Pfändung [1]

Pfändung [1]

Pfändung heißt die Beschlagnahme fremder beweglicher Sachen zum Zweck der Sicherung und Deckung einer Forderung. Die gerichtliche P. ist eine Art der Zwangsvollstreckung (s. d.) und setzt voraus, daß eine solche zulässig ist. Die P. erfolgt in der Regel wegen privatrechtlicher Forderungen; sie ist aber auch wegen rückständiger öffentlicher Abgaben zugunsten des Staates und der Gemeinde sowie zugunsten von andern Körperschaften, wie Krankenkassen, Innungen, Handelskammern etc., wegen rückständiger Beiträge der Mitglieder u. dgl. zulässig. Die gerichtliche P. der im Gewahrsam des Schuldners befindlichen beweglichen Sachen wird nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 803 ff.) durch den Gerichtsvollzieher (s. d.) und zwar dadurch bewirkt, daß er jene Sachen in Besitz nimmt. Andre Sachen, als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere, sind (nach § 808) im Gewahrsam des Schuldners zu belassen, sofern dadurch die Befriedigung des Gläubigers nicht gefährdet wird. In diesem Fall ist die Wirksamkeit der P. dadurch bedingt, daß sie durch Anlegen von Siegeln oder auf sonstige Weise ersichtlich gemacht wird. Die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück erfolgt (nach § 866) durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung, durch Zwangsversteigerung und durch Zwangsverwaltung (s. d.). – Durch die P. erwirbt der Gläubiger ein Pfandrecht an den gepfändeten Gegenständen, das Pfändungspfandrecht genannt wird und gleich einem Faustpfand wirkt (s. Verstrickung). Hat die P. nicht zu voller Befriedigung des Gläubigers geführt, oder macht dieser glaubhaft, daß er durch P. solche nicht erlangen könne, so muß der Schuldner auf Antrag ein Verzeichnis seines Vermögens vorlegen und den Offenbarungseid (s. d.) ablegen. Die gepfändeten Sachen sind von dem Gerichtsvollzieher öffentlich zu versteigern; Kostbarkeiten sind zuvor von einem Sachverständigen abzuschätzen. Wertpapiere, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, sind aus freier Hand zum Tageskurs zu verkaufen. Früchte dürfen zwar auf dem Halm, d.h. bevor sie von dem Boden getrennt sind, gepfändet werden, solange nicht ihre Beschlagnahme mittels Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erfolgt ist; doch darf die P. nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Zeit der Reise und die Versteigerung nicht vor der Reise erfolgen. Gewisse Sachen waren schon nach den frühern Bestimmungen der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 715) unpfändbar, so die für den Schuldner, seine Familie und sein Gesinde unentbehrlichen Kleidungsstücke, Betten, Haus- und Küchengeräte, Nahrungs- und Feuerungsmittel auf zwei Wochen, eine Milchkuh oder nach der Wahl des Schuldners statt dessen zwei Ziegen oder zwei Schafe; bei Künstlern, Handwerkern, Hand- und Fabrikarbeitern sowie bei Hebammen die zur persönlichen Ausübung des Berufs unentbehrlichen Gegenstände; bei Landwirten das zum Wirtschaftsbetrieb unentbehrliche Gerät, Vieh- und Feldinventarium, bei Offizieren, Beamten, Geistlichen, Lehrern, Rechtsanwälten, Notaren und Ärzten die zur Ausübung des Berufs und Wahrnehmung des Dienstes erforderlichen Gegenstände sowie anständige Kleidung; ferner die zum Betrieb einer Apotheke unentbehrlichen Geräte, Gefäße und Waren; Orden und Ehrenzeichen; Bücher, die zum Gebrauch des Schuldners und seiner Familie in der Kirche oder in der Schule bestimmt sind; das Inventar der Posthaltereien. Endlich blieb bei Offizieren, Deckoffizieren, Militärärzten, Beamten, Geistlichen und Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstalten ein Geldbetrag frei, der dem der P. nicht unterworfenen Teil des Diensteinkommens oder der Pension für die Zeit von der P. bis zum nächsten Termin der Gehalts- oder Pensionszahlung gleichkommt. Durch die sogen. Novelle zur Zivilprozeßordnung vom 17. Mai 1898 wurde (in § 811) das Verzeichnis der unpfändbaren Gegenstände erheblich erweitert. Unpfändbar sind noch die für den Schuldner und seine Familie (nebst Gesinde) auf vier Wochen erforderlichen Nahrungs-, Feuerungs- und Beleuchtungsmittel oder der zur Beschaffung für zwei Wochen erforderliche Geldbetrag; Futter- oder Streuvorräte für das unpfändbare Vieh oder der zur Beschaffung erforderliche Geldbetrag für dieselben Zeiträume, deren Haushaltungs- und Geschäftsbücher, Familienpapiere, Trauringe, künstliche Gliedmaßen und Brillen. Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalte des Schuldners gebraucht werden, sollen (nach § 812) nicht gepfändet werden, wenn nur ein Schleudererlös zu erwarten ist.

Auch die Zwangsvollstreckung in Forderungen wird P. genannt. Die Forderungspfändung erfolgt nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 828) durch dasjenige Amtsgericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (s. Beschlagnahme). Dieses Amtsgericht verbietet dem Drittschuldner (s. d.), an den Schuldner zu zahlen, und gebietet dem letztern, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbes. der Einziehung, zu enthalten. Die gepfändete Geldforderung ist dem Gläubiger zur Einziehung oder an Zahlungs Statt zum Nennwert zu überweisen. Zur P. einer durch Hypothek gesicherten Forderung ist nach § 830 außer dem Pfändungsbeschluß die Übergabe des Hypothekenbriefes an den Gläubiger erforderlich. Die P. von Forderungen aus Wechseln und andern indossabeln Papieren wird ausnahmsweise durch Besitzergreifung von diesen Papieren bewirkt (§ 831). Der P. nicht unterworfen sind nach § 850 der Arbeits- oder Dienstlohn nach den Bestimmungen des Reichsgesetzes vom 21. Juni 1869, gesetzliche Alimentenforderungen, Einkünfte aus Stiftungen und infolge von Wohltätigkeitsakten zur Bestreitung des notdürftigen Unterhalts; ferner die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen zu beziehenden Hebungen; der Sold und die Invalidenpension der Unteroffiziere und Soldaten; das Diensteinkommen der Militärpersonen, die zu einem mobilen Truppenteil oder zu einem in Dienst gestellten Kriegsfahrzeug gehören. Der P. sind weiterhin nicht unterworfen die Pensionen der Witwen und Waisen, die Erziehungsgelder, Stipendien und Pensionen invalider Arbeiter; das Diensteinkommen der Offiziere, Militärärzte und Deckoffiziere, der Beamten, der Geistlichen sowie der Ärzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten, ebenso deren Pension sowie der ihren Hinterbliebenen zu gewährende Sterbe- und Gnadengehalt. Übersteigen jedoch Diensteinkommen, Pension oder sonstige Bezüge die Summe von 1500 Mark für ein Jahr, so ist der dritte Teil des Mehrbetrags der P. unterworfen. Die sogen. Novelle vom 17. Mai 1898 hat auch in dieser Richtung den Kreis der unpfändbaren Forderungen erweitert. Insbesondere sind nach den § 850–852 sowie den § 859–862 bis zu gewissen Zeitpunkten unpfändbar gewisse Rentenansprüche wegen Körperverletzung, der Pflichtteilsanspruch, der Rückforderungsanspruch des verarmten Schenkers, die Anteilsrechte von Gesellschaftern, Miterben oder Ehegatten, die eheliche oder elterliche Nutznießung und allgemein unübertragbare Rechte.

Nur ausnahmsweise ist dem Gläubiger in Deutschland die eigenmächtige P. im Wege der Selbsthilfe oder die Privatpfändung gestattet. In dieser Beziehung hat sich die eigenmächtige P. (Schüttung, Schätzung) erhalten, die der Grundbesitzer bei widerrechtlicher Betretung oder Beschädigung seines Grundstücks durch Menschen oder durch Tiere mittels Wegnahme der Tiere oder beweglicher, der beeinträchtigenden Person gehöriger Sachen ausführen kann. Dieses Pfändungsrecht, bezüglich dessen nach Artikel 89 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch die landesgesetzlichen Vorschriften auch fernerhin maßgebend sind, darf regelmäßig nur bei dem Betreten auf frischer Tat und auf dem geschädigten Grundstück selbst ausgeübt werden; die sogen. Pfandkehrung, d.h. die eigenmächtige Zurücknahme der gepfändeten Sache seitens des Gepfändeten, ist ebenso wie eine Gegenpfändung, d.h. eine P. des Pfändenden, unstatthaft (s. Pfandkehrung). Die Pfandgegenstände dienen dem Grundbesitzer teils als Beweismittel für seine Schadenersatzforderung, teils haften sie ihm für diese selbst, indem sie nur gegen Erstattung des Schadens, der Unkosten der P., namentlich des etwaigen Futtergeldes (Pfandschilling) herauszugeben sind. Vielfach ist der Geschädigte auch berechtigt, von dem Übertreter ein sogen. Pfandgeld zu fordern, ohne erst den oft mühsamen Nachweis des ihm zugefügten Schadens liefern zu müssen. Vgl. Nägeli, Das germanische Selbstpfändungsrecht (Zürich 1876).

In Österreich erfolgt die P. nach den § 3 ff. des Gesetzes vom 27. Mai 1896, betreffend das Exekutions- und Sicherungsverfahren (»Exekutionsordnung«), auf Anordnung des Gerichts, das zur Bewilligung der »Exekution« zuständig ist, da deren Vollzug nach § 16 von Amts wegen erfolgt. Die Unpfändbarkeit von Sachen, Ansprüchen und Vermögensrechten regelt die Exekutionsordnung in den § 250–252,290–293 und 330, die im großen und ganzen dem deutschen Recht entsprechen. Zu den unpfändbaren Sachen gehören auch die Gegenstände des Gottesdienstes, die Familienbilder, mit Ausnahme der Rahmen, ferner aber die Versicherungssummen, die statutengemäß zum Wiederaufbau oder zur Wiederherstellung des beschädigten Gebäudes verwendet werden müssen, sowie unterhaltungsgelder, Pensionen und Renten bis zum Betrage von 500 Gulden. Ausgedinge, deren jährliche Gesamtnutzung den Wert von 300 Gulden nicht übersteigt, sind der Exekution entzogen, wenn diese Bezüge für den Verpflichteten und seine Hausgenossen unentbehrlich sind. Das Urheberrecht darf nach dem österreichischen Gesetz vom 28. Dez. 1895 (§ 14), solange es dem Urheber und seinen Erben zusteht, durch Exekutions- oder Sicherstellungsmaßregeln nicht getroffen werden. Dagegen sind solche Maßregeln auch gegen den Urheber und seine Erben zulässig in bezug auf vorhandene Vervielfältigungen und Nachbildungen eines bereits veröffentlichten Werkes, auf verkaufsfertige Werke der bildenden Kunst und auf alle kraft des Urheberrechts erworbenen vermögensrechtlichen Ansprüche. Nach dem deutschen Gesetz vom 19. Juni 1901, betreffend das Urheberrecht etc. (§ 10), findet die Zwangsvollstreckung in das Recht des Urhebers oder in sein Werk gegen den Urheber selbst ohne dessen Einwilligung nicht statt; gegen den Erben ist sie ohne seine Einwilligung nur zulässig, wenn das Werk erschienen ist.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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