- Landwirtschaftliche Betriebssysteme
Landwirtschaftliche Betriebssysteme (Wirtschaftssysteme), die Formen, in denen alle Betriebszweige oder Produktionen (Ackerbau, Wiesenbau, Viehwirtschaft, technische Gewerbe) zur Landwirtschafts-Unternehmung organisch vereinigt werden. Bezieht sich das System nur auf die Feldwirtschaft (Nutzung des Acker-, Wiesen- und Weidelandes), so ergibt sich das dem Wirtschaftssystem untergeordnete Feldsystem; bezieht es sich nur auf einen Betriebszweig, so ergibt sich das Ackerbausystem, System der Viehhaltung etc. Innerhalb der Ackerbausysteme oder der systemmäßigen Benutzung des Ackerlandes regelt die Aufeinanderfolge der anzubauenden Pflanzen die Fruchtfolge (s. d.; Umlauf, Turnus, Rotation). Die Ausdehnung, in der die in die Fruchtfolge aufgenommenen Pflanzen auf den einzelnen Ackergrundstücken zum Anbau gelangen, bestimmt die Feldeinteilung (s. d.), aus der sich wieder die Fruchtordnung oder die prozentische Anbaufläche für jede einzelne Kulturpflanze und daraus die Größe des Anbauverhältnisses zwischen Markt- und Futterpflanzen ergibt.
Das Wirtschaftssystem kennzeichnet die Richtung der gesamten Produktion, daher die Art und den Umfang der Aufwendung von Kapital und Arbeit. Das extensive Wirtschaftssystem verwendet wenig, das intensive viel Kapital und Arbeit. Der Charakter des Wirtschaftssystems bestimmt weiter mit Bezug auf Acker- und Grasland das Feldsystem und mit Bezug auf Ackerland allein das Ackerbausystem und die Fruchtfolge. Die Gliederung des Wirtschaftssystems in Feld-, Ackerbausystem und Fruchtfolge geht je nach der Kulturstufe verschieden weit und kann selbst bei der okkupatorischen Wirtschaft der Jagd und Fischerei, die den Ackerbau noch nicht kennt, ganz in Wegfall kommen. Höher steht die reine Gras wirt schaft bei Hirtenvölkern sowie die Urwechselwirtschaft. Nach Umwandlung des Weidelandes in Ackerland vereinigen sich die Viehhaltung mit dem Ackerbau zum Landwirtschaftsbetrieb, der zunächst zur Wechselwirtschaft, Felderwirtschaft und Fruchtwechselwirtschaft führt, bei denen die Pflanzen für eine bestimmte Zeit (Umlauf) in einer geschlossenen, festgeregelten Fruchtfolge zum Anbau gelangen. Die höchste Kulturentwickelung befreit sich in der freien Wirtschaft von jeder Fessel und führt in letzter Linie zum viehschwachen Betrieb oder zum Ackerbau ohne Vieh und zur Feldgärtnerei.
Krafft unterscheidet demnach die folgenden unter 1) bis 8) aufgeführten Systeme:
1) Die Graswirtschaft (ungeschmälerte Weide- und Graswirtschaft) nützt die Gesamtfläche als ewiges oder permanentes natürliches Grasland durch Viehzucht, ein Ackerbau findet daher nicht statt. Diese Viehwirtschaft hat ihren Platz sowohl in dünnbevölkerten, kapitalsarmen Gegenden, wie in den Prärien Amerikas und den Steppengebieten von Ungarn, Rußland, Hochasien, in der Weide- und Waldregion der Gebirge als Alpenwirtschaft (s. d.), Sennenwirtschaft, in feuchten Meeresniederungen, in den Marschen Schleswig-Holsteins als Fettgräserei von eignem oder fremdem Vieh, als auch in unmittelbarer Nachbarschaft volksreicher Städte als reine Wiesengüter mit Futterverkauf für Milchwirtschaften. Solche Wirtschaften benötigen nur wenig Gebäude, Geräte und umlaufendes Kapital, um so mehr stehendes Betriebskapital, nach dem das Vieh den Hauptkapitalsbestandteil bildet.
2) Die Urwechselwirtschaft tritt in folgenden Formen auf: a) die wilde Feldgraswirtschaft (ganz extensive, ungeregelte Feldgraswirtschaft, sibirische Wirtschaft), bei der dasselbe Grundstück abwechselnd als Grasland und Ackerland benutzt wird. Neben Viehaufzucht auf der Weide werden einzelne Grundstücke ein Jahr oder auch einige Jahre als Ackerland zum Getreidebau benutzt und dann eine unbestimmte, lange Reihe von Jahren dem ohne menschliches Zutun aufkommenden Graswuchs überlassen und als Weide verwendet. Wenn der Ertrag des Getreidelandes zu gering wird, überläßt man es dem Graswuchs, bricht von dem bisherigen Grasland, das durch die Rückstände der Weidepflanzen und den Dünger der Weidetiere reicher an Pflanzennährstoffen geworden, einen Teil auf und benutzt diesen zur Körnerproduktion. Stalldünger wird dem Getreideland nie oder doch nur ausnahmsweise zugeführt. Das Getreideland ist aber immer nur ein kleiner Teil des gesamten landwirtschaftlichen Bodens, wird auch sonst wenig bearbeitet. Der Ertrag des Ackerbaues ist bei diesem Betriebssystem gering, die Viehzucht ist der Hauptzweig der landwirtschaftlichen Produktion.
b) Die Brandwirtschaft wird unterschieden in Waldbrandwirtschaft und Moorbrandwirtschaft. Die Waldbrandwirtschaft besteht in der abwechselnden Benutzung der Grundstücke als Wald und Acker. Der Boden wird erst durch Abbrennen der auf seiner Oberfläche befindlichen Hölzer oder Wildpflanzen zum Ackerland hergerichtet. Die Asche dient als Dungmittel; durch den Brennprozeß selbst werden Samen- und Wurzelunkräuter, Insekten oder sonstige schädliche Tiere vertilgt, ferner mineralische Pflanzennährstoffe für die nachfolgenden Feldgewächse, meist Roggen, Hafer oder Kartoffeln, aufnehmbar gemacht, anderseits zerstört er aber auch organische Bodensubstanz, Humus. Die Brandwirtschaft kommt in sehr verschiedener Weise vor und zwar als Haubergs- oder Hackwaldbetrieb (s. d.), beim Waldfeldbau (s. d.) und beim Röderbetrieb (s. d.). Die Moorbrandwirtschaft besteht darin, daß man die obere Narbe des Bodens mit dem Pflug abschält oder mit der Hacke loshaut, die Plaggen genannten Stücke auf kleine Haufen bringt, diese sodann einem mehr oder minder vollständigen Verbrennungsprozeß unterwirft, die Asche verteilt und nun pflügt, sät, erntet. Der abgebrannte Boden trägt 5–8 Jahre Roggen, Buchweizen und Hafer; dann ist das Land ausgebaut und kann erst wieder nach 20–30 Jahren neuerdings gebrannt werden. Dieses Raubsystem gewährt in je 25–38 Jahren nur 5–8 Ernten und als Zugabe den schädlichen Moor- oder Höhenrauch. Bessere Kulturmethoden des Moorbodens sind die holländische Fehnkultur und die Rimpausche Dammkultur.
c) Die Plaggenwirtschaft in armen Sand- und Heidegegenden verwendet einen Teil der Heide zur Düngung eines andern zum Fruchtbau verwendeten Teiles. Ein Brennen der Heideplaggen findet nicht statt.
3) Die Wechselwirtschaft (geregelte Feldgraswirtschaft). Zum Unterschiede von der ungeregelten Urwechselwirtschaft, aus der sich bei dem Vorschreiten der Kultur die Wechselwirtschaft herausgebildet hat, findet die abwechselnde Verwendung eines Grundstückes als Acker- und Grasland in fester Ordnung und fester Fruchtfolge, jedoch ohne Fruchtwechsel, d.h. Anbau von Halm- und Blattfrüchten im Wechsel, statt. Der Schwerpunkt der Produktion liegt bei der Wechselwirtschaft im Futterbau, daher in der Viehwirtschaft. Formen derselben sind:
a) Die Egartenwirtschaft (alte Egartenwirtschaft, Eggarten-, Ehegartenwirtschaft, Ödgartenwirtschaft, Gebirgsfeldgraswirtschaft, Graswechselfelderwirtschaft), die vornehmlich in den österreichischen und süddeutschen Alpengegenden eingehalten wird, besteht in der abwechselnden Benutzung reichgedüngter Wiesen (Wechselwiesen, Wechseläcker) zum Feldbau und zur Heugewinnung. Auf 2-, 3-, 4- und mehrjährige Grasnutzung folgt daher 1-, 2-, 3- bis 4jähriger Körnerbau. Wird das Grasland geweidet, so heißt die Wirtschaft: Driesch-, Dreesch-, Trieschwirtschaft. Die Egartenwirtschaft, bei der die Brache nicht vorkommt, ist in sehr graswüchsigen Gegenden am Platz. Eine verbesserte Form derselben ist die Feldgraswirtschaft mit Hackfruchtbau (verbesserte, neuere oder freie Egartenwirtschaft), bei welcher der ununterbrochene Körnerbau durch Einschaltung von Hackfrüchten, Bau von Lein verbessert wird.
b) Die Koppelwirtschaft (alte Koppelwirtschaft, Schlagwirtschaft) ist in Dänemark, in einzelnen Gegenden Englands und in den Marschgegenden des nordwestlichen Deutschland schon seit vielen Jahrhunderten bekannt, wurde 1783 (durch den Landdrost von der Lühe) in Mecklenburg eingeführt und verbreitete sich von dort, allerdings in mannigfach veränderter und verbesserter Form, in den kontinentalen Küstengegenden der Nord- und Ostsee. Bei diesem Betriebssystem wird in fest bestimmter Zeit und Reihenfolge ein Jahr Brache gehalten, n Jahre Getreide oder auch andre Gewächse gebaut und n Jahre das Land als Weide benutzt. Das ganze Land wird in Schläge eingeteilt. Der Graswuchs ist kein natürlicher wie bei der Egartenwirtschaft, sondern man sät in die Getreidefrucht, die der Weideperiode unmittelbar vorausgeht, Gräser, Klee oder sonstige Futterpflanzen ein. Der Name Koppelwirtschaft erklärt sich daher, daß in Holstein die einzelnen Schläge mit Gräben und Wällen, auf welch letztern lebendige Hecken, sogen. Knicks (s. Knick), sich befinden, umgeben waren, um die Weidetiere am Ausbrechen zu verhindern und zugleich vor dem heftigen Wind zu schützen, und daß man diese so eingefriedigten Schläge Koppeln nannte. Beispiele der Koppelwirtschaft sind die holsteinische, mecklenburgische, märkische Koppelwirtschaft. Bei der holsteinischen Koppelwirtschaft liegt der Schwerpunkt der Wirtschaft in der Rindviehhaltung teils zum Zweck der Mästung, teils und hauptsächlich zur Erzeugung von Molkereiprodukten. Die Zahl der Schläge schwankt zwischen 7 und 11. Übliche Fruchtfolgen sind z. B.: 1) Brache, 2) Weizen oder Roggen, 3) Gerste, 4) Hafer mit Klee und Gras, 5) Mäheklee, 6) u. 7) Weide, oder: 1) Brache, 2) Raps oder Rübsen, 3) Weizen oder Roggen, 4) Gerste, 5) Hafer mit Klee und Gras, 6) Mäheklee, 7) bis 9) Weide, oder: 1) Brache, 2) Raps, 3) Weizen, 4) Gerste, 5) Erbsen, 6) Roggen oder Weizen, 7) Hafer, 8) Hafer mit Klee und Gras, 9) Mäheklee, 10) u. 11) Weide. Bei der mecklenburgischen Koppelwirtschaft wird der Getreidebau mehr begünstigt, im übrigen ist die Zahl der Schläge, auch die Fruchtfolge auf den einzelnen Schlägen sehr verschieden. In neuerer Zeit richtet man bei der verbesserten Koppelwirtschaft die Fruchtfolge auch nach dem Prinzip des Fruchtwechselsystems ein, z. B. 1) Brache, 2) Rübsen, 3) Weizen, 4) 1/2 Runkelrüben, 1/2 Kartoffeln, 5) Roggen, 6) 1/2 Erbsen, 1/2 Grünwicken, 7) Sommergetreide mit Klee und Gras, 8) Mäheklee, 9) u. 10) Weide. Wesentlich ist diesem Betriebssystem der Weidegang des Nutzrindviehs und bei Schafhaltung auch der Schafe im Sommer. Eine Sommerstallfütterung kommt nur bei Zugtieren, namentlich Zugpferden, vor. Die geregelte Feldgraswirtschaft eignet sich, abgesehen von gebirgigen Gegenden, wo Klima und Boden sie auch für kleinere Güter bedingen, nur für große Güter, weil sie eine größere Zahl von Schlägen erfordert und diese nicht so klein sein dürfen, daß die Beweidung schwierig wird. Daher kommt es, daß sie als verbesserte Koppelwirtschaft auf rationell bewirtschafteten großen Gütern im nordöstlichen Deutschland das herrschende Betriebssystem ist.
4) Die Felder- oder Körnerwirtschaft. Bei diesem Betriebssystem ist der landwirtschaftliche Boden streng und dauernd getrennt in Ackerland und Grasland. Das Ackerland wird in möglichst gleichgroße Teile, Felder (Fluren, Zelgen), geschieden. Die Zahl der Felder kann verschieden sein, 1, 2, 3, 4, 5 und mehr (Ein-, Zwei-, Drei-, Vier-, Fünf- etc. Felderwirtschaft), in der Regel ist sie drei. Mit Ausnahme der Einfelderwirtschaft (Erzkörnerwirtschaft), bei der auf dem einen Felde Jahr für Jahr dieselbe Körnerfrucht gebaut wird, z. B. in Südtirol Mais, in Griechenland Wintergerste, in Hannover Roggen, wird auf einem Feld stets Brache gehalten, die andern mit dem Pflug bearbeitet und ausschließlich mit Körnerfrüchten (Halmfrüchten, Getreide) bestellt. Nach der Bearbeitung, resp. Benutzung des Brachlandes unterscheidet man die reine Felderwirtschaft und die verbesserte Felderwirtschaft oder Felderwirtschaft mit besömmerter (»eingebauter«) Brache. Bei der reinen Dreifelderwirtschaft (Dreifelderwirtschaft schlechthin), die in Deutschland (auch in vielen andern europäischen Ländern) seit dem Mittelalter bis zum Anfang des 19. Jahrh. das verbreitetste, vielfach ausschließlich übliche Betriebssystem war, ist in regelmäßigem Turnus 1/3 des Ackerlandes Brachfeld, 1/3 mit Wintergetreide (Winterfeld), 1/3 mit Sommergetreide (Gerste, Hafer etc.; Sommerfeld) bestellt. Futterkräuter und Hackfrüchte werden auf dem Ackerland nicht gebaut; das Viehfutter liefern, mit Ausnahme des Hafers, lediglich die ständigen Grasweiden und Wiesen, die Rindviehhaltung ist daher von dem Ertrag derselben abhängig. Ein Dritteil des Ackerlandes bleibt für die Pflanzenproduktion unbenutzt, dieses ist daher ein extensives System, das wenig Arbeit und Kapital erfordert. Die Nachteile der reinen Dreifelderwirtschaft, die hauptsächlich auf einer unvollständigen Ausnutzung des Bodens, auf einer Verringerung der Bodenfruchtbarkeit und einer Verschlechterung des Rindviehstandes beruhen und in früherer Zeit durch das Recht der gemeinsamen Brach- und Stoppelweide (Flurzwang) erhöht wurden, werden durch die heute noch sehr verbreitete verbesserte Dreifelderwirtschaft vermindert. Diese besteht darin, daß das bisherige Brachfeld ganz oder teilweise mit Früchten, die nicht zu den Getreidearten gehören, z. B. mit Klee, Kartoffeln, Rüben, Hülsenfrüchten etc., bebaut wird. Die Vorzüge dieses Betriebssystems vor der reinen Dreifelderwirtschaft sind: es wird eine erheblich höhere Gesamtproduktion erzielt; der Anbau von Viehfutter gestattet mehr Vieh zu halten und dieses besser zu nähren; die Viehhaltung wird unabhängiger von der vorhandenen Fläche an Wiesen und Weiden, und auch die Sommerstallfütterung des Rindviehs wird ermöglicht; die reichlichere Fütterung bewirkt eine reichlichere Düngerproduktion, und dies wirkt wieder günstig auf die Erhaltung der Fruchtbarkeit des Ackerlandes ein; endlich können durch den Anbau von Hackfrüchten die Arbeitskräfte gleichmäßiger während des ganzen Sommers beschäftigt werden. Nachteile sind: der Körnerbau überwiegt noch zu sehr; dadurch, daß stets zwei Halmfrüchte aufeinander folgen, werden die chemischen wie physikalischen Eigenschaften des Bodens ungünstig beeinflußt; für den Futterbau bleibt zu wenig Land übrig. Bleibt ein Teil des Brachfeldes unangebaut, weil die reine Brache wegen zu starker Verunkrautung und schwieriger Bodenbeschaffenheit oder auch mit Rücksicht auf den Rapsbau nicht zu entbehren ist, und wird nun dieser Teil viel energischer behandelt (Umbrechen der Stoppel schon im Herbst, vier- bis fünfmaliges Pflügen), so spricht man von Felderwirtschaft mit schwarzer Brache.
5) Die Fruchtwechselwirtschaft ist dasjenige Betriebssystem, bei dem das Ackerland in regelmäßigem Wechsel das eine Jahr mit einer Halmfrucht, das andre Jahr mit einer Blattfrucht bestellt wird (allenfalls nur am Ende der Rotation zwei Halmfrüchte aufeinander folgen), aber nie mehr als die Hälfte der gesamten Ackerfläche Halmfrüchte trägt. Arten von Fruchtwechselwirtschaft sind längst vereinzelt in Übung gewesen; am bekanntesten ist von diesen die im 18. Jahrh. in England, in der Grafschaft Norfolk, eingeführte sogen. Norfolker Fruchtwechselwirtschaft: 1) Wintergetreide, 2) Wurzelgewächse, 3) Sommergetreide, 4) Klee. Aber erst seitdem A. Thaer dem System die praktische und wissenschaftliche Begründung gegeben, fand dasselbe in Deutschland und in den übrigen Kulturländern seine große Verbreitung. Die Fruchtwechselwirtschaft stellt erhöhte Ansprüche an den Bodennährstoffvorrat, zieht jedoch durch den Wechsel von Getreide und Nichtgetreide oder von Halmpflanzen und Blattpflanzen und von flach- und tiefwurzelnden Pflanzen verschiedene Bodenschichten zur Pflanzenernährung heran und verbessert die physikalische Beschaffenheit des Bodens. Durch eine passende Auswahl und Folge der Halm-, Blatt- und Wurzelgewächse läßt sich daher in Verbindung mit einer zweckmäßigen (allenfalls künstlichen) Düngung nicht nur die Brache völlig beseitigen, jedenfalls erheblich einschränken, sondern es kann auch ohne Grasland eine Wirtschaft mit starkem Viehstand bestehen. Alles Ackerland ist unter dem Pflug, das Vieh wird auch im Sommer im Stall gefüttert. Das System ist ein intensives, es erfordert ein viel größeres Kapital und viel mehr Arbeitskräfte als die bisher erwähnten. Die Vorzüge der Fruchtwechselwirtschaft sind: sie ermöglicht die vollständige und gleichmäßige Ausnutzung der Ackerkrume und des Untergrundes; sie hält den Boden locker, unkrautfrei und verlangsamt die Zersetzung des Humus; man kann den Pflanzenbau im einzelnen den Verhältnissen des Bodens, Klimas, Absatzes etc. anpassen, insbes. auch den Futterbau einrichten nach Maßgabe einerseits der vorhandenen natürlichen ständigen Futterflächen, anderseits des Bedarfs für die rationelle Viehhaltung; sie gestattet die Einführung der Sommerstallfütterung des Rindviehs, die reichliche Produktion von Winterfutter und erhöht dadurch die Stalldüngermengen; sie vermag durch den Anbau mannigfaltiger Gewächse eine annähernd gleiche Verteilung des Bedarfs an menschlichen und tierischen Arbeitskräften auf den ganzen Sommer herbeizuführen. Die Fruchtwechselwirtschaft liefert einen größern Rohertrag als die Betriebssysteme 1–4, aber nicht immer auch einen größern Reinertrag; sie ist nur unter bestimmten Voraussetzungen rationell anwendbar. Es müssen hinreichend Arbeitskräfte und Kapital zur Verfügung stehen, der Absatz leicht und gesichert, dabei die Preise der landwirtschaftlichen Produkte hohe sein. Sie erfordert ferner einen guten oder mindestens mittelguten Boden und günstige klimatische Verhältnisse, damit für eine zweckmäßige Fruchtfolge die genügende Auswahl möglich ist. Auch an die landwirtschaftliche Bildung des Wirtschaftsdirigenten stellt sie höhere Anforderungen. Daher die Erscheinung, daß in Mittel-, West- und Süddeutschland die Fruchtwechselwirtschaft ihre hauptsächlichste Verbreitung in den tiefer gelegenen Distrikten hat, während in den höher gelegenen die Feldgraswirtschaft, bez. die verbesserte Felderwirtschaft vorherrscht, und daß im nördlichen, insbes. im nordöstlichen Deutschland die Fruchtwechselwirtschaft nur in besonders bevorzugten Lagen, namentlich in der Nähe großer Städte, vorkommt.
6) Die freie Wirtschaft. Bei diesem Betriebssystem wird von der Innehaltung eines bestimmten Wirtschaftssystems und namentlich einer festen Fruchtfolge abgesehen, dagegen ein bestimmtes Markt- und Futterpflanzenverhältnis festgehalten. Entfällt selbst dieser Zwang, so spricht man von Spekulationswirtschaft. Beide Betriebssysteme sind nicht zu verwechseln mit der regellosen, sogen. freien Wirtschaft unverständiger oder nachlässiger Personen. Der Wirtschaftsplan wird immer nur für ein Jahr entworfen. Man produziert auf dem Ackerland diejenigen Produkte, die nach den jeweiligen Marktverhältnissen (Absatz, Preis) und nach den individuellen Produktionsverhältnissen der Gutswirtschaft (Bodenbeschaffenheit, Witterungsverhältnisse, Kapital, Arbeitskräfte, Intelligenz des Dirigenten etc.) als die rentabelsten erscheinen. Im ganzen kommt die freie und Spekulationswirtschaft verhältnismäßig nur selten vor. Wegen des großen Risikos ist sie noch am ehesten bei Eigenwirtschaften und auf kleinern Flächen durchführbar. Ihre vollkommenste Ausbildung erreichte sie in der Nähe von Handelsstädten als Feldgemüse- und Handelsgärtnerei. Vgl. Ruths, Das Wesen und die Bedeutung der freien Wirtschaft (Darmst. 1899); Kulisz, Die freie Wirtschaft (Leipz. 1879).
7) Die viehlose Wirtschaft. Ackerbau ohne Vieh (richtiger nutzviehlose Wirtschaft) geht noch weiter als die freie oder Spekulationswirtschaft, indem sich jene nicht nur von einer regelmäßigen Aufeinanderfolge der angebauten Pflanzen, sondern auch von der organischen Vereinigung der Pflanzenproduktion von der Tierproduktion absieht. Je nachdem diese Ungebundenheit verschieden weit geht, entsteht nach Krafft:
a) Die viehschwache Wirtschaft, als Übergangsform von den gebundenen oder den freien Wirtschaftssystemen zu der viehlosen Wirtschaft. Sie unterscheidet sich von ersterm nur durch möglichste Verminderung des Nutzviehstandes, während die Höhe des Zugviehstandes meist keine Beschränkung erfährt. b) Die viehlose Wirtschaft mit Stallmistdüngung eignet sich für solche wirtschaftliche Lagen, wo der Ankauf des Stallmistes billiger als die Selbstgewinnung zu stehen kommt, wie dies in der Umgegend volkreicher Städte und bei billigen Transportmöglichkeiten zutrifft, und wo für die marktlosen Wirtschaftsprodukte, die Kartoffeln, Rüben, Stroh, Spreu, Heu u. dgl., loko Wirtschaftshof auf einen guten und dauernden Absatz zu rechnen ist. Der Viehstand beschränkt sich nur auf die Ausstellung der notwendigen Gespanne, die jedoch auch durch gemietete Gespanne oder durch Ackerbestellung mit Dampfkulturgeräten ersetzt werden können. c) Die vieh- und stalldüngerlose Wirtschaft wird ausschließlich mit Kunstdünger durchgeführt, daher ohne Zufuhr von organischer Substanz. Diese Wirtschaftsweise kann noch am ehesten auf Sandboden, schwieriger auf Lehm- und Tonboden eingehalten werden; sie hat jedoch unzweifelhaft eine Verschlechterung der physikalischen Bodeneigenschaften zur Folge, die allerdings unter gewissen Voraussetzungen durch Kalkdüngung aufgehoben werden kann. d) Die viehlose Wirtschaft mit ausschließlicher Gründüngung, die Gründüngungswirtschaft führt die mangelnde organische Substanz dem Ackerlande durch die Aussaat von stickstoffsammelnden Gewächsen und durch untergepflügte Gründüngungspflanzen (Lupinen, Serradella, Wicke, Sandwicke, weniger häufig Ölrettich, Senf, dann Inkarnatklee, Wundklee etc.) zu. Sie paßt für die meisten Bodenarten, und namentlich für abseits gelegene Außenfelder. Die Gründüngung kann übrigens auch bei gebundenen Wirtschaftssystemen (System Schultz-Lupitz) oder bei viehschwacher Wirtschaft eingehalten werden. Vgl. Krafft, Betriebslehre (7. Aufl., Berl. 1904); Arndt, Gründüngung und System Schultz-Lupitz auf Lehmboden (das. 1890); Küster, Lohnender Ackerbau ohne Vieh (2. Aufl., das. 1889); Märcker, Stallmist oder Kunstdünger (das. 1890); Schultz-Lupitz, Kalidüngung auf leichtem Boden (4. Aufl., das. 1890); Dehlinger, Viehlose Gründüngungswirtschaft (2. Aufl., das. 1894).
8) Die Nebenrotationen (Nebenfeld). Ist die gesamte Feldfläche zur Erreichung eines bestimmten Produktionszweckes nicht verwendbar, so wird von der Hauptrotation ein Teil als Nebenrotation ausgeschieden: a) das Futterfeld (Wechselschlag, Springschlag, Exzisionsfeld) dient zum Anbau ausdauernder Futterpflanzen, Luzerne, Esparsette, besonders wenn nicht alle Felder kleefähig sind. Der Springschlag wird aus der allgemeinen Fruchtfolge ausgeschieden und wenn die Luzerne etc. nach 4–6 Jahren lückenhaft wird, wieder in diese einbezogen, dagegen ein andrer luzernfähiger Schlag mit Luzerne etc. bestellt. b) Das selbständige Futterfeld (Hauskoppel, Nebenkoppel) dient zumeist zur Deckung des Grünfutterbedarfs auf geeigneten, reichlich gedüngten Feldern in der Nähe des Hofes. Es wird in zwei oder vier Wechselschläge geteilt, von denen die eine Hälfte ausdauernden Klee, die andre einjährige Futterpflanzen, auch Hackfrüchte, trägt. c) Die Industriewirtschaft oder die Wirtschaft mit technischen Nebengewerben (Brennereiwirtschaft, Zuckerfabrikswirtschaft, Leinwirtschaft, Hauswirtschaft etc.) wird auf geeigneten Feldern, zur Vermeidung von Transportkosten möglichst in der Nähe der Fabrik eingerichtet, um ein Maximum von Handels- oder Fabrikpflanzen unter Zuhilfenahme erhöhten Kapitals- und Arbeitsaufwands für Tiefkultur, Düngung etc. zu gewinnen. Auf Industriewirtschaften werden z. B. dem Anbau der Zuckerrübe 33–66 Proz., der Kartoffel 22–40 Proz., der Zichorie 36 Proz., dem Lein, dem Hanf 11 Proz. der Fläche gewidmet. Besondere Formen der Betriebssysteme sind schließlich der Doppelfruchtbau, und zwar als Zwischenfruchtbau (s. d.) und Stoppelfruchtbau (s. d.), sowie der Einbau (s. d.). Vgl. Hanssen, Zur Geschichte der Feldsysteme in Deutschland (in den »Agrarhistorischen Abhandlungen«, Leipz. 1880); Kulisz, Theorie und Praxis der Fruchtfolgen (Berl. 1905); Eggers, Praktische Fruchtfolgen (das. 1905), und die Literatur bei Art. »Landwirtschaftliche Betriebslehre« (S. 139).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.