Kaiser [2]

Kaiser [2]

Kaiser (lat. Caesar), seit C. Julius Cäsar Octavianus Titel des Beherrschers des römischen Reiches, entstanden aus dem römischen Familiennamen »Cäsar«, der zu einer Bezeichnung der höchsten Würde des Inhabers der Staatsgewalt wurde. Daneben waeen die Titel Augustus und Imperator gebräuchlich. Seit Hadrian führte auch der Thronfolger den Titel Cäsar; auch kam es vor, daß dem eigentlichen Imperator Cäsaren als Mitregenten zur Seite traten. Die römische Kaisergewalt war eine unumschränkte Herrschergewalt, ohne an und für sich erblich zu sein; vielmehr wurde sie formell durch einen Senatsbeschluß (lex regia) dem jeweiligen K. übertragen. Seit der Teilung des Reiches durch Theodosius d. Gr. (395 n. Chr.) wurde zwischen oft- und weströmischem Reich unterschieden, indem von dessen beiden Söhnen Arcadius K. des Ostens und Honorius K. des Westens wurde. Nach dem Sturze des weströmischen Reiches durch germanische Völkerschaften unter Odoaker (476) betrachteten sich die oströmischen K. als die alleinigen Träger der römischen Weltmonarchie, deren Gedanke unter dem K. Justinian (527–565) noch einmal der Verwirklichung nahegebracht ward. Indem die römischen Bischöfe, die von den oströmischen Kaisern den nötigen Schutz nicht mehr erwarteten, den Frankenkönigen die Schutzherrschaft (Patriziat) über Rom und über die römische Kirche übertrugen, schufen sie die Voraussetzung für die Erwerbung der weströmischen Kaiserwürde durch die Frankenkönige, und Papst Leo III. krönte schließlich auch 25. Dez. 800 Karl d. Gr. in aller Form zum römischen K. Gleichwohl war dies Kaisertum von durchaus germanischem Charakter. Das »heilige römische Reich deutscher Nation« nahm die Idee der römischen Weltmonarchie in dem Sinne wieder auf, daß der K. das weltliche Oberhaupt der gesamten Christenheit sein und als solches die höchste Schutzgewalt über die römische Kirche ausüben sollte. Dabei wurde der K. im allgemeinen Bewußtsein durchaus als Nachfolger der alten römischen Imperatoren betrachtet, so daß man Philipp von Schwaben in Erinnerung an den altrömischen K. Philippus Arabs als »den Zweiten« bezeichnete. Unter K. Otto I. aus dem sächsischen Haus wurde die Kaiserwürde dauernd mit der deutschen Königswürde (s. Deutscher König) verbunden (962). Dies abendländische Kaisertum stand unter K. Heinrich III. aus dem salischen (fränkischen) Haus auf dem Höhepunkt der Macht, als mit Deutschland die Königreiche Burgund und Italien vereinigt waren und der römische Papst sich der kaiserlichen Macht unterordnete. Aber schon unter Heinrich IV., der in Papst Gregor VII. den gefährlichsten Gegner und Vorkämpfer der päpstlichen Prärogative fand, trat der Umschwung zum Nachteil der K. ein. Anstatt den Schwerpunkt ihrer Macht in Deutschland zu suchen, opferten sie auf ihren Römerzügen und in den Kämpfen mit dem Papsttum ihre besten Kräfte, während daheim ihr Ansehen als deutsche Könige mehr und mehr sank. Um so mehr erstarkte die Macht der Fürsten und Territorialherren, die sich schließlich zu einer wirklichen Landeshoheit umgestaltete. Seit Maximilian I. (1508) führten die deutschen Könige den Kaisertitel auch ohne Krönung durch den Papst. Karl V. war der letzte K., der (1530) vom Papst, aber nicht in Rom, sondern in Bologna, gekrönt worden ist. Seitdem das Kaisertum unter den Hohenstaufen dem Papsttum unterlag, ist die Bezeichnung K. im wesentlichen ein dem deutschen König zustehender und in jedem einzelnen Falle durch die Krönung erworbener Titel, der zwar einen Ehrenvorrang begründet, mit dem aber eine bestimmte staatsrechtliche Stellung nicht verbunden ist. Je nach ihrer Persönlichkeit, ihrer Hausmacht und ihrem Ansehen bei den Fürsten, versuchen die deutschen Könige lediglich mehr oder weniger große Teile der ihren Vorfahren auf dem Thron als K. zustehenden Befugnisse in Wirklichkeit umzusetzen. Nach Karl V. hört auch dieses Bestreben auf, und der Titel K. tritt nunmehr an Stelle des Namens »Deutscher König«. Es fand seit Ferdinand I. nur eine einmalige Krönung statt, während der K. früher in Aachen zum deutschen König, in Pavia, Mailand oder Monza zum König von Italien und in Rom zum K. gekrönt worden war. Die Krönung erfolgte in der letzten Zeit regelmäßig in Frankfurt a. M. Seit Maximilian I. war die amtliche Titulatur: »Von Gottes Gnaden erwählter römischer K., zu allen Zeiten Mehrer des Reiches, König in Germanien«. »Römischer König« (rex Romanorum) hieß der bei Lebzeiten des Kaisers erwählte Nachfolger, der zugleich Reichsverweser in Verhinderungsfällen war. Das kaiserliche Wappen war (seit 1433) ein zweiköpfiger schwarzer Adler mit dem Hauswappen des Kaisers auf der Brust (vgl. Adler, S. 112); die Reichsfarben waren Schwarz und Gelb (Gold; vgl. Deutsche Farben). Vgl. Ficker, Das deutsche Kaiserreich in seinen universellen und nationalen Beziehungen (Innsbr. 1861) und Deutsches Königtum und Kaisertum (das. 1862), dagegen v. Sybel, Die deutsche Nation und das Kaiserreich (Düsseld. 1862); Knepper, Nationaler Gedanke und Kaiseridee bei den elsässischen Humanisten (Freib. i. Br. 1898); Gritzner, Symbole und Wappen des alten Deutschen Reiches (Leipz. 1902).

Bis ins 18. Jahrh. herrschte die Anschauung, daß es nur einen einzigen (christlichen) K. geben könne. Nach dem Sturze des oströmischen Kaiserreichs hatte zwar auch der Sultan den Kaisertitel angenommen (1453); aber erst im Frieden von Poscharewatz (1718) erkannte der deutsche K. den gleichen Rang desselben an. Der russische Zar (dieses Wort, ebenfalls von Caesar abgeleitet, bezeichnet bei den östlichen Slawen den Herrscher) führt seit 1721 den Titel »K. und Selbstherrscher aller Reußen«. Das Auftreten Napoleons I., der, um der tatsächlichen Macht auch den Titel hinzuzufügen, sich den Namen »K. der Franzosen« beilegen wollte, führte dazu, daß K. Franz II. 14. Aug. 1806 den Titel »K. von Österreich« annahm, worauf 2. Dez. 1804 in Paris die Krönung Napoleons durch den Papst vollzogen wurde. Nach der Gründung des Rheinbundes legte K. Franz II. 6. Aug. 1806 die deutsche Kaiserkrone nieder, und damit verlor der Titel K. seinen alten längst verblaßten Sinn, übertrug sich vielmehr auf die Beherrscher neuerer Staatengebilde. Der Versuch der deutschen Fürsten, K. Franz 1814 aufs neue zur Annahme der deutschen Kaiserkrone zu bewegen, schlug fehl. Napoleon III. nahm als Wiederhersteller des französischen Kaiserreichs (Second empire) den Titel seines Oheims 2. Dez. 1851 an. Nach Gründung des Deutschen Bundes wurde 1848 und 1849 ein Anlauf zur Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde genommen; aber König Friedrich Wilhelm IV. lehnte die Kaiserwürde ab, die ihm die Frankfurter Nationalversammlung anbot. Die Siege von 1870 führten zu der Wiederherstellung des Deutschen Reiches und der Würde eines deutschen Kaisers; doch staatsrechtlich handelt es sich um eine völlige Neuschöpfung, die nur im Worte K. an die alten Zustände vor 1806 erinnert. Die Proklamierung des letztern erfolgte 18. Jan. 1871 in Versailles. Das Präsidium des Bundes, der als »Deutsches Reich« bezeichnet wird, steht dem König von Preußen zu, der den Titel »Deutscher K.« führt. Der K. ist nicht der Monarch des Reiches; aber der Krone Preußen kommen im Reiche wichtige Vorrechte, die Präsidialrechte, zu, die der K. »im Namen des Reiches« und »im Namen der verbündeten Regierungen« ausübt. (Weiteres s. in den Art. »Bundesrat« und »Deutschland«, S. 788; das kaiserliche Wappen, daselbst, S. 799.) Über die rechtliche Stellung des deutschen Kaisers vgl. die Schriften von Fischer (Berl. 1894), Binding (Dresd. 1898), Eiswaldt (Berl. 1901), Tophoff (Stuttg. 1902); Lackmann, Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und 16. April 1871 (Bonn 1903). – Seit 1876 führte die Königin von England als Nebentitel den Titel »Kaiserin von Indien« (Empress of India), und danach führt auch ihr Nachfolger den Titel »Emperor of India«. Außerdem kommt der Kaisertitel noch in Birma, China, Marokko und Japan vor. Früher gab es auch in Brasilien, zeitweilig in Haïti und Mexiko K.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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