Bach [2]

Bach [2]

Bach, deutsche Tonkünstlerfamilie, aus der über 50 z. T. sehr berühmte Musiker hervorgegangen sind. Sie stammt (wie Spitta in seiner Biographie Sebastian Bachs nachgewiesen hat) aus Thüringen und nicht, wie man früher annahm, aus Ungarn; der um 1590 aus Ungarn nach Wechmar bei Gotha eingewanderte Bäcker Veit B., der als der Urahn des Geschlechts angeführt wird, war aus ebendiesem Dorf gebürtig. Dieser betrieb die Musik nur aus Liebhaberei; dagegen war sein Sohn Hans B. (der Urgroßvater Johann Sebastian Bachs) schon Musiker von Profession und wurde zu Gotha durch einen Nikolaus B. ausgebildet. Von Hans Bachs Söhnen wurde Johann B. der Stammvater der Erfurter Bache, Heinrich B., Organist zu Arnstadt, der Vater von Joh. Christoph und Joh. Michael B. (s. unten) und Christoph B., Organist und Stadtmusikus zu Weimar, der Großvater Joh. Sebast. Bachs. In den 60er Jahren des 17. Jahrh. waren die Bache sozusagen feste Inhaber der Musikerstellen zu Weimar, Erfurt (wo die Stadtpfeifer bis gegen Ende des 18. Jahrh. allgemein die »Bache« hießen) und Eisenach; fehlte es hier oder dort, so zog einer hin und füllte die Lücke aus. So zog namentlich ein Sohn Christoph Bachs, Ambrosius B. (der Vater Joh. Sebast. Bachs), von Erfurt nach Eisenach, um in die Stelle eines andern B. daselbst einzurücken. Als die bedeutendsten Glieder der Familie sind zu nennen:

1) Johann Christoph, Sohn Heinrich Bachs, also Oheim von Sebast. B., geb. 8. Dez. 1642 in Arnstadt, gest. 31. März 1703 in Eisenach, wo er 1665 als Organist angestellt wurde. Der hervorragendste der ältern B., besonders auf dem Gebiete der Vokalmusik, von dem sich eine Art Oratorium: »Es erhob sich ein Streit« (Offenb. Joh. 12, 7–12), und einige Motetten, auch 44 Choralvorspiele und eine Sarabande mit 12 Variationen für Klavier erhalten haben.

2) Johann Michael, Bruder des vorigen, geb. 9. Aug. 1648 in Arnstadt, gest. 1694 in Gehren bei Arnstadt, wo er 1673 als Organist angestellt wurde. Seine jüngste Tochter, Maria Barbara, wurde Joh. Sebast. Bachs erste Frau (die Mutter von Friedemann und K. Philipp Emanuel B.). Die wenigen auf uns gekommenen Choralvorspiele desselben wecken eine hohe Meinung von seinem Können; dagegen stehen seine Motetten und Kantaten hinter denen seines Bruders zurück.

3) Johann Sebastian, das hervorragendste Glied der Familie und einer der größten Meister aller Zeiten, geb. 21. März 1685 in Eisenach als Sohn des dortigen Stadtmusikus Johann Ambrosius B. (1645–95), gest. 28. Juli 1750 in Leipzig. Schon mit 10 Jahren verwaist, kam er in die Pflege seines ältern Bruders, Johann Christoph (1671–1721), Organisten zu Ohrdruf, von dem er den ersten musikalischen Unterricht erhielt. 1760 erhielt er eine Freistelle am Michaelisgymnasium zu Lüneburg, wo damals Georg Böhm, einer der gediegensten ältern Orgel- und Klavierkomponisten, lebte, der auf Bachs Entwickelung bedeutenden Einfluß gewann. Auch besuchte B. von dort aus Hamburg, um die Organisten Jan Reinken und Vinc. Lübeck, sowie Celle, um die dortige Hofkapelle zu hören. 1703 wurde er Violinist bei der Hofkapelle in Weimar, 1704 Organist in Arnstadt, von wo er 1705 Lübeck besuchte, um den berühmten Orgelmeister Buxtehude zu hören, 1707 Organist in Mühlhausen, 1708 Hoforganist, 1714 Hofkonzertmeister in Weimar, welche Stellung er bis 1717 bekleidete. Im letztern Jahr traf er in Dresden mit dem berühmten französischen Klavierspieler Marchand zusammen, dem er so imponierte, daß derselbe dem angebotenen Wettstreite durch unerwartete Abreise auswich. B. wurde in demselben Jahre Hofkapellmeister beim Fürsten von Anhalt-Köthen, übernahm jedoch schon 1723 die durch Kuhnaus Tod erledigte Stelle des Kantors an der Thomasschule zu Leipzig, in der er bis an sein Lebensende verblieben ist. Abgesehen von seiner Ernennung zum sachsen-weißenfelsischen Kapellmeister, gelegentlichen Reisen nach Dresden und einem Besuch in Berlin (1747), wo er von Friedrich d. Gr. mit Auszeichnung behandelt wurde, verfloß sein Leben zu Leipzig in völliger Zurückgezogenheit, nur seinem Amt, seiner Familie und seinen Schülern gewidmet. Seine bedeutendsten Werke entstanden hier und waren größtenteils, wie namentlich die zahlreichen Kirchenkantaten, durch seine amtlichen Verpflichtungen unmittelbar veranlaßt. Während der letzten Jahre quälte ihn ein Augenleiden, das kurz vor seinem Tode zur Erblindung führte. B. war zweimal verheiratet, das erste Mal mit seiner Base Maria Barbara B., Tochter von B. 2), die 1720 starb; sodann (seit 1721) mit Anna Magdalena, Tochter des Kammermusikus Wülken zu Weißenfels, die ihn überlebte. Er hinterließ 6 Söhne und 4 Töchter; 5 Söhne und 5 Töchter waren vor ihm gestorben. Sebastian B. war nicht allein einer der genialsten Komponisten, sondern zugleich einer der größten Klavier- und Orgelvirtuosen aller Zeiten. Die gleichzeitig Lebenden bewunderten ihn sogar vorzugsweise in dieser letztern Hinsicht, während die volle Würdigung seiner schöpferischen Tätigkeit einer spätern Generation vorbehalten blieb.

Der Komponist B. erhebt sich riesengroß aus der Reihe seiner Zeitgenossen, und nur in Händel steht ihm ein ebenbürtiger gegenüber, dessen Verdienste zum großen Teil auf ganz andern Gebieten liegen als diejenigen Bachs. Zwar ist Bachs Kunst nicht vom Himmel gefallen, sondern er steht überall auf den Schultern bedeutender Vorgänger; aber die Souveränität des Könnens, mit der er die Leistungen seiner Vorgänger zusammenfaßt und überbietet, macht ihn zu einer Jahrhunderte überragenden Erscheinung. In der Kunst Bachs findet einerseits der Stil einer vorausgehenden Epoche seine höchste Gipfelung, nämlich die auf vokalem Gebiet im 16. Jahrh. vorgebildete und im 17. Jahrh. allmählich auf instrumentalem Gebiete von tastenden Versuchen zu Bildungen von bleibendem Werte sich durchringende Polyphonie; anderseits erstrahlen aber Bachs Werke bereits im Morgenrot einer neuen Zeit, nämlich der zur vollen Klarheit durchgedrungenen Harmonie; drittens tritt aber auch bie im 17. Jahrh. aufgekommene Monodie, die Melodieentfaltung auf harmonischer Grundlage, bei ihm bereits mit einer Sicherheit der Gestaltung im großen auf, welche die nahe Hochblüte der unmittelbar nach seinem Tode mit Haydn anbrechenden klassischen Periode voraus anzeigt.

Durch die Anforderungen, welche die verschiedenen von B. bekleideten Stellungen an sein Können stellten, wurde dieses allmählich auf verschiedene Gebiete ausgedehnt. Seinen Ausgang nahm er von der Orgelkunst, in der er durch Familientradition und das Beispiel bedeutender Zeitgenossen schnell zu exzeptioneller Höhe emporstieg. Tatsächlich bilden seine gewaltigen Phantasien und Fugen, Tokkaten, Präludien und kunstvollen Choralbearbeitungen bis heute den Gipfelpunkt der gesamten Orgelkomposition. Hand in Hand mit der Orgelkomposition geht die Klavierkomposition; B. erlebte noch den Beginn der Verdrängung des Klavichords und Klavicimbals durch das Pianoforte und hat mit seinem »Wohltemperierten Klavier« und seinen Konzerten (das Klavierkonzert ist seine Schöpfung), Sonaten etc. Werke von unvergänglichem poetischen Gehalt geschaffen, für deren würdigen Vortrag die gesteigerte Leistungsfähigkeit der neuern Instrumente erst die Mittel brachte. Das ganze 19. Jahrh. zeigt in seinem Verlauf eine fortdauernde Steigerung der Wertschätzung Bachs. 100 Jahre nach seinem Tode unternahm die von K. F. Becker, M. Hauptmann, O. Jahn, R. Schumann u. a. 1850 ins Leben gerufene Bach-Gesellschaft eine Gesamtausgabe seiner großenteils überhaupt noch nicht gedruckten Werke; sie erschien bis 1900 in 46 Jahrgängen (59 Foliobände und Nachtrag: Schlußbericht von H. Kretzschmar, u. a.) im Verlag von Breitkopf u. Härtel in Leipzig. Eine große Zahl von Werken ist nachweislich verloren gegangen. Zu den bereits genannten Klavier- und Orgelwerken, denen aber noch die Suiten und Partiten für Klavier nachzutragen sind, kommen zunächst eine stattliche Reihe von Kammermusikwerken, die durch Bachs Weimarer und Köthener Stellung angeregt wurden (Sonaten für Violine und Klavier, Flöte und Klavier, Sonaten und Suiten für Violine allein und Violoncello [Gambe] allein, die beiden letztgenannten Wunderwerke doppelgriffiger Technik), ferner die zum modernen Orchesterstil überführenden »Brandenburgischen Konzerte« und Orchestersuiten, auch Konzerte für mehrere Soloinstrumente mit Orchester u. s. s. Die Orchesterwerke gehören Bachs Leipziger Zeit an, in der er durch die Verfügung über Chor- und Orchesterkräfte zu den höchsten Leistungen angespornt wurde. Als städtischem Kirchenmusikdirektor lag ihm aber vor allem die Pflicht ob, für die Kirchenfeste alljährlich eine Anzahl größerer kirchlichen Werke zu schreiben. Dieser Gepflogenheit verdanken wir den trotz des Untergangs eines großen Teils staunenerregenden Schatz seiner großen Kirchenkantaten, deren er fünf vollständige Jahrgänge geschrieben haben soll, und der Passionsmusiken und Messen, anderen Spitze die Riesenwerke Matthäuspassion und H-moll-Messe stehen. Von fünf von B. geschriebenen Passionen sind nur zwei (nach Matthäus und nach Johannes) erhalten; die Echtheit einer dritten (nach Lukas) ist zweifelhaft. Neben diese Werke treten noch das Weihnachtsoratorium und das Magnifikat. Echt kirchlicher Geist und die beispielloseste Beherrschung der Kunstmittel stellen diese Werke Bachs hoch über die aller Zeitgenossen und machen sie noch auf lange Zeit hinaus zum Gegenstande des Nachstrebens kommender Generationen. Obgleich die Gesamtausgabe der Werke Bachs jetzt vollendet vorliegt, so ist doch noch immer erst ein Teil der Werke Bachs Gemeingut der musikalischen Welt geworden. Aus diesem Grunde hat sich 1900 eine »Neue Bach-Gesellschaft« gebildet, die sich die Verbreitung der Werke Bachs im weitesten Sinne zur Aufgabe stellt und Aufführungen der noch nicht oder nur seltener gehörten Werke Bachs veranstalten wird. Bei Lebzeiten Bachs erschienen nur sehr wenige seiner Werke im Druck (Klavierübung, 3 Teile; Musikalisches Opfer; Kunst der Fuge; 6 Choräle und eine Motette). Eine Sammlung seiner (370) Choralsätze veröffentlichte Karl Ph. Emanuel B. Erst 50 Jahre nach Bachs Tode wurde bas »Wohltemperierte Klavier« gedruckt und damit die Ära der Wiedererweckung eröffnet (1800 durch H. G. Nägeli in Zürich). Vollständigere Sammlungen der Klavierwerke veranstalteten zuerst Peters in Leipzig (durch Czerny und Griepenkerl), Haslinger in Wien, später Holle in Wolfenbüttel (durch Chrysander). Um die Herausgabe und Bearbeitung einzelner Werke haben sich Ad. B. Marx, Robert Franz, H. v. Bülow, Fr. Kroll, F. Kullak, H. Bischoff, H. Riemann, Homeyer u. a. Verdienste erworben. Analysen des »Wohltemperierten Klaviers« veröffentlichten K. Debrois van Bruyck (2. Aufl., Leipz. 1869), H. Riemann (das. 1891) und Fr. Iliffe (Lond. 1896). Durch Mendelssohns Vermittelung wurde dem großen Musiker 1842 in Leipzig ein bescheidenes Monument (von Knaur ausgeführt) errichtet; ein größeres Denkmal (Statue, von Donndorf modelliert) wurde ihm in Eisenach gesetzt und 28. Sept. 1884 feierlich enthüllt; ein drittes ist ihm in Köthen (1885) errichtet worden. Vgl. Forkel, Über J. S. Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke (Leipz. 1803; neue Ausg. bei Peters, das. 1855); Hilgenfeldt, Joh. Seb. Bachs Leben, Wirken und Werke (das. 1850); Bitter, Joh. Seb. B. (2. Aufl., Berl. 1880–81, 4 Bde.); Spitta, Joh. Seb. B. (Leipz. 1873–80, 2 Bde.); H. Barth, Joh. Seb. B. (Berl. 1902); Mosewius, Joh. Seb. B. in seinen Kirchenkantaten (das. 1845); Derselbe, J. S. Bachs Matthäuspassion (das. 1852).

Eine große Anzahl bedeutender Musiker ging aus Bachs Schule hervor; unter ihnen nehmen seine Söhne einen hervorragenden Platz ein. Unter Bachs elf Söhnen haben sich die folgenden vier in der Geschichte der Musik oder wenigstens im Musikleben ihrer Zeit eine bedeutende Stellung erworben.

4) Wilhelm Friedemann (der »Hallesche« B.), der älteste und begabteste, aber auch unglücklichste der Söhne Bachs, geb. 22. Nov. 1710 in Weimar, gest. 1. Juli 1784 in Berlin, brachte es durch den Unterricht seines Vaters schon in der Jugend so weit, daß selbst der nicht leicht befriedigte Meister das Höchste von ihm hoffte. Von 1722 an besuchte er in Leipzig die Thomasschule, bezog dann die Universität, ward 1733 als Organist der Sophienkirche nach Dresden und 1747 als Musikdirektor und Organist der Marienkirche nach Halle berufen, konnte sich aber leider nicht in die Erfüllung bestimmter Amtspflichten schicken und mußte 1764 seinen Abschied nehmen. Von dieser Zeit an lebte er unstet unter andern in Leipzig, Braunschweig, Göttingen und endlich in Berlin, wo er in kümmerlichen Verhältnissen starb. Seine Zeitgenossen bewunderten aber in ihm den größten Orgelspieler und begabtesten Komponisten nach seinem Vater, und sein Bruder Emanuel war der Überzeugung, daß Friedemann allein imstande sei, wenn er wolle, ihren Vater zu ersetzen. Seine auf uns gekommenen Kompositionen sind voll der feinsten und geistreichsten Züge, oft geradezu romantisch angehaucht, dabei im Satz sehr sorgfältig, fortgesetzt imitierend, von durchaus eigenartiger Physiognomie. Wir nennen: eine Pfingstmusik (»Lasset uns ablegen«), eine Adventsmusik, Klavierkonzerte (einige davon neuerdings herausgegeben von H. Riemann), Orgelfugen, Fughetten, Klaviersonaten (in Auswahl herausgegeben von H. Riemann), eine Sonate für zwei Klaviere, Polonäsen für Klavier u. a. Außerdem schrieb er ein Werkchen über den harmonischen Dreiklang. E. Brachvogel behandelte sein Leben in einem Roman.

5) Karl Philipp Emanuel (der »Berliner« oder »Hamburger« B.), J. S. Bachs dritter Sohn, geb. 8. März 1714 in Weimar, gest. 14. Dez. 1788 in Hamburg, wurde in Leipzig auf der Thomasschule gebildet, in der Musik von seinem Vater unterrichtet, studierte dann in Leipzig die Rechte und setzte dieses Studium in Frankfurt a. O. fort, begründete aber daselbst eine musikalische Akademie, die auch Kompositionen von ihm ausführte, und gab Klavierunterricht, so daß er bald ganz in der Musik ausging. 1738 zog er nach Berlin und wurde 1740 von Friedrich II. zum Kammercembalisten ernannt, welche einflußreiche Stellung er 27 Jahre bekleidete. 1767 folgte er einem Ruf als Kirchenmusikdirektor nach Hamburg. Emanuel B. steht an Großartigkeit und Tiefe der Erfindung wie auch an Logik und Konsequenz der Entwickelung weit hinter seinem Vater zurück; er war mehr elegant und gefällig als gewal lig und ergreifend. Indem er die galante Schreibweise der Franzosen (Couperin, Rameau) und Italiener (Scarlatti) fortbildete, wurde er einer der Vorläufer einer neuen (der Haydn-Mozartschen) Epoche. Unter seinen zahlreichen Werten sind hervorzuheben: viele Sonaten, Phantasien und andre Stücke für Klavier allein (darunter die sechs Sammlungen »Sonaten für Kenner und Liebhaber«), eine Menge Klavierkonzerte mit Orchester, die zum Besten gehören, was er geschrieben; dann Trios und Quartette, Symphonien für Orchester, der Morgengesang am Schöpfungstag, viele Passionsmusiken (eine gedruckt), das Oratorium »Die Israeliten in der Wüste«, das doppelchörige »Heilig«, Melodien zu Gellerts geistlichen Liedern, Cramers Psalmen u. a. Neue Ausgaben einiger seiner Klavierkompositionen wurden von Baumgart (Leipz., bei Leuckart), H. v. Bülow (das., bei Peters), H. Riemann (das., bei Steingräber) u. a. veranstaltet. Besondere Verdienste erwarb sich B. durch sein Unterrichtswerk »Versuch über die wahre Art, das Klavier zu spielen« (Leipz. 1753 u. 1763, 2 Bde.), das namentlich über Ausführung der Verzierungen bestimmte und klare Anweisungen gibt (eine Neuausgabe von G. Schilling, 1857, ist eine willkürliche Umarbeitung). Sein Leben, von ihm selbst beschrieben, findet sich in Burneys »Tagebuch einer musikalischen Reise« (deutsch, Leipz. 1772–73, 3 Bde.). Vgl. Bitter, Karl Phil. Emanuel und Wilh. Friedemann B. und deren Brüder (Berl. 1868).

6) Johann Christoph Friedrich (der »Bückeburger« B.), geb. 21. Juni 1732 in Leipzig, gest. 26. Jan. 1795 in Bückeburg, studierte erst Jura, wendete sich jedoch später der Musik zu und wurde Kapellmeister des Grafen von Schaumburg, als welcher er bis an sein Ende glücklich, zufrieden und geehrt in Bückeburg lebte. Er war ein vorzüglicher Klavierspieler und komponierte Instrumental- und Vokalstücke verschiedenster Art. Im Druck erschienen die Kantaten »Ino« (von Ramler) und »Die Amerikanerin« (von Gerstenberg), sechs Quartette (mit Flöte), auch mehrere Hefte Klaviersonaten. Eine vierhändige Sonate und ein Variationenwerk gab H. Riemann heraus (bei Steingräber in Leipzig).

7) Johann Christian (der »Mailänder« oder »Londoner« B.), jüngster Sohn J. S. Bachs, geb. 1735 in Leipzig (getauft 7. Sept.), gest. 1. Jan. 1782 in London, ging nach dem Tode seines Vaters nach Berlin, wo er von seinem Bruder Emanuel erzogen und im Klavierspiel sowie in der Komposition mit Erfolg unterrichtet wurde. 1754 folgte er einer Sängerin nach Mailand, wurde dort Organist am Dom und erlangte großes Renommee als Opern- und Instrumentalkomponist, wendete sich jedoch 1762 nach London, wo er Händels Nachfolger als Kapellmeister der Königin wurde. Der Londoner B. war weitaus der berühmteste seiner Zeit und wird jetzt, sehr mit Unrecht, hinter K. Ph. Emanuel zurückgesetzt. Ganz besonders auf dem Gebiete der Instrumentalkomposition gehört er durchaus zu den Mitschöpfern des Stils der Haydn-Mozart-Epoche, hat Anteil an der Vollendung der Sonatenreform und steht mit der Gesangsmäßigkeit seiner Allegrothemen Mozart besonders nahe. Eine große Zahl seiner Werke (Sonaten, Konzerte, Quartette, Symphonien, Opern, Oratorien, Kantaten etc.) sind teils in Paris, London, Amsterdam etc. gedruckt, teils handschriftlich erhalten; doch sind bis jetzt nur wenige in Neuausgaben zugänglich gemacht (Klavierkonzerte durch H. Riemann, bei Steingräber in Leipzig). – Seine Frau, eine Italienerin, Cecilia, geb. Grassi, war zeitweilig Primadonna der Londoner Oper.

Der letzte Sprößling der berühmten Familie ist:

8) Wilhelm Friedrich Ernst, Sohn des Bückeburger B., geb. 27. Mai 1759 in Bückeburg, gest. 25. Dez. 1845 in Berlin, Schüler seines Vaters und seines Oheims Christian in London, trat in Frankreich und Holland als Klavierspieler mit großem Beifall auf; später ließ er sich in Minden nieder und komponierte hier zur Bewillkommnung des Königs Friedrich Wilhelm III. eine Kantate: »Die Nymphen der Weser«. 1798 wurde er Kapellmeister der Königin Luise und in der Folge Musiklehrer der königlichen Kinder. Nach dem Tode der Königin erhielt er seine Pensionierung. Von seinen Kompositionen erschienen nur wenige im Druck.


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