Milch [2]

Milch [2]

Milch, eine in besondern Drüsen weiblicher Säugetiere und der Frau zum Zwecke der Ernährung ihrer neugebornen Jungen abgesonderte wässerige Lösung von Käsestoff, Eiweiß, Milchzucker und Salzen, in der Fett sehr sein (emulsionsartig) verteilt ist. Die M. ist das chemische Produkt der tätigen Drüsenzellen (vgl. Milchdrüsen), die das Material zur Milchbildung aus dem Blute beziehen. Die Vorgänge bei der Bildung der M. sind noch wenig sicher bekannt. Nach Heidenhain steht sie zu dem Wachstum und Schwinden der Epithel- oder Milchzellen der Drüsenbläschen in Beziehung. An dem innern, dem Bläschenraum zugekehrten Ende der Zellen findet eine Abstoßung und Verflüssigung des Zellinhalts statt, während sich am entgegengesetzten Ende, besonders in den Pausen zwischen den Saug- oder Melkzeiten, die Zellen erneuern. Man hat berechnet, daß die trockne Drüsensubstanz an einem Tage das 2,5 fache ihres Gewichts an trocknen Milchbestandteilen zu bereiten vermag. Die trophischen Nerven, die zur Brustdrüse führen und, um die Zeit der Pubertät reflektorisch von den Geschlechtsorganen aus erregt, die Brustdrüsen langsam ausbilden, bewirken unter dem Einfluß der Schwangerschaft ein allmählich stärker zunehmendes Wachstum, und schon zu dieser Zeit läßt sich eine dünnwässerige Flüssigkeit aus der Drüse herausdrücken, während eine stärkere Milchproduktion erst nach der Geburt eintritt. Bevor aber die normale M. abgesondert wird, erscheint in den ersten Tagen nach der Geburt das Colostrum (s. d.), das allmählich in M. übergeht. Die weitere Milchproduktion ist abhängig von dem durch das Saugen an der Brustwarze oder an den Zitzen des Euters ausgeübtem Reize. Fällt dieser Reiz fort, so erlischt die Milchbildung unter vorübergehender Milchstauung in wenigen Tagen. Normalerweise erzeugt das weibliche Tier nur so viel M., als zum Ausziehen des oder der Jungen erforderlich ist, und die jetzige, noch immer steigerungsfähige Milchproduktion der Kuh ist eine langsam erworbene Haustiereigenschaft. Die M. entfließt dem Euter unter dem durch das Maul des saugen den Jungen ausgeübten Druck, der den Widerstand von Schließmuskeln zu überwinden hat; beim Melken sucht man mit der Hand in möglichst ähnlicher Weise zu wirken, und durch zweckmäßige Handgriffe und sanfte Behandlung des Tieres läßt sich die Ausbeute ganz erheblich steigern. Da aber das Melken eine ebenso anstrengende wie wenig fördernde Arbeit ist, so hat man wiederholt versucht, die M. durch andre mechanische Mittel zu gewinnen. Allein die Melkröhrchen (Milchkatheter), dünne Röhren, die in die Zitze eingeführt werden und so durch Aufhebung des in dem Schließmuskel gegebenen Widerstandes die abgesonderte M. frei abfließen machen, führen bei andauerndem Gebrauch zur Erschlaffung der Schließmuskeln der Zitzen (bei wunden Zitzen, geschwollenem Euter, kranken Tieren sind sie immerhin empfehlenswert). Über Melkmaschinen s. d.

Abnorme Milchabsonderung ist wiederholt bei jungfräulichen Tieren (Ziegen, Kühen, Hündinnen) und Mädchen beobachtet worden und scheint durch mechanische Reizung der Brustdrüsen hervorgerufen werden zu können. Bei Kuhkälbern wird Milchabsonderung manchmal dadurch veranlaßt, daß an ihrem Euter andre Kälber gewohnheitsmäßig saugen. Frey hat eine Kuh beobachtet, die nie gerindert, nie ein Kalb gehabt und viele Jahre hindurch ohne Unterbrechung täglich ca. 12 Lit. M. gab. Auch an männlichen Tieren und Menschen ist abnorme Milchabsonderung (Hexenmilch) wiederholt beobachtet worden, und bei einem Hafen, Lepus Bairdii, im Felsengebirge Nordamerikas scheint das Männchen regelmäßig M. zu liefern.

[Eigenschaften und Bestandteile.] Die für das unbewaffnete Auge undurchsichtige, mattweiße, schwach gelbliche oder bläuliche M. erscheint unter dem Mikroskop als farblose, durchsichtige Flüssigkeit, in der zahllose kleine Fetttröpfchen verteilt sind. Auch der in schwebendem Zustand vorhandene Anteil ihrer Eiweißkörper und Mineralsalze trägt zur Undurchsichtigkeit bei. Das spezifische Gewicht der M. wird durch die in Lösung befindlichen Milchbestandteile erhöht, durch die Fettkügelchen aber herabgedrückt; es beträgt bei Kuhmilch von 15° in der Regel 1,028–1,034 und schwankt bei gemischter M. von mehreren Kühen zwischen 1,029 und 1,033. Die Temperatur der frisch aus dem Euter kommenden M. ist 35–37°, Gefrier- und Siedepunkt der M. weichen kaum von denen des reinen Wassers ab. Die Kuhmilch reagiert amphoter, d. h. schwach sauer und schwach alkalisch zugleich. Beim Erwärmen tritt die alkalische Reaktion stärker hervor. Beim Gefrieren der M. (0,53–0,58°) erstarrt ein Teil des Fettes, und beim langsamen Auftauen bei gewöhnlicher Temperatur wird dies Fett nicht wieder flüssig. Dadurch wird das Buttern erleichtert. Die beim Erhitzen der M. sich bildende Haut wird vielleicht durch rasches Abdunsten von Wasser aus der M. oder durch Einwirkung des Sauerstoffs der Luft auf gelöste Eiweißkörper veranlaßt. Erhitzt man M. anhaltend auf 50° und mehr, so ändern sich Geruch, Geschmack und Farbe um so stärker und um so schneller, je höher die Temperatur ist. Geruch und Geschmack der erhitzten M. rühren wohl von Spuren flüchtiger Schwefel- und Phosphorverbindungen her, die sich durch Lüftung und passende Erwärmung teilweise verjagen lassen. Die gelbliche Färbung stark erhitzter M. erklärt sich durch die Bildung brauner Zersetzungsprodukte des Milchzuckers. Nach dem Erhitzen gibt die M. mit verdünnten Säuren kein grobflockiges, sondern ein feinflockiges breiiges Gerinnsel, sie büßt ihre Empfindlichkeit gegen Lab ein, bei 70–76° gerinnen Eiweiß und Globulin, bei 130–140° auch Kasein, die Fettkügelchen vereinigen sich teilweise zu größern Fetttropfen.

M. enthält drei Eiweißkörper: Kasein, Laktoalbumin (etwa 0,1 des Kaseins) und sehr wenig Laktoglobulin, und diese drei Körper zeigen wohl bei den verschiedenen Tierarten und der Frau gewisse Abweichungen. Das Frauenmilchalbumin und das Kuhmilchalbumin sind biologisch ganz verschiedene Körper, und auch die Kaseine sind Träger der Arteigenheit. Kasein findet sich in der M. als neutrales Kaseincalcium, das in Wasser sehr stark aufquillt und eine scheinbare Lösung bildet und beim Filtrieren der M. durch poröse Tonplatten nicht ins Filtrat übergeht. Etwa 0,5–1 Proz. des Kaseincalciums wird in Zentrifugen mechanisch ausgeschieden und bildet die Hauptmasse des Zentrifugenschlammes. Das beim Erhitzen der M. gerinnende Eiweiß schlägt sich zum Teil auf die Fettkügelchen nieder und beschwert sie, so daß gekochte M. träger ausrahmt als rohe; auch überzieht das gerinnende Eiweiß die Gefäßwandung gern mit einem dünnen Häutchen, so daß die M. leicht anbrennt. Bleibt M. stehen, so wird allmählich, oft sehr schnell aus einem Teil des Milchzuckers Milchsäure gebildet, und während sich eine Rahmschicht bildet, gerinnt die M. zu einer porzellanartigen Masse, aus der sich nach einiger Zeit eine grünlichgelbe klare Flüssigkeit (Milchserum, Molke) ausscheidet. Auf Zusatz von Säure gerinnt M. sofort, es scheidet sich ein flockiges Gerinnsel ab, welches das Butterfett einschließt. Über das Verhalten der M. gegen Lab s. d. und Käse; vgl. auch Kasein und Molken.

Das Fett (Butter) ist in der M. im flüssigen Zustand und in Form von Kügelchen von 0,01–0,0016 mm enthalten, und die, kleinern sind stets in weitaus größerer Zahl vorhanden. Eine Hülle besitzen die Kügelchen nicht, wohl aber werden an ihrer Oberfläche und an der Berührungsfläche der wässerigen Flüssigkeit durch Molekularkräfte Spannungs- und Attraktionserscheinungen erzeugt, die bewirken, daß sich die Kügelchen in mancher Beziehung so verhalten, als seien sie von einer festen Haut umschlossen. Über die Zusammensetzung des Fettes der M. s. Butter; übrigens zeigt auch das Butterfett bei den verschiedenen Tierarten und der Frau nicht gleiche Zusammensetzung. Frauenmilchfett enthält doppelt soviel Olein als Palmitin und Stearin, Kuhmilch etwa 40 Proz. Olein, 50 Proz. Palmitin, Stearin etc. und 8–9 Proz. Triglyzeride der flüchtigen Fettsäuren. Da die Fettkügelchen spezifisch leichter sind als die Lösung, in der sie schweben, so steigen sie, wenn die M. ruhig steht, allmählich in die Höhe und bilden eine fettreiche Schicht (Rahm, Sahne). Niemals aber sondert sich in dieser Weise das Fett vollständig ab, vielmehr bleibt die M. unter dem Rahm immer noch durch Butterkügelchen weißlich, an den Rändern bläulich durchscheinend. Zuletzt setzt die durch Sauerwerden der M. eintretende Gerinnung dem weitern Aufsteigen der Butterkügelchen ein Ziel (vgl. Butter). – Der Milchzucker geht unter dem Einfluß von Milchsäurebakterien leicht in Milchsäure über, besonders wenn die M. bei einer der Blutwärme sich nähernden Temperatur an der Luft steht. Dies ist der Grund, weshalb sich M. bei einer Temperatur von 16–20° unter Luftzutritt höchstens etwa 35 Stunden aufbewahren läßt, ohne zu gerinnen. Hat die Milchsäurebildung einen gewissen Grad erreicht, so gerinnt die M. beim Erhitzen und, wenn sie noch weiter fortschreitet, auch schon bei gewöhnlicher Temperatur. Bleibt sauer gewordene M. bei 30–35° längere Zeit stehen, so zieht sich die Kaseingallerie mehr und mehr zusammen und trennt sich von der Molke, in der nun unter Entwickelung von Kohlensäure und Wasserstoff Buttersäuregärung eintritt. Frische M. kann aber auch in alkoholische Gärung versetzt werden, wobei der Zucker in Alkohol und Kohlensäure zerfällt. Das Produkt ist der Kumys oder Kefir. Über den allgemein behaupteten Einfluß der Gewitterluft auf die Milchsäurebildung ist nichts Näheres bekannt; derselbe dürfte auf die abnormen Temperaturverhältnisse zurückzuführen sein, da normale M. im kühlen Milchkeller durch die Gewitterluft nicht leidet. – Als fernere Bestandteile der M. sind noch Zitronensäure (0,1 Proz.), Harnstoff, Nuclein, Lecithin, ein dextrinartiger Körper etc., auch kleine Mengen von Farb- und Riechstoffen, die aus dem Futter stammen, zu erwähnen. Die mineralischen oder Aschenbestandteile der Kuhmilch bestehen etwa aus 10,62 Proz. Chlornatrium, 9,16 Chlorkalium, 21,99 Mono- und Dikaliumphosphat, 5,47 Kaliumzitrat, 3,71 Dimagnesiumphosphat, 4,05 Magnesiumzitrat, 16,32 Di- und Tricalciumphosphat, 23,55 Calciumzitrat, 5,13 Calciumoxyd an Kasein gebunden. Schwefelsäure und ein Teil der Phosphorsäure, die sich in der Asche finden, entstammen den schwefel- und phosphorhaltigen Eiweißkörpern. Die Calciumphosphate sind zum Teil in einer Art von kolloidalem Zustand in der M. vorhanden. Auch Kieselsäure, Jod und Fluor sind in M. nachgewiesen worden. Endlich enthält die Kuhmilch etwa 8 Volumproz. Gase, die wesentlich aus Kohlensäure, im übrigen aus Stickstoff und sehr wenig Sauerstoff bestehen.

Die quantitative Zusammensetzung der M. zeigt folgende Tabelle:

Tabelle

Frauenmilch hat ein spezifisches Gewicht von 1,018 bis 1,045, reagiert alkalisch oder neutral und säuert weniger leicht als Kuhmilch; ihr Käsestoff scheidet sich durch Säuren schwieriger und weniger vollständig, auch feinflockig und in löslicherer Form aus. Frauenkasein wird vom Magensaft leicht und fast vollständig gelöst. Ziegenmilch hat einen schwachen reinen Geruch und Geschmack (im Stall dürfen keine Böcke stehen) und rahmt weniger leicht auf als Kuhmilch. Schafmilch besitzt einen eigentümlichen, schwachen, nicht angenehmen Geruch und Geschmack, ist gehaltreicher und säuert langsamer als Kuhmilch. Sie rahmt schwer auf und liefert schlechte Butter. Die M. der Einhufer ist durch hohen Milchzuckergehalt sehr süß und geht leicht in weinige Gärung über. Das Kasein der Stutenmilch nähert sich in seinen Eigenschaften dem der Frauenmilch. Eselsmilch ist der Frauenmilch am ähnlichsten. Büffelmilch ist wegen ihres Wohlgeschmacks und Fettreichtums sehr geschätzt. Renntiermilch enthält 10,9 Proz. Kasein, 17,1 Proz. Fett und 2,8 Proz. Milchzucker.

[Menge, Perioden etc.] Die Menge und Besch af senheit der abgesonderten Kuhmilch hängt in erster Linie ab von der Individualität, von der Veranlagung des Tieres, wird also mittelbar auch zugleich durch die Rasse bedingt. Der künstlich angebildete Milchreichtum einer Rasse oder Zucht vererbt sich, geht aber den folgenden Generationen schnell verloren, wenn man nicht bemüht ist, bei jedem bevorzugten Tier die wertvolle Anlage zur vollen Entfaltung zu bringen. Das Ziel der Züchtung ist, großen Milchreichtum und hohen Fettgehalt der M. in einem Tier zu vereinigen. Bei guter Haltung und Pflege geben z. B. Holländer Kühe im Durchschnitt jährlich 3000 Lit., Oldenburger 2800, Schwyzer 2600, Algäuer 2500, Mürztaler 1900, graue Ungarn 800 L. etc. Dabei ist die M. der Schwyzer, Algäuer, Simmentaler, Shorthornkühe durchschnittlich reicher an Butter und Käse als die M. der Holländer und Oldenburger. Höhenvieh, englisches und schottisches Vieh liefert M. mit 3,8–4,6 Proz. Fett. Im allgemeinen ist bei sehr reichlicher Milchabsonderung die M. stets relativ ärmer an Trockensubstanz. An einzelnen Individuen findet sich bisweilen infolge einer Überbildung der Milchdrüsen eine abnorm große Milchabsonderung, die auf mehr als 9000 L. im Jahre steigen kann. Im großen Durchschnitt liefert eine gute Milchkuh von 500 kg Lebendgewicht jährlich 2500 kg M. mit einem Fettgehalt von 3,4 Proz. Bei der Leistungsprüfung von Milchkühen der norddeutschen Niederungsschläge 1897 gab eine 518 kg schwere ostfriesische Kuh in der 6. Laktation im Jahr 8886 kg M. mit 3,57 Proz. Fett, also an M. das 17,1 fache und an Fett 61 Proz. ihres Lebendgewichts. In den letzten Jahren hat die Zucht in Schleswig-Holstein so große Erfolge erzielt, daß ein Fettgehalt von 3,4 Proz. als Minimum gilt und 4 Proz. keine Seltenheit mehr sind. Die Milcherträge von Ziegen scheinen in hohem Grade von Individualität, Rasse und Haltung abhängig zu sein. Man findet Angaben von 96–800 L. im Jahr, und man kann annehmen, daß die Ziege im Durchschnitt das Zehnfache ihres Lebendgewichts an M. zu liefern vermag. Schafe liefern dagegen nur 25–140, holländische Milchschafe bis 500 L. im Jahr und im Durchschnitt das Anderthalbfache ihres Lebendgewichts. Die Frau liefert um den zweiten Tag etwa 100 g M., dann steigt die Menge der M. bis zum zwölften Tag auf etwa 700 g, im dritten Monat auf 850 und beträgt im vierten bis neunten Monat 950 g.

Die Größe des Milchertrags ist in hohem Grad abhängig von der Fütterung. Bei guten Kühen wird durch Verbesserung des Futters der Milchertrag und der Trockensubstanzgehalt der M. und in der Trockensubstanz der Fettgehalt absolut und relativ gesteigert. Diese Steigerung findet ihre Grenze durch die Größe der secernierenden Oberfläche, durch den Umfang der Milchdrüse. Mäßige Muskelarbeit erniedrigt den Milchertrag wenig und mindert nicht die Beschaffenheit der M. Der Ausfall an M. wird durch den Wert der geleisteten Arbeit meist reichlich aufgewogen. Überanstrengung mindert den Milchertrag und die Beschaffenheit der M. Zweifellos hat das Nervensystem Einfluß auf die Milchabsonderung. Gemütserregungen wirken namentlich auch auf die qualitative Zusammensetzung der Frauenmilch ein, Aufregungen der Milchkühe, wie durch Entziehung des Kalbes, Unterbringung in einen fremden Stall etc., vermindern, Streichen und Klopfen des Euters etc. befördern die Milchabsonderung.

Die Zeit, während der die Milchdrüsen fortdauernd M. liefern, die Laktationsdauer oder Laktationsperiode, währt bei der Kuh etwa 300 (bei gut gehaltenen Kühen des Holländer Schlages 320), bei der Ziege 125, beim Schaf 120 Tage. Die Kuh steht sodann etwa 6 Wochen trocken, doch geben einzelne vorzügliche Milchkühe bis zum bevorstehenden Kalben M. und müssen fortgemolken werden. Die Milchsekretion ist von der Entwickelung der Milchdrüse abhängig, und diese erreicht kurz nach dem Ende der Schwangerschaft ihren Höhepunkt, um dann ganz allmählich zurückzugehen. Die M. erfährt im Verlauf der Laktationsperiode aber auch qualitative Veränderungen, die einzelnen Bestandteile erreichen zu verschiedenen Zeiten ein Maximum, um dann wieder abzunehmen, bis endlich die Milchabsonderung erlischt. Bei der Frau nimmt der Kasein- und Fettgehalt bis zum zweiten Monat nach der Geburt zu, dagegen der Zucker schon im ersten Monat ab. Im 5.–7. Monat nimmt auch das Fett, das Kasein erst vom 9. oder 10. Monat ab;. die Salze nehmen in den ersten fünf Monaten zu, in den folgenden progressiv ab. Mit dem Alter der Frau sinkt der Gehalt ihrer M. an festen Stoffen; aber nur der Kasein- und Fettgehalt mindert sich, während der Zuckergehalt steigt. Von der ersten Laktationsperiode einer Kuh steigert sich die jährliche Milchmenge von Jahr zu Jahr bis etwa zum 8. Lebensjahr, um von da ab mit zunehmendem Alter allmählich wieder zurückzugehen. Hierbei spielen Individualität, Rasse, Haltung und Fütterung eine große Rolle, und Algäuer Kühe bleiben z. B. bis zum Alter von 16 Jahren oft sehr milchreich. Die Hohlräume des Euters fassen etwa 3 Lit. M.; da aber tatsächlich eine gute Kuh während der ersten Hälfte der Laktationsperiode bei einmaligem Melken mehr als 3 L. M. liefert, so muß wohl ein Teil der erhaltenen M. erst während des Melkens von den Drüsen abgesondert werden, die also unter dem Einfluß des Reizes eine sehr hochgradige Tätigkeit entwickeln. Im Verlauf des einmaligen Melkens ändert sich die Beschaffenheit der M., und namentlich steigt beständig der prozentische Fettgehalt, so daß es von größter Wichtigkeit ist, die Kühe vollständig auszumelken. Dreimaliges Melken liefert mehr und bessere M. als zweimaliges; der Gewinn an M. beträgt 4–8 Proz., steigt auch auf 22 Proz. und bleibt anderseits bisweilen ganz aus. Ob dreimaliges Melken in der Praxis sich auf die Dauer rentabel erweist, ist nach den bisherigen Erfahrungen noch unentschieden.

Behandlung und Bearbeitung.

(Hierzu Tafel »Milchbearbeitungsgeräte«).

Sobald die M. das Euter verlassen hat, ja schon in den Ausführungsgängen der Zitzen, wird sie mit niedern Pilzen (Bakterien etc.) verunreinigt, die chemische Zersetzungen einleiten und unterhalten. Die nächste und häufigste Wirkung solcher Bakterien ist die freiwillige Säuerung der M. Gewisse Bakterien sind wichtig für die Butterbereitung aus gesäuertem Rahm und für das Reisen des Käses, andre veranlassen Milchfehler, Butterfehler und Käsefehler. Unter Umständen gelangen auch pathogene Bakterien in die M., so bei infektiösen Buterkrankheiten, bei Tuberkulose, wenn die Drüsen Infektionsherde bergen, aus der Luft der Umgebung kranker Tiere, mit Kotteilchen, auch durch kranke Personen, die mit den Kühen (besonders beim Melken) oder mit den Molkereigerätschaften zu tun haben. In derartigen Fällen kann die M. schwere Krankheiten übertragen. Die vegetativen Formen der Bakterien lassen sich durch 5 Minuten langes Erhitzen auf 95–100° töten, nicht aber die Dauersporen, denen die Praxis bis jetzt machtlos gegenüber steht. Als Dauersporen kommen aber Bakterien vor, von denen die meisten den Molkereibetrieb stören können und manche gefährliche Darmerkrankungen veranlassen. Sehr viel kann zur Bekämpfung der Bakterien durch große Reinlichkeit im Stall geschehen. Dahin gehören: zweckmäßige Anordnung der Krippen und Anbindeketten, gute, öfter erneuerte Streu, leichte Ableitung der flüssigen und schnelles Herausschaffen der festen Abgangsstoffe, gute Lüftung, Einbringung von angefeuchtetem Heu, um heubazillenhaltigen Staub zu vermeiden, zweckmäßige Kleidung des Personals, zweckmäßig geformte Gefäße aus verzinntem Stahlblech, Festbinden des Kuhschwanzes während des Melkens, sorgfältige Reinigung des Euters und Beseitigung des Inhalts der Eutergänge beim Beginn des Melkens. Solchen Forderungen der Hygiene wird bis jetzt viel zu wenig entsprochen, die gewonnene M. ist daher ganz gewöhnlich mit Pflanzenteilchen, Kotstückchen, Haaren, Hautschuppen, zahllosen Bakterien etc., auch mit den aus diesen Substanzen aufgenommenen Extraktivstoffen, verunreinigt. Zur Reinigung gießt man sie durch Siebe, Beuteltuch, filtriert sie durch Kies, am besten aber bringt man sie auf Reinigungszentrifugen, die alle festen Verunreinigungen, wohl auch einen Teil der Bakterien im Zentrifugenschlamm abscheiden. In der gemolkenen M. beginnen die Bakterien alsbald ihr Zerstörungswerk. Bei 25° findet man nach 3 Stunden schon das Doppelte, nach 6 Stunden das 18,5fache, nach 9 Stunden das 107,5 fache und nach 25 Stunden das 62,097fache an Bakterien. In M., die 24 Stunden gestanden hatte, fanden sich bei -4 bis -2°: 331,000 Keime, bei 0,4–2°: 2,8 Mill., bei 9,2 bis 10,2°: 25,5 Mill. Keime. Alle Bemühungen, die M. haltbarer zu machen, müssen darauf gerichtet sein, diese Bakterien unschädlich zu machen oder wenigstens ihrer Vermehrung und Tätigkeit Einhalt zu tun. Dies geschieht allgemein durch Kühlung und zwar gewöhnlich mit Hilfe von Gegenstromberieselungsapparaten, die aus wagerechten, übereinander liegenden, verzinnten Kupferröhren oder aus einem Zylinder mit aufgelöteten, flach ovalen Kühlröhren bestehen. Die Zylinderberieselungskühler werden gewöhnlich aus Wellblech hergestellt. Man stellt den Zylinder (Fig. 1) auf das Auffangbecken und bedeckt ihn, um Infektionen zu verhüten, mit einem Mantel aus verzinntem Eisenblech, der in einer mit Wasser gefüllten Rinne steht. Die M. wird durch ein Rohr oben zu- und unten abgeleitet, während das Kühlwasser unten zugeleitet und durch ein im Zylinder bis nach oben geführtes Rohr abgeleitet wird. Man verbraucht 1,5 Lit. Wasser auf 1 Lit. M. und erniedrigt die Temperatur der letztern auf 1–2° über Kühlwassertemperatur. Nach dem Vorschlage von Casse wird die M. pasteurisiert, die eine Hälfte zum Gefrieren gebracht und mit der andern Hälfte in großen Behältern von etwa 500 kg transportiert. Die M. hält sich dabei auf einer dem Gefrierpunkt nahen Temperatur und soll sich länger als 3 Wochen ohne Veränderung des Geschmacks aufbewahren lassen, wenn beständig für Einhaltung der niedrigen Temperatur gesorgt wird. Solche Eismilch hat besondern Wert für die Versorgung großer Städte mit M. In Finnland arbeitet man nach einem Gefrier- oder Refrigerationsverfahren, nach dem die M. von den Kleinbauern sofort nach dem Melken geschleudert und der Rahm (7 Proz. der M.) in einer Transportkanne durch Einstellen meine Kältemischung zum Gefrieren gebracht wird. In der Kanne sammelt man den Rahm einer Woche und gibt sie dann an die Meierei ab, die den Rahm nach dem Fettgehalt bezahlt und auf Butter verarbeitet. Der Transport der Kannen geschieht durch die Milchlieferanten abwechselungsweise. Dies Verfahren hat viel Beachtung gefunden, und die Rahmereien sind als wesentlicher Fortschritt der Milchwirtschaft erkannt worden.

Die vegetativen Formen der Milchbakterien werden durch Aufkochen, aber auch durch anhaltendes Erhitzen auf Temperaturen zwischen 65 und 100° getötet. Bei 65–70° sind 30 Min., bei 75–80°15 Min. erforderlich und bei 95–97° genügen 10 Min. Dies Verfahren (Pasteurisieren) gewährt gegenüber dem Kochen der M. mancherlei Vorteile und wird deshalb allgemein ausgeführt. Von den angewandten Apparaten arbeiten die Regenerativmilcherhitzer sehr befriedigend. Die M. fließt in diesen Apparaten derartig, daß sie nach dem Eintritt schnell die vorgeschriebene Temperatur erreicht und beim Abfließen einen Teil ihrer Wärme an die eintretende M. abgibt. Sie verläßt den Apparat mit einer Temperatur von 40–50°. Bei dem Pasteurisierapparat des Bergedorfer Eisenwerkes (Fig. 3) befindet sich in dem von Dampf umspülten Gefäß ein oben offener, um eine senkrechte Welle drehbarer erster Zylinder, der zwischen sich und dem Gefäß seitlich und unten nur einen schmalen Raum frei läßt. Dieser Zylinder umschließt einen etwas weniger weiten, am Gefäßdeckel befestigten, unten offenen zweiten Zylinder so, daß durch ihn und den ersten Zylinder ein schmaler, ringförmiger Raum abgegrenzt wird. Die M. tritt unten durch ein Zuflußrohr in das Gefäß ein, fließt in der Richtung der Pfeile und wird dabei von außen erhitzt und durch den rotierenden ersten Zylinder beständig bewegt. Nachdem sie die vorgesehene Wärme angenommen hat, füllt sie, von unten eintretend, den zweiten Zylinder, wird hier durch Regelung des Zuflusses so lange, als man es für nötig erachtet, auf dem gewünschten Wärmegrad erhalten und verläßt dann das Gefäß durch das in der Nähe des Deckelrandes angebrachte Abflußrohr. Der Mors-Regenerativerhitzer von Lefeldt u. Lentsch (Fig. 2) besteht aus einem flachzylindrischen, gut isolierten eisernen Gehäuse mit wagerechter Achse und enthält im Innern zwei einander ähnliche senkrecht stehende und viermal wellig gebogene Kupferscheiben, die einander so nahe stehen, daß nur ein enger Raum zwischen ihnen bleibt. Auf der rechten Seite dieses Raumes befindet sich Dampf, auf der linken die ausfließende M. Die eine der beiden Scheiben rotiert beständig um ihre horizontale Achse. Die M. tritt in der Mitte des Zylindergehäuses auf der rechten Seite ein und auf der linken wieder aus. Durch eine Pumpe wird sie in den engen Raum zwischen beide Kupferscheiben getrieben, in dem sie von der Mitte gegen die Zylinderwand fließt, wobei sie sich erhitzt. An der Zylinderwand angelangt, tritt sie auf die linke Seite des Raumes zwischen den Kupferscheiben und wird hier durch vier konzentrische, auf der linken Gehäusewand senkrecht stehende Eisenringe, die in die vier Vertiefungen der links liegenden Kupferscheibe eingreifen, gezwungen, sich längs der Windungen der linken Kupferscheibe fortzubewegen. Dabei gibt sie einen Teil ihrer Wärme an die eintretende, in entgegengesetzter Richtung strömende M. ab. Wird die pasteurisierte M. alsbald stark gekühlt, so hält sie sich 3–4 Tage (Dauermilch) unverändert, und Helm hat darauf ein Verfahren gegründet, die Städte mit frischer, gesunder Trinkmilch zu versehen. In der Nähe der Produktionsstätten soll die M. pasteurisiert und stark gekühlt, eventuell unter Zusatz von Milcheis in die städtischen Milchmagazine befördert werden. Eine haltbarere Dauermilch wird durch stärkeres Erhitzen (über 100°) gewonnen und kommt meist in Flaschen mit Bügelverschluß in den Handel. Solche M. hat Kochgeschmack, ist schwach hellgelblich, enthält nicht mehr gelöste Kalksalze und gelöstes Eiweiß und ist unempfindlich gegen Lab. Die Eiweißkörper der stark erhitzten M. sind etwas schwerer verdaulich als die der frischen M. Die Dauersporen sind aber in dieser M. nicht getötet, und ihre Entwickelung wird nur verhindert, wenn man die M. auf Eis aufbewahrt; bei mittlerer Temperatur keimen die Sporen, und die M. wird für die Verwendung als Säuglingsnahrung unbrauchbar. Dies ist um so gefährlicher, als sich die eingetretene Zersetzung der M. äußerlich wenig bemerkbar macht. Bei längerer Aufbewahrung scheidet sich die Dauermilch in Rahm- und Magermilch, und diese Scheidung läßt sich nicht völlig wieder aufheben. Der Apparat Sterilikon zur Herstellung von Dauermilch (Fig. 4) besteht aus einem eisernen Kessel mit Dampfheizung, in den ein mit gefüllten Flaschen besetzter Kasten hineingefahren wird. Nachdem die M. einige Zeit erhitzt ist, werden die Flaschen im Kessel durch eine mechanische Vorrichtung luftdicht verschlossen. Eine vollständige Sterilisation der M. wird nur erreicht, wenn man sie 30 Min. auf 130°, oder 2 Stunden auf 120°, oder 4 Stunden auf 103° oder 6–7 Stunden in strömendem Dampf auf 100° erhitzt. Solche M. ist aber als Nahrungsmittel wie zur Verarbeitung auf Butter und Käse untauglich. Weniger sicher und für die Praxis völlig unbrauchbar ist die fraktionierte Sterilisation, bei der die M. an 8 Tagen je 2 Stunden lang bei 65–70° und in der Zwischenzeit bei 25–35° erhalten wird. Für die Benutzung als Säuglingsnahrung behandelt man die M. vorteilhaft in dem Apparat von Soxhlet (s. Kinderernährung). Wo der Soxhletsche Apparat zu teuer ist, kann man auch eine Kanne aus emailliertem Blech benutzen, die in einen Kochtopf (Fig. 5) paßt. Um das Einlaufen von aus dem Dampf verdichtetem Wasser zu verhindern, wird die Schnauze mit einem lose aufliegenden Deckel verschlossen. Man füllt etwas Wasser in den Topf, stellt die mit M. gefüllte Kanne hinein, setzt die Deckel auf und läßt 5 Minuten kochen. Dann wird die Kanne herausgenommen und möglichst stark gekühlt, auch an einem kühlen Ort aufbewahrt. Die darin enthaltene M. bleibt 24 Stunden nahezu bakterienfrei und kann Kindern ohne Gefahr verabreicht werden. Die Anwendung von Chemikalien zur Konservierung der M. ist völlig ausgeschlossen. – Man hat auch M. mit Kohlensäure imprägniert (Champagnermilch) und ein ähnliches Präparat aus Mager milch mit Fruchtsaft (Brausemilch) hergestellt. Andre Präparate aus Magermilch enthalten Vanille, Zitrone, Kognak, Arrak (bis 2 Proz. Alkoholgehalt).

Ein sehr haltbares Präparat erhält man durch Verdampfen der M. unter Zusatz von etwa 12 Proz. Zucker im Vakuum bei 50–60°; das so gewonnene Milchextrakt (kondensierte M.) ist gelblichweiß, von starker Honigkonsistenz und gibt mit 4,5–5 Teilen Wasser eine Flüssigkeit, die sich von frischer M. nur durch den süßern Geschmack unterscheidet. Derartiges Milchextrakt wurde nach der Angabe von Horsford (1849) in Amerika, seit 1866 auch in Cham (Schweiz) und bald darauf in Deutschland und andern Ländern dargestellt. Die Präparate enthalten 12,43–35,66 Wasser, 7,54–18,78 Fett, 7,79–20,14 Proteinkörper, 41,25–53,89 Zucker, 1,56–3,37 Mineralstoffe. Soxhlet verdampft ganz frische, auf der Zentrifuge gereinigte M. im Vakuum auf einen Trockensubstanzgehalt von genau 37 Proz. und füllt sie in Blechbüchsen, die verlötet und unter Dampfdruck völlig sterilisiert werden. Eine Büchse enthält 330 g kondensierte M., die mit Wasser 1 Lit. normale M. liefert. Die Konserve ist jahrelang haltbar, ohne sich im Geschmack, Farbe oder durch Rahmbildung zu verändern. Sie eignet sich besser als die zuckerhaltige zur Ernährung der Säuglinge, auf die der große Zuckergehalt ungünstig wirkt. Nach dem Verfahren von Just-Hatmaker läßt man M. in dünnem Strahl auf rotierende Walzen fließen, die mit Dampf von 4 Atmosphären geheizt werden. Die M. trocknet sofort zu einer weißen Masse ein, die nach wenigen Sekunden abgeschabt und zu Pulver zerrieben wird. Dies gibt mit Wasser eine Flüssigkeit vom Geschmack abgekochter M. Man verarbeitet Vollmilch und Magermilch, letztere liefert ein sehr haltbares Präparat, das aus Vollmilch wird nach längerer Zeit ranzig. Auch Ekenberg stellt ein sehr haltbares trocknes Präparat dar, das in 10 Teilen Wasser sich löst und eine wohlschmeckende M. liefert.

Die M. unterliegt häufig der Verfälschung, die sich aber fast ausschließlich auf Zusatz von Wasser zu der aus dem Euter gewonnenen Vollmilch, Abrahmen oder (seltener) Zusatz von Magermilch beschränkt. Solche Verfälschung kann durch die chemische Analyse nachgewiesen werden, für die meisten Zwecke aber genügt eine Milchprüfung, d. h. die Ermittelung gewisser Eigenschaften der M. oder der Menge einzelner ihrer Bestandteile, namentlich des Fettes. Durch Abrahmen wird die M. spezifisch schwerer, und durch Zusatz von Wasser erhält sie dann wieder das spezifische Gewicht der unabgerahmten M., allein das geübte Auge erkennt derartige verfälschte M. sehr leicht. Das spezifische Gewicht der M. zeigt nächst ihrem Gehalt an fettfreier Trockensubstanz die geringsten Schwankungen unter den Haupteigenschaften der M., vermindert sich aber beim Verwässern der M. verhältnismäßig stark und wird deshalb in erster Linie zur Prüfung der M. angewandt. Man bestimmt es mit Hilfe von Aräometern (Milchmesser, Milchwage, Galaktometer, Laktometer, Laktodensimeter). Bestimmt man fernerhin den Fettgehalt, so läßt sich aus beiden Werten der Gehalt an Trockensubstanz, der Gehalt an fettfreier Trockensubstanz und das spezifische Gewicht der Trockensubstanz berechnen. Diese Werte ergeben einen sichern Anhalt zur Beurteilung der Beschaffenheit der M. Zur Bestimmung des Fettes sind zahlreiche Methoden angegeben. Man hat Ra hut messer (Kremometer, Galaktometer) empfohlen, meist zylindrische Gefäße, in denen man die M. zum Aufrahmen aufstellt, um nach 12–24 Stunden die Rahmmenge nach Volumprozenten bestimmen zu können; wird hierbei das spezifische Gewicht der M. vor und nach der Entrahmung bestimmt, so ergibt die Methode brauchbare Resultate. Nach optischen Methoden läßt man so lange M. zu Wasser fließen, bis man durch das in ein von parallelen Glaswänden begrenztes Gefäß eingegossene Gemenge eine Kerzenflamme nichtmehr erkennen kann, oder man ermittelt die Dicke der Schicht reiner M., für welche die Flamme eben unsichtbar wird (Laktoskope, Galaktoskope). Diese Methoden gehen von falschen Voraussetzungen aus und liefern keine sichern Ergebnisse. Mehrere Methoden schreiben vor, aus der M. nach Zusatz eines Lösungsmittels für Fett, eine Fettlösung zu erzeugen, und den Fettgehalt aus dem Volumen der Lösung (Marchands Butyrometer, Laktobutyrometer) oder aus ihrem spezifischen Gewicht (Soxhlet) oder ihrem Brechungsexponenten (Wollny) zu bestimmen. Nach andern Methoden löst man die in der M. im gequollenen Zustand vorhandenen Stoffe, den Käsestoff und die Kalkphosphate durch Säuren, scheidet das Fett als solches ab und bestimmt sein Volumen. Hierbei benutzt man Zentrifugen (Lavals Laktokrit, Lindströms Kolibributyrometer, Gerbers Acidbutyrometrie) oder arbeitet ohne solche. Die polizeiliche Überwachung des Milchhandels in Städten scheidet sich in die Vorprüfung an den Verkaufsstellen (Aussehen, Geruch, Geschmack, Reaktion, spezifisches Gewicht) und in die endgültige Beurteilung durch einen Chemiker. Die Anforderungen an den Fettgehalt der Marktmilch schwanken zwischen 2,4 und 3,3 Proz. Erschwert wird die Überwachung des Verkehrs mit M. in den Städten durch Zulassung von sogen. Halbmilch, einer Mischung von abgerahmter Abendmilch mit Morgenmilch. In Molkereien wird die eingelieferte M. ebenfalls untersucht und ihr Fettgehalt ermittelt, da es große Vorteile gewährt, nach Gewicht und Fettgehalt zu kaufen. Auch ist darauf zu achten, daß die M. sauber, gut gekühlt (unter 12°) und völlig süß eingeliefert wird, weil säuerliche M. bei dem Erhitzen zur Vernichtung pathogener Bakterien Betriebsstörungen veranlaßt. Da die Sammelmolkereien M. aus einem ausgedehnten Produktionsbezirk gemeinschaftlich und einheitlich verarbeiten, so wird man stets von einer oder der andern Stelle M. von erkrankten Tieren erhalten, durch die dann das ganze verarbeitete Milchquantum mit schädlichen Bakterien verunreinigt wird. Um der hierdurch entstehenden Gefahr zu begegnen, ist das Weggeben unabgekochter Magermilch, Buttermilch oder Molken aus den Sammelmolkereien verboten. Der Abkochung gleich zu achten ist jedes Verfahren, bei dem die M. auf 100° gebracht oder wenigstens eine Viertelstunde lang einer Temperatur von mindestens 80° ausgesetzt gewesen ist. Das Reichsseuchengesetz schreibt die Abkochung der Kuhmilch vor in Zeiten der Seuchengefahr oder wenn auch nur einer der beteiligten Viehbestände unter Sperre steht. Viele Sammelmolkereien erhitzen die angelieferte Vollmilch vor der Verarbeitung.

Die Muttermilch ist die normale Nahrung des Säuglings, der bei dieser am besten gedeiht (vorausgesetzt, daß die Mutter gesund ist). Der beste Ersatz der Muttermilch ist Ammenmilch, viel ungünstiger ist Tiermilch, die auch schlechter verdaut und ausgenutzt wird als Muttermilch. Ein Kind im ersten Lebensjahr bedarf durchschnittlich täglich 0,75–1,25 Lit. M. Beim Übertritt des Säuglings in das Kindesalter (Durchbruch der Schneidezähne) hört die M. auf, die normale Nahrung zu sein. M. enthält zwar alle notwendigen Nährstoffe, aber der erwachsene arbeitende Mann bedarf zur Deckung seines Stoffwechsels täglich 5 Lit. M., und eine solche Beköstigung würde bald Widerwillen erwecken, auch schädlich wirken. Bei einer Milchdiät, die ein vortreffliches Mittel abgibt, um namentlich bei gewissen Krankheiten die Kräfte schnell zu heben, den Ernährungszustand zu bessern (s. Milchkur), wird man doch über 1–2 Lit. nicht leicht hinausgehen dürfen, wenn man nicht den Genuß andrer Nahrungsmittel zu sehr einschränken will. Bei Kindern ist ein täglicher Genuß von 1 Lit. M. unbedingt zu empfehlen. M. ist in der Regel leicht verdaulich, 100–200 ccm M. verlassen den Magen schon 1–2 Stunden nach dem Genuß, 300–500 ccm nach 2–3 Stunden. Die Ausnutzung der M. im Darm ist weniger günstig als die von Fleisch, Eiern oder Weißbrot; sie ist namentlich ungünstig bei Erwachsenen nach dem Genuß größerer Mengen. Dabei begünstigt die M. bei den meisten Menschen die Stuhlverstopfung. Der Nährwert der Magermilch beträgt kaum die Hälfte von dem der reinen Kuhmilch, ihr Geschmack sagt wenigen zu, und sie wird als Getränk lange nicht in dem Maß benutzt, wie es ihr billiger Preis verdient. Man benutzt sie in der Bäckerei, zur Bereitung von Käse, von Getränken, in verschiedenen Zubereitungen (mit billigen Fetten emulsioniert) zur Verfütterung an Jungvieh und Schweine und zur Herstellung von Galalith.

Die in den Sommermonaten einsetzende große Säuglingssterblichkeit ist zurückzuführen auf Verdauungskrankheiten, die bei der großen Empfindlichkeit der Verdauungsorgane der Säuglinge durch in der Kuhmilch enthaltenen Schädlichkeiten hervorgebracht werden. Diese Schädlichkeiten werden durch Bakterien erzeugt, die in den Ställen in die M. gelangen, auch sind sie zum Teil auf die Beschaffenheit der M. bei nicht sachgemäßer Fütterung der Kühe zurückzuführen. Für Säuglinge bestimmte Milch muß von gesunden, besonders von Infektionskrankheiten freien Kühen gewonnen werden, die ständig unter tierärztlicher Kontrolle stehen und das ganze Jahr hindurch ein gleichmäßiges Normaltrockenfutter erhalten. Im Stall muß, wie schon oben angegeben, die größte Sauberkeit herrschen, und namentlich müssen beim Melken weitgehende Vorsichtsmaßregeln gegen das Eindringen von Bakterien in die M. getroffen werden. Die gewonnene M. muß filtriert oder zentrifugiert, schnell auf 10° abgekühlt, in verschließbare sterilisierte Gefäße gefüllt und ohne Verzug der Gebrauchsstelle zugeführt werden. In den Sommermonaten müssen die Transportwagen mit Kühlvorrichtungen versehen werden. Über die Verwendung von M. zur Bereitung von Butter und Käse s. d.

Der durchschnittliche Verbrauch von M. im Deutschen Reich wird für 1 Kopf im Jahr auf 120 Lit. geschätzt, er betrug 1902 in Hamburg 146 L. (in Hamburg mit Wandsbek und Altona 137 L.), in Heidelberg 140, in München 135, in Dresden 110, Berlin mit Schöneberg und Rixdorf 109, Elberfeld 99, Leipzig 72 L. Berlin mit Charlottenburg, Schöneberg und Rixdorf verbrauchte 1902 rund 250 Mill. L. M., davon wurden in den Städten erzeugt 44,79 Mill. L., durch die Eisenbahn zugeführt 180 Mill. L., durch Fuhrwerke 25,4 Mill. L.

Vgl. Martiny, Die M., ihr Wesen und ihre Verwertung (Danz. 1871–72, 2 Bde.) und Wörterbuch der Milchwirtschaft (Brem. 1891); Petersen, Boysen und Fleischmann, Studien über das Molkereiwesen. Reiseskizzen aus Dänemark, Schweden und Finnland (Danz. 1875); Petersen, Anleitung zum Betrieb der Milchwirtschaft (2. Aufl., Brem. 1878); Freytag, Fleischer u. a., Die Kuhmilch, ihre Erzeugung und Verwertung (3. Aufl., Bonn 1881); Schäfer, Lehrbuch der Milchwirtschaft (6. Aufl., Stuttg. 1898); Kirchner, Handbuch der Milchwirtschaft (4. Aufl., Berl. 1893); Fleischmann, Lehrbuch der Milchwirtschaft (3. Aufl., Leipz. 1901); Müller, Anleitung zur Prüfung der Kuhmilch (5. Aufl., Bern 1883); Weigmann, Die Methoden der Milchkonservierung (Brem. 1893); Soxhlet, Über Kindermilch und Säuglingsernährung (Münch. 1886) und Ein verbessertes Verfahren der Milchsterilisierung (das. 1891); Anderegg, Allgemeine Geschichte der Milchwirtschaft (Zürich 1894); Freudenreich, Die Bakteriologie in der Milchwirtschaft (2. Aufl., Jena 1898); Stohmann, Die Milch- und Molkereiprodukte (Braunschw. 1898); Blanckenberg u. Helm, Erfahrungen im Molkereibetrieb (3 Hefte, Leipz. 1893, 1894 u. 1901); Helm, Gewinnung und Absatz frischer tuberkelbazillenfreier Trinkmilch (Braunschw. 1900) und Buchführung, Betriebsrevision und Verwaltung der Genossenschaftsmolkereien (Prenzlau 1890); Tiemann, Untersuchungsmethoden der M. (Leipz. 1898); Stieger, Die Hygiene der M. (das. 1902); Jensen, Grundriß der Milchkunde und Milchhygiene (Stuttg. 1903); Raudnitz und Basch, Chemie und Physiologie der M. (Wiesb. 1904); Kasdorf, Bau und Einrichtung von Molkereien (Leipz. 1904); Henkel, Katechismus der Milchwirtschaft (Stuttg. 1904); A. Bernstein, Die M., gemeinfaßliche Darstellung (Berl. 1904); Schnorf, Neue physikalisch-chemische Untersuchungen der M. (Zürich 1905); Rothschild, Bibliographia lactoria. Bibliographie générale des travaux parus sur le lait et sur l'allaitement jusqu'en 1899 (Par. 1901); »Milchwirtschaftliches Taschenbuch« (hrs. von Martiny, Leipz., seit 1877); »Milchzeitung« (Brem., dann Leipz., seit 1871); »Berliner Milchzeitung« (Berl., seit 1879); »Molkerei-Zeitungen« in Hildesheim, Stuttgart, Berlin, Wien.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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