Dextrīn

Dextrīn

Dextrīn (Stärkegummi, künstliches Gummi, Dampfgummi) C6H10O5, ein zur Gruppe der Kohlehydrate gehören der Körper von gleicher prozentischer Zusammensetzung mit Stärkemehl, Holzfaser (Zellulose) und Zucker, findet sich sehr verbreitet im Pflanzenreich, besonders in Pflanzenteilen, in denen neue Zellen gebildet werden, und ist wohl das Material, aus dem sich zunächst die Zellhaut bildet. Getreidesamen enthalten 4–6 Proz. D., aber beim Keimen steigt diese Menge um die Hälfte und mehr. Auch im tierischen Körper ist D. weil verbreitet. D. entsteht aus Stärkemehl beim Erhitzen auf 160–200° und findet sich daher in der Brotrinde. Noch leichter bildet es sich, wenn das Stärkemehl vor dem Erhitzen mit sehr wenig Salpetersäure befeuchtet wurde, oder wenn man es mit verdünnter Schwefelsäure kocht. Ebenso leicht bildet es sich bei Einwirkung der im Malz enthaltenen Diastase (s.d.) auf Stärkemehl; es entsteht daher in großer Menge beim Einmaischen in der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei und ist auch ein Bestandteil des fertigen Bieres. Zur Darstellung erhitzt man getrocknetes Stärkemehl in Trommeln oder Röstpfannen mit Rührwerk durch überhitzten Dampf oder im Ölbad auf 217–275°. Das erhaltene Röstgummi (Léiogomme, fälschlich Léiocome) wird gemahlen und gesiebt, es ist bräunlichgelb und deshalb für manche Zwecke nicht recht geeignet. Ein ganz weißes, in Wasser vollkommen lösliches D. erhält man dagegen, wenn man Stärkemehl mit 0,2 Proz. starker Salpetersäure, die hinreichend verdünnt werden muß, befeuchtet an der Luft, dann bei 80° trocknet, mahlt, siebt und etwa 1–11/2 Stunde auf 100–110° erhitzt. Das Präparat ist äußerlich von Stärkemehl nicht zu unterscheiden und vollkommen frei von Salpetersäure (Dextringummi, Gommeline). Weizenschabestärke liefert das Amidon grillé. Aus verkleisterter Stärke stellt man das Kristallgummi dar, das dem Gummiarabikum ähnlich ist. Auch Schwefelsäure, Salzsäure, Oxalsäure, Kieselfluorwasserstoffsäure und unter erhöhtem Druck schweflige Säure und Kohlensäure verwandeln Stärkemehl in D. Dextrinsirup (Gummisirup) erhält man durch Behandeln von Stärkemehl mit verdünnter Schwefelsäure oder Malzauszug; doch bildet sich hierbei stets viel Traubenzucker, der die Haltbarkeit des Dextrins beeinträchtigt. Reines D. erhält man durch Erwärmen von Kartoffelstärkemehl mit Wasser und Oxalsäure im Wasserbad, bis Iodlösung eine Probe nicht mehr bläut. Dann wird die Lösung mit gefälltem kohlensaurem Kalk neutralisiert, nach zwei Tagen filtriert und durch Alkohol gefällt. Aus roher oder mit Schwelliger Säure gebleichter Kartoffelstarte hergestellte Dextrine besitzen einen widerlichen Geruch und Geschmack, der nicht auftritt, wenn man das Stärkemehl mit Wasser anrührt und bei 45° kurze Zeit mit Chlor behandelt. Das D. des Handels enthält etwa 60–72 Proz. reines D., 2–9 Proz. Zucker, 13–20 Proz. unlösliche Stoffe und 6–14 Proz. Wasser.

Reines D. gleicht im Äußern dem arabischen Gummi, ist amorph, farb-, geruch- und geschmacklos, leicht löslich in kaltem Wasser, etwas löslich in schwachem Weingeist, nicht in Alkohol und wird daher aus der wässerigen Lösung durch Alkohol gefällt. Es lenkt die Ebene des polarisierten Lichts stark nach rechts (dexter). Durch Jod wird es schwach amarantrot gefärbt, verdünnte Säuren verwandeln es in Traubenzucker (Dextrose), Malzauszug in Maltose; beim Kochen mit Salpetersäure entsteht Oxalsäure. D. ist nicht direkt gärungsfähig; wenn die Lösung aber zugleich Traubenzucker enthält, so zerfällt bei der Gärung ein großer Teil des Dextrins, wie der Zucker, in Alkohol und Kohlensäure. Bei der Darstellung des Dextrins entstehen je nach dem speziellen Verfahren verschiedene Körper, die zwar alle zum D. gerechnet werden, aber sich durch ihr Verhalten gegen Jod unterscheiden: Amylodextrin, Erythrodextrin, Achroodextrin etc. Man benutzt D. wegen seiner Billigkeit statt des Gummiarabikum zum Verdicken von Beizen und Farben im Zeugdruck, zum Appretieren und Steifen von Zeugen, als Kettenschlichte, in der Bunt- und Luxuspapierfabrikation, zum Tapetendruck, zur Filzbereitung, zur Anfertigung von Buchdruckerwalzen und Tupfballen, als Mundleim (es klebt weniger gut als arabisches Gummi), zur Bereitung der Tinte, in der Chirurgie als Verbandmittel, als Zusatz zu Pflanzenextrakten, um diese in Pulverform dispensieren zu können, und zur Darstellung einer Art von Englischem Pflaster. Es wird auch in der Bierbrauerei, zur Darstellung von Obstwein und zu feinerm Backwerk benutzt. D. hat denselben Nahrungswert wie Stärkemehl, ist aber leichter verdaulich. Vgl. Wagner, Stärke-, Dextrin- und Traubenzuckerfabrikation (2. Aufl., Braunschw. 1886); Bersch, Die Fabrikation von Stärkezucker, D. etc. (Wien 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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