Arnim

Arnim

Arnim (urkundlich auch Arnym, Arnimb, Arnheim), märk. Adelsgeschlecht, nach dem Dorf A. im Kreise Stendal in der Altmark benannt, das 1204 zuerst vorkommt und von dem Mitglieder nach dem Lande Barnim in der Ukermark übersiedelten; später ließen sich Arnims auch in Pommern, Preußen und Sachsen nieder. Ihre Hauptschlösser waren Zehdenik, Zichow, Gerswalde und Boitzenburg in der Ukermark. Friedrich Wilhelm v. A. auf Boitzenburg wurde 1786 in den preußischen Grafensland erhoben. Seitenzweige der Boitzenburger Linie sind die Häuser Heinrichsdorff, Werbelow, Suckow und Kröchlendorf. Zu Ehren der Familie A., die dem preußischen Heere zahlreiche hohe Offiziere (1 Generalfeldmarschall und 7 Generale) gab, wurde das 2. brandenburgische Dragonerregiment Nr. 12 nach ihr benannt. Bemerkenswert sind:

1) Johann Georg von, Heerführer im Dreißigjährigen Kriege, geb. 1581 zu Boitzenburg in der Ukermark, gest. 8. April 1641 in Dresden, trat zuerst in schwedische, dann in polnische, 1626 in kaiserliche Dienste. Von Wallenstein mit der Belagerung von Stralsund beauftragt, dann nach Polen gegen die Schweden entsandt und 1628 zum Feldmarschall befördert, zog er doch als Protestant 1631 den kursächsischen Dienst dem kaiserlichen vor, schloß für Kurfürst Johann Georg I. das Bündnis mit Gustav Adolf, befehligte die Sachsen in der Schlacht bei Breitenfeld (17. Sept. 1631), drang in die Lausitz und in Böhmen ein, bemächtigte sich Prags und operierte, nachdem er Böhmen vor Wallenstein wieder hatte räumen müssen, glücklich in Schlesien. 1633 unterhandelte er mit Wallenstein, zog dann dem Kurfürsten von Brandenburg zu Hilfe und belagerte im Winter Frankfurt vergebens. Die von ihm 1634 geführten geheimen Unterhandlungen mit Wallenstein vereitelte dessen Sturz. Danach nahm A. Bautzen, siegte über Colloredo (Mai 1634) bei Liegnitz, eroberte Zittau und Großglogau, fiel mit dem schwedischen General Banér in Böhmen ein und besetzte nach einem gescheiterten Anschlag auf Prag Limburg und Königgrätz. Infolge des Prager Friedens (1635) nahm er seinen Abschied und begab sich auf sein Gut Boitzenburg. Feindlicher Pläne gegen Schweden beschuldigt, ward er hier 7. März 1637 verhaftet und nach Stockholm gebracht. Von dort floh A. im November 1638, hielt sich einige Zeit verborgen und trat dann als Generalleutnant von neuem zugleich in kaiserliche und kursächsische Dienste. Vgl. Irmer, Hans Georg von A. (Leipz. 1894).

2) Ludwig Achim von, Dichter der romantischen Schule, geb. 26. Jan. 1781 in Berlin, gest. 21. Jan. 1831 in Wiepersdorf (bei Jüterbog), studierte in Göttingen Naturwissenschaften und veröffentlichte eine »Theorie der elektrischen Erscheinungen« (Halle 1799), wendete sich aber bald ausschließlich der poetischen Produktion zu, ließ sich nach längern Reisen 1806 in Heidelberg nieder, wo er, mit Klemens Brentano eng befreundet, die »Zeitung für Einsiedler« (deren Titel dann in »Tröst-Einsamkeit« [s. d.] umgewandelt ward; neu hrsg. von Pfaff, Heidelb. 1883) herausgab und mit Brentano eine Sammlung der ältern deutschen Volkslieder: »Des Knaben Wunderhorn« (s. Wunderhorn), veranstaltete (das. 1806–1808, 3 Bde.). In seinen Jugendromanen: »Hollins Liebeleben« (Göttingen 1802; neue Ausg. von Minor, Freiburg 1883) und »Ariels Offenbarungen« (das. 1804), offenbarte sich schon die phantastische Willkür, die den begabten Dichter nie verlassen sollte. Die Novellensammlung »Der Wintergarten« (Berl. 1809) erneuerte vergessene Erzählungen. Höher stand der Roman »Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores. Eine wahre Geschichte, zur lehrreichen Unterhaltung armer Fräulein aufgeschrieben« (Berl. 1810, 2 Bde.), worin der Dichter den Fall und die Buße einer heißblütigen Frauennatur mit ergreifender Wahrheit, wenn auch nicht ohne einiges störende Beiwerk schildert. 1811 verheiratete sich A. mit Brentanos Schwester Elisabeth (Bettina), lebte von da an teils in Berlin, teils auf seinem Gut Wiepersdorf in der Mark, ununterbrochen poetisch tätig, überdies durch eine anziehende, im besten Sinne ritterliche Persönlichkeit ausgezeichnet. Seine Dramen »Halle und Jerusalem. Studentenspiel und Pilgerabenteuer« (Heidelb. 1811) und die in seiner »Schaubühne« (Berl. 1813) vereinigten Stücke schwanken zwischen dem Ton des Ernstes und dem toller, phantastischer Puppenspiele in einer Weise, die den rechten Eindruck gefährdet. (Vgl. Bottermann, Die Beziehungen des Dramatikers Achim v. A. zur altdeutschen Literatur, Götting. 1896.) Dagegen sind seine Erzählungen, die teils einzeln in Taschenbüchern, teils gesammelt unter den Titeln: »Vier Novellen« (Berl. 1811), »Landhausleben« (Leipz. 1826) und »Sechs Erzählungen« (Berl. 1835) erschienen, meist anschaulich und anziehend geschrieben, von Humor und warmem Gefühl durchdrungen, aber auch nicht frei von barocken Absonderlichkeiten. Die besten sind: »Isabella von Ägypten«, »Der tolle Invalid auf dem Fort Ratonneau«, »Die Majoratsherren« und »Fürst Ganzgott und Sänger Halbgott«. Seine Hauptschöpfung sollte der historische Roman »Die Kronenwächter« werden, dessen erster Teil noch den Titel: »Bertolds erstes und zweites Leben« (Berl. 1817) führte, während ein zweiter, unfertiger Teil erst aus Arnims Nachlaß hervortrat. »Die Kronenwächter« sind ein historischer Roman von großartiger Anlage und mächtiger Ausführung; die bedeutende Zeit, der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (Beginn des 16. Jahrh.), ist lebensvoll und farbenreich geschildert, und die ausgeführten Episoden sind voll Wärme und Heimatszauber. Arnims »Sämtliche Werke« mit einer Vorrede von W. Grimm (Berl. 1839–46, 19 Bde.; 1853–56, 22 Bde.) fanden nur ungenügende Verbreitung; bessere wurde den »Ausgewählten Novellen und Erzählungen« (das. 1853, 3 Bde.) zu teil. Eine Auswahl der Werke Arnims besorgten Koch für Kürschners »Deutsche Nationalliteratur« und Dohmke für Meyers Klassikerausgaben (Leipz. 1892). Arnims Beiträge zum »Gesellschafter« aus den Jahren 1817–1820 gab Geiger heraus: »Unbekannte Aufsätze und Gedichte von A.« (Berl. 1892). Vgl. »Achim v. A. und die ihm nahe standen«, hrsg. von R. Steig u. Herm. Grimm (Bd. 1, Stuttg. 1894).

3) Elisabeth von, gewöhnlich Bettina genannt, Gattin des vorigen, Schwester von Klemens Brentano, Enkelin der Sophie Laroche, geb. 4. April 1788 in Frankfurt a. M., gest. 20. Jan. 1859 in Berlin, verlebte ihre Jugend teils in einem Kloster, teils bei Verwandten in Offenbach und Marburg, teils in Frankfurt selbst. In ihrer Kindheit schon zu Sonderbarkeiten geneigt, gab sie sich seit ihrer Bekanntschaft mit dem Stiftsfräulein v. Günderode (s. d.) krankhafter Naturschwärmerei hin. Später trat sie mit Goethes Mutter in ein enges Freundschaftsverhältnis und faßte zu Goethe selbst, den sie 1807 persönlich kennen lernte, nachdem sie schon vorher in Briefwechsel mit ihm gestanden hatte, eine Neigung, die der Dichter zwar freundlich duldete, jedoch nicht erwiderte. Nach ihrer Verheiratung (1811) lebte sie, nachdem sie mit Goethe vollständig gebrochen, teils in Berlin, teils in Wiepersdorf, dem Gut ihres Gatten. Erst nach dessen Tode trat sie als Schriftstellerin auf; dabei hegte sie lebhaftes Interesse für die sozial-politischen Zeiterscheinungen, gab sich in Berlin mit großem Eifer der Sorge für Arme und Kranke hin und nahm an den Hoffnungen und Erregungen des Jahres 1848 einen Anteil, der ihr in den höhern Kreisen sehr schadete. Ihre Werke sind geniale Improvisationen, in einem schwunghaften und blütenreichen, oft auch verworren stammelnden und pythisch-dunkeln Stil abgefaßt. So das bekannte Buch »Goethes Briefwechsel mit einem Kinde« (Berl. 1835, 3 Bde.), das neben viel Echtem manche freie Ausschmückung enthält; auch das Buch »Die Günderode« (Grünb. 1840, 2 Bde.) bietet eine Mischung von Erinnerungen und Phantasien. Später erschienen: »Dies Buch gehört dem König« (Berl. 1843, 2 Bde.), worin die Frage des sozialen Elends zu lösen versucht wird; »Klemens Brentanos Frühlingskranz« (Charlottenb. 1844), dem Andenken ihres Bruders gewidmet; ferner: »Ilius Pamphilius und die Ambrosia« (Berl. 1848, 2 Bde.), wieder ein »Briefwechsel«, der eine Art Herzensverhältnis (zum jungen Dichter Phil. Nathusius) zum Inhalt hat; endlich die dunkeln »Gespräche mit Dämonen. Des Königsbuchs zweiter Teil« (das. 1852). Ein Plan, der sie bis in die letzten Tage ihres Lebens beschäftigte, war die Errichtung eines großen Goethe-Denkmals, zu dem sie selber die Zeichnungen entworfen hatte, doch wurde nur ein Teil (Goethe und Psyche) von Steinhäuser (s. d.) ausgeführt. Ihre »Sämtlichen Werke« erschienen in 11 Bänden (Berl. 1853). Vgl. »Goethes Briefe an Sophie Laroche und Bettina Brentano« (hrsg. von Loeper, Berl. 1879); »Bettina von A. und Friedrich Wilhelm IV. Ungedruckte Briefe u. Aktenstücke« (hrsg. von Geiger, Frankf. 1902); K. Alberti, Bettina v. A. (Leipz. 1885); Carriere, Bettina v. A. (Bresl. 1887); L. Geiger, Dichter und Frauen (Berl. 1896); Berdrow, Frauenbilder aus der neueren deutschen Literaturgeschichte (2. Aufl., Stuttg. 1900). – Ihre jüngste Tochter, Gisela, Gattin des Kunsthistorikers und Dichters Herman Grimm, geb. 30. Aug. 1827, gest. 4. April 1889 in Florenz, hat sich als dramatische Schriftstellerin versucht; ihre »Dramatischen Werke« erschienen in 4 Bänden (Bonn u. Berl. 1857–75).

4) Heinrich Friedrich, Graf von A.-Heinrichsdorf-Werbelow, preuß. Staatsmann, geb. 23. Sept. 1791 zu Werbelow in der Ukermark, gest. 18. April 1859, machte die Befreiungskriege mit, ward dann preußischer Legationssekretär in Stockholm und in Paris, 1831 Gesandter in Brüssel, 1841 (in den preußischen Grafenstand erhoben) in Paris und 1845–1848 in Wien, wo er sich ganz im Gleise der Metternichschen Politik bewegte. Am 24. Febr. 1849 zum Minister des Auswärtigen ernannt, trat er bereits 3. Mai von dieser Stelle zurück, da er mit der deutschen Unionspolitik des Ministeriums nicht einverstanden war. Von 1851–57 wieder preußischer Gesandter in Wien, suchte er das gute Einvernehmen mit Österreich, in welchem er stets einen unentbehrlichen Alliierten Preußens erblickte, zu fördern.

5) Alexander Heinrich, Freiherr von, aus dem Hause A.-Suckow, preuß. Staatsmann, geb. 13. Febr. 1798 in Berlin, gest. 5. Jan. 1861 in Düsseldorf, trat 1814 in die Landwehrreiterei der Ukermark und machte mit fünf Brüdern die Befreiungskriege mit. Im J. 1840 wurde er zum Gesandten in Brüssel, 1846 in Paris ernannt. In diesen Stellungen erwarb er sich großes Verdienst namentlich durch Zustandebringen des belgisch-preußischen Handelsvertrags vom 1. Sept. 1844 und durch die Entschiedenheit, mit der er sowohl amtlich als auch in seiner Schrift »Mein handelspolitisches Testament« (Berl. 1844) den herrschenden schutzzöllnerischen Ansichten entgegentrat. Nach dem Sturz des Julikönigtums (Februar 1848) eilte er nach Berlin und überreichte dem König 17. März eine Denkschrift, worin er auf liberale Reformen und sofortige Berufung eines zum deutschen Parlament zu erweiternden Landtages sowie auf Befolgung einer deutsch-nationalen Politik drang. Von ihm ging auch die Manifestation des Königs für die deutsche Sache (21. März) aus. An demselben Tage trat er als Minister des Auswärtigen in das zuerst vom Grafen Arnim-Boitzenburg, dann von Camphausen geleitete neue Ministerium, das jedoch bereits 20. Juni zurücktrat. Darauf bemühte sich A., durch einige FlugschriftenFrankfurt und Berlin«, »Über die Mediatisationsfrage«) auf eine Lösung der deutschen Frage hinzuwirken. 1849–51 Mitglied der Ersten Kammer, hielt er zur deutsch-konstitutionellen Partei und bekämpfte energisch Manteuffels Politik. Noch größern Eindruck als seine Reden und Anträge machte die Veröffentlichung einiger »ungehaltener« Reden (»Zur Politik der Epigonen in Preußen«, Berl. 1850; »Zur Politik der Contre-Revolution in Preußen«, das. 1851). Wegen der letztern Flugschrift wurde A. auf Betreiben der Feudalpartei vor Gericht gestellt und trotz einer glänzenden, von ihm später veröffentlichten Verteidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Seitdem lebte er in Zurückgezogenheit, bis er nach dem Sturz des Ministeriums Manteuffel 1858 in Berlin zum Landtagsabgeordneten gewählt ward. Kenntnisse, Welterfahrung u. Freimut verschafften ihm bedeutendes Ansehen.

6) Adolf Heinrich, Graf von A.-Boitzenburg, preuß. Staatsmann, geb. 10. April 1803 in Berlin, gest. 8. Jan. 1868, trat, nachdem er seine akademischen Studien in Göttingen und Berlin vollendet, in den preußischen Staatsdienst, ward Landrat in der Ukermark und 1833 Regierungspräsident in Stralsund. Später ward er in gleicher Eigenschaft nach Aachen, 1839 nach Merseburg versetzt, 1840 zum Oberpräsidenten der Provinz Posen und 1842 zum Minister des Innern ernannt. Allein bei der Auffassung des Königs über die Stellung der Minister, die nur seine Befehle ausführen sollten, und bei der Absicht Arnims, stets dem König den Rücken zu decken, vermochte der hochbegabte Mann wenig auszuführen. Die gemäßigte Freiheit der Presse, die er erstrebte, führte nur zu schärferer Handhabung der Zensur; die Pläne, die er zur Ausbildung der Verfassung entwarf, fanden, da sie das Recht zur Bewilligung von Anleihen und die Periodizität forderten, die vom König gedachte künstliche Vermischung der Rechte zwischen dem Landtag und den Vereinigten Ausschüssen ablehnten, nicht die Billigung Friedrich Wilhelms. Die Ausweisung Itzsteins und Heckers aus Preußen kam hinzu. So nahm A. schon 1845 seine Entlassung, wurde aber in der drängenden Not des 19. März 1848 vom König an die Spitze eines neuen Kabinetts berufen. Da er aber den Eintritt liberaler Oppositionsführer in das Ministerium für notwendig hielt, so schied er, um diesen zu ermöglichen, schon 29. März aus dem Ministerium wieder aus. In einer Broschüre hat er über sein Verhalten in diesen Tagen selber Nachricht gegeben, in einer zweiten den Sinn der am 22. März zugestandenen Urwahlen erläutert und das Zugeständnis der Vereidigung der Truppen auf die Verfassung freimütig für einen Fehler erklärt. Sein Mandat zur deutschen Nationalversammlung legte er bald nieder, verteidigte die Interessen des Grundadels gegen die Steuerpläne des Ministers Hansemann im »Junkerparlament« und wirkte demnächst in der Zweiten Kammer wesentlich für die Umgestaltung der Dezemberverfassung. Seit 30. Nov. 1854 erbliches Mitglied des Herrenhauses, war er hier Führer der von ihm gebildeten gemäßigt konservativen Fraktion. Während der neuen Ära opponierte er entschieden gegen die Grundsteuervorlagen des Ministeriums und befürwortete während der Konfliktszeit im Herrenhaus die Annahme der vom Abgeordnetenhaus abgelehnten Budgetvorlage der Regierung en bloc. Dieses Verhalten rechtfertigte er in der Schrift: »Das Recht des Herrenhauses bei Festsetzung des Staatshaushalts« (Berl. 1863).

7) Harry (Heinrich), Graf von, deutscher Diplomat, geb. 3. Okt. 1824 zu Moitzelfitz in Pommern, aus dem freiherrlichen Haus A.-Suckow, gest. 19. Mai 1881 in Nizza, trat, nachdem er die Rechte studiert hatte, in den diplomatischen Dienst und ward 1864 preußischer, seit 1866 norddeutscher Gesandter beim päpstlichen Stuhl, spielte während des vatikanischen Konzils 1869–70 eine nicht unbedeutende Rolle, indem er die Opposition der deutschen Bischöfe gegen das Unfehlbarkeitsdogma unterstützte, und bemühte sich im September 1870 vergebens, zwischen der römischen Kurie und der Regierung des Königreichs Italien zu vermitteln. Am 28. Juli d. J. in den Grafenstand erhoben, erwarb er sich in Brüssel und Frankfurt bei den Friedensverhandlungen mit Frankreich Verdienste. Am 9. Juni 1872 wurde er als Botschafter des Deutschen Reiches bei der französischen Republik beglaubigt. Hier mischte er sich in die monarchischen Umtriebe gegen Thiers ein und bemühte sich wiederholt, durch direkte Vorstellungen beim Kaiser Bismarcks Politik zu durchkreuzen, bis dieser es durchsetzte, daß A. 2. April 1874 von Paris abberufen und nach Konstantinopel versetzt, gleich darauf aber pensioniert wurde. Jetzt stellte sich heraus, daß er eine Anzahl wichtiger Staatspapiere aus dem Botschaftsarchiv an sich genommen hatte. Er weigerte sich, sie herauszugeben, er wurde daher 4. Okt. 1874 auf seinem Gut Nasseheide bei Stettin verhaftet und in Berlin vor Gericht gestellt, das ihn 9. Dez. zu 3 Monaten Gefängnis wegen Vergehens wider die öffentliche Ordnung verurteilte; das Kammergericht verschärfte diese Strafe 24. Juni 1875 auf 9 Monate. Auch wurde zur Verhütung ähnlicher Benutzung offizieller Aktenstücke ein besonderer Paragraph in das Strafgesetz aufgenommen (A.-Paragraph, näheres im Artikel »Amtsverbrechen«). A. hatte sich der Verbüßung seiner Strafe durch die Reise ins Ausland entzogen, von wo er seine Angriffe gegen Bismarck in der von ihm unterstützten »Reichsglocke« und in einer besondern Broschüre: »Pro nihilo« (Zürich 1875), aufs heftigste fortsetzte. Der letztern Schrift wegen ward er 5. Okt. 1876 vom Staatsgerichtshof zu 5 Jahren Zuchthaus in contumaciam verurteilt. Seit 1878 lebte A. in Österreich und veröffentlichte noch zwei sehr gemäßigte Broschüren zur Verteidigung seiner Ansichten über die Kirchenpolitik: »Der Nunzius kommt!« (Wien 1878) und »Quid faciamus nos?« (das. 1879). Der von ihm beabsichtigten Wiederaufnahme des Prozesses entzog ihn der Tod.

8) Adolf, Graf von A.-Boitzenburg, ältester Sohn von A. 6), geb. 12. Dez. 1832 in Boitzenburg, gest. 15. Dez. 1887 zu Berlin, studierte die Rechte in Göttingen, Bonn und Berlin, ward 1862 Regierungsassessor, 1864 Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern und 1868 Landrat des Kreises Templin, machte die Feldzüge 1864 und 1870 als Ordonnanzoffizier des 3. Armeekorps mit und ward im März 1873 Präsident des Bezirks Lothringen in Metz, im Dezember 1874 Oberpräsident von Schlesien. Nach der Verurteilung des Grafen Harry von A. (s. Arnim 7), der seit 1857 mit seiner Schwester Sophie vermählt war, nahm er 1877 seinen Abschied und zog sich nach Boitzenburg zurück. Seit 1874 Mitglied des Reichstags, schloß er sich der freikonservativen Partei an. Im November 1878 ward er zum ersten Vizepräsidenten des Herrenhauses erwählt und führte auch 1879 in der ersten ordentlichen Generalsynode Preußens den Vorsitz. 1880–81 ward er Präsident des deutschen Reichstags. – Sein jüngerer Bruder, Hermann, Graf A., geb. 20. Juni 1839, Legationsrat, zuletzt bei der Gesandtschaft in Lissabon, nahm 1875 seinen Abschied, beteiligte sich an den Angriffen der Presse gegen Bismarck und wurde deswegen 1877 zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Er erwarb die Herrschaft Muskau und ließ sich 1887 in den Reichstag wählen, in dem er sich der Reichspartei anschloß. Er vertrat mit besonderm Eifer die agrarischen und kolonialen Bestrebungen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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