Bewässerung

Bewässerung

Bewässerung, die künstliche Zuführung des zum Gedeihen der Pflanzen auf Äckern, Wiesen und in Gärten nötigen Wassers. In gemäßigten Klimaten werden meist nur Gärten und Wiesen bewässert, selten Acker. Nur wo Spüljauche, Abwasser großer Städte, zur Verfügung steht, benutzt man dies zur B. des Ackers, wogegen in den Tropenländern der Feldbau nur bei Zuführung von Wasser möglich ist. Nördlich und südlich vom Äquator liegt die Zone der bloßen B., die gewöhnlich allein genügt, um dauernde gute Ernten zu erhalten; ihr folgen die Zonen mit Düngung und B., dieser in unsern Klimaten die mit Düngung und Entwässerung für die Felder und Düngung und B. für die Wiesen. Die ältesten Anlagen zur B. der Felder finden sich in Indien, am Euphrat, in Syrien und Ägypten. Die Ägypter machten den mit den Nilüberschwemmungen ihnen jährlich gebotenen Dungstoff für ihre Felder nutzbar. Sie sammelten das Wasser in Bassins und leiteten es von da aus weiter, z. T. schon mittels Schöpfwerke auf höher liegende Flächen. Die Griechen entnahmen die Wässerungsanlagen den Ägyptern. Die Römer bauten großartige Wasserleitungen (s. Aquädukt), Teiche und Seen. Am entwickeltsten war die B. bei den Mauren, deren mächtige Wasserbauten in Spanien noch heute erkennbar, in einzelnen Gegenden sogar noch betriebsfähig sind. Die Mauren teilten die Provinzen in Bewässerungsbezirke, denen das Wasser durch Aufstauung der Gebirgsbäche und Flüsse mittels Sperrmauern und Wehre für den Sommer gesichert wurde. Aus den Reservoirs führten Hauptkanäle das Wasser den zu bewässernden Flächen zu. Jeder Besitzer hatte gegen einen gewissen Betrag das Recht, seine Schütze eine oder mehrere Stunden des Tages offen zu halten. Diese Einrichtung besteht jetzt noch in manchen Provinzen Spaniens und schützt die Felder selbst in den trockensten Jahren vor Wassermangel. Aus der maurischen Zeit stammt auch die Erbohrung von artesischen Brunnen, die in Algerien zur B. und Schaffung von Oasen verwendet wurden. Das gleiche Verfahren wird noch heute in Algerien in Anwendung gebracht.

Im Mittelalter entstand in Oberitalien eine vorzügliche Bewässerungseinrichtung mit hoch über den Feldern hingeleiteten Fluß- und Kanalrinnen und unzähligen Zuleitungen. Die Mönche von Chiaravalle besaßen schon im 11. Jahrh. ein vollkommenes System auf ihren Grundstücken, sie bewässerten 8000 Hektar Wiesen und verkauften ihren Überfluß an Wasser. 1216 erschien in Mailand eine Sammlung der Verordnungen über die Leitung und Benutzung des Wassers, die später vervollständigt wurde und zur Grundlage der noch heute gültigen Gesetzgebung von 1747 diente. Großartige Bewässerungskanäle durchziehen ganz Oberitalien, die bedeutendsten sind die von Muzza, Triviglio, Muntesana, Pavia, der Naviglio grande bei Mailand und der Cavourkanal zwischen Po und Ticino. Man unterscheidet trockne Wiesen, nur im Gebirge, bewässerte Wiesen, mit B. vom 25. März bis 8. Sept., und die Winterwiese (prato marcitorio, ital., spr. martschi-), die das ganze Jahr über bewässert wird und zwar zumeist mit Quellwasser, dessen Temperatur im Winter wärmer als Luft und Boden ist. So wird es möglich, die Kühe auch in den Wintermonaten mit Grünfutter zu ernähren, was für die in der Lombardei so ertragreiche Käsefabrikation von Wichtigkeit ist. Der Ertrag der Wiesen an Trockenfutter steigt bis 200 dz für das Jahr auf den besten Wiesen, durchschnittlich bis zu 125 dz für das Hektar. Wechselwiesen dienen zeitweise dem Kornanbau; diese und die Winterwiesen werden jährlich gedüngt. – Aus England wird der Rieselungswiesen in Wiltshire als der ältesten gedacht, 1690–1700 etwa 15–20,000 Acres umfassend und unter Aussicht eines Wässerungsvorstandes gestellt. 1743 legte R. Jennings bei Howden York die ersten Überschlämmungswiesen an.

Aus Deutschland datieren als die ersten Kunstbauten die etwa um 1750 vom Bürgermeister Dresler angelegten Rückenbauten im Siegenschen. 1765 gab Bertrand, Pfarrer zu Orbe, ein Werk: »Die Kunst, die Wiesen zu bewässern«, heraus, versehen mit vollständigen Plänen über Hangbauten. Zu Anfang des 19. Jahrh. fand mit der Begründung der rationellen Landwirtschaft auch der Wiesenbau mehr Beachtung. Es gingen jedoch damals die Ansichten über das Wesen der Wiesenbewässerung weit auseinander. Man glaubte, die Hauptaufgabe des Wiesenbaues sei, der Wiese möglichst viel Wasser zuzuführen, und Vincent lehrte z. B., daß in Norddeutschland auf Hektar und Sekunde im Mittel 90 Lit. Wasser erforderlich seien. Andre Techniker, wie z. B. Dünkelberg, halten im Durchschnitt 35 L. für angemessen. Man führte massenhaft Wasser zu und schuf nicht selten wahre Sümpfe, jetzt reguliert man den Zufluß und nach Maßgabe desselben auch den Abfluß weit sorgsamer. Früher hielt man auf reichlich bewässerten Wiesen die Düngung für entbehrlich, jetzt düngt man selbst da, wo reichlich Wasser vorhanden ist, sobald man nicht imstande ist, die Wiese schwarz zu wässern, d. h. ihr so viel Schlamm durch das Wasser zuzuführen, daß man der Düngung entbehren kann. Soll das Wasser nur zur Anfeuchtung dienen, so genügt selbst in südlichen Ländern 1 Lit. für das Hektar in der Stunde, soll mit dem Wasser durch Absatz der Sinkstoffe auch eine düngende Wirkung erzielt werden, so wendet man 30 L. u. mehr an. Die Güte des Wassers ist abhängig von seinem Reichtum an Nährstoffen und von der Temperatur. Quellwasser ist häufig zu kalt und zu arm, wird aber durch längere Leitung nach beiden Richtungen hin verbessert. Das Wasser der Bäche und Flüsse ist um so besser, je länger deren Lauf war, und je mehr sie Ortschaften und reich gedüngte Äcker berührten. Schädlich ist das Wasser aus Torfstichen und Sümpfen, besonders aber das aus Fabriken, Pochwerken und Wäschereien, wenn es nachteilige Substanzen aufgenommen hat. Das aus Waldungen kommende Wasser ist meistens arm an Nährstoffen, da es diese im Durchsickern durch die Humusschicht verloren hat, und nicht selten reich an schädlicher Gerbsäure u. dgl. Längere Leitung (Erwärmung) und Einwerfen von Dungstoffen können zu kaltes und zu armes Wasser verbessern.

Bewässerungssysteme.

Nach der Art der Benutzung und der Zuführung des Wassers (unterirdisch, oberirdisch oder auf beiden Wegen) unterscheidet man verschiedene Systeme, die je nach den örtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen anwendbar sind und oft in dem nämlichen Bewässerungsgebiet vereinigt werden.

1) Die Anstauungsbewässerung bewirkt nur eine unterirdische Anfeuchtung durch Absperren offener Entwässerungsgräben (Einstauung, Grabenstaubau) oder durch Ziehen von Furchen mit dem Häufelpflug, in deren Wände das eingelassene Wasser sich allmählich hineinzieht (Furchenbewässerung, System St. Paul). Letztere Methode wird in südlichen Ländern vornehmlich zur Feldbewässerung, in nördlichen bei B. mit städtischem Kanalwasser und auf den Bewässerungsfarmen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika angewendet.

2) Die Überstauung (Stauwiese) bezweckt das oberirdische Unterwassersetzen einer Wiesenfläche zum Zweck der Ablagerung des Schlicks und der Durchtränkung des Bodens. Man umgibt die ganze Fläche mit Dämmen und Gräben und leitet das Wasser nach Sperrung aller Abflüsse bis zur gewünschten Standhöhe (20–30 cm), aber nicht länger als drei Tage, darauf und abteilungsweise oder auf einmal im ganzen. Notwendig sind hierzu möglichst ebene Flächen und so wirksame Ableitung, daß die Abtrocknung schnell erfolgen kann, wünschenswert ein an Pflanzennährstoffen reiches Wasser. Auf vielen Wiesen bewirkt der angrenzende Strom bei Hochflut die Überstauung, und dann ist für rechtzeitige Ableitung zu sorgen. Bei der in Hannover auf ausgedehnten Bewässerungsflächen üblichen Stauberieselung wird das angestaute Wasser durch entsprechende Einstellung der Zu- und Ablaßschleusen in stetigem, langsamem Fließen erhalten. Die Überstauung erfordert weniger Wasser als die Rieselung, gestattet, die Dungstoffe gleichmäßig zu verteilen, die Krume durch Aufschwemmung zu verbessern, eignet sich jedoch nur für Flächen mit unter 0,15 Proz. Gefälle, nicht für bindigen Boden und gibt leicht bei unrichtiger Ausführung Veranlassung zur Bildung von Sumpfstellen. Außerdem läßt sich gerade im Hochsommer, also in der Zeit, in der den Pflanzen die Erfrischung am notwendigsten ist, das Wässern wegen zu niedrigen Wasserstandes im Bach oder Fluß nicht anwenden.

3) Bei der Rieselung (Überrieselung) leitet man während der B. einen stetig fließenden Wasserstrom über die Oberfläche der Wiesen. Man unterscheidet natürliche und künstliche Rieselung (natürlichen und künstlichen Wiesenbau), weiter Hangbau und Rückenbau. Der natürliche Hangbau ist überall am Platze, wo eine Fläche mehr als 2 Proz. Gefälle besitzt. Vom Hauptzuleitungsgraben, der das Wasser der Wiese zuführt, verteilt man es in horizontalen Rieselrinnen (Horizontalrinnen, Überschlagsrinnen, Grippen), denen durch Zubringer das Wasser aus dem Hauptzuleitungsgraben zugeführt wird. Am tiefsten Punkte der Wiese leitet eine Entwässerungsrinne das Wasser in den Abzugsgraben. Bei weniger als 2 Proz. Gefälle wendet man meist den Rückenbau und zwar in der Form des Kunstbaues an. Beim Kunstwiesenbau nimmt man einen Umbau der Wiesenfläche vor und wandelt sie nach gehörigem Nivellement durch ein vollkommenes Netz von Zu- und Ableitungsgräben, Sammel- und Verteilungsrinnen mit Wehren, Schleusen u. dgl. in eine oder mehrere Rieselflächen um, während beim natürlichen Wiesenbau die Wässerung (Rieselung) den Terrainverhältnissen angepaßt wird. Beim Rückenbau werden, rechtwinkelig auf die Zuleitungsgräben, Beete in bestimmter Breite angelegt, auf deren Rücken die von den Zuleitungen gespeisten Rieselrinnen eingeschnitten werden, und zwischen denen an den tiefsten Stellen Entwässerungsrinnen angebracht sind. Das aus diesen abfließende Wasser gelangt in parallel gezogene Ableitungsgräben, die das Wasser an die Rückenrinnen unterhalb abgeben oder auch in einen größern Ableitungsgraben führen. Solchergestalt kann das Wasser nochmals benutzt werden, oder man führt es jeder Abteilung durch besondern Zufluß frisch aus dem Hauptzufluß zu und von jeder direkt ab. Werden mehrere Bewässerungstafeln in verschiedener Höhenlage angeordnet, so führt dieses System den Namen Etagenbau. Zum Kunstwiesenbau gehört neben sorgsamst geregeltem Zu- und Abfluß die Planierung und Bildung einer neuen Grasnarbe, sei es durch Wiederauslegen des vorher abgeschälten Rasens oder durch Anfaat. Das System verursacht zwar den höchsten Kostenaufwand (1 Hektar Rückenbau 450–1200 Mark) und sehr sorgsame Unterhaltung aller Anlagen (Anstellung besonderer Wiesenwärter), gewährt aber auch bei guter Ausführung die höchsten Roherträge. Schmale Rücken erfordern das meiste Wasser, breite Rücken etwas weniger Wasser und geringeres Flächengefälle. Der vielen Gräben wegen ist die Bewirtschaftung solcher Kunstwiesen etwas teuer, die richtige Anlegung von Wegen erleichtert die Abfuhr. In neuerer Zeit findet der Kunstwiesenbau weniger Anwendung als früher; man gibt zumeist dem natürlichen Hang- und Rückenbau mit einem dem natürlichen Gefälle angepaßten Lauf der Gräben (rationelles Wiesenbausystem, angedeutet er Rückenbau, Schlangenbewässerung) des geringern Kostenaufwandes wegen den Vorzug.

4) Das Petersensche Wiesenbausystem (Drainbewässerung), erfunden von Petersen in Wittkiel bei Kappeln in Schleswig-Holstein, ist nur bei drainagebedürftigem, d. h. an stauender Nässe leidendem und im Hange berieselbarem Boden zweckmäßig ausführbar. Es beruht hauptsächlich auf Vereinigung eines Hangbaues mit einer Röhrendrainage, wobei die Rieselrinnen mit den Sammeldrains zur ober- oder unterirdischen Zu- oder Ableitung des Wassers mit Schließapparaten (Tageröhren) mit Ventilen in Verbindung gebracht werden können. Abwechselnd mit Oberflächenbewässerung kann durch Sperren oder Offnen der Ventile eine gründliche unterirdische Durchtränkung des Bodens oder ein schneller Abfluß des Wassers und Einführung der Luft bis tief in den Boden hinein herbeigeführt werden.

Bei drainierten Rieselwiesen mit Röhrenbewässerung wird das durch Drainage von Ackerflächen gewonnene Wasser durch den Sammeldrain in das offene Bewässerungsgrabennetz einer tiefer gelegenen, ebenfalls drainierten Rieselwiese, also mit natürlichem Druck, eingeleitet und zur B. verwendet. Besonders kommt das bei Gebirgshangwiesen mit stark bündigem Boden vor. Drainierte Rieselwiesen können auch in ebenerem Terrain mit Flußwasser berieselt werden.

Die speziellen Kosten für 1 Hektar für die Herstellung der Bewässerungseinrichtungen ergeben für die verschiedenen Systeme, abgesehen von den sogen. allgemeinen Kosten, d. h. für die Herstellung größerer Bauten, wie größere Stauwerke, Kanäle, Brücken, folgende mittlere Zahlen in Mark:

Tabelle

Die B. im Herbst und Frühjahr, hauptsächlich erstere, ist besonders als düngende Wässerung (deutsche Bewässerungsmethode, Fettrieseln) anzusehen, weil in dieser Zeit das Wasser die meisten Schlammteile mit sich führt und ablagert. Die B. des Vorsommers (auflösende B.) löst im Beginn der Vegetation den im Herbst niedergelagerten Schlamm auf und macht ihn den Wiesenpflanzen zugänglich. Überdies dient die Frühjahrsbewässerung zur Regulierung der Temperatur, namentlich um bei eintretenden Nachtfrösten Schäden für die Vegetation fern zu halten. Die B. des Sommers ist als die anfeuchtende (italienische Bewässerungsmethode, Arrosage simple) anzusehen. Das Rieseljahr beginnt bei der Wiesenbewässerung sogleich nach der Grumternte. Sehr ausgedehnte Bewässerungen sind in den letzten Jahrzehnten namentlich auf den Bewässerungssarmen in Kalifornien, in Ägypten und Australien hergestellt worden. Vgl. Nadault de Buffon, Hydraulique agricole (Par. 1862, 2 Bde.); Hervé Mangon, Expériences sur I'emploi des eaux dans les irrigations (das. 1863); Villeroy und Müller, Manuel des irrigations (2. Aufl., das. 1867); Vincent, Der rationelle Wiesenbau (3. Aufl., Leipz. 1870); Derselbe, B. und Entwässerung der Äcker und Wiesen (3. Aufl., Berl. 1890); Heß, Die Bewässerungsanlagen Oberitaliens (Hannov. 1874); Dünkelberg, Der Wiesenbau (3. Aufl., Braunschw. 1894); Llauradó, Tratado de aguas y riegos (Madr. 1878); Fuchs, Der Petersensche Wiesenbau (Berl. 1889); Perels, Handbuch des landwirtschaftlichen Wasserbaus (2. Aufl., das. 1884); Ronna, Les irrigations (Par. 1889–90, 3 Bde.); Heß, Fortschritte im Meliorationswesen (Leipz. 1892); König, Pflege der Wiesen (Berl. 1893); Assmann, Die B. und Entwässerung von Grundstücken im Anschluß an öffentliche Anlagen dieser Art (Münch. 1893); T. Müller, Die amerikanische Bewässerungswirtschaft (Berl. 1894); Friedrich, Kulturtechnischer Wasserbau (das. 1897) u. die Literatur unter Kulturtechnik.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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