- Elektrische Eisenbahn
Elektrische Eisenbahn (hierzu Tafel »Elektrische Eisenbahnen«), eine Eisenbahn, deren Räder durch einen auf die Achse wirkenden Elektromotor in Drehung versetzt werden. Den ersten Versuch mit einer solchen stellte Werner Siemens 1879 gelegentlich der Berliner Gewerbeausstellung an. Sein gutes Gelingen veranlaßte ihn, 1881 eine elektrische Bahn in Betrieb zu nehmen, die den Anhalter Bahnhof in Großlichterfelde mit der dortigen Kadettenanstalt verband. Da aber die Zuleitung des Stromes durch eine im Bahndamm isoliert verlegte Mittelschiene mancherlei Übelstände, ja Gefahren veranlaßte, so führte die Firma Siemens u. Halske bei einer 1882 in Charlottenburg angelegten Bahn dem Motor durch einen an Masten isoliert befestigten Draht den Strom zu, indem sie ihn durch einen vom Eisenbahnwagen auf dem Draht fortgezogenen Laufwagen abnehmen ließ. Ebenso verfuhr sie auch bei den 1882–84 dem Betrieb übergebenen Bahnen Mödling-Brühl bei Wien, Frankfurt a. M. – Offenbach, bei der Ofen-Pester Stadtbahn und einigen Grubenbahnen. Da sich aber bei den noch unvollkommenen Einrichtungen die Betriebskosten der neuen Bahnen zu hoch stellten, so sah man in Deutschland vom Bau weiterer ab. Dagegen nahm man nun in Amerika die Sache mit Eifer auf. 1884 wurde dort die erste elektrische Bahn in Betrieb gesetzt, und 1892 bestanden bereits 450 solcher Bahnen mit 500 km Gleislänge und 6700 Motorwagen. Die Errungenschaften der Neuen kamen bald auch der Alten Welt zugute, und gegenwärtig hat der elektrische den Dampf- und Pferdebetrieb auf Straßenbahnen wohl gänzlich verdrängt. Ende 1902 waren im Deutschen Reich 130 Städte oder Bezirke mit elektrischen Bahnen versehen, die gesamte ein- oder mehrgleisige Streckenlänge betrug 3800 km, und es liefen darauf 12,500 Motor- und 8000 Anhängewagen, während die Gesamtleistung ihrer elektrischen Maschinen sich auf 124,000 Kilowatt stellte. Österreich-Ungarn verfügte im Sommer 1903 über elektrische Bahnen mit einer Streckenlänge von 656,06 km. 1902 wurde auf der Valtellina-Linie (Colico-Tirano) am Comersee die erste nach dem Hochspannungs-Drehstromsystem erbaute elektrische Vollbahn eröffnet.
Jede elektrische Bahn bedarf einer den Strom liefernden Dynamomaschine und einer Anzahl Motoren, die die Wagen fortbewegen, indem der ihnen zugeführte Strom ihre Anker in Drehung setzt, endlich einer Drahtleitung oder einer Sammlerbatterie, um den Strom der Maschine direkt oder indirekt auf den Motor zu übertragen. Die Motoren sind meist Gleich strommotoren, ihre Schaltung, wie die der Dynamomaschine, ist Hauptstromschaltung, doch wird, je länger, je mehr, auch Drehstrom verwendet, namentlich dann, wenn die Bahnen lang sind und eine bedeutende, aber gleichmäßige Steigung haben (Jungfraubahn). Seine Anwendung erfordert freilich drei Zuleitungsdrähte, während für Gleichstrom ein einziger genügt, da bei ihm die Rückleitung durch die Schienen erfolgen kann. Auch gewöhnlichen Wechselstrom (Einphasenstrom) hat man neuerdings namentlich in Amerika zum Betrieb elektrischer Bahnen verwendet. Zur Fortschaffung größerer Wagenzüge, wie bei Grubenförderung, bei Vorspannlokomotiven für gewöhnliche Eisenbahnzüge zur Überwindung kurzer, aber starker Steigungen, bei Ersatzlokomotiven für längere Tunnel, die man vom Rauch der Dampflokomotiven frei halten will, etc., benutzt man elektrische Lokomotiven, Wagengestelle, die nur den oder die Motoren nebst dem Führersitz tragen. Eine solche von Sprague angegebene zeigt Fig. 1 der Tafel. Bei Straßenbahnen bringt man einen oder zwei Motoren unterhalb ihres Bodens an den Wagen an (Motorwagen) und läßt sie, wenn nötig, ein oder zwei gewöhnliche Wagen (Anhängewagen) mitschleppen. Den Motor würde man ohne weiteres auf die Radachse aufsetzen können, wenn sein Anker langsam genug herumliefe. Da dies aber nur dann der Fall ist, wenn er eine größere Anzahl von Magneten, also einen verhältnismäßig großen Durchmesser hat, so muß man seine Achsen mit den Radachsen durch Riemen, Gelenkketten oder Zahnräder kuppeln. Die Art, wie dies bei der Lichterfelder Bahn mit Ketten geschah, um den Motor auf beide Achsen wirken zu lassen, ergibt sich aus Fig. 2 der Tafel, die einen Wagen zur Hälfte im Durchschnitt, zur Hälfte in der Ansicht zeigt. Gegenwärtig wendet man nur noch Zahnräder an mit Zähnen aus gepreßtem Leder oder Papiermasse, die nur in geringem Maße Stöße und durch sie hervorgerufene Geräusche beim Eingriff geben. Da der Motor wegen seiner Lage unter dem Wagen mancherlei Beschädigungen, namentlich solcher durch Staub oder Schmutz ausgesetzt ist, so schließt man ihn in ein eisernes Gehäuse ein (Kapselmotor), und da der Eingriff der Zähne, also der Abstand beider Achsen gesichert bleiben muß, so gibt man dem Gehäuse einen lagerartigen Ansatz, der die Radachse umfaßt. Das Gehäuse besteht aus zwei durch ein Gelenkverbundenen Hälften, die miteinander verschraubt werden können, und bildet zugleich das Joch und die Pole des Feldmagneten. Textfigur 1 zeigt den Motor mit dem geöffneten Gehäuse und der Radachse, mit dem größern der beiden Zahnräder und dem Anker mit dem Getriebe auf seiner Welle. Das nach einem hohlen Zylinder geformte, im Deckel sichtbare Stück ist der obere Polschuh der Feldmagneten, der von der auf einen rechteckigen Rahmen gewickelten Spule umgeben ist.
In der untern Hälfte des Gehäuses befinden sich die nämlichen Teile. Mit dem Wagengestell ist das Gehäuse durch starke Blatt- oder Schraubenfedern verbunden, so daß auch bei den während der Fahrt unvermeidlichen Erschütterungen des Wagens der Eingriff der Zähne gesichert bleibt. Auch das Räderwerk wird durch eine gut schließende Blechhülle, von der nur die untere Hälfte gezeichnet ist, vor der schädlichen Einwirkung von Staub und Schmutz geschützt.
Die Versorgung des Motors mit Gleichstrom erfolgt am bequemsten durch einen oberirdisch aufgespannten Leitungsdraht (Fahrdraht), während die Schienen die Rückleitung übernehmen. Da aber bis vor kurzem die größern Städte das Ziehen solcher Drähte nicht zuließen, so mußte in ihnen mit Sammlerwagen oder unterirdischer Stromzuführung gefahren werden. Man richtete die Wagen zugleich für oberirdische Stromzuführung ein, wenn solche außerhalb der Städte oder in weniger belebten Straßen gestattet wurde.
Die Anwendung von Sammlern gewährte zwar den Vorteil, daß man die auf den Streckenmit Fahrdraht vom Wagen nicht verbrauchte elektrische Energie in den Sammlern aufspeichern konnte, doch wurde er reichlich durch die Notwendigkeit des mitzuführenden toten Gewichts und der mit Benutzung des Sammlers verbundenen Gefahren aufgewogen. Konnte es doch zu leicht geschehen, daß durch zwei in Berührung kommende Drähte Kurzschluß entstand, und daß die durch den nun in ihnen auftretenden überaus starken Strom in Glut geratenden Drähte den Wagen in Brand setzten, oder daß die mit den vom Sammler aufsteigenden Gasen mitgerissene Schwefelsäure in den Wagen geriet und dessen Insassen zur Flucht zwang. Es war deshalb ebensowohl im Interesse der Bahnen als in dem der Fahrgäste, daß die Städte ihren Widerstand aufgaben und die allgemeine Verwendung oberirdischer Stromzuführung gestatteten. Gegenwärtig wird die bei weitem größte Zahl der elektrischen Bahnen mittels oberirdischer Leitung betrieben.
Bei ihr wird der Fahrdraht mit Hilfe von Isolatoren an eisernen, wagerecht liegenden Trägern befestigt, die von mehr oder weniger reich ausgebildeten eisernen oder auch nur von hölzernen Masten gehalten werden. Den Strom nimmt eine Rolle (Trolley), eine Mulde oder ein Bügel ab, deren aus Stahl rohren gebildete Halter mittels eines Gelenkes am Wagen befestigt sind und die Federn gegen den Fahrdraht drücken. Fig. 2 zeigt die Einrichtung der Rolle. Sie wird durch eine von dem gabelförmigen Ende des Rohres getragene Achse gehalten und durch zwei seitlich angebrachte Blattfedern gegen den Fahrdraht gedrückt.
Die Befestigung des Rohres am Wagen ist aus Fig. 3 ersichtlich. Sein unteres Ende bildet ein einarmiger Hebel, an den eine starke Schraubenfeder angreift und, indem sie ihn stets in die Höhe zu ziehen sucht, die Rolle gegen den Fahrdraht preßt. Das Rohr ist auf einer um eine senkrechte Achse drehbaren, in die Decke des Wagens eingelassenen Scheibe befestigt und kann mit ihr mittels einer an dem Rohr unterhalb der Rolle angelegten Schnur, welche die Rolle vom Fahrdraht abzuziehen erlaubt, behufs Änderung der Fortbewegungsrichtung des Wagens herumgelegt werden. Die Mulde wird durch das vertiefte Ende des den Strom zum Wagen leitenden Halters gebildet. Sie gleitet am Fahrdraht hin, ebenso wie der Bügel, dessen Form und Befestigung am Wagen aus Fig. 4 erhellt. Auch ihn drücken Schraubenfedern gegen den Fahrdraht; da diese aber schwächer sein können, so legt sich der Bügel von selbst um, sobald der Wagen seine Bewegungsrichtung ändert. Der Bügel ist von Siemens u. Halske eingeführt und breitet sich immer mehr aus, seitdem man sich überzeugt hat, daß der ihm gemachte Vorwurf des unschönen Aussehens gegenstandslos ist
Kontaktrolle wie Bügel verlangen eine Aufhängung des Fahrdrahtes, die ihnen gestattet, auch an den Befestigungsstellen mit ihm in ungestörter Berührung zu bleiben. Für Rollenkontakt benutzt die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft in Berlin die in Fig. 5 u. 6 dargestellte Aufhängevorrichtung, während Siemens u. Halske für den Bügel die in Fig. 7 abgebildete eingeführt haben. Bei beiden wird der Draht durch Klemmhaken gehalten, welche Schrauben zusammenpressen.
Bei Fig. 5 u. 6 (in letzterer erscheint der Draht gegen Fig. 5 um 90° gedreht) trägt die Backen ein (weiß gelassener) Zylinder von Stabilit. Er steckt in dem Hohlraum des eisernen Kopfes, der nach Art der Telegraphenisolatoren mit einem den Regen abhaltenden Schirm versehen ist, außerdem aber zwei Flanschen zur Aufnahme von Litzen aus verzinntem Eisendraht besitzt, die den Träger an den Masten oder an Häusern mittels besonderer Spannvorrichtungen befestigen. Fig. 7 ist mit einer Mutter zur Befestigung an einem Porzellanisolator ausgerüstet. Bei Rollenkontakt muß der Fahrdraht stets genau über die Mitte der Bahn gelegt werden, um Entgleisungen vorzubeugen. Auch bedarf die Rolle an den Weichen oder in starken Krümmungen Hilfsdrähte.
Trotzdem wird sie oft, namentlich in Kurven, einen seitlichen Druck auf den Fahrdraht ausüben, der, weil er stets an der nämlichen Stelle erfolgt, zu Drahtbrüchen Veranlassung geben kann. Den Bügel muß man mit einer Hülle aus weichem Metall versehen, die etwa alle 14 Tage zu erneuern ist. Man hat in seiner Mitte auch wohl eine Rolle angebracht, auf die sich der Draht in geraden Strecken legt. In solchen halten die Drähte bei Rollenbetrieb höchstens 10, in Kurven höchstens 6–8 Jahre. Bei Anwendung von Bügeln dauern sie länger, müssen aber doch alle 12 Jahre erneuert werden, da das Kupfer mit der Zeit spröde wird.
Die unterirdische Stromzuführung gibt nicht zu den durch Drahtbruch herbeigeführten Gefahren Veranlassung, sie bietet außerdem den Vorteil der Zurückführung des Stromes zur Maschine durch einen guten Leiter.
Von den für ihre Herstellung gemachten Vorschlägen beschreiben wir den, welchen Siemens u. Halske 1891 zum Betrieb der Straßenbahn in Ofen-Pest und später einer kleinen Strecke in Berlin ausgeführt haben. Fig. 8 zeigt den Durchschnitt des Bahnkörpers mit den Schienen, darauf ein Räderpaar mit der Kontaktvorrichtung. Das diese nicht tragende Rad findet Führung in einer in Beton eingebetteten Rillenschiene, das sie führende in dem Schlitz einer ebenso gelagerten Doppelschiene. Unter diesem Schlitz befindet sich ein ebenfalls in Beton hergestellter Kanal, in dem die |– förmigen Zu- und Ableitungsschienen liegen. Jene sind in gewöhnlicher Weise befestigt, diese werden durch Porzellanglocken getragen, die in geeigneten Abständen in besondern Kammern neben dem Kanal sich befinden. Da die Kammern durch leicht abnehmbare Deckel verschlossen werden, kann man jederzeit zu ihnen gelangen. Der Kanal ist so tief, daß das in ihn eindringende Tagewasser ohne die Schienen zu berühren abfließen kann. Den Stromabnehmer bildet eine Platte, die an ihrem untern Ende zwei voneinander isolierte Metallzungen trägt, die besondere Ausschalter mit den zum Motor führenden Leitungen verbinden. Zwei Federn pressen sie gegen die Schienen und legen sie an die Platte an, wenn diese aus dem Kanal herausgehoben werden soll. Um den Wagen ohne Zeitverlust von der unterirdischen zur oberirdischen Stromleitung überführen zu können, sind selbsttätige Ein- und Ausschalter angeordnet, welche die Zungen aus-, den Bügel einschalten. Solche Schlitzsysteme sind auch von dem Hör der Bergwerks- und Hüttenverein und der Union Elektrizitätsgesellschaft in Berlin ausgearbeitet; die letztere hat das ihrige 1896 auf einer kurzen Strecke in Berlin, 1897 auf einer 21 km langen in Brüssel in Betrieb gebracht.
Die großen Anlagekosten der Schlitzsysteme, die Schwierigkeit der Herstellung ihrer Weichen führte zu dem Versuche, sie durch die billigern Teilleitersysteme zu ersetzen. Zwar wird bei diesen der Strom auch unterirdisch zugeführt, aber dies geschieht durch ein gewöhnliches Kabel. Außer diesem ist eine Reihe von Knöpfen aus leitendem Material vorhanden, die in gleichen Abständen aus dem Pflaster zwischen den in gewöhnlicher Weise verlegten Schienen herausragen und so lange mit dem Kabel in leitende Verbindung gesetzt werden, als sich der Wagen über ihnen befindet. Eine unter diesem angebrachte Metallschiene oder Kette von einer Länge, die den Abstand zweier Knöpfe übertrifft, schleift dann über diese hin und führt dadurch den Strom dem Motor zu, dessen Rückleitung die Schienen übernehmen. Die Verbindung des Kabels mit den Knöpfen geschieht durch Kontakte, deren einer Teil mit dem Kabel, deren andrer mit dem Knopf in Berührung steht, und welche durch den vorüberfahrenden Wagen geschlossen werden. Dies kann, wie bei einer in Wolverhampton ausgeführten Versuchsstrecke, auf mechanische Weise geschehen, indem ein am Wagen befindlicher Arm in einen die Kontakte bergenden, im Pflaster verlaufenden Schlitz greift und sie zum Schluß bringt (mechanisches System). Häufiger hat man vom Wagen ausgeübte magnetische Wirkungen benutzt, die den Anker eines Elektromagneten in Bewegung setzen und so den Kontakt herstellen (Relaissystem) oder den Knopf magnetisch machen und ihn einen unter ihm liegenden Anker anziehen lassen (Elektromagnetsystem). Besondere Elektromagnete dienen auch bei einigen Konstruktionen dazu, den Kontakt wieder zu beseitigen, sobald der Wagen den betreffenden Knopf passiert hat. Den zur Herbeiführung dieser magnetischen Wirkungen notwendigen Strom liefert eine auf dem Wagen befindliche Sammlerbatterie. Das Relaissystem ist in einer ihm von Schuckert u. Komp. gegebenen Form versuchsweise kurze Zeit in München, in einer von der Union Elektrizitätsgesellschaft in Berlin herrührenden ebenso in Monte Carlo betrieben worden. Diattos Elektromagnetsystem ist in Paris eingeführt, wo 1902 die Diattogesellschaft über ein Netz von 80 km Länge verfügte.
Die Wagen werden mit Hilfe der Kontroller in Bewegung gesetzt und wieder angehalten, von denen je einer auf den beiden Plattformen des Wagens angebracht ist. Der Kontroller besteht aus einer in einem Gehäuse eingeschlossenen, durch eine Kurbel drehbaren Walze aus isolierendem Stoff, auf der eine Reihe Metallplatten von verschiedener Länge aufgelegt sind. An der innern Wand des Gehäuses sind ebenfalls isoliert eine Reihe kupferner Federn befestigt, die bei Drehung der Walze in verschiedener Weise über ihre Platten hinschleifen. Zu den Federn gehen Leitungsdrähte vom Motor und von ihm vorzuschaltenden Widerständen, die Platten stehen mit dem Fahrdraht in Verbindung. Durch Drehung der Walze kann also dem Motor der Strom beim Abfahren zunächst unter Einschaltung der Widerstände zugeführt werden, die auszuschalten sind, sobald er seine volle Geschwindigkeit erreicht hat, und umgekehrt beim Anfahren. Bei Wagen mit zwei Motoren können diese mit Hilfe des Kontrollers neben- oder hintereinander geschaltet werden. Ein in seinem Gehäuse vom Strom erregter Elektromagnet (Bläser) treibt etwa entstehende Öffnungsfunken zur Seite und läßt sie rasch erlöschen. Der den Kontroller bedienende Fahrer hat also nichts zu tun, als die Kurbel mit entsprechender Geschwindigkeit in der einen oder andern Richtung zu drehen, eine unter ihr liegende schwache Feder, die in Einkerbungen des Gehäusedeckels einschnappt, macht ihm die Stellungen kenntlich, an denen er anzuhalten hat. Eine zweite vom Fahrer bediente Kurbel betätigt die Backenbremse. An beiden Enden besitzt der Wagen meist aus Drahtnetzen bestehende Fangvorrichtungen, die beim Anhalten des Wagens oder auch mittels besonderer Vorrichtungen auf die Schienen herabgelassen werden und einen vor den Wagen gefallenen Gegenstand fortschieben oder aufheben.
Neuerdings ist man dazu übergegangen, auch Vollbahnen anstatt mit Dampf mit Elektrizität zu betreiben, Personen mittels Motorwagen, Güter mittels elektrischer Lokomotiven zu befördern. In Europa benutzt man dazu Gleichstrom, der durch eine Mittel- oder Seitenschiene nebst Gleitschuh zu-, durch die Räder und die sie tragenden Schienen wieder abgeleitet wird. So war z. B. auf der 12 km langen Wannseebahn von Berlin nach Zehlendorf ein elektrischer Vollbahnbetrieb versuchsweise eingerichtet. Täglich 15mal verkehrte auf ihr ein Zug, der aus neun dreiachsigen Vorortswagen bestand und seinen Antrieb durch zwei 100pferdige Motorwagen erhielt, von denen der eine seine Spitze, der andre sein Ende bildete. Gegenwärtig findet ein ähnlicher Betrieb auf der Strecke Berlin-Lichterfelde statt. In Amerika hat man zur Verminderung der Betriebskosten den Gleichstrom durch hochgespannten Wechselstrom. ersetzt, dessen hohe Spannung durch Umformer, die in den Wagen oder längs der Bahn aufgestellt sind, entsprechend herabgesetzt, oder der in Gleichstrom zur Speisung der Motoren umgeformt wird. Die dabei vielfach in Anwendung gekommene Methode der Regelung der Motoren, also getrennter Einheiten von einer Zentralstelle aus, hat man die der Multiple-Unit genannt.
Mit Hilfe des elektrischen Betriebes lassen sich viel größere Geschwindigkeiten erreichen als mit Anwendung von Dampf. Die hierüber von Siemens u. Halske und namentlich auf Veranlassung der 1902 gegründeten Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen auf der Militärbahn Berlin-Marienfelde-Zossen angestellten Versuche haben Geschwindigkeiten von 210 km in der Stunde erreichen lassen, nachdem der Oberbau der Bahn durch einen stärkern ersetzt worden ist. Zur Verwendung ist Drehstrom gekommen, Fig. 3 der Tafel zeigt einen der Motorwagen mit den zweimal drei Kontaktarmen. Der Kraftbedarf schwankte beim Anfahren zwischen 550 und 1000 Pferdestärken, während bei gleichförmiger Fahrt der Wagen bei einer Geschwindigkeit von 90 km 245, bei einer solchen von 140 km dagegen 707 Pferdestärken verbrauchte. Für solche Schnellfahrten haben Siemens u. Halske auch besondere Lokomotiven gebaut.
Um den nicht selten verderblichen Wirkungen der bei Rückleitung des Stromes durch die Schienen von diesen sich in die Erde verbreitenden Strömen (vagabundierenden Strömen) zu begegnen, überbrückt man die Schienenstöße mit Kupferdrähten oder wendet eine zweite Dynamomaschine (Zusatzdynamo) oder eine Sammlerbatterie (Pufferbatterie) an, die verhindern sollen, daß an weit voneinander entfernten Punkten der Schienen große Spannungsunterschiede auftreten und den Strom in beträchtlicher Stärke aus den Schienen heraustreiben. Die Schutzmittel gegen Unglücksfälle, zu denen Drahtbrüche Veranlassung geben können, sowie die zur Verwendung kommenden Blitzableiter sind die auch sonst bei Starkstromleitungen üblichen. Der brummende Ton, den man während der Fahrt vernimmt, der höher bei rascher, tiefer bei langsamer Bewegung des Wagens ist, hat seine Ursache darin, daß bei jeder Umdrehung des Motors die Hälften seines Ankers einmal ihren Magnetismus umkehren und dadurch wie die Zinken einer Stimmgabel in regelmäßige Schwingungen versetzt werden.
Die Anlagekosten von 1 km einfachen Gleises mit den Weichen belaufen sich auf 20–26,000 Mk., die von 1 km Doppelgleises auf 34–46,000 Mk. Die Ausrüstung solcher Bahnen mit Stahlmasten, Rosetten, Ausschaltern, Blitzableitern etc. und deren Montage kostet 12–18,000 Mk., bez. 18–26,000 Mk. für 1 km, mit Holzmasten und Zubehör 6–12,000 Mk., bez. 12–18,000 Mk. Der Preis eines zweiachsigen Motorwagens für 30 Personen mit einem Motor ist 10–12,000 Mk., der eines solchen mit zwei Motoren 12–15,000 Mk., der eines vierachsigen Wagens für 40 Personen mit zwei Motoren 16,600 Mk., der eines Anhängewagens mit 44 Plätzen 3300 Mk. Der Stromverbrauch stellt sich bei Steigungen bis zu 500/00 auf 450–600 Wattstunden für 1 Motorwagenkilometer, fällt aber auf ebener Bahn auf 240 Wattstunden. Hat jede Achse des Wagens einen Motor, so sind Steigungen von 880/00 noch zu bewältigen, ist nur jede zweite Achse mit einem Motor versehen, nur 440/00. Wendet man Sandstreuer an, so steigern sich diese Werte auf 1000/00, bez. 500/00. Anhängewagen wirken so, als hätte man nur die Hälfte der Motoren zur Verfügung. Die Gesamtausgaben für Zugkosten, ausschließlich Amortisation und Verzinsung betragen für 1 Motorwagenkilometer 7–12 Pf., für 1 Anhängewagenkilometer 2,5–3,5 Pf. Als Reparaturkosten sind 3–4 Pf. für 1 Motorwagenkilometer zu rechnen. Die Einnahmen schwanken bei den verschiedenen Bahnen zwischen 20 und 70 Pf. für 1 Zugkilometer.
Oberirdischer Leitungen bedürfen auch die elektrischen Omnibusse, elektrische Bahnen, die ohne Vermittelung von Schienen auf dem Straßenkörper laufen. Sie sind mit einer Lenkvorrichtung für die Vorderachse versehen, sowie mit zwei Leitungsdrähten für Zu- und Ableitung des Stromes, wenn sie nicht durch Sammler betrieben werden sollen. Die das 2,8 km lange Bielatal in der Sächsischen Schweiz befahrenden, nach der Angabe Schiemanns von Siemens u. Halske gebauten derartigen Wagen tragen an den Enden zweier leichten Stahlrohre mit Schmierung versehene Schlitten, die auf dem Dache des Wagens befestigte Federn gegen den Fahrdraht drücken. Die Stahlrohre sind so leicht beweglich angebracht, daß der Wagen bis zu 3 m seitwärts von seinem gewöhnlichen, ihm durch die Fahrdrähte vorgezeichneten Weg abweichen kann, ohne außer Verbindung mit der Kraftquelle zu kommen. Auch das Drehen der Wagen zur Rückfahrt bewerkstelligt sich ohne Schwierigkeit.
Vgl. Siemens u. Halske, Elektrische Bahnen (Berl. 1900); Schiemann, Bau und Betrieb elektrischer Bahnen (3. Aufl., Leipz. 1900–1903, 2 Bde.); Krämer, Die mechanischen und elektrischen Konstruktionen für elektrische Eisenbahnen (das. 1900); Corsepius, Die elektrischen Bahnen (Stuttg. 1900); Hellmann, Der elektrische Kraftwagen. Konstruktion, Bau und Betrieb (Berl. 1901); Zehme, Handbuch der elektrischen Eisenbahnen (Wiesb. 1902 ff., 4 Bde.); Roloff, Elektrische Fernschnellbahnen (Halle 1902); Meyer, Der elektrische Betrieb von Fernschnellbahnen (das. 1902); »Elektrische Bahnen«, Zeitschrift für das gesamte elektrische Beförderungswesen (Münch. u. Berl., seit 1903).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.