Thomson [2]

Thomson [2]

Thomson, 1) James, englischer didaktischer Dichter, geb. 11. Sept. 1700 zu Ednam in Schottland, gest. 27. Aug. 1748 in London, studierte in Edinburg Theologie, kam aber bald als Hofmeister nach London, wohin er bereits seine beschreibende Dichtung »Winter« mitbrachte (gedruckt 1726). Es folgten »Summer« (1728), »Spring« (1729) und »Autumn« (1730), die dann vereinigt unter dem Namen »Seasons« (deutsch von Soltau, Braunschw. 1823; von Bruckbräu, Münch. 1836) erschienen. In diesen Blankversdichtungen entwirft T. originelle Bilder der wechselnden Naturerscheinungen, mit aufmerksamem und liebevollem Auge beobachtet, mit menschlichen Episoden (besonders vom Wanderer, der im Winter erfriert) untermischt, freilich auch ermüdend durch überreiche Aufzählung. Das Werk gewann eine große Volkstümlichkeit und wurde im einzelnen viel nachgeahmt, besonders von Gray, Goldsmith, Cooper und Wordsworth, von Brockes und E. v. Kleist. Haydn hat das Gedicht im Auszug komponiert. 1731 begleitete T. einen Sohn des nachmaligen Lord-Kanzlers Sir Charles Talbot auf seinen Reisen durch den Kontinent, wurde überhaupt durch Gönner gut versorgt und erhielt auch vom Prinzen von Wales einen Jahrgehalt von 100 Pfd. Sterl. und die Stelle eines Oberaufsehers über die Antillen. Von seinen weitern Werken sind zu nennen die pathetischen patriotischen Gedichte »Liberty« (1727) und »Britannia« (1734) und besonders sein allegorisches Epos »Castle of indolence« (1748), eine gelungene Nachahmung von Spenser, dem er auch die Stanze entlehnte. Schwach dagegen sind seine fünf Tragödien. Noch ein kleines von ihm mit einem Schulfreund, Mallet, gemeinschaftlich geschriebenes Stück: »Alfred«, verdient Erwähnung, weil in ihm zuerst das englische Volkslied »Rule Britannia« vorkommt. Eine Gesamtausgabe von Thomsons Werken erschien in Edinburg 1768, 4 Bde.; die bequemste ist jetzt die Aldine Edition in 2 Bänden. Biographien lieferten Murdoch (Lond. 1803, 3 Bde.), Léon Morel (Par. 1896) und W. Bayne (Lond. 1898). Vgl. auch Sch med ing, Jakob T., ein vergessener Dichter des 18. Jahrhunderts (Braunschw. 1889); O. Zipp el, Entstehung von Thomsons »Winter« (Berl. 1906).

2) Thomas, Chemiker, geb. 12. April 1773 zu Crieff in Schottland, gest. 2. Juli 1852 zu Kilmun in Argyll, studierte in Glasgow und Edinburg, lehrte 1801–11 in Edinburg Chemie, lebte seit 1813 in London, war 1817–41 Professor der Chemie in Glasgow und gründete hier das erste chemische Unterrichtslaboratorium in England. Seine Arbeiten bewegen sich auf dem Gebiete der allgemeinen und organischen Chemie, der Mineralogie und Geologie. Er hatte hervorragenden Anteil an der Entwickelung der Atomtheorie und führte 1798 den Gebrauch der Symbole ein, er entdeckte mehrere Verbindungen, erfand ein Saccharometer und verbesserte das Lötrohr. Er lieferte seit 1796 Beiträge für die Supplemente zur »Encyclopaedia Britannica« und schrieb: »System of chemistry« (1802; 7. Aufl., Edinb. 1831, 4 Bde.; deutsch von Wolff, Berl. 1805–11, 5 Bde.); »Elements of chemistry« (Edinb. 1810); »Attempt to establish the first principles of chemistry by experiments« (Lond. 1825, 2 Bde.); »History of chemistry« (das. 1830–31, 2 Bde.); »Outlines of mineralogy, geology, and mineral analysis« (das. 1836, 2 Bde., teilweise der 7. Aufl. des »Systems of chemistry« entnommen); »Chemistry of organic bodies« (das. 1838, 2 Bde.) und »Outlines of heat and electricity« (das. 1830, 2. Aufl. 1840; deutsch von Wolff, Berl. 1805–11, 5 Bde.). Seit 1813 gab er in London die »Annals of Philosophy« heraus, die 1822 mit dem »Philosophical Magazine« vereinigt wurden.

3) Thomas, engl. Reisender, geb. 4. Dez. 1817 in Glasgow, gest. 18. April 1878 in London, trat 1840 als Arzt in die Dienste der Ostindischen Kompanie, machte 1841–42 den afghanischen Feldzug mit, erforschte 1848 den Schajokfluß bis zu seiner Quelle am Karakorumpaß in 5550 m Höhe und bereiste 1850 und 1851 Sikkim, die Khassiaberge, Katschar, Tschittagong und die Sunderbands. Mit reichen Sammlungen kehrte er 1851 nach Europa zurück und begann die Herausgabe einer »Flora of British India«, die unvollendet blieb, weil die Ostindische Kompanie eine Unterstützung versagte. 1854–61 war er Direktor des Botanischen Gartens und Professor der Botanik in Kalkutta. Er schrieb noch : »Western Himalaya and Tibet« (Lond. 1852).

4) William, Lord Kelvin, Physiker, geb. 26. Juni 1824 in Belfast, gest. 17. Dez. 1907 in London, studierte in Glasgow, Cambridge und Paris und wurde 1846 Professor der Physik in Glasgow. Seine erste Arbeit (1841) behandelte die Wärmeleitung in homogenen festen Körpern und deren Beziehung zur mathematischen Theorie der Elektrizität. Sie erschien mit der Abhandlung über die Verteilung der Elektrizität auf sphärischen Leitern (1848) und vielen andern Arbeiten aus dem Gebiete der Elektrizität und des Magnetismus in dem Werke »Reprint of papers on electrostatics and magnetism« (Lond. 1862, 2. Aufl. 1884; deutsch von Levy und Weinstein, Berl. 1890). T. lieferte auch verschiedene Elektrometer, von denen das Quadrantelektrometer für die feinsten elektrischen Messungen große Verbreitung gefunden hat, sein Spiegelgalvanometer machte in der Geschichte der unterseeischen Telegraphie Epoche. Er konstruierte auch einen Kompaß mit geringer Deviation, einen Tiefseemesser und vervollkommte die elektrotechnischen Meßinstrumente. Auf dem Gebiete der mechanischen Wärmetheorie haben seine Arbeiten neben denen von Clausius am meisten zur Entwickelung der Theorie beigetragen. Clausius verwertete zuerst 1850 die aus dem von Mayer 1842 ausgesprochenen Prinzip von der Erhaltung der Kraft sich ergebenden Folgerungen in der mathematischen Behandlung der Wärmeerscheinungen, dann aber gehen die Arbeiten von T. und Clausius einander so nahe parallel, daß es manchmal schwer fällt, zu unterscheiden, welcher von beiden Forschern gewisse Sätze zuerst entwickelt hat. T. entwickelte eine mechanische Theorie der chemischen Zersetzung durch den elektrischen Strom, eine Theorie der Thermoströme und entdeckte die positive und negative Fortführung der Wärme durch den galvanischen Strom. Seine theoretischen und experimentellen Arbeiten über unterseeische Telegraphie, ganz besonders seit 1858, als das erste gelegte Kabel zwischen England und Amerika seine Dienste so bald versagte, haben zu den später erreichten Erfolgen auf das erheblichste beigetragen. In Anerkennung dieser Leistungen wurde er bei der Rückkehr von der Legung des Kabels 1866, an der er sich selbst beteiligt hatte, zum Ritter ernannt. 1890 wurde er Präsident der Royal Society, und 1892 wurde er zum Lord Kelvin ernannt. 1899 trat er in den Ruhestand. Sein Bildnis s. Tafel »Physiker II«. Er lieferte auch Untersuchungen über Ebbe und Flut, über die Gestalt der Erde, über die Frage, ob das Innere der Erde fest oder flüssig ist, und über manche Frage der theoretischen Mechanik. Seine Untersuchungen über das spezifische Gewicht des Luftstickstoffs und des aus chemischen Verbindungen abgeschiedenen Stickstoffs führten zur Entdeckung des Argons. T. veröffentlichte: »On the electrodynamic properties of metals« (1855); »Navigation, a lecture« (1876); »Mathematical and physical papers« (1882–90, 3 Bde.); »Treatise on natural philosophy« (mit Tait, Bd. 1 in 2 Tln., 2. Aufl. 1879–83; deutsch von Helmholtz und Wertheim: »Handbuch der theoretischen Physik«, Braunschw. 1874, unvollendet); »Lectures and addresses« (1889–91, 3 Bde.; Bd. 1 deutsch: »Konstitution der Materie«, Berl. 1891). Seine 1884 an der Hopkins-Universität in Baltimore gehaltenen Vorlesungen erschienen u. d. T.: »Baltimore lectures on molecular dynamics and the wave theory of light« (1904). Er redigiert seit 1846 das »Cambridge and Dublin Mathematical Journal«. Vgl. »Lord Kelvin, Professor of natural philosophy in the University of Glasgow 1846–1899«, mit einem Essay von Fitzgerald (Lond. 1900); Munro, Lord Kelvin (das. 1902). – Sein Bruder James T., geb. 16. Febr. 1822 in Belfast, 1872–89 Professor der Ingenieurwissenschaften in Glasgow, gest. 8. Mai 1892, entdeckte, daß der Gefrierpunkt des Wassers durch Druck erniedrigt wird und gründete hierauf eine Gletschertheorie.

5) Sir Charles Wyville, Naturforscher, geb. 5. März 1830 zu Bonsyde in Linlithgowshire, gest. 10. März 1882 in Bonsyde, studierte seit 1845 in Edinburg Naturwissenschaft, wurde 1850 Dozent der Botanik in Aberdeen, 1853 Professor für Naturwissenschaft in Cork, 1854 in Belfast. Er begann um diese Zeit die Studien über die fossilen und die lebenden Liliensterne, die erst 1862 zum Abschluß kamen. Die Entdeckung einer sehr alten Form von Liliensternen in den Tiefen des Atlantischen Ozeans regte ihn zu Tiefseeforschungen an, und so kamen seit 1868 die Lightning- und Porcupine-Expedition zustande, die namentlich für die Zoologie und die physikalische Geographie die bedeutendsten Resultate geliefert haben. 1870 wurde T. Professor der Naturwissenschaft in Edinburg. Von hier aus unternahm er 1872 die Challenger-Expedition (s. Maritime wissenschaftliche Expeditionen), auf der er 31/2 Jahre von England abwesend war. Die Resultate dieser Expeditionen behandeln: »The depths of the sea« (2. Aufl., Lond. 1873) und »The voyage of the Challenger in the Atlantic« (das. 1877, 2 Bde.).

6) César, Violinspieler, geb. 17. März 1857 in Lüttich, Schüler seines Vaters sowie von Dupuis und Léonard in Lüttich, wurde 1873 Kammermusiker des Barons v. Derwies in Lugano, dann nach mehrjährigen Konzerttouren Konzertmeister in Bilses Orchester zu Berlin, 1883 aber Violinprofessor am Konservatorium in Lüttich und 1898 an Stelle Ysayes am Brüsseler Konservatorium. T. gehört zu den gefeiertsten Violinvirtuosen der Gegenwart, besonders ist seine Fertigkeit und Sicherheit im doppelgriffigen Passagenspiel erstaunlich.

7) Joseph John, Physiker, geb. 18. Dez 1857 in Manchester, wurde 1880 Fellow, 1883 Dozent am Trinity College, 1884 Professor der Experimentalphysik in Cambridge, 1894 Präsident der Cambridge Philosophical Society, 1905 Professor an der Royal Institution in London. T. lieferte sehr wichtige Untersuchungen über die Elektronentheorie. Er brachte die Faradayschen Vorstellungen über die Kraftlinien und Kraftröhren in Verbindung mit den Elektronen. Die Jonisierung eines Gases erfolgt dadurch, daß sich Elektronen von dem chemischen Atom loslösen und die negative Ladung fortführen, während der übrigbleibende Teil von nahezu der gleichen Masse wie das ursprüngliche Atom die positive Ladung befördert. Auch in den Metallen suchte er das Vorhandensein solcher Ionen nachzuweisen. Seine Untersuchungen über die elektrische Ladung der Gase (er baute dabei das Gebiet der Kanal-, Becquerel- und Röntgenstrahlen aus) führten ihn zu neuen Anschauungen über die Natur der Materie und des Äthers. Er schrieb: »Motion of vortex rings« (Lond. 1883); »Application of dynamics to physics and chemistry« (das. 1888); »Recent researches in electricity and magnetism« (das. 1893); »Elements of the mathematical theory of electricity and magnetism« (3. Aufl., das. 1904); »Conduction of electricity through gases« (1903; deutsch von Marx, Leipz. 1906); »Electricity and matter« (1904; deutsch, Braunschw. 1904); »The corpuscular theory of matter« (Lond. 1907).

8) Joseph, Afrikareisender, geb. 14. Febr. 1858 in Thornhill (Dumfriesshire, Schottland), gest. 2. Aug. 1895 in London, ging 1878 als Geolog mit Keith Johnston nach Ostafrika und führte nach dessen Tode (28. Juni 1879) die Expedition zum Nyassa- und zum Tanganjikasee. Im Auftrag der Londoner Geographischen Gesellschaft unternahm T. 1883–84 eine Expedition von Mombas durch das Land der Massai zum Kenia und über den Baringosee zum Victoria Nyanza. 1885 wurde er von der National African Company nach Westafrika gesandt, um mit dem Sultan von Gando Verträge abzuschließen. Er bereiste 1888 im Auftrag der Londoner Geographischen Gesellschaft Südmarokko und ging 1890–91 für die englische Südafrikanische Gesellschaft nach dem Bangweolosee. Er veröffentlichte: »To the Central African lakes and back« (3. Aufl., Lond. 1881; deutsch, Jena 1882); »Through Masai Land« (1885; deutsch, Leipz. 1885); »Ulu, an African romance« (1888, 2 Bde.); »Mungo Park and the Niger« (1890); »Travels in the Atlas and Southern Morocco« (1890). Vgl. J. B. Thomson, Joseph T., African explorer (2. Aufl., Lond. 1896).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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