Stimmgabel

Stimmgabel

Stimmgabel (Diapason), ein nach Gerber im 18. Jahrh. von John Shore erfundenes, aus Stahl gabelartig zweizinkig gearbeitetes, unten mit einem Stiel von gleicher Masse versehenes Instrument, das, wenn seine beiden Zinken durch Anschlagen in Vibration gesetzt werden, einen sanften, einfachen Ton von bestimmter Tonhöhe gibt. Im Prinzip ist eine S. ein u-förmig zusammengebogener tönender (schwingender) Stab (s. Wellenbewegung, stehende, und Schwingung) mit zwei Knotenpunkten zu beiden Seiten des Stiels. Die zwischen ihnen befindliche schwingende Abteilung hat wegen ihrer großen Masse nur geringe Länge. Überträgt der Stiel die Schwingungen auf eine Tischfläche oder einen Resonanzkasten, so nimmt die Schallstärke bedeutend zu, da nunmehr die Fläche, welche die Schwingungen an die Luft überträgt, und somit auch die an die Luft übertragene Energiemenge beträchtlich größer ist. Zur Bestimmung der Schwingungsanzahl einer S. kann z. B. die Sirene oder das Monochord dienen oder das Einzeichnen der Schwingungen durch eine leichte angekittete Schreibspitze in eine vorbeigeführte berußte Fläche (Glastafel, Papiertrommel etc.), in die auch eine Sekundenuhr Marken einzeichnet (schreibende S.), oder auch die Stimmgabeluhr, bei der ein Sperrzahn an der S. das Steigrad eines mit Tourenzähler verbundenen Räderwerks antreibt; ferner optische Methoden, wie die photographische Auszeichnung der Schwingungen, die Herstellung Lissajousscher Figuren mit einer zweiten Gabel von bekannter Schwingungszahl etc. Die zum Stimmen musikalischer Instrumente benutzte S. ist auf den Kammerton, das eingestrichene a von 435 Schwingungen in 1 Sekunde abgestimmt. Zur Eichung einer neuen S. nach einer vorhandenen Normalgabel, die z. B. durch die Physikalisch-technische Reichsanstalt in Berlin ausgeführt wird, wird die neue S. so lange geändert, z. B. durch Beifeilen, bis sie mit der Normalgabel keine Schwebungen mehr gibt. Scheiblers Tonmesser besteht aus einer Reihe von Stimmgabeln (z. B. von 256–512 Schwingungen), von denen je zwei aufeinander folgende um je 4 Schwingungen voneinander verschieden sind und daher miteinander in einer Sekunde 1–4 Schwebungen oder Stöße geben; findet man nun z. B., daß eine S. von noch unbekannter Schwingungszahl mit der S. von 432 Schwingungen 3 Schwebungen, mit der folgenden von 436 Schwingungen nur eine Schwebung gibt, so weiß man, daß ihre Schwingungszahl 435 sein muß. Man kann auf diese Weise die Schwingungszahlen aller Töne, die in den Bereich des Instruments fallen, genau bestimmen. Appun in Hanau liefert Tonmesser, in denen die Stimmgabeln durch weit billigere Zungen ersetzt sind. Unter Umständen finden statt Stimmgabeln auch einfache gerade, tönende Stäbe Anwendung, wie bei der sogen. Stiftgeige, der Glasharmonika, dem Königschen Apparat zur Bestimmung der höchsten hörbaren Töne etc.

Die Tonhöhe einer Glocke, Hauptton wie Nebenton, ist nach dem Gehör sehr schwer zu ermitteln, denn die Glocke gibt bei dem heftigen Anschlag des eisernen Klöppels einen unbestimmten Grundton, der um so zweifelhafter erscheint, je mehr der sogen. Interton der Glocke von dem Oktavenverhältnis zum Hauptton abweicht. Nun läßt aber die Glocke alle ihre Haupt- und Nebentöne einzeln stark erklingen, sobald man einen schwingenden Tonkörper, dessen absolute Schwingungszahl mit einem dieser Töne, deren die Glocke fähig ist, zusammenfällt, mit dem Glockenkörper in Berührung bringt. Appun wendet daher zur Ermittelung der Tonhöhe der Glocken Stimmgabeln an, deren Tonhöhe durch Laufgewichte (Schieber) höher oder tiefer gestimmt werden kann. Die Stimmgabeln sind in sehr starken Dimensionen ausgeführt und mit Holzschallgriffen, welche die Schwingungen der Gabeln auf die Glocke übermitteln, versehen. Die ganze Reihe von zehn Stimmgabeln umfaßt eine kontinuierliche Tonreihe von c bis g3 (31/2 Oktaven), die durch Laufgewichte auf beiden Gabelzinken dargestellt wird. Die rechte Gabelzinke bezeichnet die chromatische Tonleiter in temperierter Stimmung mit Angabe der mathematisch genauen Schwingungszahl von Halbton zu Halbton. Die linke Gabelzinke zeigt die Differenzen von einem zum andern Halbton durch eine Millimeterteilung an, so daß man die Schwingungszahl eines zwischen den Halbtönen liegenden Tones genau feststellen kann. Mit diesem Apparat lassen sich die Tonhöhe des Haupttons und die der Nebentöne mit Sicherheit bestimmen. Über andre Anwendungen der S. s. Phonautograph, Phonisches Rad. Der Stimmgabelunterbrecher (elektromagnetische S.) ist nach dem Prinzip des magnetischen Hammers eingerichtet.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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