Orléans [4]

Orléans [4]

Orléans, 1) Jean Baptiste Gaston, Herzog von, geb. 25. April 1608 in Fontainebleau als Sohn König Heinrichs IV. und der Maria de' Medici, gest. 2. Febr. 1660, talentvoll, aber von schwachem, ja kläglichem Charakter, nahm an allen Ränken und Verschwörungen gegen Richelieu teil, wurde jedoch stets schmählich besiegt. Mehrmals aus Frankreich flüchtig, vermählte er sich nach dem Tode Marias von Montpensier, seiner ersten Gemahlin (1627), 1632 heimlich mit Margarete von Lothringen und erlangte die Gnade seines Bruders und die Erlaubnis zur Rückkehr nur, indem er seine Genossen feig im Stiche ließ. In den Kriegen der Fronde schloß sich der Herzog 1648 an die Unzufriedenen an, nach deren Besiegung er auf sein Schloß zu Blois verwiesen wurde, wo er starb. Aus seiner zweiten Ehe hinterließ er drei Töchter; seine einzige Tochter erster Ehe war Anna Maria Luise, Herzogin von Montpensier (s. d. 2). Vgl. »Mémoires du duc d'O.« (Amsterd. 1683, 2. Aufl. 1756).

2) Philipp, Herzog von, geb. 21. Sept. 1640 in St.-Germain als Sohn König Ludwigs XIII. und der Anna von Österreich, gest. 9. Juni 1701 in St.-Cloud, ergab sich, in der Erziehung vernachlässigt, frühzeitig einem zügellosen, ausschweifenden Leben. 1661 vermählte er sich mit Henriette von England; doch war die Ehe keine glückliche, und als Henriette 1670 plötzlich starb, traf ihren Gemahl der Verdacht der Vergiftung. Am 16. Nov. 1671 verband er sich in zweiter Ehe mit der Prinzessin Elisabeth Charlotte von der Pfalz (s. Elisabeth 3). Von 1672–77 nahm er an mehreren niederländischen Feldzügen teil. Aus seiner ersten Ehe hinterließ er zwei Töchter: Maria Luise, Mademoiselle d'O., geb. 1662, verheiratet an Karl II. von Spanien, starb 1689, und Anna Maria, Mademoiselle von Valois, geb. 1669, heiratete den Herzog Viktor Amadeus von Savoyen, starb 1728; aus seiner zweiten Ehe drei Kinder: Alexander Ludwig, Herzog von Valois, geb. 1673, gest. 1676; Philipp, Herzog von Chartres (s. den folgenden), und Elisabeth Charlotte, Prinzessin von Chartres, geb. 1676, heiratete den Herzog Karl Leopold von Lothringen, starb 1744.

3) Philipp II., Herzog von, geb. 4. Aug. 1674 in St.-Cloud als Sohn des vorigen, gest. 2. Dez. 1723, überließ sich frühzeitig einer grenzenlosen Ausschweifung, zeigte aber große geistige Anlagen und bekundete in den niederländischen Feldzügen hohen persönlichen Mut. Im Spanischen Erbfolgekrieg erhielt er 1706 den Oberbefehl in Italien, wo er gegen den Prinzen Eugen die Schlacht bei Turin verlor. 1707 und 1708 führte er mit vielem Erfolg den Oberbefehl in Spanien. Er zettelte aber Intrigen an, um für sich einen Teil oder selbst das Ganze der spanischen Monarchie zu erwerben, und verlor deshalb den Oberbefehl. Später wurde er angeschuldigt, die wiederholten Todesfälle in der königlichen Familie durch Vergiftung herbeigeführt zu haben. Trotzdem wurde er nach des Königs Tode (1715) vom Parlament als Regent mit voller königlicher Gewalt anerkannt. Er milderte das Regierungssystem, beraubte die Jesuiten ihrer Macht und tilgte 400 Mill. Livres Staatsschulden. In der auswärtigen Politik näherte er sich England und widersetzte sich der Eroberungspolitik Spaniens unter Alberoni. Doch begünstigte er den verderblichen Aktienschwindel und gab nebst seinem frühern Lehrer, dem Kardinal Dubois, dem Hof und dem Lande das Beispiel schamloser Verderbtheit und Zügellosigkeit. Vgl. »Vie du duc d'O.« (Par. 1737, 2 Bde.); Piossens, Mémoires de la Régence (das. 1749, 5 Bde.); Capefigue, Philipp d'O., régent de France (das. 1838, 2 Bde.); Wiesener, Le Régent, l'abbé Dubois et les Anglais (das. 1891–99, 3 Bde.); Haggard, The Regent of the Roués (Lond. 1905). Aus seiner Ehe mit Franziska Maria, Mademoiselle von Blois, natürlicher Tochter Ludwigs XIV. von der Montespan, hinterließ Philipp sieben Kinder: Maria Luise Elisabeth, geb. 1695, gest. 1719, verm. mit dem Herzog von Berry, später im geheimen mit dem Obersten Riom, sittenlos wie ihr Vater; Luise Adelaïde, Mademoiselle de Chartres, geb. 1698, Äbtissin von Chelles, eifrige Jansenistin, starb 1743; Charlotte Aglaë, Mademoiselle de Valois, geb. 1700, Gemahlin des Herzogs Franz III. von Modena, starb 1761; Ludwig, Herzog von O.; Luise Elisabeth, Mademoiselle de Montpensier, geb. 1709, verm. mit dem Prinzen Ludwig von Asturien (1724 König von Spanien), starb 1742 in Paris; Philippine Elisabeth, Mademoiselle de Beaujolais, geb. 1714, starb 1734; Luise Diana, Mademoiselle de Chartres, geb. 1716, verheiratet an den Prinzen Ludwig Franz von Conti, starb 1736. Die Gräfin von Argenton gebar ihm außerdem drei Kinder, von denen anerkannt wurde: Johann Philipp, Chevalier d'O., gest. 1748 als Großprior von Frankreich.

4) Ludwig Philipp Joseph, Herzog von, geb. 13. April 1747 in St.-Cloud als Urenkel des vorigen, gest. 6. Nov. 1793 in Paris, zeichnete sich als Jüngling ebensosehr durch schönes Außere wie durch glückliche Geistesanlagen aus, ergab sich aber früh zügellosen Ausschweifungen. Selbst seine Vermählung mit der Prinzessin Luise Maria Adelaide von Bourbon-Penthièvre (1769) änderte seinen wüsten Lebenswandel nicht. 1778 bewährte er sich in der Seeschlacht bei Ouessant. Um auch im politischen Leben eine Rolle zu spielen, setzte er 1785 nach dem Tode seines Vaters die in der Familie O. gleichsam erblich gewordene Opposition gegen den Hof fort. Beim Ausbruch der französischen Revolution zum Abgeordneten gewählt, betrieb er beim Zusammentritt der Generalstaaten sogleich deren Konstituierung zur Nationalversammlung und ließ die im Juli 1789 zu Paris beginnenden Aufstände durch Agenten und Geld unterstützen, da er den geheimen Plan verfolgte, sich mit Hilfe der Revolution selbst auf den Thron zu schwingen. Er trat in den Jakobinerklub, legte sich den Namen Philipp Egalité bei, wurde in den Nationalkonvent gewählt und nahm seinen Platz unter der Partei des Bergs ein. Zur Entrüstung seiner eignen Parteigenossen stimmte er 1793 für Ludwigs XVI. Tod. Nun wurde er jedoch, des Strebens nach der Königskrone verdächtigt, verhaftet und zu Paris guillotiniert. Vgl. Montjoie, Conjuration d'O. (Par. 1793, 3 Bde.); Ducoin, Philippe d'O.-Egalité (das. 1845, 2. Ausg. 1861); Tournois, Histoire de Louis-Philippe-Joseph, duc d'O., et du parti d'O. dans ses rapports avec la Révolution française (das. 1840–1843, 2 Bde.). Seine Gemahlin hatte sich 1792 von ihm getrennt, da der Herzog sie seit langem vernachlässigte und ein intimes Verhältnis mit der Frau v. Genlis anknüpfte, ward aber 1794 ebenfalls ins Gefängnis nach Marseille gebracht und erhielt erst 1795 ihre Freiheit zurück. Sie starb 23. Juni 1821 in Paris.

5) Ferdinand, Herzog von, geb. 3. Sept. 1810 in Palermo als Sohn König Ludwig Philipps und der Maria Amalia von Sizilien, gest. 13. Juli 1842, wohnte 1831 und 1832 den französischen Expeditionen in Belgien, 1835–40 denen in Algerien bei und beschäftigte sich hierauf vorzugsweise mit der Organisation und Musterung der Truppen. Künste und Wissenschaften erhielten in ihm einen freigebigen Beschützer. Er fand seinen Tod auf dem Wege von Paris nach Neuilly durch einen Sprung aus seinem Kabriolett, dessen Pferde durchgingen. Seine »Briefe« (1825–42) und seine »Récits de campagne 1833–1841« veröffentlichten seine Söhne (Par. 1889 u. 1890). Vgl. Mendelssohn, Ferdinand Philipp, Herzog von O. (Altenb. 1842).

6) Heinrich, Prinz von, ältester Sohn des Herzogs von Chartres (s. oben, S. 128), geb. 15. Okt. 1867, gest. 9. Aug. 1901, reiste 1889–90 mit Bonvalot (s. d.) durch Zentralasien nach Hinterindien, zog 1892 von Tongking durch die Schanstaaten nach Bangkok, besuchte darauf Madagaskar und erforschte 1895 von Tongking aus den Oberlauf des Mekhong und die Quellen des Irawaddi. 1897 unternahm er eine Forschungsreise nach Abessinien, die gleichzeitig politischen Zwecken dienen sollte. Nach seiner Rückkehr wurde er wegen ungünstiger Beurteilung der italienischen Armee vom Prinzen Viktor, Grafen von Turin, zum Zweikampf gefordert und dabei verwundet. 1901 unternahm er eine neue Reise nach Indochina, erkrankte aber an Dysenterie und starb in Saigon. Er veröffentlichte: »Six mois aux Indes« (1889), »Une excursionen Indo-Chine« (1892), »Autour du Tonkin« (1893), »A Madagascar« (1895), »Du Tonkin aux Indes« (1897), »Une visite à l'empereur Ménélick« (1899), »Politique extérieure et coloniale« (1900); »L'âme du voyageur« (hrsg. von Dufeuille, 1902).

7) Ludwig Philipp, Herzog von O. und »Chef des Hauses Frankreich«, geb. 6. Febr. 1869 in Twickenham als Sohn Ludwig Philipps, Grafen von Paris (s. d.), stellte sich nach der Abdankung Casimir-Périers durch einen Brief an den Senator Buffet vom 17. Jan. 1895 selbst als Kronprätendenten von Frankreich auf. Am 5. Nov. 1896 vermählte er sich mit der Erzherzogin Maria Dorothea von Österreich (geb. 14. Juni 1867); die Ehe ist kinderlos geblieben.


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