen Reste an den Kohlenkalk und den Kulm geknüpft. Die Flora der S. war trotz aller Üppigkeit, wie sie sich in der großartigen Aufhäufung zu mächtigen Kohlenflözen ausspricht, eine formenarme: es fehlen die höhern Dikotyledonen vollständig, und auch Koniferen, Palmen und Cykadeen spielen eine untergeordnete Rolle. Der Schwerpunkt des pflanzlichen Lebens lag in den Kryptogamen, von denen einige Geschlechter in größter Anzahl der Individuen und in später nie wieder erreichten Dimensionen auftreten. Die Fülle vorhandener Reste der Steinkohlenflora hat seit Unger (1847) die Pflanzenpaläontologen zu Rekonstruktionen angeregt, und man hat Bilder der Steinkohlenlandschaft gegeben, von denen die von Unger, Heer, Zittel und Geinitz am bekanntesten sind. Die neueste Darstellung stammt von Potonié (s. unten, Literatur), eine verkleinerte Wiedergabe derselben ist unsre Tafel III. Die Kalamiten (Tafel III, Fig. 6, und Tafel V, Fig. 6) haben unter der Flora der Jetztwelt die Schachtelhalme (Equiseten) zu nächsten Verwandten, und in die gleiche Familie der Kalamarien, die besonders in der Kalamarienfarnstufe zur reichsten Entwickelung gelangten, gehören auch die Annularien mit ihren zierlichen Rosetten (Tafel V, Fig. 5) und vielleicht auch die Sphenophyllen (Tafel III, Fig. 5, und Tafel IV, Fig. 10). Zu den Lykopodiazeen zählen die für die Sagenarienstufe charakteristischen Schuppenbäume (Sagenarien, Lepidodendren, Tafel III, Fig. 7, und Tafel IV, Fig. 1, auch Ulodendron, Tafel III, Fig. 8) und die in der Sigillarienstufe sehr zahlreichen Siegelbäume (Sigillarien, Tafel III, Fig. 10, Tafel IV, Fig. 3, u. Tafel V, Fig. 9, auch Syringodendron, Tafel III, Fig. 9, und Tafel V, Fig. 10). Ihre Wurzelstöcke sind die Stigmarien (Tafel V, Fig. 8) mit weithin verzweigten Wurzeln. Von Farnen kennt man über 200 Arten, die zum Teil noch jetzt lebenden eng verwandt sind, z. B. Odontopteris, Tafel IV, Fig. 5; Neuropteris, Tafel IV, Fig. 9; Pecopteris, Tafel III, Fig. 1, Tafel IV, Fig. 11, und Tafel V. Fig. 2; Alethopteris, Tafel IV, Fig. 7; Sphenopteris, Tafel III, Fig. 3, und Tafel IV, Fig. 8; Mariopteris, Tafel III, Fig. 4. u. Tafel V, Fig. 3 u. 4; Caulopteris, Tafel III. Fig. 1, Tafel V, Fig. 1; Megaphyton, Tafel III, Fig. 2. Neben den Gefäßkryptogamen treten die Cykadeen (Pterophyllum), denen die Cordaïtes-Arten (Tafel III, Fig. 11) mit dem als Cordaïanthus bezeichneten Blütenstand und den Trigonocarpus und Cyclocarpus benannten Früchten (Tafel IV, Fig. 6, 2 u. 4) als nahe verwandt anzureihen sind, und die Koniferen (aus der Abteilung der Araukarien) nach Arten- und Individuenzahl weit zurück. Die meisten gut erkennbaren Pflanzenreste sind den die Kohlenflöze begleitenden Schiefertonen eingelagert; es ist aber durch viele mikroskopische Untersuchungen dargetan, daß die Kohlenflöze selbst aus denselben Pflanzen bestehen, deren einzelne Fragmente in dem benachbarten Ton eingeschlossen wurden. Sigillarien, ihre Wurzelstöcke, die Stigmarien, und Lepidodendren sind nachweisbar die Hauptkohlenpflanzen; schon der Masse nach untergeordnet sind die Kalamiten (manche Rußkohle) und Araukarien, noch seltener Farne; niemals finden sich Seepflanzen (Tange etc.). Die Steinkohlen können sich deshalb nicht im Meer oder in Meeresbecken gebildet haben, sind also nicht pelagisch, sondern sie sind limnische Bildungen, hervorgegangen aus einer üppigen tropischen Sumpfflora. Die in den Kohlenflözen aufgehäufte Pflanzenmenge ist eine ganz erstaunliche, zumal wenn man bedenkt, daß ein 100jähriger Buchenwald beim Verkohlen eine Schicht von nur 2 cm Kohle liefern würde. Man hat deshalb geglaubt, lokale Aufhäufungen der Pflanzenleichen durch Anschwemmungen annehmen zu müssen (allochthone Bildung der Steinkohlenflöze); indessen ist dies nur für kleinere Kohlenflöze und stockartige, in horizontaler Richtung unbedeutend entwickelte, mit Sand und Ton gemengte Vorkommnisse, in denen ganze Stämme selten sind und die verschiedenen Stammteile voneinander getrennt sich vorfinden (soz. B. für das Hauptflöz in Commentry und für einzelne böhmische und mährische Flöze), zulässig. Bei weitem die meisten Steinkohlenflöze sind autochthon, d. h. sie haben sich aus Pflanzen gebildet, die an Ort und Stelle gewachsen sind. Man schließt das einmal aus der großen Reinheit der Kohle, dann aus der ununterbrochenen Verbreitung ein und desselben Kohlenflözes von derselben Beschaffenheit über Hunderte von Quadratkilometern, und besonders aus dem Vorkommen aufrechtstehender Stämme, und daraus, daß die Schiefertonschichten im unmittelbaren Liegenden der Steinkohlenflöze ganz gewöhnlich von Wurzelstöcken derjenigen Bäume erfüllt sind, deren obere Teile (Stämme, Zweige und Blätter) das Kohlenflöz zusammensetzen, und daß diese Wurzelstöcke (Stigmarien) fast stets so wie bei Lebzeiten des Stammes vom Hauptkörper nach allen Richtungen hin radial ausstrahlende Anhänge besitzen, während dieselben bei angeschwemmten, abgestorbenem Material sich vom Hauptkörper abgelöst und naturgemäß nur in parallelen Ebenen, den Schichtungsflächen, angehäuft hätten. Zuweilen erscheinen die Anhänge sogar noch in andre Stammstücke hineingewachsen, die offenbar bereits verwesend in dem Humus lagen, in den die Stigmarien mit ihren lebenskräftigen Anhängen eindrangen. Jedes einzelne Steinkohlenflöz ist demnach gleichsam ein fossiles Waldmoor, am besten etwa vergleichbar einem indischen Dschangel oder einem amerikanischen Swamp, in dem unter tropischer Sonne eine über alle Maßen üppige Pflanzenwelt sich entwickelte. Wie in den Swamps eine neue Baumvegetation auf den Leichen der ältern, humufizierten wuchert und zugrunde geht, um wieder den Boden einer noch jüngern Generation zu bilden, ebenso war es bei den meisten fossilen Humuslagern, nicht nur der S., sondern gewiß auch der mesozoischen und känozoischen Periode. Die karbonischen Swamps lagen an den flachen Ufern des Meeresstrandes, dem Meere nahe (paralisch). Periodische Einbrüche des Meeres (infolge von Senkungen und Hebungen) vernichteten vorübergehend das üppige Wachstum und führten Schlamm und Sand mit Resten von Meerestieren, das jetzt als Schieferton und Sandstein die einzelnen Kohlenflöze trennende Material, herbei, das nach Rückzug des Meeres für eine neue Vegetation den Boden darbot. Neben den Mooren konnten an dem flachen Meeresstrand auch Süßwasserseen vorhanden sein und in diesen limnische Ablagerungen, durch Süßwasserformen, wie z. B. durch die Muschel Anthracosia gekennzeichnet, entstehen. So erklären sich ganz leicht die in England, Schlesien, Westfalen, im Donetzbecken, in Illinois, Texas, in Südchina und in Australien gar nicht seltenen Wechsellagerungen von limnischen Bildungen mit marinen Absätzen. – Der Typus der Kohlenpflanzen bleibt sich, selbst in den entlegensten Gebieten, ganz gleich. Das Klima der S. muß also ein ziemlich gleichmäßiges, zugleich sehr feuchtes gewesen sein; einen tropischen Charakter (mit nur mittlerer Temperatur von 20–25°), den man früher annahm, hatte es jedenfalls nicht, sonst würden sich wohl Moore, die heute zwischen den Wendekreisen vollständig fehlen, nicht haben bilden können. Auch die ältere Annahme, daß die Atmosphäre während der S. wesentlich reicher an Kohlensäure gewesen sei als während der Braunkohlen- oder Tertiärzeit oder als heute, ist nicht haltbar.
Die vulkanische Tätigkeit lieferte während der Steinkohlenperiode Diabase (in Schottland, England, Frankreich, an einzelnen Punkten Deutschlands), Quarzporphyre, Felsitporphyre und in mehr untergeordneter Weise auch Porphyrite und Melaphyre (Sachsen, Niederschlesien, Frankreich). Namentlich die Diabase sind durch Auftreten in Decken und durch Verbindung mit Tuffen, die sich zwischen die karbonischen Gesteine einschalten, besonders häufig als zweifellos gleichzeitige Bildungen charakterisiert. Am Ende des Unterkarbons sind auch die meisten Granit- und Dioritmassive (mitsamt den gleichalterigen Ganggesteinen, wie Granitporphyren, Minetten etc.) im Harz, im Erzgebirge, in Thüringen, im Fichtelgebirge, im Odenwald, in den Vogesen und im Schwarzwald etc. entstanden; durch die Granite und die begleitenden Gesteine wurden noch die unterkarbonischen Sedimente metamorphosiert, während die Konglomerate des Oberkarbons und des Rotliegenden bereits Gerölle von jenen Gesteinen enthalten. Mit dem Empordringen der Eruptivgesteine gingen starke Gebirgsstörungen Hand in Hand, die zum Teil Ursache der zahlreichen Verwerfungen sind, welche die Schichten der S. durchsetzen.
An technisch wichtigen Produkten liefert die S. in erster Linie Kohlen und Eisenerze, außerdem wichtige Erze besonders auf gangförmigen Lagerstätten. So gehört ein Teil der Oberharzer Gänge von silberhaltigem Bleiglanz dem Kulm an; Englands und Amerikas Kohlenkalk birgt ebenfalls Bleiglanzgänge. Von den Aachener und belgischen Zinkerzlagerstätten bilden einige Gänge, andre Nester und Lager, teils in karbonischen Gesteinen, teils an der Grenze zwischen diesen und devonischen Schichten, teils innerhalb des devonischen Systems. Der Kohlenkalk selbst endlich dient hin und wieder als Marmor und als Zuschlag beim Hochofenbetrieb, gewisse Varietäten des flözleeren Sandsteins als Mühlstein (woher der englische Name: Millstone grit), andre als feuerfestes Material. Vgl. die bei Artikel »Steinkohle« angeführten Werke, außerdem: Weiß, Das Steinkohlengebirge an der Saar (Berl. 1875), Steinkohlen-Kalamarien (das. 1876 u. 1884) und Sigillarien (das. 1887); Lottner, Das westfälische Steinkohlengebirge (2. Ausg., Iserl. 1868); Römer, Geologie von Oberschlesien (Bresl. 1870); Schütze, Geognostische Darstellung des niederschlesisch-böhmischen Steinkohlenbeckens (Berl. 1882); Stur, Beiträge zur Kenntnis der Flora der Vorwelt (Wien 1875–87); Beyschlag und v. Fritsch, Das jüngere Steinkohlengebirge in der Provinz Sachsen (Berl. 1900); Frech, Die S. (Stuttg. 1899); Hofmann und Ryba, Leitpflanzen der paläozoischen Steinkohlenablagerungen in Mitteleuropa (Prag 1899); Potonié, Eine Landschaft der Steinkohlenzeit (Berl. 1899, Wandtafel und Erläuterung) und Entstehung der Steinkohle (4. Aufl., das. 1907); Bölsche, Im Steinkohlenwald (4. Aufl., Stuttg. 1907).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.