Tabaksteuer

Tabaksteuer

Tabaksteuer. Als entbehrliches, aber doch in großen Mengen verbrauchtes Genußmittel bildet der Tabak ein finanziell sehr ergiebiges und geeignetes Mittel der Besteuerung. Letztere kommt vor in der Form der

1) Handelsbesteuerung, am einfachsten durchgeführt in England, wo schon seit 1652 (ebenso für Irland mit einer Unterbrechung von 1799–1831, dann für Schottland seit 1782) der Tabakbau verboten ist und die Steuer durch reine Verzollung (daher auch der Name Monopolzoll) in Verbindung mit Lizenzen erhoben wird. Aus dieser Form der Besteuerung zieht England jährlich gegen 200 Mill. Mk. oder etwas über 5 Mk. pro Kopf. In Portugal bestand das gleiche System 1864–84. Schweden, das seinen Tabak größtenteils aus Rußland bezieht, erhebt nur einen Zoll, dagegen keine innere Abgabe, ohne jedoch den Tabakbau zu verbieten. Die von Händlern und Fabrikanten erhobenen Lizenzen können überhaupt nur die Bedeutung von Ergänzungssteuern haben, da sie eine Belastung nach der Steuerfähigkeit, bez. dem Geschäftsumfang nicht ermöglichen, daher mäßige Sätze nicht überschreiten dürfen. In andern Ländern bildet der Tabakzoll eine Ergänzung der innern Verbrauchssteuer.

2) Die Rohprodukten- oder Pflanzungssteuer. (Urproduzentensteuer) trifft die inländischen Erzeugnisse an Rohtabak entweder in der Form der Flächen- oder in der der Gewichtssteuer. Die Flächensteuer wird nach der Größe der mit Tabak bepflanzten Fläche bemessen, wobei auch noch Abstufungen nach der Ertragsfähigkeit des Bodens statthaben können. Im übrigen nimmt sie keine Rücksicht auf die von Jahr zu Jahr wechselnde Menge und auf die Qualität des erzeugten Tabaks. Diese Steuer bestand in Preußen seit 1828, nachdem seit 1819 nach dem Gewicht besteuert worden war, im Zollverein von 1868 bis 1879. Sie wurde 1879 durch die Gewichtssteuer ersetzt, die nach dem Gewicht der fermentierten, fabrikationsreifen Blätter und zwar mit 45 Mk. für 100 kg Tabak und 65 Mk. für Surrogate bemessen wird, während die Flächensteuer für kleine Pflanzungen von weniger als 4 Ar Flächengehalt mit 4,5 Pf. Steuer für das Quadratmeter als Regel beibehalten wurde. Das zu erwartende Ergebnis wird an Ort und Stelle vor der Ernte amtlich eingeschätzt. Später findet amtliche Nachzählung und Verwiegung statt. Der Ertrag belief sich 1901 auf 13,034,1902: 12,287, 1903: 11,587, 1904: 11,347, 1905: 12,369 Mill. Mk. und ist für 1907 etatisiert auf 11,197 Mill. Mk. Der daneben von dem aus dem Auslande kommenden Tabak erhobene Zoll mit 85 Mk. für Tabakblätter, 180–270 Mk. für Fabrikate ertrug 1905: 70,077 Mill. Mk. Steuer und Zoll ergaben 1905 nach Abzug der Rückvergütung mit 365,000 Mk.: 82,157 Mill. Mk., was einer Belastung von 1,35 Mk. pro Kopf gleichkommt, ein im Verhältnis zu den Einnahmen andrer Staaten aus der T. sehr mäßiger Betrag. In Belgien wurde bis vor kurzem die Steuer nach der Pflanzenzahl bemessen. Diese Steuer nimmt keine Rücksicht auf die Qualität und beengt durch ihre Kontrollen den Tabakbau (Kulturzwang, Pflanzung in Reihen und gleichen Abständen, Verbot der Mischung mit andern Pflanzen, Vollendung des Köpfens und Ausgeizens vor Erhebung der Blätterzahl, Vernichtung aller vor der Ernte stattfindenden Abfälle etc.). Seit Gesetz vom 17. April 1896 hat Belgien eine Gewichtssteuer mit 15 Fr. von 100 kg getrocknetem Tabak. Flächen- wie Gewichtssteuer reizen bei hohen Steuersätzen zur Verschlechterung des versteuerten Rohtabaks durch Beimengungen, gestatten nicht eine richtige Bemessung der Ausfuhrvergütung, bedingen oft lange dauernde Steuervorschüsse und sind nicht geeignet, die im Tabakkonsum liegende Steuerfähigkeit entsprechend zu treffen.

3) Die Fabrikatsteuer, die in den Vereinigten Staaten seit 1868, in Rußland seit 1877 besteht, in Deutschland 1893 und 1895 seitens der Reichsregierung geplant wurde, wird nach Gewicht und Form der aus der Fabrik in den Handel übergehenden Fabrikate (Rauch-, Schnupftabak, Zigarren etc.) erhoben. Bei derselben lassen sich Stempelmarken (Banderollen) anwenden, die der Fabrikant von der Behörde bezieht und an seinen Waren in der Art anbringt, daß sie bei dem Verbrauch zerstört werden müssen, was bestimmte Vorschriften über die Verpackung etc. sowie eine scharfe Kontrolle des Tabakhandels nötig macht. Die Fabrikatsteuer ermöglicht eine wenn auch nicht sehr weitgehende Unterscheidung der Qualitäten sowie eine genauere Bemessung der Ausfuhrvergütung, auch ist ihre Erhebung dem wirklichen Verbrauch zeitlich nahegerückt. Dagegen beansprucht sie lästige und teure, bis zum Tabakbau sich erstreckende Kontrollen, begünstigt durch ihre Technik den Großbetrieb und bringt leicht den Tabakbauer in Abhängigkeit von letzterm. Sie gibt allerdings wesentlich höhere Erträge als die unter 2) genannte Steuerart. So bezog Rußland 1904 etwa 46 Mill. Rubel, Nordamerika 1903: 45 Mill. Doll. = 2,4 Mk. pro Kopf aus derselben.

4) Die Besteuerung des Tabaks auf dem Wege der Monopolisierung wurde in Frankreich schon 1674 eingeführt, wo sie mit kurzen Unterbrechungen (1719–23 und 1723–30) bis 1791 bestand und 1810 durch Napoleon I. wieder ins Leben gerufen wurde. Das Tabakmonopol besteht ferner in Österreich-Ungarn und zwar in einzelnen Landesteilen ob der Enns schon seit 1670, in allen Ländern diesseit der Leitha seit 1828 und in der gesamten Monarchie seit 1851, in Spanien seit 1730, in Mexiko seit 1764, in Italien seit 1865 (ursprünglich verpachtet, seit 1884 von der Regierung in eignen Betrieb genommen), in Rumänien seit 1865, in der Türkei seit 1884 (Verpachtung auf 30 Jahre), in Serbien seit 1885 (ebenfalls mit Verpachtung an eine Gesellschaft). In Portugal wurde das Monopol bereits 1664 eingeführt und neuerdings nach der oben (unter 1) erwähnten Unterbrechung 1864–84 (seit 1891 an eine Gesellschaft verpachtet). Die Erträgnisse des Monopols sind sehr groß; sie betragen z. B. in Frankreich rein etwas über 250 Mill. Mk. oder 6,9 Mk. pro Kopf, in Italien ca. 160 Mill. Mk. oder 5 Mk. pro Kopf, in Österreich 115 Mill. Mk. = 4,3 Mk. pro Kopf, in Ungarn 100 Mill. Mk. = 4,3 Mk. pro Kopf. Diese Besteuerungsform kommt (abgesehen von Guatemala und Nicaragua, wo ein Rohtabakhandelsmonopol besteht) nur als volles Tabakmonopol vor, d. h. der Staat behält sich das ausschließliche Recht des Ankaufs heimischen Rohtabaks, der Einfuhr fremder Tabake und das der inländischen Tabakfabrikation vor, um in der Regel durch Vermittelung von konzessionierten Verkäufern (Ausnahme Portugal, wo der Handel frei ist) den Tabak zu Preisen zu verkaufen, die einen Überschuß über die Kosten als Steuer ergeben. Die Einfuhr ausländischer Tabakfabrikate ist in Frankreich ganz verboten, in Österreich nur ausnahmsweise gegen Lizenzen gestattet. Der Tabakbau wird im Inland nur in bestimmten Anbaubezirken gegen Staatserlaubnis und unter Kontrolle gestattet, die Erzeugnisse desselben sind gegen alljährlich von der Verwaltung festgesetzte Preise an diese abzuliefern. Für und gegen das Tabakmonopol lassen sich im wesentlichen die Gründe vorführen, die überhaupt für und wider die Monopolisierung geltend gemacht werden. Es gestattet Kostensparung durch Zentralisierung und Minderung des Zwischenhandels (Frankreich hat nur 16 Staatsfabriken mit etwa 18,000 Arbeitern, während in Deutschland die Verarbeitung der doppelten Menge Rohtabaks sich auf fast 11,000 selbständige Betriebe mit etwa 110,000 beschäftigten Personen verteilt), es erspart Kosten der Kontrolle und Erhebung, gewährt Sicherheit gegen Fälschung, es ermöglicht, den Steuerfuß der Qualität anzupassen und ihn nach Bedarf zu ändern, endlich, und darin besteht seine eigentlich praktische Bedeutung, läßt es die vollständigste Ausbeutung einer ergiebigen Steuerquelle zu. Dagegen kann die Monopolisierung mit den Schattenseiten verknüpft sein, die dem weniger beweglichen Staatsbetrieb mit seiner bureaukratischen Beamtenwirtschaft überhaupt anhaften. In Deutschland hat man gegen das Monopol auch geltend gemacht, es möchte die Staatsgewalt allzusehr alle andern Lebenskreise überwuchern. Wichtiger ist der Einwand, daß hier Industrie und Handel in Tabaken sich lebhaft entwickelt haben und infolgedessen nicht allein die Frage der Entschädigung große Schwierigkeiten bereiten, sondern auch die Änderung in der Steuerform erhebliche wirtschaftliche Umwälzungen bewirken würde.

Vgl. Mayr, Das Deutsche Reich und das Tabakmonopol (Stuttg. 1878) und Tabak und Tabakbesteuerung, im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 7 (Jena 1901); M. Mohl, Denkschrift für eine Reichstabakregie (Stuttg. 1878); Felser, Das Tabakmonopol und die amerikanische T. (Leipz. 1878) und Zur Tabaksteuerfrage (das. 1878); H. Pierstorff, Entwickelung der Tabaksteuergesetzgebung in Deutschland seit Anfang dieses Jahrhunderts, in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie« (Jena 1879); Mährlen, Die Besteuerung des Tabaks im Zollverein (Stuttg. 1868); R. Schleiden, Zur Frage der Besteuerung des Tabaks (Leipz. 1878); Krükl, Das Tabakmonopol in Österreich und Frankreich (Wien 1879); Creizenach, Die französische Tabaksregie (Mainz 1869); Aufseß, Über die Besteuerung des Tabaks (Leipz. 1878); Reinhold, Das Tabaksteuergesetz vom 16. Juli 1879 (2. Aufl., das. 1891); »Bericht der deutschen Enquetekommission über die Tabakbesteuerung vom 22. Dez. 1878« (6 Bde.); Lewinstein, Die Belastung des Tabaks in den europäischen Staaten (Berl. 1894); Graf, Die Tabakbesteuerung in Deutschland (in den »Annalen des Deutschen Reiches«, Münch. 1901 u. 1902); Possanner, Das Tabakverschleißwesen in Österreich (Wien 1901); Lissner, Die deutsche Tabakssteuerfrage (Leipz. 1907).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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