- Nähmaschine
Nähmaschine, eine Maschine zur Herstellung von Nähten, durch die Stoffe zusammengenäht oder verziert werden. Beim Maschinennähen bildet der Nadelfaden, wenn die Nadel den Stoff durchstochen und nun wieder aus ihm heraustreten will, eine Schlinge, indem der im Stoff steckende Faden durch die Reibung zurückgehalten und durch das Nadelöhr emporgezogen wird. Um eine Naht zu bilden, muß nun durch die erzeugte Schlinge ein zweiter Faden hindurchgeführt werden, der es verhindert, daß die Schlinge wieder aus dem Stoff herausgezogen wird, oder es müssen zu gleichem Zwecke die einzelnen nacheinander entstehenden Schlingen miteinander verknüpft werden.
Im ersten Falle hat man es mit Zweisadennähmaschinen, die in Schnurstich- und Doppelsteppstich-Maschinen unterschieden werden, und im letztern Falle mit Einfaden- oder Kettenstich-Maschinen zu tun. Da sichere Schlingen bildung für die fehlerfreie Erzeugung einer Naht unbedingt notwendig ist, so hat man der Maschinennadel eine Gestalt gegeben, durch die dies Erfordernis gewährleistet wird. Außerdem wendet man aber noch verschiedene andre darauf hinzielende Sicherheitsmaßregeln an. Die gewöhnliche, je nach ihrer Bewegungsart gerade oder gekrümmte Maschinennadel hat auf einer Seite (Fig. 1) eine lange Nut, die den von der Garnrolle kommenden Faden aufnimmt, wodurch längs dieser Nut die Schlingenbildung verhindert wird. Auf der andern Seite der Nadel, die dem Schlingenfänger zugekehrt ist, soll der mit dem Stoffe verbundene Faden eine Schlinge werfen, und dies ermöglicht der kleine, unmittelbar über dem Ohr in der langen Nut sitzende Höcker. Die kurze Nadelnut, der langen gegenüberliegend, dient lediglich zur Schonung des Fadens durch Aufnahme desselben während des Durchstechens des Stoffes. Organe, durch die ein zweiter Faden in die Nadelfadenschlinge eingeführt oder mit deren Hilfe die Verbindung einer Schlinge mit der andern ermöglicht wird, heißen Schlingenfänger. Sie unterscheiden sich voneinander in Gestalt und Arbeitsweise je nach der Art des zu bildenden Stiches. Für den allgemeinern Gebrauch kommen nur drei Sticharten in Betracht: der Kettenstich, der Schnurstich und der Doppelsteppstich.
Der Kettenstich oder Tamburierstich, seines kettenartigen Aussehens wegen so genannt, bedarf je nach der Stoffstärke und Stich länge an Garn das 31/2-4fache der Nahtlänge. Er kann hergestellt werden mit tels eines rotierenden oder oszillierenden Greifers und mittels einer Häkelnadel in Verbindung mit einem Schlingenleger. In den beiden ersten Fällen hat der Schlingenfänger die Nadelfadenschlinge nicht allein zu erfassen, sondern auch so lange festzuhalten und dabei auszudehnen, bis die Nadel beim nächsten Stich in die offen gehaltene Schlinge eingetreten ist, und dann die neue Schlinge zu erfassen, welch letztere somit nun in der ersten sitzt und diese bindet. Dieser Vorgang, an einem Wilcox u. Gibbs-Greiser gezeigt, wird durch Fig. 2 erläutert.
Auf dem letzterwähnten Prinzip der Herstellung des Kettenstichs beruht Bonnaz' Tamburiermaschine und mehrere in der Lederindustrie benutzte Nähmaschinen. Während die Nadel noch in der letzten Schlinge steckt, wird der Nähfaden in den Haken der Nadel gelegt, die ihn nun durch die letzte Schlinge zieht und diese somit verriegelt (Fig. 3). Der Haken der Hakennadel ist etwas nach innen gebogen, und ihre Öffnung muß gerade von dem zu benutzenden Garn ausgefüllt werden. Eine Reihe fertig gebildeter Stiche veranschaulicht Fig. 4. Einmal hat der Greiser die Schlinge nicht erfaßt; es ist ein Fehlstich entstanden, von dem ab die vorhergehende Naht lösbar ist. Auch wenn man an dem freien Ende des Fadens zieht, läßt sich die ganze Naht wieder aurfrebbeln. Um dies zu verhüten, ist er durch Stiche von der Hand festzunähen. Kettenstichnähmaschinen finden wegen der elastischen Naht für Spezialzwecke vielfach Verwendung. Auf Tafel »Nähmaschinen II« ist in Fig. 7 eine solche Spezialmaschine abgebildet. Man gibt dem Wilcox u. Gibbs-Greiser zur Erzielung einer besonders elastischen Naht, wie solche bei Trikotnähereien verlangt wird, nach hinten eine zweite Spitze, die bewirkt, daß der Faden anzug sanfter geschieht. Der Schnurstich (Knoten-, Doppelkettenstich) bedarf je nach der Stoffstärke und Stichlänge an Garn das 41/2-6fache der Nahtlänge. Er kann hergestellt werden mittels einer öhrspitzigen Nadel in Verbindung 1) mit einer schwingenden, sogen. Zirkuliernadel, 2) mit einer zweiten öhrspitzigen Nadel mit zweifacher Bewegung. Eine Maschine der letztern Art ist auf der Tafel II, Fig. 3, abgebildet. Die Bildung des Stiches mit Hilfe der Zirkuliernadel von Grover u. Baker zeigt Fig. 5. Die letztere oszilliert infolge des Auf- und Abgleitens des Nadelarms längs einer schraubenförmig gewundenen Spindel, auf deren oberm Ende sie sitzt, um die obere Nadel in einem Bogen von etwa 240°. Die Verschlingung des untern Bindefadens mit dem obern Faden geschieht in der Weise (Fig. 6), daß der Bindefaden durch die erste Nadelfadenschlinge, dann um die zweite Schlinge herum, durch die erste zurück und in die zweite hineingeht. Es findet also eine Durchdringung u. Umschlingung der Oberfadenschlinge statt.
Diese anscheinend komplizierte Verschlingung der Fäden wird sofort klar, wenn man beachtet, daß, während die Zirkuliernadel noch in der ersten Schlinge sitzt, die obere Nadel hinter dem Faden der Zirkuliernadel einsticht, und diese sich nun aus der ersten Oberfadenschlinge herauswindet und dabei die obere Nadel also auch die nächste Schlinge derselben umschlingt. Ist das geschehen, so bildet die Obernadel eine Schlinge, in welche die Zirkuliernadel infolge einer Drehung, die der eben vollendeten entgegengesetzt ist, eindringt. So wiederholt sich das Spiel. In Fig. 6, die eine Reihe fertig gebildeter Stiche zeigt, bemerkt man zwei vorkommende Arten von Fehlstichen. Bei dem Fehlstich a ist die obere Nadel nicht in die Schlinge der Zirkuliernadel eingetreten; es macht sich solcher Fehlstich auf der obern Seite des Stoffes nicht bemerkbar.
Beim Fehlstich b ist die Zirkuliernadel nicht in die Schlinge der obern Nadel eingetreten, und infolgedessen wird diese Schlinge wieder nach oben gezogen, und es entsteht ein langer Stich. Auch die Schnurnaht ist lösbar; denn wenn man am Fadenende c zieht, so winden sich alle Schlingen des Unter- oder Bindefadens aus denen des Oberfadens heraus. Die Schnurnaht findet jetzt nur noch zur Erzeugung einer sehr elastischen Naht oder einer Ziernaht Verwendung. Im letztern Falle hat man sogar Schnurstich-Nähmaschinen mit doppelten Stichbildungsorganen angewendet.
Der Doppelsteppstich, nach dem gleichartigen Aussehen der Naht auf beiden Seiten des Stoffes be nannt, braucht an Garn je nach der Stoffstärke und Stichlänge das 21/2-3fache der Nahtlänge. Die Herstellung des Stiches erfolgt in der Weise, daß 1) ein zweiter Faden in die Schlinge des Oberfadens mittels eines Schiffchens (Langschiffchen), das den zweiten Faden auf einer Spule in seinem Innern birgt, geführt wird; 2) der Oberfaden mittels eines Greifers um eine ruhende, den zweiten Faden aufnehmende Spule herumgezogen wird; 3) der Oberfaden mittels eines greiferähnlichen Schiffchens (Greiferschiffchen) um eine mit diesem bewegliche, den zweiten Faden fassende Spule gezogen wird. Je nachdem einer dieser Schlingensänger zur Herstellung des Doppelsteppstiches verwendet wird, hat man es mit einer Langschiffchen-, Greiser- oder Greiferschiffchenmaschine zu tun. Die einzelnen Gattungen der Schlingensänger zerfallen in weitere besondere Arten:
Die Abbildungen 7–14 zeigen einige charakteristische Schlingenfänger. Fig. 7 stellt ein seitlich offenes Geradlangschiffchen mit eingelegter Spute dar. Der Faden erhält die für den Anzug des Stiches erforderliche Spannung teils durch die Lagerung der Spule zwischen einem Piston und der hintern Schiffchenwand, teils durch die innen liegende Blattfeder.
Die äußere Blattfeder dient lediglich zur Leitung des Fadens, damit dieser, während das Schiffchen seinen Weg hin und her macht, nicht mit der Nadel oder dem Stoffschieber in Kollision gerate. Fig. 8 veranschaulicht ein hinten offenes Bogenlangschiffchen (Zylinderschiffchen).
Dabei liegt die Spule lose im Schiffchen, und der Faden erhält durch die äußere Feder Führung und Spannung zugleich. Bei dem Ringschiffchen (Fig. 9) ist auf dem umklappbaren Deckel desselben die Fadenspannfeder angebracht. Durch den im Deckel innen vorspringenden Rand, gegen den die Spule mittels einer zarten Blattfeder angedrückt wird, wird die Spule gefangen, gehalten. Fig. 10 stellt einen rotierenden Ringgreifer mit Treiber dar. Der erstere besitzt in der Mitte einen Zapfen, auf den die Spule nebst der sie umgebenden Kapsel, welche die Spannungsfeder trägt, aufgeschoben wird.
Das Ganze wird durch einen vorgeschobenen Hebel gegen ein Abgleiten vom Zapfen des Greifers gehalten. Bei dem in Fig. 11 dargestellten oszillierenden Ringgreifer wird das Spulengehäuse (Kapsel) mittels eines auf ihm befindlichen, unter Federdruck stehenden Schiebers dadurch mit dem Zapfen des Greifers gekuppelt, daß dieser mit einer Nut versehen ist, in die der Schieber ein greift. Das Spulengehäuse ist in Fig. 12 abgebildet. Mit dem auf demselben befindlichen Dorn wird es, gegen Drehung geschützt, in eine dafür vorgesehene Öffnung der Greiferbahn gelegt. Eine andre Verkuppelung des Spulengehäuses mit dem Greifer zeigen Fig. 13 u. 14; sie kommt bei der Phönix-M-Maschine (Tafel II, Fig. 2) vor.
Hierbei hat das Spulengehäuse eine Rippe, mit der es in eine im Kessel des Greifers befindliche Nut ein greift.
Das Gehäuse wird von der Seite in die Nut eingeschoben und durch ein Verschlußstück in dieser gehalten.
Bei Schiffchenmaschinen geschieht der Anzug des Unterfadens durch das Ausfahren des Schiffchens; Greifermaschinen haben zu diesem Zweck Nasen oder ansteigende Kanten am Greifer, über die der Unterfaden entlanggleitet und dabei im angemessenen Augenblick aus der Spule gezogen wird. Auch geschieht bei einigen Greifermaschinen der Anzug des Unterfadens mittels eines besondern, ihn erfassenden, mit Fadensänger ausgestatteten Schiebers. In welcher Weise der Oberfaden mit dem Unterfaden verriegelt wird, ersieht man aus den Fig. 15 u. 16. In Fig. 16 ist auch ein Fehlstich abgebildet. Das Nichterfassen der Nadelfadenschlinge hat nur einen langen Stich zur Folge, auf die Festigkeit der Naht ist dies ohne Einfluß.
Diese Eigenschaft des Steppstichs in Verbindung mit seinem geringen Garnverbrauch stellt ihn für den allgemeinen Gebrauch über den Ketten- und Schnurstich. Langschiffchenmaschinen jeder Art nähen vor- und rückwärts, weil der Schlingenfänger mit dem Unterfaden innerhalb der Oberfadenschlinge bleibt, stets den einfachen Doppelsteppstich. Dagegen nähen solche Maschinen, bei denen der Unterfaden sich von vornherein außerhalb der Nadelfadenschlinge befindet und erst dadurch in die Schlinge gerät, daß der Oberfaden mittels des Schlingenfängers über die Unterfadenspule gezogen wird, vor- oder rückwärts nicht immer den einfachen, sondern bisweilen den verknoteten Doppelsteppstich, der in Fig. 17 abgebildet ist.
Einer besondern Erläuterung bedarf die Schlingenbildung (Fig. 18 u. 19) der ältern, auf der Tafel I, Fig. 8 abgebildeten Wheel er u. Wilson-Maschine mit gebogener Nadel, weil bei dieser erst die nachfolgende Schlinge die vorhergehende weg- und zuzieht. Die erste Schlinge wird nämlich durch eine an den Greiferrand sich legende Bürste so lange aufgehalten, bis die zweite Schlinge von der Greiferspitze erfaßt ist, und nun kann die erste Schlinge zwischen Bürste und Greiser hindurchschlüpfen, weil ein zurückspringender Teil, die Fadenabfallfläche des Greifers, an die Bürste gelangt ist.
Von den sonst noch zu erwähnenden Nähten seien die Überwend- und die Ziernaht hervorgehoben. Erstere wird besonders zur Besäumung von Knopflöchern angewendet.
Es wird dabei entweder der Stoff unter der Nadel hin und her geführt, oder die Nadel erhält außer der Bewegung in der Richtung ihrer Achse eine Bewegung quer dagegen. In beiden Fällen sticht die Nadel abwechselnd einmal in die Öffnung und dann auf den Rand des Knopfloches ein, wodurch sich um den Rand desselben eine Naht bildet. Eine solche Maschine zeigt die Tafel II in Fig. 5. Auch mit Hilfe eines Schlingenlegers kann die Überwendnaht hergestellt werden. Ziernähte der verschiedensten Art können leicht erzeugt werden, wenn man der Nadelstange außer ihrer gewöhnlichen Bewegung eine veränderliche Querbewegung erteilt, und wenn man gleichzeitig einen Stoffschieber anwendet, der den Stoff in verschiedener Stichlänge bald vorwärts, bald rückwärts schiebt. Außer den Stichbildungsorganen (Nadel- und Schlingenfänger) bedarf jede N. eines Mechanismus, der den Stoff vorschiebt, sobald die Nadel im Begriff ist, den Stoff zu verlassen. Dies ist der Stoffschieber. In der Regel besteht dieser aus einer gerade geführten hin und her sowie auf und ab gehenden (Wilsons Viereckbewegung) Schiene, auf der ein verzahnter, in der Höhe verstellbarer Lappen sitzt, der direkt den Vorschub des Stoffes besorgt. Die Bewegung der Schiene ist teils kraftschlüssig, teils zwangläufig. Bei schnellgehenden Maschinen (3000 Stiche in der Min nie) muß sie ganz zwangläufig sein. Die Transportierung kann auch durch ein periodisch sich drehendes, sein verzahntes Rad (Schubrad) geschehen, oder endlich mit Hilfe des gezahnten, bei einigen Maschinen sogar nach jeder Richtung sich einstellenden Presserfußes. Der Ausschlag des Stoffschiebers, d.h. seine Einstellung auf die gewünschte Stichlänge, wird durch den Stichsteller geregelt; jedoch bei den Stoffschiebern mit Viereckbewegung in verschiedener Weise. Der größte Ausschlag (größte Stich) des Stoffschiebers wird von dem Anfangs- und Endpunkt seiner Bewegung bestimmt. Nun kann man den Weg des Stoffschiebers entweder dadurch verkürzen, daß man ihn vom Anfangspunkt des größten Stiches seine Bewegung beginnen und vor dem Endpunkt aufhören läßt, oder dadurch, daß man die Bewegung im Endpunkt aufhören, aber hinter dem Anfangspunkt beginnen läßt. Beide Arten der Stichänderung sind im Gebrauch; die letztere ist die einfachere, nur noch selten angewendete (Tafel I, Fig. 3). Dabei wird der Stoffschieber von einer unrunden Scheibe bewegt und bei kleinerm Stich mittels des Stichstellers von derselben abgerückt, so daß ihre Exzentrizität nicht vollständig ausgenutzt wird. Die zweite Art der Stichänderung kann auf viererlei Weise geschehen, die hier zu besprechende ist die beste und am meisten angewendete. Da bei liegt gegen den Stoffschieberexzenter, durch den der Vorschub geregelt wird, ein Hebel, der mit der Stoffschieberschiene verkuppelt ist und der einen veränderlichen Drehpunkt hat. Die Verschiebung des letztern mittels des Stichstellers gestattet die Ausnutzung der Exzentrizität des Vorschubexzenters zur Stichänderung innerhalb gegebener Grenzen. Stoffschieberkonstruktionen der letztern Art zeigt die untere Ansicht der Maschine 2 auf Tafel I. Mittels des unter Federdruck stehenden Stoffpressers (Tafel I. Fig. 8, und Tafel II, Fig. 4) wird der Stoff auf den Stoffschieber niedergedrückt; durch einen Hebel läßt er sich, um entweder die Naht zu verfolgen oder den Stoff zu entfernen, hoch heben.
Der während der Stichbildungsperiode für die Nadel und den Schlingenfänger benötigte lose Faden und seine Beiseiteschaffung nach der Stichbildung erfolgt durch den Fadengeber, indem dieser den Weg des Fadens zwischen Spannungsapparat und Nadelöhr abwechselnd verkürzt und verlängert. Durch die Verkürzung des Weges wird loser Faden beschafft. Die Einschaltung eines Fadengebers in den durch Öfen etc. vorgeschriebenen Weg des Fadens, d.h. in die Fadenleitung, macht diese, da der Fadengeber selbst beweglich sein muß, beweglich. Meistens besteht der Fadengeber aus einem schwingenden Hebel, der von der Nadelstange oder einem Kurvengetriebe (Tafel I, Fig. 6, und Tafel II, Fig. 4) seine Bewegung erhält. Geschieht die Fadengebung ohne Hebel, also direkt durch die Nadelstange, so ist vor dem Nadelöhr entweder eine Klemmspannung nötig, die den Faden so lange festhält, bis die Nadelspitze in den Stoff sticht und ihn dann freigibt, oder eine Fadenanzugsfeder, die den von der Nadelstange zu früh lose gemachten Faden wegzieht, und die gegen einen Anschlag stößt, sobald die Nadel in den Stoff sticht, um dieser den ferner lose werdenden Faden zur Verfügung zu lassen. Für schnell nähende Greifermaschinen hat man mit gleichförmiger oder ungleichförmiger Geschwindigkeit rotierende Fadengeber konstruiert. Hierbei wird der Fadenweg dadurch abwechselnd verkürzt und verlängert, daß die bewegliche, innerhalb zweier den Faden einschließenden Scheiben liegende und mit diesen sich drehende Fadenstütze ihren Ort gegen zwei feste Fadenstützen wechselt. Gleichförmig rotierend ist die Bewegung des Fadengebers dann, wenn auch der Schlingenfänger zwar gleichförmig umläuft, sich aber während des einmaligen Auf- und Niederganges der Nadel zwei- oder dreimal dreht; letzteres lediglich zu dem Zwecke, Stoße in der Maschine, die sich aus der ungleichförmigen Bewegung ergeben, zu vermeiden.
Eine Maschine dieser Art zeigt Tafel I, Fig. 10, und Tafel II, Fig. 1. Rotiert der Schlingenfänger mit ungleichförmiger Geschwindigkeit, so auch der rotieren de Fadengeber, und zwar unter Anwendung der mechanischen Mittel, die auch für den Schlingenfänger benutzt werden. Einen Fadengeber letzterer Art, bei der Phönix-M-Maschine (Tafel II, Fig. 2) an gewendet, zeigt Fig. 20 u. 21. Ist die Fadenleitung wie bei der ältern Wheeler u. Wilson-Maschine (Tafel I, Fig. 8) unbeweglich, so wird der während der Stichbildungsperiode nötige lose Faden vom Schlingenfänger gleich anfangs (Fig. 18 u. 19) von der Garnrolle abgezogen, und es wird, wie schon erwähnt worden ist, der vorhergebende Stich erst durch den nachfolgenden fertig gebildet. Da die Spannung des Fadens für das Gelingen der Naht von größtem Einfluß ist, so sind bei jeder N. auch Spannungsapparate für den Ober- und Unterfaden nötig. Bei der Besprechung der Schlingenfänger ist auf die Unterfadenspannung schon hingewiesen worden. Der Oberfaden erhält seine Spannung dadurch, daß man ihn entweder zwischen Scheiben festklemmt, oder daß man ihn einmal um die Nut einer sich drehenden, unter Federdruck stehenden Scheibe schlägt, oder endlich, daß man ihn mehrmals um die Mantelfläche eines Rotationskörpers windet. In allen Fällen ist die Reibung, die der angezogene Faden zu überwinden hat, die Ursache der Spannung. Mittels Spannungsauslösungen wird in den beiden ersten Fällen, meistens durch Anhub des Stoffpresserhebels, die Spannungsvorrichtung außer Tätigkeit gesetzt, wenn man den Stoff von der Maschine entfernen will. Für das Aufspulen des Unterfadens auf die besondern Spulen sind eigne Spuler erforderlich. Dieselben sind für die Greiser und Greiferschiffchenmaschinen von einfacher Konstruktion. Für diese besitzen sie eine vom Schwungrad angetriebene Welle, auf welche die Spule aufgesteckt wird, und die Leitung des Fadens auf die Spule geschieht meistens von der Hand, was auch wegen der geringen Breite derselben vollkommen genügt. Für die längern Schiffchenspulen, jedoch auch für breitere Greiferspulen hat man die selbsttätige Aufwickelung des Fadens eingeführt. Besonders haben sich die Carterspuler bewährt. Ihre Konstruktion beruht darauf, daß der Faden, nachdem er durch eine zarte Klemmspannung gegangen ist, über einen parabolischen Leitsteg und von diesem auf die sich drehende Spule gelangt. Vermöge des Leitstegs legt sich Faden an Faden, und verbürgt wird diese regelmäßige Aufwindung noch durch eine gegen die Spule sich legende, federnde Klappe, die allmählich von der sich füllenden Spule zurückgedrängt wird und bei voller Spule eine Klinke auslöst, die bisher den Spuler an das Schwungrad angepreßt gehalten hat. Nach der Auslösung hört das Spulen von selbst auf. Da während des Aufspulens das Mitlaufen der Maschine unnötig ist, so läßt man das Schwungrad während des Spulens lose auf der Welle laufen und verkuppelt dasselbe während des Nähens mit der Maschine durch die Radauslösung, die eine Sperr- oder Friktionskuppelung sein kann. Für besondere Näharbeiten, als Säumen, Kappen, Bandaufnähen, Bandeinfassen, Kräuseln, Falten, Schnuraufnähen, Zierstichnähen etc. werden den Nähmaschinen teils besondere Füßchen, teils besondere Blechapparate beigegeben.
Neuerdings hat man die N. mit Vorteil für Stopf- und Stickarbeiten und ganz kürzlich auch für Häkelarbeiten verwendet. Das Stopfen und Sticken geschieht mittels eines Rahmens, in den der Stoff eingespannt wird. Dieser wird nun in der notwendigen Stichlänge von der Hand unter der Nadel hin und her geschoben, nachdem man zuvor den Stoffpresser und Stoffschieber unwirksam gemacht und eine lose Spannung gegeben hat. Es gibt gegenwärtig Nähmaschinen für alle Bedürfnisse der Industrie. Man kann die Gesamtzahl von Nähmaschinengattungen auf über 300 schätzen. Beim Handbetrieb der N. sind Rädervorgelege mit einer Übersetzung von 21/2 ins Rasche im Gebrauch. Ein charakteristiches Beispiel hierfür ist die Handmaschine »Meinen« (Tafel I, Fig. 1 u. 2). Beim Fußbetrieb ruht die Maschine auf einer Holzplatte, die auf ein eisernes Gestell aufgeschraubt ist. Durch einen Tritt in Verb in dung mit einer Schubstange und Kurbelachse wird eine auf der letztern sitzende Schnurscheibe in Umdrehung versetzt, die vermöge eines Riemens ihre Bewegung auf die Schnurscheibe der Maschine überträgt. Die Übersetzung ins Rasche ist 1: 4 bis 1: 7. Zur Erzielung eines leichten Ganges haben mehrere Fabrikanten für die Trittstange und das Schwungrad des Gestells Kugellager angewendet.
Während die Handnäherin höchstens 50 Stiche in der Minute macht, kann die Maschinennäherin 500–600 und zeitweise sogar 1000 Stiche machen. Der Betrieb einzelner Maschinen durch Motoren kommt kaum in Betracht, obwohl Versuche nach dieser Richtung mit Feder-, Wasser-, Dampf- und elektrischen Motoren gemacht worden sind. Die Federmotoren sind zum Betrieb deshalb ungeeignet, weil die Energieaufnahmefähigkeit der Stahlfeder zu gering ist. Die Wassermotoren sind zu kostspielig und die Dampfmotoren belästigend im Betrieb. Der elektrische Betrieb durch kleine Dynamomaschinen, die neuerdings mehr in Aufnahme zu kommen scheinen, setzt eine Elektrizitätsanlage voraus, an die der mit der N. verkuppelte Dynamo angeschlossen werden kann. Der Antrieb durch galvanische Batterien oder Akkumulatoren ist wegen der vielfachen Unbequemlichkeiten der erstern und der Schwere der letztern ausgeschlossen. Bei dem Betrieb mehrerer Nähmaschinen durch Elementarkraft spielt die Art des Motors keine Rolle, von Interesse ist dabei nur der direkte Antrieb der Nähmaschinen. Diese sind auf einem Werktisch aufgestellt, und ihr An trieb erfolgt einzeln durch Riemenbetrieb von je einem Friktionsvorgelege. Alle Vorgelege werden von einer Transmissionswelle angetrieben, und ihre Verbindung kann mit jeder Maschine durch je einen Tritt oder Hebel gelöst oder hergestellt werden, so daß man die Maschine rasch in und außer Betrieb setzen kann. Die Geschwindigkeit, die man der N. im Einzelfalle geben darf, findet ihre natürliche Grenze in der Erhitzung der Nadel, die je nach der Weichheit und Porosität des Stoffes früher oder später ein tritt. Um die Erhitzungsgrenze hinauszuschieben, hat man für bestimmte Fabrikationszwecke die Nadel aufwärts vom Öhr dünn er gemacht, damit die Reibung derselben im Stoff vermindert werde. Als äußerste Geschwindigkeitsgrenze darf man 3–4000 Stiche in der Minute bei ganz weichen, porösen Stoffen annehmen. Nach Loos bedarf eine N. bei etwa 700 Stichen in der Minute inklusive der Transmission durchschnittlich 1/20. Pferdekraft, davon entfällt 1/3 auf die Maschine selbst, so daß diese 1/60 Pferdekraft zu ihrem Betrieb erfordert. Dies kann selbstverständlich nur als ein Näherungswert gelten, da die Art der Maschine und besonders die der Arbeit dabei ins Gewicht fällt. Für!6 Maschinen soll 1 Pferdekraft genügen.
Kennzeichnung einiger Nähmaschinensysteme
(Hierzu Tafel »Nähmaschinen I und II«.)
Tafel I, Fig. 1 u. 2. Handmaschine »Meißen« von Biesolt u. Locke in Meißen. Gerad-Langschiffchensystem mit ein- und ausrückbarem seitlichen Handbetrieb. Ist dieser ausgerückt, so kann die Maschine auch als Fußmaschine verwendet werden. Fadengeber durch Nadelstange bewegt, die von einer Herzkurve in Verbindung mit einer Kurbelscheibe und Reib rolle betätigt wird. Antrieb der untern Mechanismen geschieht von einer vertikalen Welle, die mit der Antriebswelle durch konische Räder verbunden ist. Teils kraftschlüssiger, teils zwangläufiger Stoffschieber. Der Schiffchenschlitten, verbunden mit dem Schiffchenkorb, läuft in einer Geradführung quer zum Stoffschieber und wird mittels eines gewöhnlichen Kurbelmechanismus angetrieben. Für den Hausgebrauch.
Tafel I, Fig. 3. Maschine »Dürkopp A« von Dürkopp u. Komp. in Bielefeld. Bogen-Langschiffchensystem für Fußbetrieb. Fadengeber durch Kurvenwalze bewegt. Schiffchenbewegung erfolgt durch zweiarmigen Hebel in Verbindung mit einem Winkelhebel, welcher der Exzenterstange angekuppelt ist, welche die Stoffschieberwelle dreht. Verkürzung des Stiches erfolgt durch Abrücken des Stoffschiebers vom Vorschubexzenter. Kraftschlüssiger Stoffschieber, der von nur einem Exzenter seine Viereckbewegung erhält. Für Hausgebrauch und Gewerbebetrieb geeignet.
Tafel I, Fig. 4 u. 5. Pfaff-Ringschiffchenmaschine von G. M. Pfaff in Kaiserslautern. Greiferschiffchensystem für Fußbetrieb. Fadengeber durch Kurvenwalze bewegt. Greiferschiffchen oszilliert in einem geschlossenen Ring; sein Antrieb erfolgt mittels eines mehrfachen Kurbelmechanismus. Zwangläufige Stoffvorschiebung. Die horizontale Bewegung des Stoffschiebers ist von der Antriebswelle, die vertikale Bewegung von der untern Nebenwelle abgeleitet. Für gewerbliche Arbeiten geeignet.
Tafel I, Fig. 6 u. 7. Maschine »Veritas« von Clemens Müller in Dresden. Bogen-Langschiffchensystem für Fußbetrieb. Fadengeber durch Kurvenwalze bewegt. Antrieb der untern Mechanismen erfolgt von einer oszillierenden vertikalen Welle, welche die schräg gekröpfte Antriebswelle mittels einer nachstellbaren Gabel umfaßt. Zwangläufiger Stoffschieber, der für den Hin- und Hergang von einem auf der horizontalen Welle sitzenden Bogenexzenter und für den Auf- und Niedergang von einer am Schiffchentreiber angebrachten Kurve betätigt wird. Für den Hausgebrauch und Gewerbebetrieb geeignet.
Tafel I, Fig. 8. Greifermaschine mit gebogener Nadel von der Aktiengesellschaft vormals Frister u. Roßmann in Berlin. Greifermaschine für Fußbetrieb. Unbewegliche Fadenleitung, daher ohne Fadengeber arbeitend. Kraftschlüssiger, gegabelter Stoffschieber. Näharm in zylindrischen, nachstellbaren Lagern laufend. Besonders für Weißzeugnäherei.
Tafel I, Fig. 9. Maschine »Viktoria« von H. Mundlos u. Komp. in Magdeburg. Bogen-Langschiffchensystem für Fußbetrieb mit Zylinderschiffchen. Fadengeber durch Kurvenwalze bewegt. Zwangläufiger Stoffschieber durch zwei Wellen betätigt. Die Vorschubwelle wird von der obern Welle aus bewegt. Stichstellung im Arm an gebracht. Welle für die vertikale Bewegung des Stoffschiebers von einer Kurve auf dem Schiffchentreiberhebel betätigt. Für Hausgebrauch und Gewerbebetrieb geeignet.
Tafel I, Fig. 10, und Tafel II, Fig. 1. Dürkopps Schnellnähmaschine von Dürkopp u. Komp. in Bielefeld. Greifersystem W & G, bei dem sich der Greiser links herumdreht und dessen Spitze sich hinter der Nadel befindet. Oberfadenschlinge wird beim Übergang über die Unterfadenspule um 180° gedreht, aber wieder zurückgedreht. Rückwärtsnähend bildet sich der verknotete Doppelsteppstich. Greiser macht drei Umdrehungen während des einmaligen Auf- und Abganges der Nadel. Antrieb der Greiferwelle durch Stifträder und gelochten Riemen. Gleichförmig umlaufender Fadengeber. Stichstellung durch Verschiebung eines Kreisexzenters senkrecht zur Hauptwelle. Zapfengelenke sind durch Blattfedergelenke ersetzt (Fig. 12). Maschine bis 2500 Stiche in der Minute machend, für Kraftbetrieb geeignet.
Tafel II, Fig. 2. Phönix-M-Maschine von Baer u. Rempel in Bielefeld. Greifersystem, bei dem sich der Greiser rechts herumdreht und seine Spitze sich vor der Nadel befindet. Oberfaden wird beim Übergang über die Unterfadenspule um 180° gedreht, aber wieder zurückgedreht. Vor- und rückwärtsnähend, bildet sich der einfache Doppelsteppstich. Antrieb der Greiferwelle von gekröpfter Hauptwelle durch geschlitzte Schubstange und Kulissenkurbel, Spulengehäuse mit Rippe versehen und in Nut des Greiferkessels laufend. Ungleichförmig umlaufender Fadengeber. Bis 2500 Stiche in der Minute, eignet sich für Kraftbetrieb.
Tafel II, Fig. 3. Schnurstichmaschine von E. Böttcher in Berlin mit zwei öhrspitzigen Nadeln. Maschine hat Säumer sowie Stoffabschneider. Sie ist als Zylindermaschine gebaut und dient daher zum Nähen von wollenen Schlauchwaren, die einer besonders elastischen Naht bedürfen. Zwangläufiger Stoffschieber. Fadengebung durch die Nadel stange.
Tafel II, Fig. 4. Phönix-Ringgreifermaschine von Baer u. Rempel in Bielefeld. Ringgreifermaschine nach Wheeler u. Wilson-System. Greiser liegt exzentrisch zum Treiber und rotiert ungleichförmig infolge der Verbindung der hintern untern Welle mit der vordern Greiferwelle durch eine sogen. Kurbelkuppelung. Stoffschieber schiebt vor- und rückwärts. Stoffpresserlüfter. Umklappbarer Garnrollenstift. Für Tuch- und Lederarbeiten geeignet.
Tafel II, Fig. 5. Doppelsteppstich-Knopflochnähmaschine »Perfecta« von James Gutmann in Bernn. Besäumung des Knopflochs geschieht durch seitlich schwingende Nadel und Vorschub desselben mittels Stoffklemme, deren Fortbewegung von unterhalb der Nähplatte befindlichen Mechanismen erfolgt. Verriegelung an beiden Enden des Knopflochs. Ist dasselbe auf beiden Seiten besäumt und sind beide Enden verriegelt, so trennt eine selbsttätig wirkende Schneideeinrichtung die Saumkanten voneinander. Maschine rückt bei höchstem Nadelstande selbsttätig aus. Sie ist für Wäschefabrikation bestimmt. Leistung: 1500–2000 Knopflöcher in 10 Stunden.
Tafel II, Fig. 6. Interlock Überwendlich-Nähmaschine der Union Nähmaschinenfabrik, G.m.b. H. in Stuttgart. Die Maschine dient zum Besäumen der Kanten von Trikotwaren oder zum Zusammennähen von stumpf aneinander stoßenden Waren mittels Überwendstichs. Der Nadelfaden wird über die Stoffkante durch einen quer zur Naht schwingenden Greifer gezogen und mit einem durch einen Vorleger im Zickzack gelegten Faden verkettelt. Für letztern ist wie für den Nadelfaden eine besondere Fadengebung vorgesehen. Der Stoffschieber ist ganz zwangläufig. Um die Naht recht elastisch ausfallen zu lassen, befindet sich vor den Stoffschieberzähnchen eine Reihe Stoffstauchzähnchen, die eine eigne Bewegung gegenüber den erstern haben und dadurch den Stoff stauchen. Maschine für Kraftbetrieb bestimmt, macht 3000 Stiche in der Minute.
Tafel II, Fig. 7. Kettenstichmaschine von E. Böttcher in Berlin mit zweifpitzigem Wilcox u. Gibbs-Greiser, automatischer Spannung mit kontrollierbarer Fadenausgabe. Fadenhebel u. Stoffabschneider. Zur Fabrikation von Wollwaren und Trikotagen geeignet.
Hygienisches. Die gewerbliche Nähmaschinenarbeit, bei der die Maschine durch den Fuß bewegt wird, erzeugt bei gefunden Mädchen und Frauen nicht selten allerlei nervöse Störungen (Herzklopfen, Ohrensausen, Kreuz- und Lendenschmerzen), besonders aber werden die Unterleibsorgane betroffen. Unterleibskranke Frauen werden fast immer geschädigt. Bei großer Anstrengung treten Beschäftigungsneurosen ein, Muskelschmerzen, Störungen in der Ernährung der Muskeln etc. Überanstrengung des Herzens kann zu dauerndem Siechtum führen. Bei anhaltender Nähmaschinenarbeit treten oft auch Verdauungsstörungen auf, unter denen die Gesamternährung leidet. Ebenso werden Unterleibskrankheiten erzeugt, und für schwangere Frauen ist die Nähmaschinenarbeit sehr schädlich. Jugendliche Personen leiden nicht selten durch die lange vornübergebeugte Haltung, die zu Verkrümmungen, hoher Schulter etc. führt. Alle Schädigungen treten in erhöhtem Maß auf bei sehr langer Arbeitszeit, bei Beschäftigung zu junger Mädchen, in schlechten Arbeitsräumen, beim Zusammenarbeiten mit Tuberkulösen und bei durch den geringen Verdienst gebotener schlechter Ernährung. Die Schädigungen, welche die Nähmaschinenarbeit als solche hervorruft, lassen sich fast vollständig vermeiden, wenn die Maschine durch einen Motor angetrieben wird.
Geschichtliches. Die ersten Versuche, auf mechanischem Wege zu nähen, datieren aus dem Ende des 18. Jahrh., 1790 nahm Th. Saint ein englisches Patent auf eine Maschine zum Sohlennähen, die mit einem endlosen Faden arbeitete und wahrscheinlich den Kettenstich herstellte. J. Madersperger in Wien benutzte zuerst (1807–39) zwei Fäden zur Bildung einer Naht und lehnte sich an das Verfahren des Webens an. Er bediente sich auch schon der öhrspitzigen Nadel. Seine Maschine, die zum Abnähen von Steppdecken bestimmt war, hatte wegen ihrer konstruktiven Unvollkömmenheit keinen Erfolg. Thimonnier baute 1830 eine brauchbare, den Kettenstich herstellende Maschine, die angeblich in 80 Exemplaren ausgeführt wurde und besonders zur Herstellung von Militärkleidung benutzt wurde. Mit wirklichem Erfolg löste Howe 1845 das Problem des Maschinennähens, weil er die richtige Idee zu dessen Lösung erfaßte und sie auch konstruktiv in genügender Weise auszuführen verstand. Hunt in New York hatte 1834 eine Maschine nach Howes Prinzipien gebaut, aber keinen Erfolg erzielt. Howe benutzte zu seiner Maschine als Stichbildungsorgan eine Nadel, an der das Ohr sich nahe an der Spitze befand, und ein Weberschiffchen. Unvollkommen war bei seiner Maschine die nicht kontinuierliche Stoffvorschiebung. Sie geschah mittels einer durch Trieb und Zahnstange bewegten Heftplatte, auf die der Stoff aufgesetzt wurde. Diese, auf die Länge der Zahn stange beschränkte Transportweise, die überdies nur das Nähen gerader Nähte gestattete, mußte der allgemeinen Einführung der N. hinderlich sein. Singer verbesserte 1851 die Stoffvorschiebung durch die Anwendung eines unterhalb des Stoffes befindlichen, sein gezahnten Schaltrades in Verbindung mit einem unter Federdruck stehenden, auf den Stoff drückenden Stoffpresserfuß. Da jedoch hierbei der Stoff beständig unter Druck auf dem Transportrad liegt, so ist dessen Lenkbarkeit ungenügend. Dies erkennend, ersann Wilson 1852 den kontinuierlich wirkenden Stoffschieber mit Viereckbewegung, der, weil er nach Vollendung jeden Stiches unter die Nähplatte sinkt, der Lenkbarkeit des Stoffes nicht hinderlich ist. Wickersham erfand 1853 die Transportierung von oben, indem er den gezahnten Drückerfuß als Stoffschieber benutzte. Mit diesen Erfindungen war der Nähmaschinenbau zu einem vorläufigen Abschluß gelangt. Die weitere Ausbildung der Schlingenfänger war bei dem Streben, die Howeschen Patente zu umgehen, auch nicht vernachlässigt worden. Wilson hatte schon 1851 den Greifer zur Herstellung des Doppelsteppstichs und Grover 1852 die Zirkuliernadel zur Erzeugung des Schnurstichs erfunden. Gibbs folgte 1857 mit der Erfindung des Kettenstichgreifers. Diese wertvollen Erfindungen haben in kurzer Zeit die N. für Gewerbe und Familienzwecke gebrauchsfähig gemacht und erklären die so schnelle Entwickelung der Nähmaschinenindustrie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Hier waren bis 1859 bereits 104,000 Maschinen erzeugt und abgesetzt worden. Da die Kettenstichnähmaschinen den Nachteil der leicht lösbaren Naht haben, die Schnurstichmaschinen zu viel Garn verbrauchen und die Wheeler u. Wilson-Maschinen mit gekrümmter Nadel in ihren Verrichtungen leicht versagen, so wurden alle diese Maschinen aus dem Familiengebrauch nach und nach durch die von Singer 1859 in den Handel gebrachte A-Maschine (Tafel I, Fig. 1 u. 2) verdrängt. Mit der Einführung dieses Systems entwickelte sich namentlich die deutsche Nähmaschinenindustrie zu großer Blüte. Sie ist ausschließlich für dessen Vervollkommnung eingetreten. Die Wheeler u. Wilson Co. stellte 1873 auf der Wiener Weltausstellung ihre geradnadelige, von House konstruierte Wheeler u. Wilson Nr. 8-Maschine aus, die vor der ältern Maschine den Vorzug hat, daß Stich für Stich gleich fertig gebildet wird. Erreicht wird dies durch die ungleichförmige Bewegung der Greiferwelle unter gleichzeitiger Anwendung eines durch ein Kurvengetriebe bewegten Fadengebers (Tafel II, Fig. 4). Weil man der Singer-A-Konstruktion einen schweren Gang, besonders hervorgerufen durch den in einer Gleitbahn gerade geführten Schiffchenschlitten, vorwirft, so entstanden neben der Wheeler u. Wilson Nr. 8 eine Reihe von Schiffchenmaschinen (White, Domestic, New Home sowie andre und später die Vibrating Shuttle der Singer Company), die, nach Art der ältern Grover u. Baker-Schiffchenmaschine, ein im Bogen frei schwingendes Schiffchen haben (Tafel I, Fig. 3 u. 6, 7, 9). Nebenbei wurde an diesen Maschinen der Durchgangsraum vergrößert; es entstanden hocharmige Maschinen. Die Schiffchenmaschinen genügen wegen ihres langsamen Ganges dem Gewerbe nicht durchweg Nach dem Vorgange Leslies trat daher die Singer Co. Ende der 1870er Jahre mit einem neuen Schlingenfängertypus auf. Sie brachte die von Diehl u. Miller konstruierte, speziell für gewerbliche Zwecke bestimmte Ringschiffchenmaschine mit oszillierendem Greiferschiffchen auf den Markt (Tafel I, Fig. 4 u. 5). Die Wheeler u. Wilson folgte diesem Vorgehen mit der Konstruktion der Ringgreifermaschine (Tafel II, Fig. 4), bei welcher der Ringgreifer exzentrisch zum Treiber gelagert ist, dadurch das ungehinderte Durchschlüpfen des Nadelfadens zwischen Greifer und Treiber ermöglichend. Die Standard Co. in den Vereinigten Staaten von Nordamerika hatte gleichzeitig eine andre von den Gebr. Mack erbaute Ringgreifermaschine in den Handel gebracht, bei welcher der Greiser abwechselnd durch zwei Stifte, die ihre Bewegung von einem Kurvengetriebe erhalten, angetrieben wird. Die Wheeler u. Wilson Co. hat später die Wheeler u. Wilson Nr. 8 umkonstruiert und dabei nach Art der Singer-Ringschiffchenmaschine den Fadengeber zweckmäßig vorn in den Arm gelegt. Später hat diese Gesellschaft eine Maschine W. G, W. Nr. 11 herausgebracht, deren Greiser nach dem Vorgange Wardwells inwendig eine Nute besitzt, in der das Spulengehäuse gelagert ist, durch diese Anordnung die Anwendung der sonst üblichen Brille zum Halten des Spulengehäuses vermeidend. Später konstruierte die Singer Co., um große Spulen anwenden zu können, eine Maschine mit oszillierendem Ringgreifer unter Beibehaltung des Antriebsmechanismus ihrer Ringschiffchenmaschine. Die oszillierende Bewegung macht dabei besondere Einrichtungen entbehrlich, die das ungehinderte Vorbeischlüpfen des Oberfadens zwischen Treiber und Schlingenfänger bezwecken. Das Verlangen, die Nähgeschwindigkeit zu erhöhen, bewog die Wilcox u. Gibbs Co. zur Konstruktion eines rotierenden Fadengebers (Tafel I, Fig. 10, und Tafel II, Fig. 1). – Andre Gesellschaften sind dieser Anregung gefolgt (Fig. 20 u. 21), während noch andre geglaubt haben, es dabei bewenden lassen zu sollen, den Fadengeber quer zur Antriebswelle schwingen zu lassen, damit die Welle in der Richtung ihrer Achse nicht unliebsamen Stößen ausgesetzt werde.
Statistik. Es existieren gegenwärtig in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gegen 40 Nähmaschinenfabriken. Auch in Deutschland zählt man etwa 40 Nähmaschinenfabriken. Einige wenige dieser Fabriken wurden schon Mitte der 1850er Jahre, doch die meisten Anfang der 60er Jahre gegründet. Der Wert der deutschen Produktion dürfte bei einer Arbeiterzahl von 18,000 Mann 35–40 Mill. Mk. betragen. Gegen 4000 deutsche Nähmaschinen-Händler sind vorhanden. England besitzt etwa 30 Nähmaschinenfabriken, Frankreich etwa 15, ebenso viele Österreich-Ungarn; in Dänemark und der Schweiz gibt es je 3 und in Rußland, Schweden und Italien se eine Fabrik. Die gesamte jährliche Nähmaschinenproduktion wird auf etwa 3 Mill. Stück zu schätzen sein, absolut genaue Angaben sind unmöglich; davon entfallen 1,100,000 auf Deutschland, 1 Mill. auf die Singer Co., 150,000 auf die Wheeler u. Wilson Co. Vgl. Herzberg, Die N. (Berl. 1863); Richard, Die N. (Hannov. 1876); Lind, Das Buch von der N. (Berl. 1891); Zeitschrift »Linds Nähmaschinen-Techniker« (das., seit 1887) und als Fortsetzung »Deutsche Nähmaschinenzeitung« (seit 1901, Bielefeld).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.