- Galizĭen
Galizĭen, österreich. Kronland, das als solches den Titel »Königreich G. und Lodomerien, nebst dem Großherzogtum Krakau und den Herzogtümern Auschwitz und Zator« führt, liegt zwischen 47°44' bis 50°48' nördl. Br. und 18°56' bis 26°30' östl. L., wird im N. von Rußland (Polen), im O. von Rußland (Wolhynien und Podolien) und der Bukowina, im S. von Ungarn, im W. von Österreichisch- und Preußisch-Schlesien begrenzt und umfaßt ein Areal von 78,496 qkm (1425,6 QM.). S. Karte »Ungarn, Galizien und Bukowina«.
Der Bodenbeschaffenheit nach ist der südliche Teil des Landes ein rauhes Hochland und gehört zum Gebirgssystem der Karpathen (s.d.), deren Verzweigungen sich als Beskiden, Hohe Tatra und Karpathisches Waldgebirge an der Südgrenze gegen Ungarn hinziehen. Bedeutendere Erhebungen sind in den Beskiden die Babia-Gura (1725 m), in der nördlichen Vorlage der Hohen Tatra (der Galizischen Tatra) die Waxmundska (2192 m), im Waldgebirge die Czerna Gora (2026 m). Die Parallelketten im Innern haben stellenweise noch Gipfel von 1000–1700 m Höhe. Wichtige Karpathenübergänge sind im W. der Paß von Jordanow, in der Tatra der Paß von Zdjar, in den leichter überschreitbaren Ostkarpathen die Pässe von Dukla, Uszok, Bereczke, Körösmezö etc. Weiter nordwärts verflacht sich G. zum Hügelland und geht endlich am Dnjestr und an der Weichsel in ebenes Tiefland über, das nur noch jenseit dieser Flüsse im O. zu dem wellenförmigen Plateau der podolischen Höhe (bis 400 m) und im NW. von Krakau zu dem galizischen Anteil der Tarnowitzer Platte (bis 470 m) ansteigt. – Was die Gewässer betrifft, so gehört im allgemeinen der westliche Teil Galiziens dem Stromgebiet der Weichsel, der östliche zum größern Teil dem des Dnjestr, zum kleinern Teil dem des Dnjepr (im NO. bei Brody durch den Styr, einen Zufluß des Pripet) und dem der Donau (durch den Pruth, der die südöstliche Ecke des Landes durchfließt) an. In die Weichsel münden die Sola, Skawa, Raba, der Dunajec mit dem Poprad und der Biala, die Wisloka, der schiffbare San mit dem Wislok und der Bug; der Dnjestr dagegen empfängt rechts den Stryj, die Swica, die Lomnica und Bystrzyca, links die Gnila Lipa und Zlota Lipa, Strypa, Sereth und den Zbrucz, welcher die Ostgrenze bildet. Unter den Zuflüssen des Pruth ist der Czeremosz, der Grenzfluß gegen die Bukowina, nennenswert. Zahlreich sind die Mineralquellen, von denen der Säuerling zu Szczawnica, die eisenhaltigen Quellen zu Krynica, die Jodquellen von Iwonicz und die Schwefelquellen von Truskawiec die besuchtesten sind. G. hat unter allen österreichischen Kronländern das strengste Klima. Ohne Schutz gegen die rauhen Nord- und Nordostwinde, hat es späte Frühlinge, kurze Sommer, aber lange und kalte Winter Die mittlere Jahrestemperatur von Lemberg stellt sich auf 7,5°, in Krynica auf 5,9°.
Die Bevölkerung von G. betrug 1869. 5,444,689,1880: 5,958,907,1890: 6,607,816 und Ende 1900: 7,315,939 Einw., zeigt demnach eine sehr starke Vermehrung (in der Periode 1890–1900 um 10,72 Proz.). Auf 1000 Bewohner kamen 1900: 8,7 Trauungen, 44 Lebendgeborne und 28 Gestorbene; es ergab sich sonach ein Geburtenüberschuß von 16 auf 1000 Bewohner. Unter 1000 Gebornen waren 118 unehelich und 22 Totgeborne. Die Volksdichtigkeit betrug 1900: 93 Bewohner auf 1 qkm. Die Bewohner verteilten sich 1900 auf 11,779 Ortsgemein den und Gutsgebiete und 12,421 Ortschaften mit 1,110,863 bewohnten Häusern. Hinsichtlich der Nationalität (Umgangssprache) kommen von der ein heimischen Bevölkerung Ende 1900: 54,75 Proz. auf die Polen, 42,20 Proz. auf die Ruthenen. Jene überwiegen in Westgalizien, diese in Ostgalizien. Die Polen bilden den galizischen Adel, die Städtebevölkerung und im W. auch den Bauernstand. Die Bergbewohner in den westlichen Karpathen heißen Goralen (s.d.); die ruthenischen Gebirgsbewohner heißen Bojken und Huzulen (s.d.). Außerdem wohnen in G. Deutsche (211,752, darunter viele Kolonisten, die seit Joseph II. ins Land kamen); ferner 9014 Tschechen, Mährer und Slowaken. Der Konfession nach sind 3,350,512 Personen römisch-katholisch (vorwiegend Polen im W.), 3,104,103 griechisch-katholisch (zumeist Ruthenen im O. des Landes) und 1532 armenisch-katholisch; 45,331 sind evangelisch und 811,371 Israeliten. Die römisch-katholische Kirche hat einen Erzbischof (zu Lemberg), 3 Bischöfe (zu Krakau, Przemysl und Tarnow); die Griechisch-Katholischen haben einen Erzbischof (zu Lemberg), 2 Bischöfe (zu Przemysl und Stanislau); die Armenisch-Katholischen gleichfalls einen Erzbischof zu Lemberg; die Protestanten zwei Superintendenten, die Israeliten 252 Kultusgemeinden. Katholische Ordenshäuser gab es: 249 mit 4041 Ordensmitgliedern. Vgl. die »Ethnographische Karte von Österreich Ungarn«.
Land- u. Forstwirtschaft. Die produktive Bodenfläche beträgt 96,65 Proz. der ganzen Landesfläche; auf Ackerland kommen 48,45, auf Wiesen 11,16, auf Gärten 1,39, auf Weiden 9,62, auf Wald 25,76 und auf Seen, Teiche und Sümpfe 0,27 Proz. der Bodenfläche. Die Getreideernte liefert, obwohl der Ackerbau auf keiner hohen Stufe steht, in guten Jahren einen Überschuß über den Bedarf des Landes. 1901 ergab sie: 4,196,434 metr. Ztr. Weizen, 4,475,386 metr. Ztr. Roggen, 2,491,796 metr. Ztr. Gerste, 4,606,852 metr. Ztr. Hafer, 954,116 metr. Ztr. Mais, 273,100 bl Hirse und 524,556 hl Buchweizen. Sehr ausgedehnt ist der Anbau von Kartoffeln (36,085,922 metr. Ztr.) und Hülsenfrüchten (1,018,672 hl). Wichtige landwirtschaftliche Produkte sind ferner: Raps (68,799 metr. Ztr.), Flachs (85,000), Hanf (87,175), Tabak (20,541), Hopfen (10,135), Zuckerrüben (1,076,159), Futterrüben (4,704,198), Kraut (906,793), Kleeheu (7,744,440), Grasheu (18,049,159) und Obst (414,065 metr. Ztr.). Der jährliche Holzzuwachs beträgt 7,046,468 Festmeter. Große Mengen Nutzholz, auch für den Schiffbau, werden auf den Flüssen und Eisenbahnen ins Ausland verfrachtet. Die Viehzucht Galiziens liefert kleine, aber ausdauernde Pferde; Rinder werden in großen Mengen nach den westlichen Kronländern ausgeführt. Auf den Hochweiden der Karpathen findet eine Art Sennwirtschaft statt. 1900 zählte man 864,427 Pferde, 2,714,622 Rinder, 437,697 Schafe, 17,952 Ziegen, 1,254,334 Schweine, 211,157 Bienenstöcke und 7,754,870 Stück Geflügel. An Raubwild wurden 1896: 5 Bären, 43 Wölfe, 22 Luchse, 6645 Füchse etc. erlegt.
Bergbau. Unter den mineralischen Produkten des Landes nehmen Salz, Petroleum und Steinkohlen die erste Stelle ein. 1901 wurden 366,946 metr. Ztr. Steinsalz und 553,730 metr. Ztr. Industriesalz in den beiden staatlichen Steinsalzbergwerken zu Wieliczka und Bochnia, dann 524,179 metr. Ztr. Sudsalz in neun ostgalizischen Salinen, zusammen im Werte von 17,419,697 Kronen, gewonnen, wobei 2178 Arbeiter beschäftigt waren. Auf Erdöl waren 200 Unternehmungen in der Gegend von Jaslo, Boryslaw und Kolomea im Betrieb, die 4,522,000 metr. Ztr. produzierten. Steinkohle wird nordwestlich von Krakau (9,878,544 metr. Ztr., 4056 Arbeiter) gefördert. Andere Montanprodukte sind: 32,948 metr. Ztr. Bleierz, 48,356 metr. Ztr. Zinkerz, 1,127,840 metr. Ztr. Braunkohle, ferner 26,583 metr. Ztr. Gußroheisen und 36,837 metr. Ztr. Zink.
Industrie u. Handel. Schulen. Die wichtigsten Zweige der im ganzen noch wenig entwickelten Fabrikindustrie sind: die Tuchindustrie von Biala und Umgebung, die Branntweinbrennerei (1900: 687 Brennereien mit einer Erzeugung von 564,975 hl Alkohol), die Spiritusraffinerie, Likör- und Essigfabrikation, die Bierbrauerei (1900: 117 Etablissements mit einer Produktion von 1,152,115 hl Bier), die Petroleumraffinerie (62 Raffinerien, 645,938 metr. Ztr. Produktion), der Sägebetrieb, die Müllerei, die ärarische Tabakfabrikation (5 Fabriken mit 4264 Arbeitern und einer Produktion von 46,518 metr. Ztr.), die Papierfabrikation, die Zuckerfabrikation (2 Fabriken mit 1248 Arbeitern und 108,284 metr. Ztr. Produktion). Außerdem bestehen in G. Maschinenfabriken, Kalk- und Zementbrennereien, Gipsbrennereien, Dampfziegeleien, Tonwarenfabriken, Glashütten, Parkett- und Möbelfabriken, Gerbereien, eine Zinkweißfabrik, Zündholzfabriken, Chemikalien-, Ol-, Leuchtgas-, Spodium- und Superphosphatfabriken, Buch- und Steindruckereien. Der Handel, der größtenteils in den Händen der Juden liegt, ist ziemlich lebhaft. Zur Ausfuhr kommen meist Rohprodukte: Getreide, Klee- und Ölsaat, Holz, Vieh (besonders Mastochsen), Salz, Petroleum und Spiritus. Dagegen wird fast der ganze Bedarf an Industrieartikeln aus dem westlichen Österreich eingeführt. Von Bedeutung ist der Transitverkehr zwischen Westösterreich und Deutschland und den Ländern am Schwarzen Meer, der durch die großen Eisenbahnlinien, die G. durchziehen, vermittelt wird. Die Gesamtlänge der Bahnen in G. betrug Ende 1900: 3584 km. Außerdem sind 13,917 km Landstraßen und 2103 km Wasserstraßen, ferner 927 Postanstalten und 384 Staatstelegraphenstationen vorhanden. Banken und Kreditinstitute (hauptsächlich für den Bodenkredit) bestehen in G. fünf mit einem eingezahlten Aktienkapital von 22,3 Mill. Kr. und einem Pfandbriefumlauf von 469,6 Mill. Kr. Die Sparkassen haben sich noch wenig eingebürgert, es sind deren 44 mit einem Einlagenstand von 187,5 Mill. Kr. vorhanden. –
An Bildungsanstalten besitzt G. 2 Universitäten, in Lemberg und Krakau, mit 2004, bez. 1331 Hörern, eine Technische Hochschule in Lemberg (700 Studenten), eine Kunstschule in Krakau, 5 theologische Lehranstalten; 30 Gymnasien und Realgymnasien, 6 Realschulen, 10 Bildungsanstalten für Lehrer und 3 für Lehrerinnen; 9 Handelsschulen, 2 Staatsgewerbeschulen, 35 gewerbliche Fach- und 51 Fortbildungsschulen, 15 land- und forstwirtschaftliche Schulen, eine Bergschule, eine Tierarznei- u. Hufbeschlagschule und 4170 Volksschulen mit 796,143 schulbesuchenden Kindern (von 1,121,540 schulpflichtigen, also 71 Proz.). In Krakau hat eine Akademie der Wissenschaften ihren Sitz.
Verfassung und Verwaltung. Der Landtag von G. besteht aus 161 Mitgliedern und zwar: den 3 Erzbischöfen, 5 Bischöfen, 4 Hochschulrektoren, 44 Abgeordneten des großen Grundbesitzes, 28 der Städte und Märkte, 3 der Handels- und Gewerbekammern, 74 der Landgemeinden. In den Reichsrat entsendet G. 78 Mitglieder. Als politische Behörde besteht die Statthalterei in Lemberg, der die Magistrate und Polizeidirektionen von Lemberg und Krakau und 78 Bezirkshauptmannschaften unterstellt sind. In den Bezirken sind auch autonome Bezirksvertretungen errichtet. Die Rechtspflege wird von 2 Oberlandesgerichten (zu Lemberg für Ostgalizien und die Bukowina und zu Krakau für Westgalizien), 2 Landesgerichten, 14 Kreis- und 168 Bezirksgerichten ausgeübt. Finanzbehörden sind die Finanzlandesdirektion und 17 Finanzbezirksdirektionen. Als oberste Militärbehörden bestehen 3 Korpskommandos (zu Lemberg, Krakau, Przemysl). Das Wappen des Kronlandes (s. Tafel »Österreich-ungarische Länderwappen«, Fig. 12) ist ein blauer Schild mit schmalem roten Querbalken, über dem eine schreitende schwarze Dohle, unterhalb drei goldene Kronen erscheinen. Hauptstadt ist Lemberg. Die administrative Einteilung des Landes in Bezirkshauptmannschaften und Städte mit eignem Statut zeigt die Tabelle auf S. 273.
Geschichte
G., dessen Name aus dem slawischen Halicz (s.d.) entstanden ist und im historischen Sinne das Nordkarpathengelände östlich vom Sanfluß, im modernen auch das ehemalige Weiß-Chorwatien, westlich von diesem Fluß, umfaßt, bildete ursprünglich mehrere selbständige Gebiete lechitischer Stämme. Das westliche Gebiet, in dem sich Krakau frühzeitig zum Hauptort entwickelte, wurde gegen Ende des 10. Jahrh. ein Zankapfel zwischen den Reichen der Přemysliden und Piasten, bis es endgültig den letztern anheimfiel; das östliche, das Czerwenische Land (auch Rote Land), mit den Städten Przemysl und Czerwien, wurde 981 von dem ruthenischen Fürsten Wladimir d. Gr. den Polen abgewonnen, wanderte aber im 11. Jahrh. mehrmals aus ruthenischem in polnischen Besitz und umgekehrt, bis es 1087 für dritthalbhundert Jahre ein besonderes ruthenisches Teilfürstentum unter einer Linie der ruthenischen Dynastie der Rostislawiczen wurde. Das Krakauer Gebiet führte seit seiner Eroberung durch Polen im Gegensatz zum polnischen Stammlande Großpolen den Namen Kleinpolen. Seit der Mitte des 11. Jahrh. wurde aber der Schwerpunkt des polnischen Reiches dahin verschoben, so daß bei dem Zerfall der einheitlichen Monarchie in Teilfürstentümer nach dem Tode Boleslaws III. (gest. 1138) Krakau die Residenz des Großfürsten wurde, der über alle Teilfürsten eine Oberherrschaft haben sollte. Der Besitz Krakaus bildete in der Folgezeit die Ursache vieler Kämpfe der einzelnen Teilfürsten. Von großer Bedeutung für die Entwickelung dieses Gebietes war jene Periode, da der schlesische Zweig der Piasten sich Krakaus und des westlichen Teiles von Großpolen bemächigte, da damals die deutsche Kolonisation wie früher schon nach Schlesien, so jetzt den Weg nach Polen fand. Eine Zeitlang unter König Wenzel II. und dessen gleichnamigem Sohn gehörte Kleinpolen mit Krakau wieder zu Böhmen. Nach dessen Tode (gest. 1306) eroberte aber Wladislaw Lokietek Kleinpolen zurück und erhob von neuem Krakau zur Hauptstadt des wiedergebornen polnischen Königtums. Unter Kasimir d. Gr. (1330–70) erfolgte dann 1340 die Erwerbung des Fürstentums Galizien und Lemberg, 1349 Lodomeriens.
Nachdem nämlich 1087 Rurik Rostislawicz das Czerwenische Land erobert und Przemysl zur Hauptstadt erhoben hatte, folgten unter dessen Nachfolgern schwere innere Kämpfe, in denen sich aber die Rostislawiczen mit Hilfe des ungarischen Königs behaupteten. Wladimir I. verlegte dann die Hauptstadt des Reiches von Przemysl weiter nach Osten, nach Halicz am Dnjestr, und schon in einer Urkunde von 1134 heißt dieses Reich zwischen San, Bug und Dnjestr »Der Thron von Halicz« (lat. Haliczia, Galiczia). Allein die innern Fehden und Thronstreitigkeiten währten fort. Wladimir II. (1187–98) wurde vom Fürsten Roman von Lodomerien vertrieben, floh zu Bela III. von Ungarn, der diese Gelegenheit benutzte, um sich selber den Titel eines »Königs von G.« (rex Galaciae) beizulegen und seinen Sohn Andreas als Statthalter einzusetzen. Allein Wladimir vertrieb mit Hilfe König Kasimirs von Polen 1191 Andreas, und als er 1198 kinderlos starb und mit ihm das Haus der Rostislawiczen erlosch, setzte sich Roman von neuem in den Besitz von Halicz, begründete daselbst die Dynastie der Romanowiczen, die nunmehr die beiden Gebiete Halicz und Wladimir (Galicia und Lodomeria) vereinigte. Nach seinem Tode (1205) begannen die Streitigkeiten der Thronprätendenten von neuem, bis 1214 der Zipser Vertrag geschlossen wurde, wonach Koloman, der zweite Sohn König Andreas' von Ungarn, die Tochter Leskos von Polen heiraten und beide Halicz als Königreich erhalten sollten; Lodomerien fiel an Daniel, den Sohn Romans. Vertragsbruch von seiten König Andreas' erschütterte jedoch das Friedenswerk, die Wirren tobten jahrelang, bis endlich Daniel auch Halicz gewann. Schließlich wurde er aber samt dem ganzen Lande dem Tatarenchan tributpflichtig (1250), alle Versuche, durch Anschluß an den Westen, durch zeitweisen Anschluß an die römische Kirche sich von dem schimpflichen Joche zu befreien, scheiterten, und er hinterließ bei seinem Tode (1266) sein Land in Knechtschaft. Ihm folgte in Halicz zuerst sein Sohn Schwarno (1266–70), dann der zweite Sohn Lew (bis 1301), von dem die noch unter Daniel gegründete nachmalige Hauptstadt von G., Lemberg (Lwow), ihren Namen hatte. Im Bruderreich Lodomerien regierte gleichzeitig sein Vetter Wladimir. Die Dynastie der Romanowiczen erlosch aber schon 1324, indem Andreas von Ladomerien und Lew II. von Halicz im Kampfe gegen die Tataren fielen. Litauen, Polen, Ungarn und Tataren kämpften nun mehr als ein halbes Jahrhundert um den Besitz dieser Gebiete. Zuerst nahm König Kasimir III. von Polen 1340 das Fürstentum G. und Lemberg und 1349 auch Lodomerien in Besitz, und 1352 entsagte König Ludwig d. Gr. von Ungarn seinen Ansprüchen auf G. unter der Bedingung, daß nach Kasimirs Tod G. an Ungarn zurückfallen sollte. Als Kasimir 1370 ohne Söhne starb, vereinigte Ludwig d. Gr. von Ungarn, jetzt auch König von Polen, G. und Lodomerien mit Ungarn und führte in beiden Fürstentümern die römisch-katholische Religion ein. Durch die Vermählung seiner Tochter Hedwig mit dem Großfürsten Wladislaw Jagello von Litauen kam G. 1386 wieder an Polen, bei dem es nun bis zu dessen Teilung blieb und mit Kleinpolen immer enger zu einem politischen Gebiet zusammenwuchs.
Bei der ersten Teilung Polens (1772) kamen die Gebiete, die etwa das jetzige G. bilden (zusammen ca. 80,000 qkm), unter dem-Titel des Königreichs G. und Lodomerien an Österreich. 1786 vereinigte Österreich damit die Bukowina, die schon seit 1777 österreichisch war. Bei der letzten Teilung Polens (1795) erhielt Österreich nach die nördlich gelegenen Gebiete mit Bug und Pilica als Grenze unter dem Titel West- oder Neugalizien, während die alten Ost- oder Altgalizien genannt wurden. Doch schon im Wiener Frieden von 1809 mußte Österreich ganz Westgalizien nebst Krakau an das Großherzogtum Warschau, die zwei ostgalizischen Kreise Tarnopol und Zaleszczyki an Rußland abtreten. Der Wiener Kongreß 1815 ließ Westgalizien bei Polen, während der an Rußland abgetretene Teil von Ostgalizien an Österreich zurückgegeben, ein Teil des von Ostgalizien an Polen abgetretenen Gebietes aber zu der neuen Republik Krakau geschlagen wurde. Diese war seit 1830 ein Hauptherd der polnischen Verschwörungen, die von hier aus nach G. verpflanzt wurden. Als aber im Februar 1846 eine allgemeine Erhebung zur Wiederherstellung Polens versucht wurde, rückten österreichische, preußische und russische Truppen in Krakau ein, während in G. selbst das ruthenische Landvolk sich gegen den polnischen Adel erhob und sich für seine Bedrückung grausam an ihm rächte. Infolge dieser Unruhen wurde die Republik Krakau durch Übereinkunft der drei Schutzmächte 6. Nov. 1846 der österreichischen Monarchie einverleibt und 1849 mit dem Titel eines Großherzogtums zum Kronland G. geschlagen, die Bukowina aber als eignes Kronland von letzterm getrennt. Bei dem seit 1848 in Österreich herrschenden Nationalitätenkampf suchten auch die Polen in G. eine größere Selbständigkeit zu erringen. Es gelang ihnen dies auch seit Einführung der Februarverfassung, indem sie den Reichsrat zwar beschickten und sich auch äußerlich reichstreu zeigten, aber ihre Zustimmung zu den Vorlagen der Regierung nur gegen immer neue Zugeständnisse an die Autonomie Galiziens erteilten. So erlangten sie nahezu selbständige Verwaltung durch den Landtag, in dem die Polen die überwiegende Mehrheit hatten; sie benutzten sie, um das Deutschtum völlig zu verdrängen und die Ruthenen gänzlich zu unterdrücken, alle Ämter fielen Polen zu. Die Landesausstellung von 1894 wies manchen Fortschritt Galiziens in kultureller Beziehung auf; die sozialen, wirtschaftlichen und nationalen Verhältnisse erhalten aber durch die starke Auswanderung der Arbeiter, durch Studentenunruhen an der Lemberger Universität, durch gelegentliche Brandreden der sozialdemokratischen Abgeordneten im österreichischen Abgeordnetenhaus über die Herrschaft des polnischen Adels, durch den Nachhall, den die Vorgänge in Wreschen in Lemberg und in andern galizischen Städten fanden, von Zeit zu Zeit eine grelle, wenig erfreuliche Beleuchtung. Vgl. Schmedes, Geographisch-statistische Übersicht Galiziens (2. Aufl., Lemb. 1869); Lipp, Verkehrs- und Handelsverhältnisse Galiziens (Prag 1870); Jandaurek, Das Königreich G. etc. (Wien 1884); »Gemeinde-Lexikon von G.« (hrsg. von der k. k. statistischen Zentralkommission); »Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild«, Bd. 19 (das. 1898); Hoppe, Geschichte von G. und Lodomerien (das. 1793); Engel, Geschichte von Halitsch und Wladimir (bis 1772; das. 1793, 2 Tle.); Szujski, Die Polen und Ruthenen in G. (Teschen 1882); Mises, Die Entwickelung des gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisses in G. (Wien 1902); Zuber, Karte der Petroleumgebiete in G. (Leipz. 1898).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.