Handfeuerwaffen

Handfeuerwaffen

Handfeuerwaffen (hierzu Tafel »Handfeuerwaffen I-III«), im Gegensatze zu Geschützen, Maschinengewehren etc. von einem Mann tragbare Feuerwaffen. Man teilt die H. nach Zweck und Konstruktion ein in: Gewehre mit langem Laufe für Infanterie, Jäger (Büchsen), Pioniere etc., sowie Jagdgewehre (s. d.), H. mit kürzerm Lauf (Karabiner, Kurzgewehre, Stutzen) für Kavallerie, Fußartillerie, Verkehrstruppen etc., mit noch kürzerm zur Selbstverteidigung im Nahgefecht (Faustwaffen) für Offiziere, Fahrer, Sanitätstruppen etc. (Revolver, Selbstladepistolen, früher Pistolen und Terzerole). Je nachdem die H. von der Mündung oder von hinten geladen werden, heißen sie Vorder-, resp. Hinterlader. Bei letztern unterscheidet man Ein- und Mehrlader. Die H. bestehen in der Regel aus Lauf, Schloß, Schaft, Garnitur und Zubehörstücken, die Kriegsgewehre besitzen im Bajonett oder aufgepflanzten Seitengewehr eine blanke Waffe zum Nahkampf.

Die ersten Anfänge der H. sind die kurz nach dem Bekanntwerden des Schießpulvers im 14. Jahrh. vorkommenden Donnerbüchsen, Stand-, Hand- (Textfigur 1) oder Faustrohre, aus denen sich die Hakenbüchsen (s. d.) zu Anfang des 15. Jahrh. entwickelten.

Fig. 1. Handrohr mit Streitaxt aus dem Jahr 1393.
Fig. 1. Handrohr mit Streitaxt aus dem Jahr 1393.

Sie wurden durch eine mit der Hand geführte Lunte abgefeuert. Später wurde in den Kopf eines Hahnes die brennende Lunte geklemmt (Textfig. 2), deren Feuer zunächst mit der Hand, dann durch den Abzug auf die am Lauf befindliche Zündpfanne geleitet wurde.

Fig. 2. Luntenschloß.
Fig. 2. Luntenschloß.

Ein wesentlicher Fortschritt war die Erfindung des Nürnberger Radschlosses (1517), dessen Zahnrad, von unten durch die Zündpfanne a (Textfig. 3) greifend, um drei Viertel seines Umfanges mittels Schlüssel an der Achse b gedreht wird, wobei sich eine Kette um seine Achse windet, deren andres Ende, mit der Schlagfeder verbunden, diese spannt. Ein vor der Zündpfanne stehender Hahn c trägt in seinem Maul ein Stück Schwefelkies oder Feuerstein, das beim Umlegen des Hahnes auf das Zahnrad zu liegen kommt. Durch die schnelle Drehung des Rades beim Auslösen der Schlagfeder werden von dem Feuerstein Funken losgerissen, welche die Entzündung des Zündkrautes in der Pfanne bewirken. Aus dem Schnapphahnschloß (Textfig. 4) entwickelte sich (1630) das (Feuer-) Steinschloß.

Fig. 3. Radschloß.
Fig. 3. Radschloß.

Der in den Hahn eingeklemmte Feuerstein (s. Flinte) schlug gegen die Schlagfläche des stählernen Pfanndeckels, wodurch Funken erzeugt wurden; und da durch den Schlag gleichzeitig der Pfanndeckel zurückgeschlagen wurde, konnten die Funken das in der nun geöffneten Pfanne liegende Pulver entzünden.

Fig. 4. Schnapphahnschloß.
Fig. 4. Schnapphahnschloß.

Das erleichterte und freihändig zu gebrauchende Steinschloßgewehr wurde erst nach den Befreiungskriegen durch das Perkussionsgewehr (Textfig. 5) verdrängt.

Fig. 5. Perkussionsschloß.
Fig. 5. Perkussionsschloß.

Hier erfolgte die Entzündung der Pulverladung durch den Feuerstrahl eines mit knallsaurem Quecksilberoxyd gefüllten, auf den Piston gesetzten und durch den niederfallenden Schlag des Hahnes getroffenen Kupferzündhütchens, der durch den hohlen Piston die Ladung erreichte.

Fig. 6. Revolverähnliches Gewehr aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts.
Fig. 6. Revolverähnliches Gewehr aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts.

Gezogene Perkussionsgewehre bildeten bis gegen Ende der 1860er Jahre die Bewaffnung aller Heere, außer dem preußischen, das bereits 1841 das von Dreyse erfundene Zündnadelgewehr (Hinterlader von 15,43 mm Kaliber) angenommen hatte. Versuche mit Hinterladungsgewehren traten schon früh, im 15. Jahrh., auf, wenn auch nicht so zahlreich wie mit solchen Geschützen. Textfigur 6 zeigt ein revolverähnliches Gewehr aus dem Anfang des 17. Jahrh. Chaumette konstruierte 1751 ein solches, das 1776 von Montalembert verbessert wurde. Der französische Gewehrfabrikdirektor Pauli erhielt 1812 ein Patent auf ein Hinterladungsgewehr, das als der Vorläufer des Lefaucheux-Gewehrs anzusehen ist. Alle diese Versuche waren aber noch technisch unvollkommen, weil ihnen der gasdichte Verschluß fehlte.

Außer der Vervollkommnung des Schloßmechanismus wurde auch der Lauf mit der Zeit wesentlich umgestaltet. Der großkaliberige (18–20 mm) glatte Lauf der ältern Gewehre verschoß eine von der Mündung geladene, schwere Rundkugel. Erst mit der Einführung des Perkussionsschlosses wurde das Laufinnere, die Seele, allgemein mit schraubenförmig gewundenen Zügen (einer Erfindung aus dem 16. Jahrh.) versehen. An Stelle der Kugel trat das Langgeschoß, von 2–2,5 Kaliber Länge, dessen Führung in den Zügen zuerst durch Kompression (Delvigne, Thouvenin), später durch Expansion (Minié) und Stauchung (Wurstemberger) bewirkt wurde. Diejenigen H., bei denen die Stauchung durch Austreiben des Geschosses auf einen im Seelenboden angebrachten Stift geschah, nannte man Dorngewehre (-Büchsen). Die ballistischen Leistungen jener gezogenen Vorderlader waren wenig verschieden von denen des Zündnadelgewehrs, dessen taktische Überlegenheit, vorzugsweise in der bessern Feuerbereitschaft und Feuergeschwindigkeit bestehend, sich auf den Schlachtfeldern von 1866 glänzend erwies. Der Verschluß des Zündnadelgewehrs (Tafel I, Fig. 1) war ein Zylinderverschluß, die Entzündung der in einem Pappspiegel der Patrone befindlichen Zündmasse geschah durch den Stich einer vorschnellenden Nadel. Eine Einheitspapierpatrone begünstigte die Ladegeschwindigkeit; das in der Höhlung des Pappspiegels sitzende Langblei von eiförmiger Gestalt trennte sich kurz nach Verlassen des Rohres von seinem Führungsmittel, dem Pappspiegel.

Zur Beseitigung der im Kriege 1866 hervorgetretenen Mängel schritt man 1869 zu einer Aptierung des Zündnadelgewehrs durch Einfügung eines Kautschukringes und Ausfüllung der Luftkammer durch einen Hohlzylinder. Während der Umänderung brach der deutsch-französische Krieg aus; die preußische Infanterie rückte mit dem alten Gewehr ins Feld. Ihm stand französischerseits das Chassepot-Gewehr gegenüber. Dasselbe, dem Zündnadelgewehr nach gebildet. hatte an Stelle der im Nadelbolzen befindlichen Nadel einen Stift und besaß in der Kautschukpuffervorrichtung eine gute Gasabdichtung.

Sein auf 11 mm verringertes Kaliber ermöglichte die Ausnutzung des relativ starken Ladungsverhältnisses. Schußweite und Rasanz waren, ebenso wie Feuerbereitschaft und Feuergeschwindigkeit, dem Zündnadelgewehr erheblich überlegen. Unter dem Eindruck der Kriege 1866 und 1870/71 beeilten sich die andern Staaten, ihre Infanteriebewaffnung umzugestalten. Man griff aus ökonomischen Gründen zunächst zu dem Aushilfsmittel, die vorhandenen Gewehre in Hinterlader umzuändern. Hieraus gingen eine Anzahl Transformationssysteme hervor, worunter die bekanntesten sind: System Snider, Klappenverschluß, auch à la tabatière (Tafel I, Fig. 2), System Remington (Tafel I, Fig. 3 u. 4) und Peabody, Blockverschluß (Amerika); System Henry-Martini, durch Herunterziehen und Herausschlagen des hinter dem Abzugsbügel liegenden Hebels geöffnet und geschlossen (Tafel II, Fig. 5). Der vollkommenste, aber auch sehr komplizierte Verschluß dieses Systems war der von Werder (Tafel I, Fig. 6 u. 7), mit dem die bayrische Infanterie schon 1870/71 bewaffnet war. Schon bei den genannten Umänderungssystemen, ebenso wie bei allen Neukonstruktionen, kam statt der Papierpatrone die Metalleinheitspatrone zur Anwendung (s. Patrone). Sie bewirkte bessere Abdichtung, Vereinfachung der Verschlußeinrichtung, sichere Zündung und begünstigte die Anwendung von Mehrladevorrichtungen. Zur Entfernung der Hülfe nach dem Schuß trat allerdings der Auszieher und Auswerfer, das Schloß komplizierend, hinzu.

Das nach dem Kriege 1870/71 in der deutschen Armee eingeführte, von der württembergischen Gewehrfabrik Mauser konstruierte M/71 von 11 mm Kaliber war ein sogen. Selbstspanner, bei dem bloßes Öffnen und Schließen der Kammer das Spannen der Schlagfeder bewirkte. Das russische Berdan-Gewehr, ebenfalls ein Selbstspanner, vereinigte den Klapp- mit dem Kolbenverschluß, das niederländische, dem deutschen ähnliche Beaumont- und das österreichische Werndl-Gewehr mit sinnreichem, aber kompliziertem Wellenverschluß standen etwa auf gleicher Höhe wie das deutsche Gewehr M/71. Man verhielt sich den oft gehörten Forderungen nach erhöhter Feuergeschwindigkeit gegenüber ablehnend, weil hiermit eine Erschütterung der Feuerdisziplin und die Gefahr des Verschießens nahegerückt sei. Im amerikanischen Sezessionskriege 1862 hatte bereits die Kavallerie der Nordstaaten von einer Mehrladewaffe, dem Spencer-Karabiner (Tafel I, Fig. 8 u. 9), Gebrauch gemacht. In einer Magazinröhre im Kolben befanden sich 6 Patronen, die der Verschlußmechanismus selbsttätig in den Lauf schob. Bald darauf konstruierte Winchester ein Repetiergewehr mit Abstellvorrichtung, so daß es auch als Einlader verwendbar war. Die Schweiz führte 1869 ein Repetiergewehr System Vetterli ein, bei dem das röhrenförmige Magazin im Vorderschaft unter dem Lauf liegt. Man tadelte an dem Kolbenmagazin, daß es eine zu geringe Anzahl von Patronen fasse und für den Zylinderverschluß, als dem besten, sich weniger eigne als das Vorderschaftmagazin. Da indes das Magazinfeuer nur für wenige und kurze, meist entscheidende Gefechtslagen Bedeutung haben wird, für die übrige Zeit aber die Einzelladung ausreicht, so hielt man es für genügend, wenn der Schütze zum schnellen Laden die Patronen bequem zur Hand habe. Diesen Erwägungen verdankt der Schnellader System Krnka (Tafel I, Fig. 10) seine Entstehung. Das ansteckbare Magazin wurde im Bedarfsfall an den Schaft des Gewehrs geklemmt. Das Krnka-Gewehr wurde während des Krieges 1878 bei der russischen Infanterie eingeführt, nach dem Kriege jedoch durch ein Einladegewehr, das verbesserte Berdan-Gewehr, ersetzt. Das um dieselbe Zeit bekannt gewordene System des Amerikaners Lee (Tafel I. Fig. 14 u. 15), dessen Magazin aus Stahlblech für fünf Patronen sich von oben in das Gewehr einsetzen ließ, ist deshalb von Interesse, weil die heutigen Kastenmagazine aus ihm hervorgingen. Die von der Konkurrenz aufgestellten Systeme (Bornmüller, Schulhoff, Mannlicher) vermochten das Leesche nicht zu verdrängen. Frankreich hatte an Stelle des Chassepot-Gewehrs 1874 das Repetiergewehr Gras-Kropatschek eingeführt. Es wurde 1886 durch das Lebel-Gewehr M/86, einem Repetiergewehr von 8 mm Kaliber mit Vorderschaftmagazin, ersetzt (Tafel II, Fig. 11). Da politische Verhältnisse es wünschenswert machten (Boulanger), so führte man auch in Deutschland im Gewehr M/71. 84 eine Mehrladewaffe ein. Kaliber und Schloß waren die des Gewehrs 71, ein Vorderschaftmagazin mit 9 Patronen gestattete die Anwendung von Schnellfeuer. Die Magazingewehre, mögen dieselben nun das Magazin im Kolben oder unter dem Lauf haben, erfüllten nicht die Forderung; daß das Wiederauffüllen des Magazins leicht und mit einem kurzen Handgriff von statten ging, auch hafteten den Magazingewehren manche Nachteile an, wie z. B. veränderte Schwerpunktslage beim Schießen, Gefahr von Ladehemmungen etc. Als nun gegen Ende der 1880er Jahre das Nitratpulver (rauchloses Pulver) das Schwarzpulver verdrängte und damit die Verwendung kleinkalibriger Gewehre und kleinerer und leichterer Geschosse ermöglicht wurde, stand technischerseits der Annahme des Leeschen Kastensystems nichts mehr im Wege. Während jedoch Lee ein anhängbares Magazin verwendete, haben die heutigen Kastensysteme (Mauser, Mannlicher etc.) die stete Repetierbereitschaft dadurch gesichert, daß das Magazin festgelegt und die Paketladung eingeführt wurde. Bei dieser fand die Einführung der Patronen in Rahmen, in neuerer Zeit durch Ladestreifen statt.

Man unterscheidet hauptsächlich fünf Arten Kastensysteme: 1) Mannlicher (eingeführt im Deutschen Reich, Gewehr 88, Österreich-Ungarn, Italien, Frankreich beim Daudeteau-Gewehr und Karabiner Berthier M/92, Rumänien, Bulgarien, den Niederlanden), senkrechter, unten offener Magazinkasten; die darin liegenden Patronen werden durch einen stählernen Patronenrahmen zu einem Paket vereinigt. Sobald die letzte Patrone verfeuert ist, fällt der leere Rahmen von selbst aus dem Kasten. Ausnahmsweise können die Patronen auch einzeln mit der Hand eingeführt werden. 2) Mauser (im Deutschen Reich, Gewehr 98, Rußland, Belgien, Schweden, Türkei, Argentinien, Chile, Serbien und Brasilien), senkrechter, unten geschlossener Kasten; die zu einem Paket gehörenden Patronen werden durch einen spangenförmigen Ladestreifen, der nur die Patronenboden umfaßt, zusammengehalten; der Schütze streift sie beim Füllen des Magazins von dem in einem Ausschnitt der Verschlußhülse eingeschobenen Ladestreifen ab und in den Kasten hinein; der leere Streifen wird fortgeworfen oder fällt beim Schließen von selbst ab. Die 5 Patronen liegen in einer Reihe lose übereinander im Kasten. Ein zunächst für Karabiner bestimmtes neues Kastenmuster faßt 10 Patronen in 2 Reihen und wird mit 2 Ladestreifen gefüllt. 3) Krag-Jörgensen (in Dänemark sowie [verbessert] in Norwegen und den Vereinigten Staaten von Nordamerika [Landheer]), wagerechter Kasten mit seitlicher, nach unten (früher nach vorn) sich öffnender Tür. Die Patronen werden aus einem an der Türöffnung angelegten Blechbehälter in den Kasten eingebracht, liegen darin nebeneinander und werden durch den Zubringer vor die Lauföffnung geschoben. Die Patroneneinlage der Hülfe hat daher keinen Durchbruch, und das Laden einzelner Patronen mit der Hand geht in derselben Weise wie bei jedem Einzellader vor sich. 4) Lee (Vereinigte Staaten von Nordamerika für die Flotte), senkrechter, unten offener Kasten, Patronen durch Ladestreifen zusammengehalten, der aber beim Füllen mit ihnen in das Magazin eingeschoben wird. 5) Savage (Bürgerwehr der Vereinigten Staaten von Nordamerika), im Magazin ist eine wagerechte, zur Laufachse parallele Trommel drehbar gelagert; sie nimmt 5 durch je 2 Spangen gehaltene Patronen auf und befördert beim Öffnen jedesmal selbsttätig eine Patrone vor die hintere Lauföffnung; in den vordern Rand der Trommel sind die Ziffern 1–5 eingeschlagen, von denen immer nur eine außen sichtbar ist und die Zahl der noch im Magazin befindlichen Patronen angibt. Eigenartige Mehrladeeinrichtungen besitzen das schweizerische Gewehr M/89. 96 und das englische Gewehr M/90, System Lee-Metford-Speed. Bei ersterm besteht die Mehrladeeinrichtung in einem festen Mittelschaftmagazin mit Paketladung zu 12 Patronen und mit Repetiersperre. Die Patronen werden entweder einzeln geladen oder zu 6 Stück mittels des Laders (Kartonschachtel) eingeführt. Durch einen Druck auf den Knopf der an der rechten Seite angebrachten Repetiersperre wird das Magazin nach abwärts gedrückt und dadurch verhindert, daß der Verschlußkopf die oberste Patrone erfaßt. Die Mehrladeeinrichtung des Lee-Metford-Gewehrs besteht in einem anhängbaren Mittelschaftsmagazin mit 10 einzeln geladenen Patronen und Repetiersperre. Durch Drehen der letztern nach aufwärts werden die Patronen nach abwärts gedrückt. Beide Gewehre sollen gewöhnlich als Einlader und nur in den entscheidenden Gefechtslagen als Mehrlader benutzt werden.

Die Feuergeschwindigkeit der modernen H. ist, soweit der Schütze das Laden und Abfeuern bei jedem Schuß zu bewirken hat, durch die heutigen Konstruktionen auf eine mögliche Leistung von 12 gezielten Schüssen in der Minute gesteigert, bei Mannlicher-Gewehren war es möglich, 22mal und mehr in der Minute zu schießen. Von einer weitern Steigerung kann man als nutzlos oder gar schädlich absehen. Nachdem es jedoch seit etwa 10 Jahren gelungen ist, kriegsbrauchbare H. herzustellen, bei denen die Kraft des Rückstoßes benutzt wird, die Arbeit des Öffnens, Ladens und Abfeuerns zu verrichten, ist den taktischen Bedenken, die man gegen eine weitere Steigerung der Feuergeschwindigkeit hegte, der Boden entzogen. Man geht wohl nicht zu weit, jene Waffen, die sogen. Selbstschießer, Rückstoßlader, automatische Waffen überhaupt, als die H. der Zukunft zu bezeichnen. Bei Verwendung des jetzigen Kastensystems konnten die 5 Patronen des Magazins in einer Sekunde verfeuert werden, und dies kann nach neuer Füllung des Magazins stets wiederholt werden, so daß man gewiß bis zu 100 Schuß in der Minute abgeben könnte. Der Munitionsersatz für solche Waffen ist aber eine schwierige Sache.

Nach dem Vorbilde der Maximschen Maschinengewehre wurden von Mannlicher, Roth, Mieg u. a. automatische H. hergestellt. Man unterscheidet bei diesen Gasdrucklader und Rückstoßlader. Bei erstern beruht die Selbsttätigkeit auf der Spannkraft der Gase, bei letztern auf der der Rückstoßkraft. Bei den Gasdruckladern unterscheidet man solche ohne und solche mit Verschlußriegelung und mit Friktionsverschluß – bei den Rückstoßladern solche mit Rückstoß der ganzen Waffe mit weit zurückgleitendem Lauf und mit kurz zurückgleitendem Lauf. Die meisten der erprobten Waffen gehören dem Rückstoßladesystem an. Von diesen sind die mit Rückstoß der ganzen Waffe für Verwendung bei Faustwaffen auszuschließen. Dem Rückstoßlader mit kurz zurückgleitendem Lauf und mit Zylinderwarzenverschluß scheint dagegen die Zukunft zu gehören.

Nachdem zunächst bei Faustwaffen (s. Revolver) das automatische Prinzip sich als kriegsbrauchbar erwies, führte man in mehreren Heeren Selbstladepistolen nach System Borchardt-Lueger (Parabellum), Mannlicher, Browning etc., und zwar für Offiziere und Mannschaften bei Kavallerie, Maschinengewehrabteilungen etc., ein. Durch Ansetzen eines Kolbens konnte man Karabiner herstellen, man erprobte nun aber auch Karabiner und Gewehre, ohne daß man sich schon zur Einführung entschlossen hätte. Diese wird aber stattfinden, sobald eine Macht die automatischen H. für kriegsbrauchbar anerkennt und den Anfang macht. Der Mannlicher Selbstladekarabiner M/01 (Tafel III, Fig. 34) gibt ein Bild davon, wie sich etwa das Zukunftsgewehr gestalten wird. (über das entsprechende 6,5 mm-Mannlicher-Gewehr M/00, das auch in andern Kalibern konstruiert wurde, s. Heft 10 der »Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens«, 1901.) Allerdings ist jetzt ein neuer Typ der Firma Roth (Wien) patentiert worden. Hier ist das Prinzip, daß der Schlagbolzen, der in die ziemlich tiefe Zündglocke der Patronenhülse eintritt, durch das unter dem Druck der Pulvergase zurückgetriebene Zündhütchen mit großer Kraft zurückgeschleudert wird und durch diese Bewegung den Verschluß in Tätigkeit setzt.

Von nicht minder hoher Bedeutung als Feuergeschwindigkeit und Feuerbereitschaft sind die ballistischen Eigenschaften der H. Sie werden bedingt durch die Art und Wirkung des Treibmittels, Gewicht und Beschaffenheit des Geschosses etc. – Die Konstruktion des Laufes, seine Länge, sein Kaliber, die Zugeinrichtung etc. müssen prinzipiell so beschaffen sein, daß die Wirkung des Pulvers zur Erzielung einer möglichst starken Fluggeschwindigkeit des Geschosses vorteilhaft ausgenutzt wird. Das rauchlose Pulver ermöglichte eine Verringerung des Kalibers auf 8 mm, wobei unter Zugrundelegung rationeller Geschoß- und Laufkonstruktion eine hohe Anfangsgeschwindigkeit (620 m), mäßiger Rückstoß und die sonstigen großen Vorteile erreicht wurden, die mit dem kleinen Gewehrkaliber bekanntlich verbunden sind. Die technischen Schwierigkeiten, welche die Bohrung enger gezogener Läufe mit sich bringen, wurden bald überwunden. In Amerika gelang es Sponsel, eine Bohrmaschine herzustellen, mittels deren sich Läufe von 5 mm bohren lassen. Da in Läufen so kleinen Kalibers der Gasdruck sehr hoch steigt und Anfangsgeschwindigkeiten von über 700 m gefordert werden, so ist die Verwendung eines besonders guten Stahls, Nickelstahl, nötig geworden. Tabelle I (S. 752) ergibt, daß das Kaliber der gegenwärtigen Armeegewehre zwischen 8 und 6,5 mm schwankt. Amtliche Berichte von allen neuern Kriegsschauplätzen sprechen sich dahin aus, daß selbst bis zum 7,65 und 7,69 mm Kaliber hinauf eine bedenkliche Abnahme der sogen. Augenblickswirkung, d. h. derjenigen Wirkung, die den Gegner sofort kampfunfähig macht, sich ergeben hat. Nur wenn die massenhafte Geschoßwirkung der Selbstladegewehre jenen Mangel ausgleicht, wird man die großen ballistischen und taktischen Vorteile des kleinen Kalibers (6–6,5 mm) ausnutzen können.

Tabelle

Anmerkung. In mehreren Staaten wurde das französische Daudeteau-Gewehr erprobt, das bei 6,48 mm Kaliber, 3,7 kg Gewehr- und 9,75 g Geschoßgewicht und 2 g Ladung eine Anfangsgeschwindigkeit von 740 m erreicht.

1 Hat verbesserten Geradzugverschluß gleich dem des Karabiners M/90.

2 Für den Mechanismus des Gewehrs 88 nahm Mannlicher die Priorität in Anspruch.

3 M/94 Krag-Jörgensen ist in Norwegen eingeführt; M/92 mit 7,62 mm Kaliber in Nordamerika.

4 Außerdem Lee-Enfield M/95. Kaliber 7,7 mm.

5 Vereinfachter, zuverlässiger Schloßmechanismus, wodurch das Gewehrgewicht um 0,1 kg gegen M/89 erleichtert ist.

6 Davon eine auf Löffel. An Stelle des Röhren- ist das Mittelschaftsmagazin wie beim Karabiner M/90 (Berthier) getreten.

7 Meist Blättchen- oder Scheibchenpulver (auch Korn-, Zylinder-, Näpfchen- und Nudelform).

8 Nach andern Angaben: 700 m bei 2,1 g Ladung.


Das Jahr 1903 hat folgende Veränderungen gebracht:

In Deutschland ist der Ersatz des Musters 88 durch das Gewehr 98 schnell fortgeschritten, da die Munition die gleiche ist. Bei diesem Gewehr ist indessen bereits wieder von Verbesserungen, besonders bei der Munition, die Rede. Durch kleineres Geschoß und andre Pulverart sollen rasantere Flugbahnen, größere Treffähigkeit erreicht werden, und dies bedingt bei dem neu zu fertigenden Gewehr 98/02 eine Änderung des Visiers.

Frankreich führt noch das Lebel-Gewehr M/86 mit den Verbesserungen von 93, hat sich beim Karabiner für das System Mannlicher entschieden und sich mit Herstellung und Versuchen neuer Gewehre, Verbesserungen der Munition beschäftigt. Die neue Patrone M/98, an deren Herstellung der Ingenieur Vieille (Erfinder des rauchschwachen Pulvers) beteiligt ist, soll eine rasantere Flugbahn (spitzeres Geschoß) erreichen. Der neuen französischen Schießvorschrift 02 mag man entnehmen, daß auch Vergleichsversuche neben jenen ballistischen Versuchen in bezug auf Durchschlagskraft zwischen Gewehren von 8 mm Kaliber, Mantelgeschossen von 15 g Gewicht, Anfangsgeschwindigkeit 600–620 m und solchen von 6,5 mm mit Mantelgeschossen von 10 g Gewicht, Anfangsgeschwindigkeit bis 700 m (darunter wahrscheinlich auch das Daudeteau-Gewehr, Tafel II, Fig. 13) angestellt wurden.

Großbritannien hatte das Bedürfnis nach einem bessern Gewehr durch den afrikanischen Krieg festgestellt. Nach unbedeutenden Veränderungen am Lee-Metford-Gewehr M/91 und beim Lee-Enfield-Gewehr M/95 angebrachten Verbesserungen schritt man zu einem neuen Gewehr Lee-Enfield 1903. Sie bedeutend verkürzte Waffe hat gute ballistische Verhältnisse erreicht, aber trotz ihrer mannigfachen Verbesserungen erhob man so viel Vorwürfe gegen sie, daß ihre Herstellung vorläufig eingestellt ist.

In Italien beschäftigt sich die Zentralschießschule zu Parma mit einem vom Hauptmann Ceï-Rigotti erfundenen, fortgesetzt veränderten und verbesserten Gewehr. Wahrscheinlich handelt es sich jetzt um ein Selbstladegewehr, dessen Einführung aber bei der Güte des jetzigen Armeegewehrs M/91 kaum bald erfolgen wird.

In den Vereinigten Staaten hat man sich auch Versuchen, Gewehre mit verkürztem Lauf herzustellen, zugewendet und sich 1903 für eine Konstruktion mit kurzem Lauf entschieden. Es liegt hierbei wohl der Gedanke zugrunde, daß die Reiterei in Zukunft als berittene Infanterie verwendet werden soll, und daß eine Einheitswaffe, wenn die ballistischen Verhältnisse auf der bisherigen Höhe gehalten werden, große Vorteile bietet. Man hat hier Versuche mit Gewehren mit 61 cm und 76,2 cm Lauflänge gemacht und erhielt beim langen Lauf 701,5 m, beim kurzen 662 m Anfangsgeschwindigkeit. Nachdem eine Infanterie- und eine Kavalleriekommission festgestellt hatte, daß man mit dem 61 cm langen Lauf dieselbe ballistische Leistung erreichen könnte wie mit dem 76,2 cm langen, entschied man sich für diesen, also für die Einheitswaffe.

Griechenland ist noch nicht zu einem modernen Gewehr gelangt; es führt noch immer das französische Gras-Gewehr M/74 mit 11 mm Kaliber.

Montenegro hat seine Infanterie mit russischen Dreiliniengewehren, frühern russischen Berdan-und ältern österreichischen Werndl-Gewehren ausgerüstet.

Bulgarien führt 8 mm-Mannlicher-Gewehre M/88 nnd M/95.

Das aktive Heer und die erste Reserve Portugals ist mit Mannlicher-Gewehren von 6,5 mm Kaliber bewaffnet, außerdem ist das vorhandene 8 mm-Kropatschek-Gewehr beibehalten, doch ist inzwischen eine Neubewaffnung mit einem Mauser-Gewehr eingeleitet.

Das Armeegewehr in Japan ist das Repetiergewehr Meidji 30 von 1897, Kaliber 6,5 mm, Länge des Gewehrs ohne Bajonett 1,27 m, mit Bajonett 1,66 m; Gewicht ohne Bajonett 3,9 kg, mit Bajonett 4,3 kg; Lauflänge 790 mm; Drallänge 200 mm; Tiefe der Züge 0,15 mm; Zahl der Züge 6, Visier reicht bis 2000 m; die Mehrladevorrichtung besteht aus Ladestreifen, ähnlich Mauser, für 5 Patronen. Länge der Patrone 76 mm; Gewicht der Patrone 22,44 g; Länge des Geschosses 32,5 mm; Gewicht des Geschosses 10,3 g; des leeren Ladestreifens 8,5 g; des gefüllten Ladestreifens 118,5 g; Gewicht der Ladung 2,14 g rauchloses Blättchenpulver von Itabaski; Anfangsgeschwindigkeit 725 m. Das Geschoß hat einen Hartbleikern mit Neusilber-, neuerdings Stahlmantet.

Außer den in der Tabelle und den Bemerkungen dazu angeführten Staaten führen Gewehre des Systems Mauser: Chile M/90; Argentinien, Peru M/91; Brasilien, Bolivia, China, Kolumbien, Mexiko, Uruguay M/93; Schweden M/96; Serbien M/99.

Tabelle

Anmerkung zu Tabelle II: Bei M/86. 93 liegt das Lebel-Gewehr (8,0 mm), bei M/88. 95 das österreichisch-ungarische Gewehr (8,0 mm) zugrunde, dessen Zahlen etwas ungünstiger stehen wie die des deutschen Gewehrs M/88 nach der Schießvorschrift. Die Angaben für M/91 beziehen sich auf ein von der Waffenfabrik Steyr vorgelegtes Muster, bez. das italienische Gewehr im Kaliber 6,5 mm.

* Diese Zahl gilt bei 1500 m Schußweite.

Zu Tabelle III: 1 Die Zahlen der 50proz. Streuung sind mit vier zu multiplizieren, um die ganze Streuung (100 Proz.) zu erhalten.

2 Für das russische Gewehr M/91 (7,62 mm) werden die Streuungen angegeben: Auf 150 m 30 cm Höhe, 26 cm Breite; auf 250 m 45 cm Höhe, 40 cm Breite; auf 400 m 76 cm Höhe, 80 cm Breite; auf 500 m 100 cm Höhe, 91 cm Breite.

3 Bei den Angaben für 600 und 900 m ist die Ungenauigkeit dadurch erklärlich, daß sie aus Scheibenbildern berechnet sind.

4 Die Angaben für das 8,0 mm-Kaliber sind österreichischen Quellen entnommen.

Zur Ergänzung der Tabellen S. 752 u. 753 und zur Beurteilung des gegenwärtigen Standes der Infanteriebewaffnung sei bemerkt: Bei der deutschen Infanterie ist an die Stelle des Gewehrs 88 mit Mittelschaftmagazin und Paketladung das Gewehr 98 (Tafel II, Fig. 16–19) getreten. Kaliber, Züge (Fig. 1911), innere Laufeinrichtung, Munition u. ballistische Eigenschaften sind dieselben wie bei Gewehr 88; ähnlich diesem sind auch Schloß und Mehrladeeinrichtung nach Mauser. Statt der Doppelwarzenverriegelung des Gewehrs 88 findet durch Zutritt der hintern Kammerwarze eine dreifache Warzenverriegelung statt. Der Verschlußkopf bildet bei Gewehr 98 keinen eignen Bestandteil des Schlosses. Die Kammer (Fig. 17) ist mit einem beweglichen Ring b für das Funktionieren des Ausziehers versehen, a vordere linke (obere) Kammerwarze mit Einschnitt für den Auswerfer, c Sicherungsrast. Der Schlagbolzen g (Fig. 16) hat zwei Gasabzugsöffnungen. Abschrägungen am Kammerknopf und an der Hülsenbrücke i bewirken das Spannen bereits beim Vorschieben der Kammer f (Fig. 16) und erleichtern das Öffnen nach dem Schuß. Fig. 17a Hülfe: a Nute für die vordere Kammerwarze, b Patroneneinlage, c Kammerbahn, d Ausschnitt zum Einsetzen des Ladestreifens. Der Schloßkasten (Fig. 19) hat einen geschlossenen Boden (zur Vermeidung von Ladehemmungen, die durch das Eindringen von Sand etc. beim Schießen im Liegen entstehen können), a Haltestift mit Feder für den Boden, b Röhre für die Verbindungsschraube. Die Zubringefeder d (Fig. 16) in Gestalt eines liegenden W und der Zubringer bringen die von einem Ladestreifen e (Fig. 16) in den Kasten von oben gedrückten Patronen einzeln vor das Patronenlager a. Beim Laden wird ein gefüllter Ladestreifen in den Ausschnitt der Hülsenbrücke gesetzt. Durch einen Druck auf die oberste Patrone werden die Patronen in den Kasten eingeführt. Dieselben lagern seitlich übereinander, so daß die oberste Patrone etwas vor der Stirnfläche der Kammer liegt. Wird die Kammer vorgeführt, so fällt der Ladestreifen seitwärts heraus, während die oberste Patrone in das Patronenlager geschoben wird. Etwa in der Mitte der Patroneneinlage greift die Kralle des Ausziehers in die Eindrehung der Patronenhülse. Bei allen neuern Gewehrkonstruktionen ist ein hölzerner Handschutz zur Erleichterung der Handhabung des durch schnelles Feuern erhitzten Laufes angebracht. Das Visier, bestehend aus Visierfuß a (Fig. 190), Visierklappe b und Visierschieber c (Fig. 196), ist ein kombiniertes Richtbogen- (Quadranten-) und Klappenvisier. Das Standvisier ist auf 200 m, das höchste Visier auf 2000 m herabgesetzt. Eine Handstütze h (Fig. 16) hinter dem Kolbenhals begünstigt den Anschlag im Liegen; auch andre im Dienstgebrauch hervorgetretene Mängel des Gewehrs 88 hat man beseitigt, ebenso 0den Laufmantel.

Österreich-Ungarn führt außer dem Gewehr M/95 (s. Tabelle 1) die M/88. 90, 86. 90 und 90, sämtlich System Mannlicher, technisches Militärkomitee. Die dem ältern Geradzugverschluß (Mannlicher) anhaftenden Mängel: ungünstiges Auffangen des Rückstoßes, Vergrößerung der Höhenstreuungen, sind in den neuern Konstruktionen beseitigt. Beim Verschluß des M/95 (Tafel II, Fig. 20 u. 21) will man die Vorteile der symmetrischen Verriegelung fast unmittelbar hinter dem Patronenboden mit denjenigen des Geradzugs verbinden, wodurch es ermöglicht ist, den ganzen Verschluß kürzer und schwächer zu halten. Das italienische Gewehr M/91 (Tafel III, Fig. 32 u. 33) ist bis auf die eigentümliche Sicherung sehr einfach, nach Mannlicher-System mit Verbesserungen von Carcano, Konstrukteur des ersten, 1868 dem preußischen und französischen nachgebildeten Hinterladers. Es zeichnet sich durch taktische Leistungsfähigkeit, stärkste Ausrüstung mit Patronen aus, erzeugt aber viel leichte Wunden. Das französische Gewehr M/86. 93, das an Stelle des Vorder- ein Mittelschaftsmagazin wie der Karabiner erhalten hat, sollte bald durch das Daudeteau-Gewehr (vgl. Anm. zu Tabelle 1) ersetzt werden (Tafel II, Fig. 13). Der Kavallerie gab man den Karabiner M/90, System Berthier, doch konstruierte Mannlicher einen solchen M/92 (Tafel II, Fig. 12). Das russische Dreiliniengewehr M/91 (Tafel III, Fig. 28 u. 29) ist dem Mannlicher-Gewehr M/90 ähnlich, es soll die Einführung eines 6,5 mm-Gewehrs mit 740 m Anfangsgeschwindigkeit geplant sein. Das englische Gewehr M/89. 91 ist ein Gelegenheitsrepetierer mit anhängbarem Mittelschaftsmagazin und zehn einzeln geladenen Patronen mit Repetiersperre (Tafel II, Fig. 25 und Tabelle 1). Das spanische Gewehr M/95 (Tafel III, Fig. 30 u. 31) wird als das technisch vollkommenste bezeichnet und ist in Brasilien, Chile, Bolivia, Uruguay, Kolumbien eingeführt, auch führten es die Buren; das 7,65 mm-Mauser-Gewehr M/91 haben Argentinien und Peru. Das dänische Magazingewehr Krag-Jörgensen (Tabelle 1) Tafel II, Fig. 22–24, das schweizerische Repetiergewehr (Tabelle 1) Tafel III, Fig. 26 u. 27. Das Landheer der Vereinigten Staaten (Tabelle I, Anm. 3) hat verbessertes Krag-Jörgensen-System, dies zeigt am Magazin wagerechten Kasten mit seitlicher Tür, die sich nach unten öffnet; die Flotte hat das 6 mm Lee-Gewehr M/93. Schweden und Portugal haben sich für ein 6,5 mm-Gewehr entschieden, Serbien führt ein 7 mm-Gewehr M/99 (Mauser-Milanowich), andre kleine Staaten haben ältere Muster.

Für die H. bestanden schon seit Mitte des 17. Jahrh. in Belgien, Frankreich und England Beschußanstalten, meist mit Gewehrfabriken etc. verbunden. Um den überseeischen Absatz, der ihren ungeprüften Fabrikaten-fehlte, zu gewinnen, richteten auch Deutschland und Österreich (1891) solche Anstalten ein. In Deutschland sind solche Beschußanstalten in Suhl, Frankfurt a. O., Sömmerda, München, Germersheim, Oberndorf a. Neckar; in Österreich in Ferlach, Prag, Weipert, Wien. Mit den Prüfungszeichen der Probierbank in Lüttich sind die deutschen gleichwertig und umgekehrt (Bundesratsverordnungen vom 1. Febr. 1894 und 26. April 1899).

H. für den Privatgebrauch dürfen in Deutschland nach Gesetz vom 19. Mai 1891 nur dann in den Verkehr gebracht oder feilgehalten werden, wenn ihre Läufe und Verschlüsse in amtlichen Prüfungsanstalten (Beschußanstalten) geprüft und mit den Prüfungszeichen versehen worden sind. Die Prüfung besteht in einer Beschußprobe mit verstärkter Ladung. Prüfungsbestimmungen und Prüfungszeichen sind durch Verordnung vom 22. Juni 1892 festgesetzt; die Prüfungsanstalten wurden auf Anordnung der Landesregierungen 1. April 1893 errichtet. Auf die H., die durch die Militärverwaltung oder in deren Auftrag hergestellt und geprüft werden, auf H., die vom Ausland eingeführt und mit dem vollständigen, dem inländischen gleichwertigen Prüfungszeichen eines auswärtigen Staates versehen sind, endlich auf solche, die vor dem vollständigen Inkrafttreten des Gesetzes von der Ortspolizeibehörde oder einer andern damit betrauten Behörde mit einem »Vorratszeichen« versehen worden sind, hat das Gesetz keine Anwendung. Zuwiderhandlungen sind mit Geldstrafe bis zu 1000 Mk. oder mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bedroht; auf Einziehung der Waffen muß im Fall einer Verurteilung ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht, und kann auch selbständig erkannt werden, falls die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar ist (vgl. Kleinfeller in Stenglein, »Die strafrechtlichen Nebengesetze des Deutschen Reiches«, S. 581, Berl. 1893). Ältere, im Privatbesitz befindliche H. bedürfen erst dann der amtlichen Prüfung, wenn sie vom Eigentümer an andre Personen verkauft oder verliehen werden. Auch in Privatbesitz gelangte Kriegsgewehre sowie bereits geprüfte H. bedürfen einer Prüfung, wenn Veränderungen am Lauf oder am Verschluß vorgenommen worden sind.

Literatur: v. Plönnies, Neue Hinterladungsgewehre (Darmst. 1867); R. Schmidt: Die Entwickelung der Feuerwaffen (Schaffh. 1868, 2 Bde.), Die H., ihre Entstehung und Entwickelung bis zur Gegenwart (Basel 1875–78) und Allgemeine Waffenkunde für Infanterie, mit Atlas (Bern 1888, neue Folge 1891); Thierbach, Die geschichtliche Entwickelung der H. (2. Ausg., Dresd. 1899); Mattenheimer, Die Rückladungsgewehre (Darmst. 1871–76, 2. Folge 1890); Wille, Fortschritt und Rückschritt des Infanteriegewehrs (Berl. 1894); Weygand, Die technische Entwickelung der modernen Präzisionswaffen (2. Aufl., Leipz. 1878); Hebler, Das kleinste Kaliber oder das zukünftige Infanteriegewehr (Zürich 1886 bis 1891, 2 Bde.); Weygand, Die neue deutsche Gewehrfrage (Darmst. 1888); Weigner, Die 8 mm-H. in Österreich-Ungarn (2. Aufl., Wien 1891); Wille: Wolframgeschosse (Berl. 1890), Das kleinste Gewehrkaliber (das. 1893) und Neue Gewehre (Rathenow 1893); v. Tettau, Das russische Dreiliniengewehr und seine Schußleistungen (2. Aufl., Hannov. 1894); Hoegg, Schematische Darstellung der Armeegewehre (Wien 1894); Wille, Selbstspanner (Berl. 1896) und Mauser-Selbstlader (das. 1897); Witte, Fortschritte und Veränderungen im Gebiet des Waffenwesens (2. Aufl., das. 1900, mit jährlichen Nachträgen); »Das Repetiergewehr M/1900, Patent Mannlicher-Schönauer« (Steyr 1900); Günther, Bergmanns Rückstoßlader (Berl. 1900); Preuß, Notizen über die fremdländischen Gewehre (Wien 1902); Kaisertreu, Die prinzipiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen (das. 1902); v. Kirchner, Die wichtigsten Daten über sämtliche Waffen der österreichisch-ungarischen Kriegsmacht und H. der europäischen Staaten (Triest 1901); »Das deutsche Infanteriegewehr 98« (Münch. 1903); Kovařik, Beiträge zur Lösung der europäischen Gewehrfrage (Leipz. 1903); »Kurze Beschreibung des Repetiergewehrs M/95 nebst Ausführung der hauptsächlichsten konstruktiven Unterschiede vom Repetiergewehr M/88. 90 und der dadurch bedingten Änderung in der Ausbildung« (2. Aufl., Wien 1903). Eine gute Übersicht über die Entwickelung der H. bietet v. Hefner-Alteneck, Waffen. Ein Beitrag zur historischen Waffenkunde vom Beginn des Mittelalters bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts, 100 Tafeln nach gleichzeitigen Originalen, mit Text (Frankf. a. M. 1903) u. die »Zeitschrift für historische Waffenkunde« (hrsg. von Boeheim, Dresd. 1897 f.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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